EU-Kommission prüft Verrechnungspreisvereinbarungen im Rahmen der Besteuerung von Amazon in Luxemburg

Die Europäische Kommission hat eine eingehende Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob die Entscheidung der luxemburgischen Steuerbehörden zu der von Amazon in Luxemburg zu zahlenden Körperschaftsteuer mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist. Mit der Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens wird sowohl interessierten Dritten als auch Mitgliedstaaten die Gelegenheit zur Stellungnahme geboten, ohne dem Ergebnis vorzugreifen.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte hierzu: „Die nationalen Behörden dürfen nicht zulassen, dass einzelne Unternehmen ihre zu versteuernden Gewinne mit Hilfe von für sie vorteilige Berechnungsmethoden zu niedrig ansetzen. Es ist nur fair, dass Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen ordnungsgemäß Steuern zahlen und keine Vorzugsbehandlung erhalten, die auf versteckte Beihilfen hinauslaufen könnte. Die Prüfung der steuerlichen Regelungen für Amazon in Luxemburg reiht sich an die anderen im Juni eingeleiteten förmlichen Prüfverfahren. Ich begrüße es sehr, dass sich die Zusammenarbeit mit Luxemburg deutlich verbessert hat.“

Algirdas Semeta, der für Steuern zuständige EU-Kommissar, erklärte: „Ein fairer Steuerwettbewerb ist eine wesentliche Bedingung für einen gesunden Binnenmarkt und unseren gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand. Für unsere Zusammenarbeit zur Wiederherstellung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit ist es unerlässlich schädliche Steuerpraktiken anzugehen, die die Steuerbasis der EU-Mitgliedstaaten untergraben. Fairplay in der Besteuerung muss die Regel sein.“

In Steuervorentscheidungen erläutern die Steuerbehörden einzelnen Unternehmen, wie die von ihnen zu entrichtende Körperschaftsteuer berechnet wird. Sie dienen insbesondere der Bestätigung von Verrechnungspreisvereinbarungen, in denen die Preise festgelegt werden, die Tochtergesellschaften eines Konzerns einer anderen Tochtergesellschaft derselben Gruppe für gelieferte Waren oder erbrachte Dienstleistungen in Rechnung stellen. Dies hat Einfluss darauf, wie der zu versteuernde Gewinn auf die in unterschiedlichen Ländern ansässigen Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe verteilt wird. Steuervorentscheide an sich sind nicht problematisch.

Im Zusammenhang mit Verrechnungspreisvereinbarungen können Steuervorentscheidungen jedoch staatliche Beihilfen im Sinne der EU-Vorschriften beinhalten, wenn diese dazu genutzt werden, um ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Unternehmensgruppe zu begünstigen. Preise für gruppeninterne Transaktionen müssen korrekt und auf der Grundlage der Marktpreise veranschlagt werden. Ist dies nicht der Fall, könnten Unternehmensgruppen ihre zu versteuernden Gewinne zu niedrig ansetzen, während andere Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt anstatt innerhalb der Gruppe kaufen und verkaufen, benachteiligt würden. Dies kann eine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften darstellen.

Die geprüfte Steuervorentscheidung für Amazon geht auf das Jahr 2003 zurück und ist nach wie vor in Kraft. Sie gilt für die Amazon-Tochter Amazon EU S.à.r.l., die ihren Sitz in Luxemburg hat und auf die der größte Anteil der in Europa erzielten Gewinne von Amazon entfällt. Auf der Grundlage einer in der Steuervorentscheidung festgelegten Methode zahlt Amazon EU S.à.r.l. eine steuerlich absetzbare Lizenzabgabe an eine geschlossene Kommanditgesellschaft (Limited Liability Partnership), die in Luxemburg ansässig ist, allerdings nicht der luxemburgischen Körperschaftsteuer unterliegt. Der größte Teil der europäischen Gewinne von Amazon wird somit zwar in Luxemburg verbucht, dort aber nicht besteuert.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Lizenzabgabe, die die zu versteuernden Gewinne von Amazon EU S.à.r.l. jedes Jahr verringert, in ihrer Höhe möglicherweise nicht den Marktbedingungen entspricht. Die Kommission hat Bedenken, dass die zu versteuernden Gewinne von Amazon EU S.à.r.l. in der Steuervorentscheidung zu niedrig angesetzt sein könnten und Amazon dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wird, da die Gruppe weniger Steuern zahlt als andere Unternehmen, deren Gewinne in Einklang mit den marktüblichen Bedingungen berechnet werden. Die Kommission wird die Prüfung nun fortsetzen, um festzustellen, ob sich ihre Bedenken bestätigen.

Luxemburg hat dem Auskunftsersuchen der Kommission im Rahmen der Einholung von Informationen über die Steuervorentscheidungspraxis in einigen Mitgliedstaaten nicht in vollem Umfang Folge geleistet, sondern nur eine kleine Stichprobe geliefert. Die Kommission hat deshalb im Juni 2014 durch Übermittlung eines Aufforderungsschreibens ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg eingeleitet (siehe IP/14/309). Zwar ist Luxemburg dem Auskunftsersuchen der Kommission immer noch nicht in vollem Umfang nachgekommen, hat aber im August 2014 die von der Kommission erbetenen Angaben zu einer Reihe von Fällen geliefert, darunter auch zu Amazon.

Hintergrund
Nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Selektive Steuervergünstigungen können eine staatliche Beihilfe darstellen. Die Kommission stellt nicht die allgemeinen Steuervorschriften Luxemburgs in Frage.

Im Juni hat die Kommission bereits drei eingehende Untersuchungen eingeleitet, die sich mit der Steuervorentscheidungspraxis bei Verrechnungspreisvereinbarungen in Luxemburg (Fiat Finance and Trade), den Niederlanden (Starbucks) bzw. Irland (Apple) befassen (sieheIP/14/663).

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden die nicht vertraulichen Fassungen der Beschlüsse über das Beihilfenregister auf derWebsite der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.38944 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfeentscheidungen informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 07.10.2014