Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens als „Zwang zu Mandatierung“ eines Steuerberaters?

Dr. Martin Wulf, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht aus der Kanzlei Streck, Mack und Schwedhelm, Rechtsanwälte und Fachanwälte für Steuerrecht, Köln, Berlin, München, zeigte im Rahmen seines Fachvortrags bei der SFT „Steuerfachtagung und Zukunftskongress Celle 2019“ die Konsequenzen der Modernisierung der Besteuerung für Mandanten und Berater auf. So wurde das Fristenkonzept in § 149 Abgabenordnung geändert.

Die neuen Abgabefristen gelten erstmals für die Steuererklärungen des Veranlagungsjahrs 2018. Die allgemeine Abgabefrist ist bis zum 31. Juli des Folgejahres verlängert worden. Für die steuerlich beratenen Steuerpflichtigen gilt eine neue – und jetzt im Gesetz verankerte – Fristverlängerung bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Darüberhinausgehende Fristverlängerungen sind – in den „Beraterfällen“ – nur noch bei einem Nachweis fehlenden Verschuldens möglich, damit also mehr oder weniger ausgeschlossen worden.

Wulf wies darauf hin, dass sich die die Änderung des Fristenkonzepts steuerstrafrechtlich unmittelbar auf das Merkmal der „Pflichtwidrigkeit“ (§ 370 Absatz 1 Nr. 2 Abgabenordnung) auswirke. Denn in den Fällen des Unterlassens ließe sich die Pflichtwidrigkeit in diesem Sinne erst feststellen, wenn der Adressat der Erklärungspflicht den maßgeblichen Zeitpunkt verstreichen lassen hat. Durch die Neuregelung verschiebt sich der maßgebliche Zeitpunkt um zwei Monate nach hinten. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Anmeldungsverfahren, also beispielsweise bei der Umsatz- oder der Lohnsteuer, denn hier tritt mit dem Ablauf der Erklärungsfrist unmittelbar die Vollendung der Tat ein. Mit pflichtgerechter Abgabe der Steueranmeldung wäre im Zeitpunkt der Erklärung eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung herbeigeführt worden, die Nicht-Anmeldung führt insofern unmittelbar die Nicht-Festsetzung herbei.

Wulf findet es bemerkenswert, dass nach der Neuregelung die Fristverlängerung unmittelbar als gesetzliche Rechtsfolge durch die Existenz eines Steuerberatungsmandats ausgelöst wird (§ 149 Absatz 2 Abgabenordnung in der neuen Fassung). Damit stelle sich steuerstrafrechtlich die Frage, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen Steuerpflichtige erst nach Ablauf der für sie geltenden Frist, also nach dem 31. Juli des Folgejahres, einen Berater beauftragen. Richtigerweise könne man in diesen Fällen nicht davon ausgehen, dass für eine bereits vollendete Steuerhinterziehung im Anmeldungsverfahren „Straffreiheit“ eintritt. Im Hinblick auf die Veranlagungssteuern könne aber auch keine versuchte Steuerhinterziehung mehr angenommen werden, soweit die Übernahme des Mandats vor dem Ablauf der allgemeinen Veranlagungsarbeiten oder zumindest vor Ablauf von einem Jahr nach Ende der ursprünglichen Erklärungsfrist erfolgt. Umgekehrt führt nach der Neuregelung die Kündigung des Steuerberatungsmandats im Zeitraum zwischen dem 31. Juli und dem 28. bzw. 29. Februar formal betrachtet unmittelbar zu einem „Pflichtverstoß“ und damit im Anmeldungsverfahren unmittelbar zu einer vollendeten Steuerhinterziehung. Wulf regt an, hier dem Betroffenen unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten eine „Übergangsfrist“ einzuräumen, die allerdings in jedem Einzelfall unterschiedlich zu bemessen sein werde.

Quelle: Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung vom 04.09.2019