Eigengenutztes Baudenkmal: Kann der Erbe die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG fortführen?

Kurzfassung: Verstirbt die/der Steuerpflichtige innerhalb des 10-jährigen Begünstigungszeitraums des § 10f EStG und nutzt der Erbe das Baudenkmal anschließend zu eigenen Wohnzwecken, stellt sich die Frage: Darf der Erbe die jährlichen Abzugsbeträge fortführen?
Das FG Sachsen-Anhalt hat dies verneint. Der BFH muss nun klären, ob eine analoge Anwendung der Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV) möglich ist. Bis zur Entscheidung sollten vergleichbare Fälle offengehalten werden.


Worum geht’s?

  • § 10f EStG (Eigennutzung): Begünstigt sind Modernisierungs-/Instandsetzungsaufwendungen an einem eigenen Baudenkmal mit 9 % jährlich im Jahr des Abschlusses und den neun Folgejahren (insgesamt bis zu 90 %). Voraussetzung: Eigennutzung in jedem Abzugsjahr und denkmalrechtliche Bescheinigung der zuständigen Behörde.
  • Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV): Bei unentgeltlichem Erwerb (Erbschaft/Schenkung) bemisst sich die AfA des Erwerbers nach den Kosten und Sätzen des Rechtsvorgängers („tritt in dessen Fußstapfen“).
  • Der Streitpunkt: § 10f ist kein AfA-Tatbestand, sondern ein Sonderausgabenabzug. Gilt die Fußstapfentheorie analog dennoch?

Der entschiedene Einzelfall (erste Instanz)

  • Sachverhalt: Vater nutzt ein Baudenkmal selbst, macht § 10f-Abzüge geltend, verstirbt vor Ablauf der 10 Jahre. Sohn erbt und bewohnt das Baudenkmal weiter.
  • Begehren des Sohnes: Fortführung der restlichen § 10f-Abzugsjahre „in den Fußstapfen“ des Vaters.
  • Finanzamt & FG: Ablehnung. Begründung: § 10f = Sonderausgaben, keine AfA; § 11d EStDV daher nicht anwendbar. Ein automatischer Übergang der noch „offenen“ Abzugsjahre auf den Erben finde nicht statt – selbst bei fortgesetzter Eigennutzung durch den Erben.
  • Jetzt beim BFH: Die Revision ist zugelassen und eingelegt. Der BFH (X. Senat) klärt, ob eine analoge Fußstapfen-Fortführung möglich ist.

Was bedeutet das für die Praxis?

1) Fälle aktiv „offen“ halten

Bis zur BFH-Entscheidung sollten Sie in vergleichbaren Sachverhalten:

  • Einspruch gegen ablehnende Bescheide einlegen und
  • das Ruhen des Verfahrens beantragen (unter Hinweis auf das anhängige BFH-Verfahren).

2) Voraussetzungen sauber dokumentieren

Für jedes Abzugsjahr:

  • Eigennutzung des Erben (Melde-/Nutzungsnachweise),
  • Denkmalschutz-Bescheinigung inkl. Maßnahmenkatalog,
  • Kostenbelege und Zeitpunkte der Maßnahme(n).

3) Alternativen prüfen

  • Vermietung statt Eigennutzung? Dann ggf. Wechsel der Begünstigung zu § 7i EStG (AfA für Baudenkmäler im Privatvermögen), nicht § 10f.
  • Unentgeltliche Übertragung zu Lebzeiten: Je nach Ausgang beim BFH könnte die Entscheidung Signalwirkung für Schenkungsfälle entfalten.

Häufige Beratungsfragen

Gilt § 10f für Anschaffungs- oder nur für Herstellungs-/Modernisierungskosten?
Nur Maßnahmenkosten (Modernisierung, Instandsetzung) sind begünstigt – nicht der Gebäudekaufpreis oder die reinen Herstellungskosten ohne Denkmalbezug.

Muss die Eigennutzung lückenlos vorliegen?
Ja. Für das jeweilige Abzugsjahr ist eine Eigennutzung erforderlich. Leerstand/Vermietung führt in der Regel zum Wegfall des Abzugs in diesem Jahr.

Was passiert bei Verkauf im Begünstigungszeitraum?
Die noch nicht verbrauchten Jahresbeträge gehen grundsätzlich nicht auf Erwerber über. (Genau diese Frage steht im Erbfall nun grundsätzlich zur Klärung.)

Brauche ich die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde?
Ja – sie ist materielle Voraussetzung. Ohne Bescheinigung kein § 10f-Abzug.


Checkliste: So sichern Sie Mandantenfälle

  1. Sachverhalt erfassen: Todeszeitpunkt, Stand der § 10f-Jahre, Eigennutzung durch Erben.
  2. Unterlagen sammeln: Bescheinigung, Kostenbelege, Bauabnahmen, Melde-/Nutzungsnachweise.
  3. Verfahrensstrategie: Einspruch + Ruhensantrag; Fristenkontrolle.
  4. Steuerwirkung simulieren: Vorteil der Fortführung vs. Alternativen (z. B. § 7i bei Vermietung).
  5. Kommunikation dokumentieren: Hinweis an Mandant: vorläufige Rechtslage, Ausgang beim BFH offen.

Musterformulierung (Kurz)

Betreff: Einspruch und Ruhensantrag – § 10f EStG / Fortführung durch Erben
Hiermit lege ich Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid [Jahr] ein.
Begründung: In meinem Fall ist die Fortführung der Abzugsbeträge nach § 10f EStG durch den Erben streitig. Beim BFH ist die Frage der analogen Anwendung der Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV) anhängig.
Ich beantrage das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung in dem Parallelverfahren.


Fazit

Die Frage, ob Erben die § 10f-Begünstigung in den Restjahren fortführen dürfen, ist noch ungeklärt. Das erstinstanzliche Nein des FG Sachsen-Anhalt ist nicht das letzte Wort – der BFH entscheidet. Mandate mit entsprechender Konstellation sollten proaktiv gesichert (Einspruch/Ruhen) und sauber dokumentiert werden. Eine positive BFH-Entscheidung könnte zudem Weichen für Schenkungsfälle stellen.