Einkommensteuer, DBA-Recht: Tagegelder, die von der OSZE an Mitglieder einer OSZE-Mission gezahlt werden, sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.

Der 1. Senat hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Abkom-mensrecht einschränkende Regelung des § 50d Abs. 8 EStG durch solche DBA verdrängt werde, die erst nach der Einführung dieser Regelung in das EStG in nationales Recht um-gesetzt worden sind und keine dem § 50d Abs. 8 EStG entsprechende Regelung enthalten, Gerichtsbescheid des 1. Senats vom 21.8.2013, 1 K 87/12, Revision eingelegt, Az. des BFH I R 64/13.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 1 K 87/12
Urteil des Senats vom 21.08.2013
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 64/13
Normen: EStG 2002 § 50d Abs. 8 Satz 1, EStG 2002 § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 15 Abs. 1 Satz 2, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 19 Abs. 4, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. D
Leitsatz: 1. Von der OSZE an Mitglieder einer OSZE-Mission (sekundierte Position) gezahlte Tagegelder sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.
2. § 50d Abs. 8 EStG wird im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG und die lex-posterior-Regel durch Regelungen eines später erlassenen DBA verdrängt.
Überschrift: Einkommensteuer/Doppelbesteuerungsabkommen: § 50d Abs. 8 EStG 2002 und später erlassene DBA
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Tagegeldern für eine Feldoperation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan.
Die Kläger, deutsche Staatsangehörige, sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und im Streitjahr ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
Vom … 2008 bis zum … 2009 nahm die Klägerin an einer OSZE-Mission in Aserbaidschan als „Democratization Officer“ in Form einer sogenannten „sekundierten Position“ teil. Danach war die Klägerin in die Organisation der Mission eingegliedert und unterlag den Weisungen der Mission. Die Klägerin erhielt von der OSZE für diese Tätigkeit zur teilweisen Kompensation von Lebenshaltungskosten in Aserbaidschan ein Tagegeld für Unterkunft und Verpflegung („Board and Lodging Allowance“, im Folgenden: BLA) im Jahr 2008 in Höhe von insgesamt … € direkt auf ihr Konto gezahlt. Des Weiteren erhielt die Klägerin im Streitjahr für diese Tätigkeit aufgrund einer Zuwendungsvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt … €. Die Klägerin wendete für ihre Tätigkeit im Streitjahr insgesamt … € auf, u. a. für Fahrten, Flüge, Visakosten, Miete.
Der Kläger und die … Kinder der Kläger (geboren am …) besuchten die Klägerin in Aserbaidschan in der Zeit vom … 2008 bis zum … 2008 sowie in der Zeit vom … 2008 bis zum … 2008. Die Klägerin hielt sich im Kalenderjahr 2008 ab dem 09.01.2008 länger als 183 Tage in Aserbaidschan auf.
Der Beklagte erließ am 15.02.2011 einen Einkommensteuerbescheid für 2008, in dem er neben dem vom Auswärtigen Amt gezahlten Betrag die von der OSZE gezahlten BLA als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuerte und zugleich
die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt … € berücksichtigte. Am 03.03.2011 erließ der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 und setzte die Einkommensteuer auf … € fest.
Am 11.03.2011 legten die Kläger Einspruch gegen den „Bescheid für 2008 über Einkommensteuer … vom 15.02.2011“ ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 zurück. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 den Bescheid vom 15.02.2011 ersetzt habe.
Am 20.04.2012 erhoben die Kläger Klage. Sie sind der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerfrei. Es handele sich lediglich um den Ausgleich der Lebenshaltungskosten der Klägerin. Da die Bundesrepublik Deutschland sich finanziell an der OSZE beteilige, sei die Bundesrepublik Deutschland als inländischer Arbeitgeber anzusehen. Im Übrigen habe die Klägerin auf die Steuerfreiheit vertrauen können, da sie bereits für das Jahr 2006 durch das seinerzeit zuständige Finanzamt einen Steuerbescheid erhalten habe, der die Tagegelder aus einer früheren OSZE-Mission steuerfrei behandelt habe. Auch in den Jahren 2009 und 2010 seien die von der OSZE gezahlten Tagegelder als steuerfrei in den Einkommensteuerbescheiden behandelt worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer auf … € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Tagegelder seien nicht aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen steuerfrei. Der Besteuerung stehe auch nicht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Aserbaidschan, Bundesgesetzblatt Teil II – BGBl II – 2005, 1146) entgegen, da der Bundesrepublik Deutschland wegen der Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG) das Besteuerungsrecht zustehe.
