Finanzgericht hält sog. „überdachende Besteuerung“ nach Wegzug in die Schweiz für europarechtswidrig

Der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass die sog. „überdachende Besteuerung“ von Arbeitnehmern, die ihren Wohnsitz in Deutschland aufgeben und in die Schweiz wegziehen, gegen das zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) und ihren Mitgliedsstaaten abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen verstößt. Er hat daher das Klageverfahren ausgesetzt und die Frage der Europarechtswidrigkeit mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 (Az. 3 K 2654/11) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dort ist das Verfahren inzwischen unter dem Az.: C-241/14 anhängig. Die überdachende Besteuerung ermöglicht dem deutschen Fiskus den Zugriff auf Einkünfte aus deutschen Quellen im Jahr des Wegzugs in die Schweiz und in den folgenden fünf Kalenderjahren. Dies betrifft insbesondere den Arbeitslohn, der nach dem Wegzug als Grenzgänger für eine Tätigkeit bei einem deutschen Arbeitgeber bezogen wird. Die deutsche Besteuerung greift allerdings nur dann, wenn der Wegzügler kein Schweizer Staatsbürger ist. Das Finanzgericht sieht darin eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sowie einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Arbeitnehmer- und Personen- Freizügigkeit. Der Kläger des Streitfalls hatte seinen Wohnsitz in Deutschland Ende Juli 2008 aufgegeben und war in die Schweiz weggezogen. Anschließend war er jedoch weiterhin als Geschäftsführer für eine in Deutschland ansässige GmbH – die Tochtergesellschaft eines schweizerischen Konzerns – tätig. Für den seither bezogenen Arbeitslohn führte die GmbH lediglich eine Quellensteuer von 4,5% an den deutschen Fiskus ab. Der Kläger versteuerte den Arbeitslohn ansonsten an seinem Wohnsitz in der Schweiz. Zum Streit kam es, weil das deutsche Finanzamt den Kläger trotzdem – unter Anrechnung der schweizerischen Steuer – zur (erheblich höheren) deutschen Einkommensteuer heranziehen wollte.

PM FG Baden-Württemberg