Durchsetzbarkeit des Aufrechnungsrechts bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Durchsetzbarkeit des Aufrechnungsrechts bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Kernaussage

Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand. In der Zustimmung zum Insolvenzplan oder in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung.

Sachverhalt

Über das Vermögen der Schuldnerin, einer GmbH, wurde 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das beklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen in Höhe von mehr als 1 Mio. EUR zur Tabelle an. Mit Zustimmung des Beklagten wurde in der Folgezeit ein Insolvenzplan beschlossen, der einen Teilerlass von 93,65 % der Gläubigerforderungen vorsah. Das Insolvenzgericht bestätigte den Plan und hob das Insolvenzverfahren auf. Nachdem die Schuldnerin die Zahlungen aus dem Insolvenzplan erfüllt hatte, machte sie gegen den Beklagten Werklohnforderungen für Bauleistungen geltend, die sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hatte. Der Beklagte hat die Aufrechnung mit dem noch nicht getilgten Teil der Umsatzsteuerforderung erklärt. Während des Rechtsstreits wurde über das Vermögen der Schuldnerin erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen. Das Oberlandesgericht (OLG) gab der Zahlungsklage schließlich statt.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des OLG auf, da die Forderungen der Schuldnerin durch die Aufrechnungserklärung des Beklagten erloschen sind. Durch die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans gelten die Forderungen als erlassen. Sie sind jedoch nicht erloschen und bestehen als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Eine Aufrechnung dieser Forderungen bleibt möglich, wenn die Aufrechnungslage zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand. Die gesetzliche Regelung setzt sich auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans durch. Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig, denn der Insolvenzverwalter hätte im Rahmen des Insolvenzplans den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht bewegen oder die Aufrechnungsmöglichkeit in den Plan mit einbeziehen können.

Konsequenz

Bei einem Verlust des Anfechtungsrechts infolge der Bestätigung des Insolvenzplans würde der Gläubiger regelmäßig schlechter gestellt sein als bei der Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens. Bringt der Plan für den Gläubiger aber wirtschaftliche Nachteile, muss das Insolvenzgericht die Bestätigung des Plans auf Antrag versagen.