Dem Gericht haben die Einkommensteuerakte Bd. I und die Rechtsbehelfsakte Bd. I des Finanzamtes Hamburg-1, jeweils zur Steuernummer…/…/…, vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.
II.
Klagegegenstand ist der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 ersetzte den Einkommensteuerbescheid vom 15.02.2011 und nahm dessen Regelungsgegenstand in sich auf. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 15.02.2011 einlegten. Der Beklagte als Erklärungsempfänger musste den Einspruch dahin verstehen, dass nach dessen objektivem Erklärungswert der – jedenfalls aus Sicht des Beklagten – allein existente Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 überprüft werden sollte (vergleiche – vgl. – auch Bundesfinanzhof – BFH -, Urteil vom 19.06.1997 IV R 51/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 6). Der Beklagte hat den Einspruch ausweislich der Einspruchsentscheidung auch in dieser Art und Weise verstanden.
III.
Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 2 BvL 1/12 (Vorlagebeschluss des BFH vom 10.01.2012 I R 66/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 236, 304) gemäß § 74 FGO auszusetzen.
Das dortige Verfahren ist für den hier zu entscheidenden Fall nicht vorgreiflich. Dort setzte sich § 50d Abs. 8 EStG in der Fassung (i. d. F.) des Art. 1 Nr. 32 Buchstabe b des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003) vom 15.12.2003 (Bundesgesetzblatt Teil I – BGBl I – 2003, 2645) über das bereits zuvor mit der Republik Türkei im DBA-Türkei 1985 völkerrechtlich vereinbarte und national umgesetzte Konzept einseitig hinweg. § 50d Abs. 8 EStG trat am 20.12.2003 in Kraft (Art. 25 Abs. 1 StÄndG 2003; Verkündung am 19.12.2003) und war erstmals für den Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 i. d. F. des StÄndG 2003), also erst nach der Umsetzung des DBA-Türkei in nationales Recht (sogenanntes „treaty override“, vgl. BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304). Anders verhält es sich im hiesigen Fall. Hier liegt kein „treaty override“ im eben beschriebenen Sinn vor. § 50d Abs. 8 EStG war bereits anzuwenden, als das DBA-Aserbaidschan am 28.12.2005 in Kraft trat (BGBl II 2006, 120).
IV.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit sind in Höhe von insgesamt … € anzusetzen sowie steuerfreie Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt … € in
die Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen. Nur die Zahlungen des Auswärtigen Amtes sind steuerpflichtige Einnahmen der Klägerin. Die Tagegelder der OSZE sind hingegen von der Besteuerung auszunehmen, jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Die gesamten Werbungskosten der Klägerin für ihre Tätigkeit sind auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Einnahmen aufzuteilen.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Die Zahlungen, die die Klägerin von dem Auswärtigen Amt in Höhe von insgesamt … € erhielt, sind steuerpflichtige Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten im Hinblick auf das ihnen bekannte Urteil des BFH vom 20.08.2008 I R 35/08 (BFH/NV 2009, 26), auf das sich der Senat zur Begründung bezieht, unstreitig.
2. Die von der OSZE gezahlten BLA in Höhe von insgesamt … € sind gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.
a) Die Klägerin ist eine im Sinne des DBA-Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person. Selbst wenn die Klägerin nach dem Recht der Republik Aserbaidschan dort aufgrund eines Wohnsitzes oder eines ständigen Aufenthalts steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 DBA-Aserbaidschan), gilt die Klägerin jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan als eine nur in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person, da wegen des Verbleibens ihrer Familie in der Bundesrepublik Deutschland im Streitjahr der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland lag.
b) Die Bundesrepublik Deutschland hat die BLA gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan freizustellen. Danach werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus der Republik Aserbaidschan ausgenommen, die nach diesem Abkommen in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können und nicht unter Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b DBA-Aserbaidschan fallen.
aa) Die BLA können nach dem DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan besteuert werden. Es handelt sich hierbei um Vergütungen für eine unselbständige Arbeit, die infolge der Ausübung der Tätigkeit in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Aserbaidschan).
