Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Ermäßigter Steuersatz für Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 864, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 31. August 2015 – III C 2 – S-7100 / 07 / 10031 :005 (2015/0747620) BStBl I S. xxx geändert worden ist, in Abschnitt 12.8 Abs. 2 wie folgt gefasst:

„(2) 1Als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller gelten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, die auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbracht werden (§ 30 UStDV). 2Begünstigt sind tätigkeits- und nicht personenbezogene Leistungen, die voraussetzen, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d. h. ortsungebunden ausgeführten schaustellerischen Leistung beruht (vgl. BFH-Urteil vom 25. 11. 1993, V R 59/91, BStBl 1994 II S. 336). 3Dabei reicht es aus, wenn diese Leistungen vom Unternehmer im eigenen Namen mit Hilfe seiner Arbeitnehmer oder sonstiger Erfüllungsgehilfen (z.B. engagierte Schaustellergruppen) an die Besucher der Veranstaltungen ausgeführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. 7. 2002, V R 89/01, BStBl 2004 II S. 88). 4Unter die Steuerermäßigung fällt auch die Gewährung von Eintrittsberechtigungen zu Stadt- oder Dorffesten, die nur einmal jährlich durchgeführt werden und bei denen die schaustellerischen Leistungen ausschließlich mit Hilfe von sonstigen Erfüllungsgehilfen erbracht werden. 5Ähnliche Veranstaltungen können auch durch den Schausteller selbst organisierte und unter seiner Regie stattfindende Eigenveranstaltungen sein (vgl. BFH-Urteil vom 25. 11. 1993, V R 59/91, a.a.O.). 6Ortsgebundene Schaustellungsunternehmen – z.B. Märchenwaldunternehmen, Vergnügungsparks – sind mit ihren Leistungen nicht begünstigt (vgl. BFH-Urteile vom 22. 10. 1970, V R 67/70, BStBl 1971 II S. 37, vom 22. 6. 1972, V R 36/71, BStBl II S. 684, und vom 25. 11. 1993 a.a.O.). 7Zu den begünstigten Leistungen (§ 30 UStDV) gehören auch die Leistungen der Schau- und Belustigungsgeschäfte, der Fahrgeschäfte aller Art – Karussells, Schiffschaukeln, Achterbahnen usw. -, der Schießstände sowie die Ausspielungen. 8Nicht begünstigt sind Warenlieferungen, sofern sie nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG fallen, und Hilfsgeschäfte.“

Die Änderungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Hinsichtlich der in Abschnitt 12.8 Abs. 2 Satz 4 UStAE n. F. bezeichneten Leistungen wird es auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers nicht beanstandet, wenn der Unternehmer vor dem 1. Oktober 2015 ausgeführte Umsätze dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterwirft.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7241 / 15 / 10001 vom 04.09.2015

 

Bundesrat fördert Elektromobilität

Der Bundesrat verlangt daher, über die bereits bestehenden Vorteile für Elektroautos eine Steuerbefreiung für das von Arbeitgebern gewährte kostenfreie oder verbilligte Aufladen privater Elektroautos einzuführen. Damit könnten Anreize für die weitere Verbreitung der Elektromobilität in der Bevölkerung gesetzt werden. Bisher löse das kostenlose oder verbilligte Aufladen im Betrieb des Arbeitgebers einen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug aus, „der ein weiteres Hemmnis für die Attraktivität von Elektroautos darstellt“, argumentiert der Bundesrat. Denn der Abeitgeber müsse den Wert der Sachbezüge für die Besteuerung mit großem bürokratischen Aufwand ermitteln.

Zudem soll es eine Sonderabschreibung für Elektrofahrzeuge und Ladevorrichtungen im betrieblichen Bereich geben. Die Kosten der Maßnahmen gibt der Bundesrat für 2015 mit 35 Millionen Euro an. Sie sollen 2016 auf 120 Millionen Euro steigen.

Quelle: Deutscher Bundestag
Finanzen/Gesetzentwurf – 04.09.2015

Kommission fordert bessere Mehrwertsteuererhebung von den Mitgliedstaaten

Bei der Erhebung der Mehrwertsteuer konnten die Mitgliedstaaten keine signifikanten Verbesserungen erzielen. Das geht aus den neuesten Zahlen, die die Europäische Kommission heute veröffentlicht hat, hervor.

