Forscher warnen vor internationalen Steuerkonflikten durch Digitalisierung und Globalisierung

Die internationale Forschergruppe EEAG hat koordinierte Reformen der internationalen Besteuerungsregeln und der nationalen Steuersysteme verlangt. Andernfalls könnten Spannungen im internationalen Steuersystem zu zwischenstaatlichen Konflikten führen. Sie würden befeuert durch die Digitalisierung der Wirtschaft und die Globalisierung einschließlich der wachsenden ökonomischen Bedeutung der Schwellenländer. Das geht aus dem neuen Europa-Report „Faire Besteuerung in einer mobilen Welt“ der EEAG-Gruppe und EconPol Europe hervor, zu denen ifo-Präsident Clemens Fuest gehört.

Da Europa bei der Entwicklung digitaler Plattformen zurückfalle, griffen immer mehr Länder auf die unilaterale Einführung von Digitalsteuern zurück. Die USA betrachteten das als einen Verstoß gegen internationale Besteuerungsregeln und drohten mit Vergeltung in Form von Strafzöllen. Dieser Konflikt drohe, den internationalen Handel und den Kapitalverkehr zu stören, mit wirtschaftlichen Nachteilen für alle beteiligten Länder.

„Die Besteuerung multinationaler Unternehmen einschließlich der Digitalunternehmen ist durchaus reformbedürftig“, sagen die Forscher. Eine Situation, in der Unternehmen sehr unterschiedlich besteuert würden und einige Unternehmen in der Lage seien, einen Teil der Steuern auf ihre Gewinne zu vermeiden, sei unfair und wirtschaftlich schädlich. „Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf.“

Bei der Verteilung der steuerpflichtigen Gewinne multinationaler Unternehmen zwischen den Ländern, in denen die Unternehmen aktiv sind, mangele es an Transparenz. Die im Rahmen der länderbezogenen Berichterstattung erhobenen Daten würden es erlauben, die Informationsbasis erheblich zu verbessern. Derzeit lägen diese Daten jedoch nicht in ausreichend standardisierter Form vor. Eine Vereinheitlichung sei erforderlich.

Die Pläne in der EU jedoch, diese Daten für EU-Unternehmen zu veröffentlichen, seien kontraproduktiv, fügen die Forscher hinzu. „Hiervon raten wir dringend ab. In ihrem derzeitigen Zustand würden die Daten nur zu Fehlinterpretationen und falschen Schlüssen führen.“ Ohne eine globale Koordinierung würde eine Veröffentlichung dieser Daten europäische Unternehmen im Wettbewerb benachteiligen. Stattdessen sollten die Daten für Analysezwecke in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Die Forscher schlagen vor, dass die EU jährlich einen Bericht über die Verteilung steuerpflichtiger Gewinne und wirtschaftlicher Aktivitäten europäischer Konzerne vorlegt. Die derzeitigen im Rahmen der OECD diskutierten Vorschläge zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten seien „unnötig komplex“, ergänzen die Forscher. Die Komplexität berge die Gefahr, dass neue Möglichkeiten der Steuervermeidung und neue Konflikte über Besteuerungsrechte zwischen den Ländern entstünden.

In der nationalen Steuerpolitik erschwere die zunehmende Mobilität eine umverteilende Besteuerung. Es sei dennoch möglich, progressive Elemente in der Besteuerung beizubehalten, allerdings würden die Spielräume vor allem bei den hohen Einkommen geringer. Daher hätten viele Länder die Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer reduziert.

Bei den Ausgaben plädieren die Forscher dafür, die Subventionen für die Hochschulbildung, Studienbeihilfen sowie teilweise oder komplett subventionierte Gebühren neu zu überdenken. „Eine solche Politik ist eher rückschrittlich. Die privaten Renditen auf eine akademische Ausbildung sind vergleichsweise hoch, was die Studenten in doppelter Hinsicht belohnt: durch vergünstigten Universitätszugang und höheres Lebenszeiteinkommen.“ Es gebe zwar wichtige Argumente für die Subventionierung der Primar- und Sekundar-Schulbildung, aber diese seien für die Hochschul-Bildung weniger überzeugend. Eine Möglichkeit bestehe darin, staatlich garantierte Darlehen durch Studienbeihilfen zu ersetzen.

Die Forscher heben hervor, dass angesichts wachsender Mobilität von Kapital und Personen immobile oder weniger mobile Bemessungsgrundlagen wie Konsum und Grund und Boden attraktiver würden. Erstaunlicherweise würden Steuern auf Grund und Boden in den meisten EU-Staaten nur wenig genutzt. Erbschaften oder Schenkungen seien Teil eines gerechten Steuersystems, da der Erhalt einer Erbschaft die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erben erhöhe. Es sei wichtig, Ausnahmeregelungen und Steuerbefreiungen abzubauen, um unfaire Diskriminierungen zu reduzieren. Gleichzeitig sei bei der Gestaltung von Erbschaftsteuern und vermögensbezogenen Steuern generell zu beachten, dass sie Kapitalflucht auslösen können.

Quelle: ifo Institut, Pressemitteilung vom 02.03.2020