(1) Es handelt sich nicht um Vergütungen im Sinne des Art. 19 DBA-Aserbaidschan (Öffentlicher Dienst), der Art. 15 DBA-Aserbaidschan vorgeht (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Aserbaidschan).
Gemäß Art. 19 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan können Vergütungen, ausgenommen Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche Person für die diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
Die OSZE ist hiervon nicht erfasst. Denn die OSZE ist eine verstetigte Staatenkonferenz ohne eigene Völkerrechtssubjektivität (vgl. Evers/Kahl/Zellner, The Culture of Dialogue. The OSCE Aquis 30 Years after Helsinki, Hamburg 2005, S. 53, http://www.core-hamburg.de/documents/30Years_OSCE_Booklet.pdf).
Ebenso wenig ist Art. 19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan für die BLA einschlägig. Denn gemäß Art. 19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan gilt ein ausschließliches Besteuerungsrecht für die Bundesrepublik Deutschland nur dann, wenn die BLA im Rahmen eines Programms der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eines Vertragsstaats aus Mitteln, die ausschließlich von diesem Staat bereitgestellt werden, an Fachkräfte gezahlt werden, die in den anderen Vertragsstaat (hier: Republik Aserbaidschan) mit dessen Zustimmung entsandt worden sind. Indes sind die Tagegelder nicht aus Mitteln gezahlt, die ausschließlich seitens der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellt werden (Kostenbeteiligung Deutschlands an der OSZE: 9,35 %; vgl. OSZE-Jahrbuch 2008, S. 431, http://www.core-hamburg.de/documents/jahrbuch/08/1Staaten2008.pdf.).
(2) Die Klägerin übt eine unselbständige Arbeit im Sinne des Art. 15 DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan aus, da sie in die Organisation der OSZE-Mission eingegliedert ist und den Weisungen der Mission unterliegt. Zwar enthält das DBA-Aserbaidschan selbst keine Definition des Begriffs der unselbständigen Arbeit. Allerdings ist in Abgrenzung zu Art. 14 DBA-Aserbaidschan (Selbständige Arbeit) und gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan unter Rückgriff auf das nationale deutsche Recht (Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Randziffer – Rz. – 53) unter einer unselbständigen Arbeit eine Tätigkeit zu verstehen, bei der die tätige Person einem anderen ihre Arbeitskraft schuldet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Person – wie im Streitfall – im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung – LStDV -, BGBl I 1989, 1848).
(3) Die Klägerin bezieht die BLA als eine den Gehältern ähnliche Vergütung aus unselbständiger Arbeit. Mangels ausdrücklicher Definition des Begriffs „Vergütungen“ in dem DBA-Aserbaidschan greift über Art. 3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan ergänzend das nationale deutsche Recht ein (Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Randziffer – Rz. – 54). Die BLA sind Vergütungen, die die Klägerin für ihre Beschäftigung bei der OSZE erhalten hat (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Denn die Tagegelder sind durch das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der OSZE veranlasst und als Entlohnung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Klägerin zu verstehen. Dem steht nicht entgegen, dass die BLA die Lebenshaltungskosten in der Republik Aserbaidschan teilweise kompensieren sollten. Es kommt nicht darauf an, ob mit der Zuwendung gleichzeitig soziale oder sonstige Ziele verfolgt werden (Krüger, in Schmidt, EStG, 32. Auflage – Aufl. – 2013, § 19 Rz. 45).
bb) Die Bundesrepublik Deutschland hat kein ausschließliches Besteuerungsrecht für diese Vergütungen gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan. Ein ausschließliches Besteuerungsrecht scheitert schon daran, dass die Klägerin sich im Jahr 2008 – anders als in Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan verlangt – länger als 183 Tage in Aserbaidschan aufhielt.
cc) Die BLA fallen nicht unter die in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b DBA-Aserbeidschan genannten Einkünfte. Insbesondere handelt es sich nicht um Einkünfte, die nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können, da die Klägerin nicht im Rahmen gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung in der Republik Aserbaidschan tätig ist.