Die Mehrwertsteuer-Erhebungsdaten des Jahres 2013 zeigen, dass sich die Differenz zwischen den erwarteten MwSt-Einnahmen und dem tatsächlich erhobenen Betrag (die so genannte „Mehrwertsteuerlücke“) gegenüber 2012 nicht verbessert hat. In 15 Mitgliedstaaten, unter anderem in Lettland, Malta und der Slowakei, ist zwar eine Verbesserung erkennbar, doch haben sich die Zahlen in 11 Mitgliedstaaten, darunter Estland und Polen, verschlechtert.

In dem Bericht wird der entgangene Mehrwertsteuerbetrag für die EU insgesamt auf 168 Mrd. Euro geschätzt. Dies entspricht für die 26 erfassten Mitgliedstaaten einem Einnahmenverlust von 15,2 % und ist auf Betrug und Steuerhinterziehung, Steuerumgehung, Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit sowie Fehlkalkulationen zurückzuführen.

Hierzu sagte Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll: „Dieser wichtige Bericht macht erneut deutlich, dass bei sämtlichen Mehrwertsteuer-Erhebungssystemen in der EU noch immer Reformbedarf besteht. Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um auf allen Ebenen gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vorzugehen. Dies bleibt ein äußerst wichtiges Thema und steht ganz oben auf der Tagesordnung dieser Kommission.“

Der neue Bericht zur Mehrwertsteuerlücke enthält nicht nur detaillierte Angaben zur Differenz zwischen dem Mehrwertsteuerbetrag, der theoretisch einbringbar ist, und dem Mehrwertsteuerbetrag, der 2013 von den Mitgliedstaaten tatsächlich eingezogen wurde, sondern ermöglicht auch einzuschätzen, wie wirksam die Durchsetzungs- und Einhaltungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer sind. Des Weiteren werden die wichtigsten Trends bei der Mehrwertsteuererhebung aufgezeigt, und es wird analysiert, wie sich das Wirtschaftsklima und politische Entscheidungen auf die Mehrwertsteuer-Einnahmen ausgewirkt haben.

Im Jahr 2013 lagen die geschätzten Mehrwertsteuerlücken der Mitgliedstaaten zwischen 4 % (Finnland, Niederlande und Schweden) und 41 % (Rumänien).

Hintergrund
Der Bericht zur Mehrwertsteuerlücke wird von der Kommission als Teil ihrer Anstrengungen zur Reformierung des Mehrwertsteuer-Systems in Europa und zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung finanziert. Die Kommission hat bereits Leitaktionen festgelegt und eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Mitgliedstaaten entsprechend zu unterstützen.

Von wesentlicher Bedeutung sind hierfür in erster Linie ein härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung und eine strengere Durchsetzung auf nationaler Ebene. Im Rahmen der im Dezember 2011 begonnenen Mehrwertsteuer-Reform wurden bereits wichtige Instrumente zur Gewährleistung eines besseren Schutzes gegen Mehrwertsteuer-Betrug geschaffen, und durch den Schnellreaktionsmechanismus können die Mitgliedstaaten viel schneller und wirksamer auf unvermittelt auftretende Arten von schwerwiegendem Mehrwertsteuerbetrug reagieren. Des Weiteren unterstützt die Kommission das Eurofisc-Netzwerk, das mittels Austausch operativer Informationen die Kapazitäten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung grenzüberschreitender betrügerischer Netze stärken soll.

Zweitens hat die Kommission an der Vereinfachung der Steuersysteme gearbeitet, um den Steuerpflichtigen die Einhaltung der Vorschriften zu erleichtern. So traten im Jahr 2013 beispielsweise Maßnahmen in Kraft, die die elektronische Rechnungsstellung vereinfachen, sowie besondere Regelungen für kleine Unternehmen. Seit dem 1. Januar 2015 gibt es eine einzige Anlaufstelle (One Stop Shop), die es Unternehmen, die elektronische, Rundfunk- und Telekommunikationsdienstleistungen erbringen, ermöglicht, für ihre Tätigkeiten in der gesamten EU eine einzige Mehrwertsteuer-Erklärung abzugeben.

