Gebäudeabschreibung: Kürzere tatsächliche Nutzungsdauer – geringere Hürden für Gutachter

Zwei aktuelle Entscheidungen des FG Münster und des FG Hamburg bringen Erleichterung für Immobilienbesitzer, die eine verkürzte AfA-Dauer (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG) steuerlich durchsetzen wollen.

🔍 Kernaussagen der Gerichte

  • Keine Pflicht zur DEKRA-/IHK-Zertifizierung
    Ein Gutachten ist auch ohne formelles Zertifikat anerkennungsfähig.
    Entscheidend ist die Nachvollziehbarkeit und Qualifikation, nicht das Etikett „öffentlich bestellt“.
  • Privatgutachten sind zulässig
    Auch ein privat erstelltes Gutachten kann den Nachweis einer geringeren Nutzungsdauer erbringen.
  • Sachverständigenmethoden frei wählbar
    Jede fachlich geeignete Methode ist akzeptabel – kein Vorrang des (teuren) Verkehrswert- oder Wertermittlungsgutachtens.

⚠️ Aber: Reine Online-Gutachten kritisch

Beide Senate zeigen sich skeptisch:

  • Ohne Inaugenscheinnahme vor Ort könnte das Gutachten nicht ausreichen.
  • Ein Ortstermin wird als entscheidendes Qualitätskriterium angesehen.
  • Im Münsteraner Fall wurde ein späterer Ortstermin akzeptiert – aber das war Glück und nicht Standard.

👉 Empfehlung:
Wenn Mandanten günstige „Online-Restnutzungsdauer-Gutachten“ nutzen wollen, sollte immer eine Vor-Ort-Begutachtung enthalten sein.

💡 Bedeutung für die Praxis

Die Urteile schwächen die restriktive Verwaltungsauffassung, wonach nur hochzertifizierte Sachverständige anerkannt werden.
Dadurch wird die verkürzte AfA realistischer und kosteneffizienter durchsetzbar – z. B. bei:

  • Altbau mit Sanierungsstau
  • massiven Baumängeln
  • schlechter Energieeffizienz
  • hoher Schadstoffbelastung
  • erheblichem Reparaturrückstand

📌 Praxistipp

  • Gutachten detailliert dokumentieren: Bauzustand, technische Lebensdauer, Modernisierungsgrad, Instandhaltungsrückstände
  • Keine „Pauschalbescheinigung“ ohne Berechnungsansatz
  • Keine reine Online-Begutachtung ohne Begehung

📝 Fazit

Die Finanzgerichte machen den Weg frei für realistische Abschreibungszeiträume, ohne Zertifizierungszwang.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Seriosität und Objektprüfung – reine Online-Gutachten werden künftig kaum haltbar sein.