Erzieherin erstreitet höheres Übergangsgeld

Der staatlich anerkannte Abschluss einer Erzieherin an einer Fachschule gilt für die Berechnung der Höhe von Übergangsgeld als Fachschulabschluss und nicht lediglich als abgeschlossene Ausbildung.

Der 7. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts gab am 20.06.2022 einer Erzieherin Recht, die gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ein höheres Übergangsgeld geklagt hatte (Az. L 7 R 55/21).

Die 57-jährige Klägerin hatte in jungen Jahren ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg absolviert und dort den Abschluss staatlich anerkannte Erzieherin erworben. Nach über 20 Jahren in ihrem Beruf erkrankte sie und konnte nicht mehr als Erzieherin arbeiten. Die Rentenversicherung bewilligte ihr im Jahr 2019 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integrationsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Hamburg. Um ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit sicherzustellen, erhielt sie von der Rentenversicherung ein sog. Übergangsgeld. Streitig war vor Gericht die Höhe dieses Übergangsgeldes.

Zum Hintergrund: Wer an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme teilnimmt, kann zur Sicherung seines Lebensunterhalts Übergangsgeld von der Rentenversicherung erhalten. Die Höhe des Übergangsgeldes wird durch das zuvor erzielte Einkommen bestimmt. Wurde – wie hier – in den letzten drei Jahren vor der Maßnahme kein Einkommen erzielt, wird ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt. Das Übergangsgeld wird dann in Höhe von 65 % dieses fiktiven Einkommens gezahlt. Wie hoch das fiktive Einkommen ist, bestimmt sich nach der beruflichen Qualifikation. § 68 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellt hierfür auf den Berufsabschluss ab und differenziert in vier Stufen danach, ob ein Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss (1. Stufe) oder ein Fachschulabschluss (2. Stufe) erworben wurde, eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf vorliegt (3. Stufe) oder aber keine Ausbildung (4. Stufe).

Obwohl die Klägerin im vorliegenden Fall ihren Abschluss als Erzieherin an einer Fachschule für Sozialpädagogik erworben hatte, ging die Deutsche Rentenversicherung Bund davon aus, dass sie damit lediglich so zu stellen wäre, als hätte sie eine abgeschlossene Ausbildung absolviert. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, dass ein Fachschulabschluss im Sinne der 2. Stufe vorliege. Die Rentenversicherung argumentierte damit, dass bei den in § 68 Abs. 2 SGB IX beschriebenen Qualifikationsgruppen jeweils unterschiedliche Fertigkeiten und Befähigungen erworben würden. Die 3. Stufe, die sie hier anwenden wollte, setze eine grundständige Ausbildung voraus. Die 2. Stufe, die den Abschluss an einer Fachschule erfordere, setze eine solche Ausbildung voraus und fordere darüber hinaus den Erwerb weitergehender Fertigkeiten und Berechtigungen, insbesondere Führungsfähigkeiten, im Sinne einer Weiterbildung. Diese Voraussetzungen hätten bei der Ausbildung der Klägerin nicht vorgelegen.

Dies sahen das Sozialgericht Lübeck in 1. Instanz und nun auch das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, das die Berufung der Rentenversicherung zurückwies, anders. Der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich auf den Abschluss an einer Fachschule und nicht auf den Erwerb zusätzlicher Fertigkeiten und Berechtigungen abstelle, sei hier eindeutig. Nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz könne die Ausbildung im Fachbereich Sozialwesen über eine Fachschule angeboten werden. Hierfür habe sich die Hansestadt Hamburg entschieden. Diese habe hierfür entsprechende Ausbildung- und Prüfungsregelungen erlassen. Es gebe keinen Grund, hier eine den Wortlaut erweiternde Auslegung vorzunehmen. Die Klägerin erhält nun ein um etwa 380 Euro monatlich höheres Übergangsgeld für die Zeit der Maßnahme.

Mit diesem Urteil wertet der Senat die sozialen Berufe, in denen überproportional viele Frauen tätig sind, bei der Bemessung des Übergangsgeldes auf.“, kommentiert die Pressesprecherin des Landessozialgerichts Katrin Gebhardt die Entscheidung.

Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: LSG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 21.06.2022 zum Urteil L 7 R 55/21 vom 20.06.2022