Schließlich müssen die Mitgliedstaaten zur Verringerung der Mehrwertsteuerlücke ihre nationalen Steuersysteme reformieren und ihre Verwaltungsbehörden modernisieren. Die Kommission hat Maßnahmen festgelegt, mit denen diese Ziele verwirklicht werden können, und ist bereit, die Mitgliedstaaten auf Antrag in technischen Fragen koordinierend zu unterstützen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 04.09.2015

 

Keine Änderungen am Mindestlohngesetz

Die Bundesregierung plant derzeit keine Änderungen am Mindestlohngesetz. Das schreibt sie in ihrer Antwort (18/5807) auf eine Kleine Anfrage (18/5691) der Fraktion Die Linke. Sie werde die Auswirkungen des Gesetzes jedoch kontinuierlich begleiten und die Regelungen zu den im Gesetz vorgesehenen Zeitpunkten evaluieren. Geplant sei aber eine klarstellende Definition der ehrenamtlichen Tätigkeit im Bürgerlichen Gesetzbuch, die sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes orientiere. Außerdem würden künftig die tragenden Grundsätze der Rechtsprechung zur Auftraggeberhaftung und der Auslegung des Unternehmerbegriffs im ArbeitnehmerEntsendegesetz auch bei den Kontrollen des Mindestlohngesetzes zugrunde gelegt, schreibt die Regierung.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 04.09.2015
hib-Nr. 434/2015

Unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns beeinträchtigt Nieder-lassungsfreiheit

Die unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns nach Maßgabe des Ortes der Niederlassung der Tochtergesellschaften verstößt gegen das Unionsrecht.

Eine solche unterschiedliche Behandlung beeinträchtigt ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit

Nach französischem Recht können die Dividendeneinkünfte einer Muttergesellschaft aus Beteiligungen, die sie an anderen Gesellschaften hält, von ihrem Nettogesamtgewinn abgezogen werden und sind somit vorbehaltlich eines Anteils von 5 % steuerbefreit, der den Ausgaben und Aufwendungen entspricht, die sich auf die Beteiligungen beziehen. Stammen die Dividenden jedoch von Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns, kann der Anteil für Ausgaben und Aufwendungen von dem Gewinn abgezogen werden, so dass die Dividenden letztlich keiner Steuer unterliegen. Da nur Gesellschaften mit Sitz in Frankreich einem solchen Steuerkonzern angehören können, schließt die in Rede stehende Regelung die Muttergesellschaften, die Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten halten, von der vollständigen Steuerbefreiung der bezogenen Dividenden aus. Stammen die Dividenden von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften, ist nämlich die Möglichkeit eines Abzugs des Anteils nicht vorgesehen, was zur Folge hat, dass die Dividenden in Höhe von 5 % besteuert bleiben.

Die Gesellschaft Steria, die zur Steria-Gruppe gehört, hält Beteiligungen an Tochtergesellschaften, die sowohl in Frankreich als auch in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind. Sie ist der Ansicht, dass die französische Regelung gegen die im Unionsrecht verankerte Niederlassungsfreiheit verstößt, da ihr der Abzug des Anteils für Ausgaben und Aufwendungen bei den von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden verweigert wird, während sie diesen Abzug vornehmen könnte, wenn die Tochtergesellschaften ihren Sitz in Frankreich hätten. Der Gerichtshof wird mit dieser Frage von der Cour administrative d’appel de Versailles befasst.

Mit Urteil vom 02.09.2015 ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die in Rede stehende französische Regelung die Muttergesellschaften benachteiligt, die in anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften halten, wodurch es für diese Gesellschaften weniger attraktiv werden kann, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, weil sie davon abgehalten werden, in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen.

Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass diese ungleiche Behandlung nur dann mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Situation der Gesellschaften eines steuerlichen Konzerns mit der Situation von Gesellschaften, die einem solchen Konzern nicht angehören, insofern vergleichbar ist, als in beiden Fällen die Muttergesellschaft die mit ihrer Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft verbundenen Ausgaben und Aufwendungen trägt.

