Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen vorhanden?

Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen vorhanden?

Kernproblem

Wird man als Bürge in Anspruch genommen und muss zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung ein Darlehen aufnehmen, dann stellt sich nicht nur die Frage nach einem steuerlichen Abzug der Aufwendungen. Zumindest wenn sich später herausstellt, dass die Inanspruchnahme zu Unrecht erfolgte und die vor Gericht erstrittene Rückzahlung mit Zinseinnahmen verbunden ist, möchte das Finanzamt hieran beteiligt werden. Erscheint dieser Gedanke bereits verwegen, dann muss das erst recht für den Fall gelten, dass die aufgewendeten Darlehenszinsen steuerlich nicht abgezogen werden können. Aber genauso wollte es das Finanzamt.

Sachverhalt

Der Bürge einer GmbH, der aber nicht deren Gesellschafter war, wurde mit fast 1 Mio. EUR zu Unrecht in Anspruch genommen. Hiergegen klagte er vor dem Landgericht und bekam nach fast 10 Jahren im Jahr 2002 Recht. Die Bürgschaftssumme wurde wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgezahlt und mit 256.000 EUR verzinst. Der Bürge selbst musste im Jahr der Inanspruchnahme ein Darlehen aufnehmen, für das er bis einschließlich zum Jahr 1998 fast 269.000 EUR an Zinsen zahlte. Unterm Strich blieb ihm also ein Verlust. Den Zinsertrag versteuerte das Finanzamt im Jahr 2002 nach Abzug von Rechtsanwaltskosten als Kapitaleinkünfte. Das Finanzgericht prüfte im Klageverfahren einen Totalüberschuss und war wie das Finanzamt der Auffassung, dass der Refinanzierungsaufwand unberücksichtigt bliebe, weil er im Zusammenhang mit der Bürgschaftsverpflichtung – nicht der Zinserträge – stehe. So ging es weiter zum Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung

Diesmal gewann der Bürge. Die Steuerpflicht der Erträge als solche aus Kapitalvermögen bestätigte der BFH, weil Verzugszinsen aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz, sondern Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung zustehenden Kapitals darstellten. Jedoch stehe auch der Zinsaufwand in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den späteren Zinseinnahmen, denn bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reiche die Darlehensaufnahme zur Erfüllung der (letztlich nicht gerechtfertigten) Forderung aus. Eine besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke der Erzielung von Verzugszinsen sei nicht erforderlich. Wenn es bei den Zinseinnahmen aus erzwungener Kapitalüberlassung lediglich auf die Steigerung der Leistungsfähigkeit ankäme (nicht die Einkünfteerzielungsabsicht), müsse gleiches auch für die Aufwendungen gelten.

Konsequenz

Weil nach periodenübergreifender Betrachtung durch Einbeziehung der Zinsaufwendungen (wenngleich nicht bei Verausgabung geltend gemacht) kein Totalgewinn zu erzielen war, schied auch ein Ansatz der Einnahmen im Jahr 2002 aus (Behandlung wie „Liebhaberei“).