3. Der Steuerfreistellung der BLA steht § 50d Abs. 8 EStG im Streitfall nicht entgegen.
a) Gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG wird die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, die Nachweise zu erbringen.
b) Im Streitfall verdrängen die durch das Zustimmungsgesetz zum DBA-Aserbaidschan in nationales Recht überführten Regelungen allerdings die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG.
aa) Es besteht zwischen § 50d Abs. 8 EStG und der Regelung des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan eine Gesetzeskonkurrenz, da § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG unter bestimmten – im Streitfall vorliegenden – Voraussetzungen, die nach dem Abkommen gewährte Freistellung ausschließt.
Beide Regelungen sind „normenhierarchisch“ gleichrangig. DBA werden als völkerrechtliche Verträge gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) mittelbar in Form eines Zustimmungsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland angewendet. Hierdurch erhält das Abkommen innerstaatlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Der innerstaatliche Gesetzgeber ist im Prinzip frei darin, im Zustimmungsgesetz Vorbehalte gegenüber der Anwendung bestimmter Abkommensvorschriften zu verankern (BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit weiteren Nachweisen – m. w. N. -).
bb) Die Gesetzeskonkurrenz ist im Streitfall zugunsten der Abkommensregelung zu lösen.
Zwar enthält § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG ausdrücklich eine Regelung, die einen Vorrang der Vorschrift im Verhältnis zum Abkommen begründen kann („ungeachtet des Abkommens“). Es ist allerdings dem Wortlaut des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nicht eindeutig und zwingend zu entnehmen, dass dieser Vorrang auch DBA erfassen soll, die nach Erlass des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG in Kraft getreten sind. Dies ergibt sich auch aus nachfolgenden DBA, die teilweise – wie im Streitfall – keinen Vorbehalt zur Anwendung der Freistellungsmethode enthalten, teilweise jedoch die Anwendung der Freistellungsmethode von der tatsächlichen Besteuerung im Ausübungsstaat abhängig machen (so beispielsweise Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Bulgarien, BGBl II 2010, 1286; Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Ungarn, BGBl II 2011, 919; Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Großbritannien, BGBl II 2010, 1333).
Die Konkurrenz der Regelungen in § 50d Abs. 8 EStG und Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan ist im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG und die Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Vorrangs des späteren Gesetzes (lex-posterior-Regel) zugunsten des in die nationale Regelung umgesetzten DBA-Aserbaidschan zu lösen.
Im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ist das GG nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht (BVerfG-Beschluss vom 14.10.2004 2 BvR 1481/04, Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 111, 307). Aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG folgt die für alle Staatsorgane geltende Pflicht, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen (BVerfG-Beschluss vom 26.10.2004 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112, 1; vgl. allgemein zur Berücksichtigung der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG Gosch, in: Kirchhof, EStG, 12. Aufl. 2013, § 50d Rz. 25; Gosch, Internationales Steuerrecht – IStR – 2008, 413, 419; des Weiteren BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit weiteren Nachweisen – m. w. N. -). Dies gilt erst recht für die Auslegung von im Rang unter dem GG stehenden Bundesgesetzen und damit auch für die Auslegung des Anwendungsbereichs des § 50d Abs. 8 EStG.