Schließlich hält der Gerichtshof die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie das Erfordernis, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, für gerechtfertigt. Diese unterschiedliche Behandlung bezieht sich nämlich nur auf ausländische Dividenden, die von gebietsansässigen Muttergesellschaften bezogen werden, so dass die Steuerhoheit ein und desselben Mitgliedstaats betroffen ist. Ebenso wenig kann die Notwendigkeit, die Kohärenz des in Rede stehenden Steuersystems zu wahren, als zwingender Grund des Allgemeininteresses ins Treffen geführt werden, da die in Rede stehende französische Regelung für die Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns zu keinem steuerlichen Nachteil führt, der den ihr gewährten Steuervorteil (vollständige Steuerbefreiung für Dividenden) ausgleicht.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die durch die französische Regelung eingeführte unterschiedliche Behandlung nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 02.09.2015 zum Urteil C-386/14 vom 02.09.2015

 

Keine abschlagsfreie Rente mit 63 für Bestandsrentner

Rentner, die zum Stichtag der Einführung der neuen abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte am 01.06.2014 bereits eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, können nicht in die neue abschlagsfreie Rente wechseln. Dies hat der 6. Senat des Landessozialgerichts in einem am 03.09.2015 veröffentlichten Urteil entschieden.

Der Kläger bezog ab dem 01.01.2013 eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit mit Abschlägen aufgrund des Rentenbeginns vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Im Juli 2014 beantragte er einen Wechsel in die neu eingeführte abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte, weil er die Voraussetzungen erfülle. Dies lehnte der Rentenversicherungsträger ab, weil ein solcher Wechsel gesetzlich ausgeschlossen sei. Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Speyer blieb erfolglos. Auch die Berufung wurde zurückgewiesen. Ein Wechsel der Rentenart sei durch § 34 Abs. 4 SGB VI ausdrücklich ausgeschlossen. Es liege insoweit weder eine Regelungslücke für die neue Rentenart vor, noch bestehe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Bestandsrentnern. Der Gesetzgeber habe zu Recht eine Stichtagsregelung treffen dürfen, die nur neue Renten nach dem Stichtag betreffe.

Quelle: LSG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 03.09.2015 zum Urteil L 6 R 114/15 vom 12.08.2015

 

DStV: BMF geht Entkriminalisierung von Steuerpflichtigen an

Der zur Erörterung gestellte Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Berichtigungspflicht von Erklärungen gleicht einem historischen Moment. Seit rund 80 Jahren irrlichtert die gesetzliche Pflicht durch das hochkomplexe Steuerrecht, ohne dass der Finanzverwaltung bisher ein Erlass an die Hand gegeben wurde. Dies ist umso erstaunlicher, als die Pflicht sich auf dem schmalen, unsicheren Grat zwischen Steuerstraf- und Steuerverfahrensrecht bewegt und sie insbesondere in der Unternehmenspraxis zunehmend eine Kriminalisierung auslöst.

Der BMF-Diskussionsentwurf soll den Risiken in der Praxis erfreulicherweise entgegensteuern und enthält bereits einige wichtige sowie sinnvolle Punkte. Gemeinsam mit den Spitzenverbänden der deutschen gewerblichen Wirtschaft sieht der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) in der Stellungnahme S 11/15 aber noch weiteren Klarstellungsbedarf.

Praxisproblem: Berichtigung oder (unwirksame) Selbstanzeige?
Den Buchführungen in der Unternehmenspraxis liegen komplexe Beurteilungen einer Vielzahl von Einzelfällen zugrunde. Der Steuerpflichtige gibt beispielsweise aufgrund der Komplexität der Geschäftsvorfälle eine versehentlich fehlerhafte Umsatzsteuerjahreserklärung ab, aus der eine Steuerverkürzung folgt. Kurze Zeit später nach Abgabe der Erklärung erkennt er die Unrichtigkeit. Aufgrund der gesetzlichen Pflicht muss er sie unverzüglich gegenüber der Finanzverwaltung anzeigen und den Fehler berichtigen (§ 153 AO). Der Veranlagungsbeamte ist unsicher, ob mit der Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung eine Steuerhinterziehung begangen wurde. Um sich nicht selbst einer Strafvereitelung im Amt schuldig zu machen, reicht er den Sachverhalt an die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) weiter. Diese leitet ein Steuerstrafverfahren ein und prüft, ob die von ihr als Selbstanzeige erkannte steuerliche Berichtigung zur Strafbefreiung führt. Allein die strafrechtlichen Ermittlungen der BuStra belasten den Unternehmer. Zudem muss er das Risiko eines Strafprozesses fürchten. Ob die Straffreiheit in vorgenannter Konstellation tatsächlich eintritt, hinge u.a. davon ab, ob der Unternehmer noch weitere Angaben rückwirkend für die letzten 10 bis 12 Jahre hätte berichtigen müssen (§ 371 Abs. 1 AO).

