EU-Recht: Empfehlungen zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und Steuervermeidung

Am 16.12.2015 hat das Parlament eine Entschließung verabschiedet, in der es Gesetzesinitiativen zur transparenteren Gestaltung, Koordinierung und Annäherung der Politik im Bereich der Körperschaftsteuer in der EU vorschlägt. Dieser Vorstoß des Parlaments, die EU-Mitgliedstaaten dazu zu drängen, gegen aggressive Steuerplanung und -vermeidung durch internationale Unternehmen vorzugehen, wurde durch die „Luxleaks“-Enthüllungen zu Steuerabsprachen mit multinationalen Firmen ausgelöst.

Die vom Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments vorbereitete Entschließung wurde mit 500 Stimmen angenommen, bei 122 Gegenstimmen und 81 Enthaltungen. Die EU-Kommission muss auf jede legislative Empfehlung in der Entschließung des Parlaments reagieren, auch, wenn sie keinen entsprechenden Legislativvorschlag vorlegt.

„Dieser Bericht zeigt die Entschlossenheit sowohl des Europäischen Parlaments als auch der Bürger Europas, nun endlich wirksame Maßnahmen einzuführen, um Unternehmen daran zu hindern, durch Absprachen mit den Behörden eines anderen Landes fast alle Steuern zu vermeiden. Der „Luxleaks“-Skandal zeigt, wieviel diese Firmen eingespart haben. Diese Gelder hätten für Schulen, Krankenhäuser oder die Verringerung von Staatsschulden genutzt werden können“, sagte die Berichterstatterin Anneliese Dodds (S&D, UK).

„Steuerumgehung durch Unternehmen kostet die nationalen Haushalte jedes Jahr mehrere zehn Milliarden Euro. Sie führt zu unlauterem Wettbewerb zwischen Unternehmen und untergräbt das Vertrauen der europäischen Bürger in Staaten und Regierungen“, sagte Berichterstatter Luděk Niedermayer (EVP, CZ). „Die schnelle Umsetzung der von Parlament und OECD vorgeschlagenen Maßnahmen ist eine einzigartige Gelegenheit, nicht nur die Steuererhebung eines Mitgliedstaats zu verbessern, sondern auch, den Körperschaftsteuerwettbewerb fairer zu gestalten und die mit der Befolgung von Vorschriften verbundenen Kosten für Unternehmen zu verringern“, fügte er hinzu.

Empfohlene rechtliche Schritte

Diese Vorschläge bauen auf den Ergebnissen des Sonderausschusses für Steuervorbescheide auf, der infolge der „Luxleaks“-Enthüllungen eingerichtet wurde und dessen Empfehlungen am 26. November vom Plenum verabschiedet wurden.

Das Europäische Parlament fordert die Kommission unter anderem auf,

  • alle erforderlichen Schritte zu ergreifen, um spätestens im ersten Quartal 2016 eine umfassende und öffentlich zugängliche länderspezifische Berichterstattung durch multinationale Unternehmen aller Branchen einzuführen;
  • so bald wie möglich einen Vorschlag für ein freiwilliges europäisches „Fair Taxpayer“-Gütesiegel vorzulegen;
  • so bald wie möglich einen Legislativvorschlag zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) vorzulegen. Als zweiter Schritt ist so bald wie möglich und spätestens bis Ende 2017 eine verbindliche gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) einzuführen;
  • einen Vorschlag für eine europäische Steueridentifikationsnummer (TIN) vorzulegen;
  • einen Legislativvorschlag vorzulegen, um Hinweisgeber (Whistleblower) rechtlich zu schützen;
  • bis zum Sommer 2016 einen Vorschlag vorzulegen, um die derzeitigen Mechanismen zur Beilegung grenzüberschreitender Steuerstreitigkeiten in der EU zu verbessern;
  • so bald wie möglich einen Vorschlag für einen neuen Mechanismus vorzulegen, durch den die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, andere Mitgliedstaaten und die Kommission unverzüglich zu informieren, wenn sie beabsichtigen, neue Freibeträge, Ermäßigungen, Ausnahmen, Vergünstigungen oder ähnliche Maßnahmen einzuführen, die wesentliche Auswirkungen auf den effektiven Steuersatz in dem Mitgliedstaat oder auf die Besteuerungsgrundlagen in einem anderen Mitgliedstaat haben könnten;
  • ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die Mitgliedstaaten das Ausmaß der direkten und indirekten Ausfälle der Körperschaftsteuer – also der Unterschied zwischen der geschuldeten und der entrichteten Körperschaftsteuer – in allen Mitgliedstaaten ermitteln können;
  • das Mandat der Gruppe „Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung“ des Rates zu stärken und deren Transparenz zu erhöhen;
  • den Mitgliedstaaten auch künftig Leitlinien zur Umsetzung von Patentbox-Regelungen an die Hand zu geben, um sicherzustellen, dass diese keine schädlichen Auswirkungen haben;
  • die Begriffe „Betriebsstätte“ und „wirtschaftliche Substanz“ EU-weit zu definieren, damit sichergestellt werden kann, dass Unternehmensgewinne auch dort besteuert werden, wo die Unternehmen wertschöpfend tätig sind;
  • den Begriff „Steueroase“ EU-weit zu definieren und Maßnahmen gegen Unternehmen vorzuschlagen, die Steueroasen nutzen.
  • den EU-Rahmen für Verrechnungspreise zu verbessern.

Die nächsten Schritte

Die Kommission muss binnen einer Frist von drei Monaten auf die Empfehlungen des Parlaments reagieren, entweder mit entsprechenden Legislativvorschlägen oder Erklärungen bei jenen Punkten, zu denen sie keine Gesetzesvorschläge vorlegen will.

Indessen hat das Parlament sich auf ein erneuertes sechsmonatiges Mandat für den Sonderausschuss zu Steuervorbescheiden geeinigt.

Unter anderem wird der Sonderausschuss die Arbeit der EU-Kommission in den Bereichen staatliche Beihilfen und Steuern verfolgen sowie untersuchen, ob die Mitgliedstaaten die Steuergesetzgebung beachten. Sie werden auch ein besonderes Augenmerk auf die aggressive Steuerplanung von Unternehmen richten.

Der Ausschuss wird ebenfalls genau darauf achten, welche Folgemaßnahmen die EU-Mitgliedstaaten und EU-Institutionen auf der Grundlage der bisherigen Empfehlungen seiner Mitglieder ergriffen haben. Er wird zudem die laufende Arbeit internationaler Institutionen wie der OECD und der G20 verfolgen.

Quelle: EU-Parlament, Pressemitteilung vom 16.12.2015