Die völkerrechtsfreundliche Auslegung ist auch bei der Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln zur Lösung von Gesetzeskonkurrenzen (lex specialis und lex posterior) zu beachten. Dabei hilft allerdings die „lex-specialis-Regel“ nicht weiter. Sie ist hier nicht zielführend, da – je nach Sichtweise – entweder die nationale Norm aufgrund der Regelung eines besonderen Sachverhalts oder aber die Abkommensregelung aufgrund der Regelung im Verhältnis zu einem bestimmten Staat als spezielleres Gesetz angesehen werden kann (vgl. hierzu Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845). Im Übrigen ist schon fraglich, ob die Abkommensregelung nicht schon als lex aliud und nicht als lex specialis zu verstehen ist, weil Abkommen die Besteuerungsrechte der nationalen Staaten beschränken und deshalb einen anderen Regelungsgegenstand haben (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – AO -/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz. 165). Im Streitfall ist die „lex-posterior-Regel“ unter Berücksichtigung der völkerrechtsfreundlichen Auslegung heranzuziehen, die hier den Vorrang der Abkommensregelung begründet (weitergehend Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845 ff., die einen Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze von lex specialis und lex posterior für nicht notwendig erachten).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Denn der Gesetzgeber hat sich bei Überführung des DBA-Aserbaidschan in nationales Recht dafür entschieden, die Freistellung der hier in Rede stehenden Einkünfte nicht von besonderen Nachweisvoraussetzungen abhängig zu machen. Die Regelung des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG war schon bei Abschluss des DBA-Aserbaidschan in Kraft und dem deutschen Gesetzgeber bewusst. Dennoch enthält das DBA-Aserbaidschan keine eigenen, dem § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG entsprechende oder auf diesen verweisende Vorschriften bzw. bestimmt keinen entsprechenden Vorbehalt zu Gunsten des nationalen Rechts (vgl. auch Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 38; vgl. auch jetzt Art. 22 Abs. 1 Buchstabe e Doppelbuchstabe bb der Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Stand: 17.04.2013, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/
Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2013-04-17-Verhandlungsgrundlage-DBA-deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=5; vgl. auch zur Vereinbarung von „Subject-to-tax-Klauseln“ in anderen Abkommen Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, Schrift des Instituts Finanzen und Steuern – IFSt – Nr. 480 [2012], S. 41 f.).
Soweit vertreten wird, dass § 50d Abs. 8 EStG auch ein später in Kraft getretenes DBA verdrängt (z. B. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz. 169, 175; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Mai 2011, § 2 AO Rz. 38; Frotscher, EStG, Stand: September 2012, § 50d Rz. 5, 11), ist dem aufgrund der obigen Ausführungen nicht zu folgen.
4. Gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind steuerfreie Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die OSZE in Höhe von … € bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat in dieser Höhe Einkünfte bezogen, die nach einem DBA steuerfrei sind (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Die Ermittlung der Einkünfte, die nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerfrei sind, erfolgt nach deutschem Recht, hier durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Danach sind die BLA als Einnahmen zu berücksichtigen. Denn nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe d DBA-Aserbaidschan behält die Bundesrepublik Deutschland das Recht, diese Einnahmen bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigten.
Von den BLA in Höhe von … € sind anteilige Werbungskosten in Höhe von … € abzuziehen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Werbungskosten sind gemäß § 3c Abs. 1 EStG auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin aufzuteilen. Der auf die steuerfreien Einnahmen entfallende Teil der Werbungskosten ist nach dem Verhältnis zu bemessen, in dem die steuerfreien Einnahmen zu den steuerpflichtigen Einnahmen der Klägerin aus derselben Tätigkeit stehen. Es lässt sich nicht eindeutig feststellen, dass die Werbungskosten allein durch die Erzielung der nach DBA-Aserbaidschan steuerfreien BLA oder allein durch die steuerpflichtigen Zahlungen des Auswärtigen Amtes veranlasst sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.03.2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2002, 823; BFH-Urteil vom 11.02.2009 I R 25/08, BFHE 224, 498, BStBl II 2010, 536).
Der Anteil der steuerfreien Einnahmen (… €) an den Gesamteinnahmen (… € = … € + … €) beträgt 54,12 %. Danach entfällt von den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von … € auf die steuerfreien Einnahmen ein Betrag in Höhe von … € (= 54,12 % von … €) und auf die steuerpflichtigen Einnahmen ein Betrag in Höhe von … € (= 45,88 % von … €).
5. Auf die Frage, ob die Tagegelder nach inländischem deutschem Recht steuerfrei sind, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.
6. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in anderen Veranlagungszeiträumen die BLA insgesamt steuerfrei gestellt wurden. Dem steht schon das Prinzip der Abschnittsbesteuerung entgegen. Ebenso wenig liegen die
Voraussetzungen eines Vertrauensschutzes der Klägerin nach § 176 AO vor. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Eine Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Berücksichtigung von Tagegeldern der OSZE bestand bisher nicht.
7. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 ist danach in der Weise zu ändern, dass nunmehr Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt … € (Einnahmen: … €; Werbungskosten: … €) anzusetzen sowie steuerfreie Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt … € (= … € – … €) in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b EStG einzubeziehen sind.
Die Berechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da das Verhältnis zwischen § 50d Abs. 8 EStG und einem später in Kraft getretenen DBA durch den BFH noch nicht geklärt ist.