BMF-Diskussionsentwurf als Lösungsversuch
Mit dem Diskussionsentwurf eines Anwendungserlasses zu § 153 AO geht das BMF die insbesondere für die Unternehmenspraxis hochbrisante Abgrenzungsproblematik erfreulicherweise an. Angesichts der übermäßigen Verschärfungen der Selbstanzeige in den letzten Jahren sowie der sich daraus ergebenden Rechtsunklarheiten bedarf es, wie in der gemeinsamen Stellungnahme des DStV und der Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft aufgezeigt, dringend eines Ausgleichs im Spannungsfeld zwischen den geltenden weitreichenden steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten und dem Steuerstrafrecht. Infolgedessen steigt das Bedürfnis in der Praxis, dass strafrechtlich irrelevante Fehler wieder rechtssicher berichtigt werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die weitreichenden steuerlichen Mitwirkungspflichten insbesondere wegen der sanktionsbefreienden Wirkung der Selbstanzeige gerechtfertigt. Aufgrund des im allgemeinen Strafrecht von Verfassungs wegen geltenden „nemo-tenetur“-Grundsatzes muss sich der Steuerpflichtige nicht selbst mit einer (Steuer-)Straftat belasten. Gerade durch die Berichtigungspflicht nach § 153 AO wird er jedoch dazu gezwungen, maßgeblich zur Entdeckung einer möglichen Steuerhinterziehung beizutragen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, begeht er eine weitere Steuerhinterziehung. Folglich erhöht sich das Sanktionsrisiko. Nach Auffassung des DStV ergibt sich aus diesem Spannungsfeld, dass, je mehr die Erlangung der Strafbefreiung durch die Verschärfungen der Selbstanzeige erschwert wurde, umso mehr die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren eingeschränkt werden müsste.

Positive Vorgaben
Vor diesem Hintergrund enthält der BMF-Diskussionsentwurf bereits eine Reihe von positiven Ausführungen. Insbesondere folgende Hinweise mildern überschießende Wirkungen der Verschärfung der Selbstanzeige ab und sind, wie in der gemeinsamen Stellungnahme hervorgehoben, daher zu begrüßen: Nicht jede objektive Unrichtigkeit soll den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegen. Vielmehr soll es einer sorgfältigen Prüfung durch die Finanzbehörde bedürfen.

Erfreulicherweise wird klargestellt, dass nicht automatisch allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung oder aber aufgrund der Anzahl der abgegebenen Berichtigungserklärungen vom Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachtes ausgegangen werden kann.

Ebenfalls dem Grunde nach positiv zu werten ist, dass innerbetriebliche Kontrollsysteme ein Indiz gegen das Vorliegen des Vorsatzes bzw. einer Leichtfertigkeit darstellen können.

Auch die Aufnahme von praxisrelevanten Beispielen ist zweckmäßig sowie im Entwurf teilweise zielführend gelöst.

Entsprechend des Wortlauts von § 153 AO wird richtigerweise hervorgehoben, dass lediglich die Anzeige des Fehlers gegenüber der Finanzverwaltung unverzüglich zu erfolgen hat, die Berichtigungserklärung selbst hingegen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.

Die Praxis entlastend ist zudem die Ausführung, dass die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen eine vom Einzelfall abhängende, angemessene Frist für die Berichtigungserklärung zu gewähren hat, damit er ausreichend Zeit für die notwendige Aufklärung von unternehmensinternen Prozessen hat. Dies ist insbesondere bei länger zurückliegenden Sachverhalten sinnvoll. Auch die Größe des Unternehmens soll die Angemessenheit der Frist bedingen.

Der ausdrücklichen Klarstellung, dass Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer keine Anzeige- sowie Berichtigungspflicht hinsichtlich der Angelegenheiten der Mandanten trifft, ist uneingeschränkt zuzustimmen – bestätigt dieser Hinweis doch die bisher geltende Rechtsauffassung.

Weiterer Klarstellungsbedarf
Trotz der guten Ansätze bedarf der Entwurf weiterer, die Praxis entlastende Ergänzungen. Wie in der gemeinsamen Stellungnahme aufgezeigt, sollten u.a. die folgenden Aspekte berücksichtigt werden: Die Bestimmung des Begriffs „Erkennen“ sollte dahingehend präzisiert werden, dass das positive Wissen erst dann vorliegt, wenn die Tatsachengrundlagen des Fehlers vollständig aufgeklärt sind, d.h. die Sach- und Rechtsaufklärung abgeschlossen ist. Zudem soll klargestellt werden, dass den Steuerpflichtigen keine Pflicht zur aktiven Nachprüfung oder Nachforschung trifft.

Aufgrund des regelmäßig arbeitsteilig organisierten Aufbaus von Unternehmen muss im Anwendungserlass geklärt werden, auf wessen Erkennen abzustellen ist und wer in diesen Fällen anzeige- sowie berichtigungspflichtig ist. Wird beispielsweise eine juristische Person aufgrund ihrer Satzung durch zwei (von mehreren) Vorstandsmitglieder oder einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen gesetzlich vertreten, sollte die Berichtigungspflicht grundsätzlich den Personenkreis treffen, der aufgrund interner Aufgabenverteilung zuständig ist.

In den Erlass sollten Ausführungen aufgenommen werden, wie zu verfahren ist, wenn Fehler während laufender Betriebsprüfungen durch die Prüfer erkannt werden. Ausgehend vom Sinn der Pflicht gem. § 153 AO sowie von der Zielsetzung einer Betriebsprüfung sollte insoweit klargestellt werden, dass die Anzeige- sowie Berichtigung der Unrichtigkeit wenigstens innerhalb des angeordneten Prüfungszeitraums entbehrlich ist. Die Mitwirkungspflicht soll gewährleisten, dass die Finanzverwaltung von Besteuerungsgrundlagen Kenntnis erlangt, die ihr bislang noch nicht bekannt waren. Im Falle des Erkennens einer unrichtigen Erklärung im Rahmen der Betriebsprüfung entfällt dieses Aufklärungsbedürfnis. Die vollständige sowie richtige Sachverhaltsaufklärung und damit die Verwirklichung einer gesetzmäßigen Besteuerung werden durch das Betriebsprüfungsverfahren selbst sichergestellt.

Um den unterschiedlichen Strukturen sowie Größen von Unternehmen gerecht zu werden, sollten die Organisationsmaßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten, die ein Indiz gegen das Vorliegen des Vorsatzes bzw. einer Leichtfertigkeit darstellen können, unterschiedlich ausgestaltet sein können. Statt den Begriff des innerbetrieblichen Kontrollsystems zu verwenden, sollten die exkulpierend wirkenden Organisationsmaßnahmen durch die in der Stellungnahme ausgeführte, offenere Formulierung beschrieben werden.

In puncto „Umfang der Pflicht“ sollte klargestellt werden, dass die Mitwirkungspflicht nicht greift, wenn sich eine Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung nach Abgabe der Erklärung ändert und der Steuerpflichtige dies nachträglich erkennt.

Wünschenswert sind detailliertere Ausführungen, wann eine Anzeige nicht mehr unverzüglich, also schuldhaft verzögert ist. Für eine Anzeige bedarf es regelmäßig weitergehender Ermittlungen zum Sachverhalt. Zudem bedarf es der Prüfung, ob eine Selbstanzeige oder lediglich eine einfach Berichtigung geboten ist, die regelmäßig durch eine rechtliche Beratung unterstützt wird. Dementsprechend darf ein schuldhaftes Zögern dann nicht angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige vor Abgabe der Anzeige noch Ermittlungen zu Art und Umfang des Fehlers durchführt oder sich rechtlich beraten lässt und diese Beratung noch nicht abgeschlossen ist.

Um der unterschiedlichen Komplexität der Sachverhalte Rechnung zu tragen, sollte keine einheitliche Frist für die Berichtigungserklärung festgesetzt werden, sondern von den Umständen des Einzelfalls (z. B. der Größe des Unternehmens) abhängig gemacht werden.

Wie geht es weiter?
Der Diskussionsentwurf stellt lediglich einen ersten Aufriss dar und gibt noch keinen zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder abschließend diskutierten Stand wieder. Insbesondere die kontrovers diskutierte Frage, ob die Anzeige- und Berichtigungspflicht auch in Fällen bedingt vorsätzlicher Steuerhinterziehung besteht, ist noch nicht endgültig geklärt. Der Diskussionsentwurf bringt zwar nach Ansicht der Stellungnehmenden ausgesprochen begrüßenswert zum Ausdruck, dass „nachträgliches Erkennen“ und der bedingte Vorsatz sich gegenseitig ausschließen, weshalb die Mitwirkungspflicht in diesen Fällen ausgeschlossen wäre. Mit Blick auf die augenblickliche Offenheit des weiteren Erörterungsprozesses bitten der DStV sowie die Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft mit Nachdruck darum, in die weiteren Beratungen eingebunden zu werden.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 03.09.2015

 

Umfassende Haftung der Organgesellschaft für Steuerschulden des Organträgers

Im Streitfall bestand eine mittelbare körperschaftsteuerliche Organschaft. Nach Insolvenz der Organträgerin nahm das Finanzamt die Organgesellschaft für einen Teil der rückständigen Körperschaftsteuer der Organträgerin in Haftung. Im Rahmen des Ermessens ging es davon aus, dass die Haftung der jeweiligen Organgesellschaft auf diejenigen Steuern begrenzt werden könne, die durch diese veranlasst seien. Dabei sei auf den Anteil des Einkommens der Organgesellschaft an der Summe der positiven Organeinkommen abzustellen. Die weiteren Gesellschaften, die eine Organschaft mit der Organträgerin gebildet hatten, nahm das Finanzamt ebenfalls in Haftung. Mit ihrem Einspruch wandte sich die Organgesellschaft erfolgslos gegen das Bestehen der Erstschuld und die Anwendung der Haftungsnorm bei nur mittelbarer Organschaft sowie die Ermessensausübung.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen und hervorgehoben, dass die Haftung nicht auf die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer als Betriebssteuern beschränkt sei, sondern ebenso die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag umfasse. Die Haftung greife zudem auch bei mittelbaren Organschaftsverhältnissen. Der Wortlaut der Haftungsnorm stehe dem nicht entgegen. Auch im Fall einer Organschaftskette lasse sich von Steuern des (obersten) Organträgers sprechen. Zudem werde nur diese Auslegung dem Sinn und Zweck der Norm gerecht, da der Organkreis als „einheitliches Ganzes“ betrachtet werden solle.

Die Organgesellschaft hafte nicht nur für Steuern, die in ihrem eigenen Betrieb verursacht worden seien, sondern für die gesamten von dem Organträger geschuldeten Steuern. Dies entspreche dem Wortlaut der Norm ebenso wie dem Willen des Gesetzgebers: Dieser habe eine entsprechend eingeschränkte Haftung – nach österreichischem Vorbild – im Hinblick auf die befürchteten praktischen Schwierigkeiten nicht befürwortet und die Frage des Haftungsumfangs der Ermessensentscheidung des Finanzamts überantwortet.

Das Finanzamt habe auch sein Entschließungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Inanspruchnahme der Organgesellschaft sei angesichts der erheblichen Steuerrückstände der Organträgerin, der Verpflichtung der Finanzbehörde zur gleichmäßigen Erhebung der Steuern und der verschuldensunabhängigen Haftung gerechtfertigt. Im Rahmen des Auswahlermessens habe das Finanzamt die Inanspruchnahme in Anwendung eines sachgerechten Maßstabs (zu versteuerndes Einkommen) auf die von der Organgesellschaft verursachten Steuern beschränkt. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot sei ebenso wenig festzustellen wie eine auf Erdrosselung abzielende Maßnahme.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 03.09.2015 zum Urteil 16 K 932/12 H(K) vom 19.02.2015

 

Körperschaftsteuer: Freimaurerloge: Ausschluss weiblicher Mitglieder steht Gemeinnützigkeit entgegen

Finanzgericht Düsseldorf, 6 K 2138/14 K

Datum:
23.06.2015
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2138/14 K
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

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Erbschaftsteuer: Zur Steuerbegünstigung für Wohnungsunternehmen

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 2086/14 Erb

Datum:
24.06.2015
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2086/14 Erb
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

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