Gemeinnützigkeit auf dem Prüfstand: BFH bittet den EuGH um Klärung zur Beihilfenproblematik bei Servicekörperschaften

BFH-Beschluss vom 22.05.2025 (V R 22/23), PM Nr. 46/25 vom 17.07.2025

Mit Beschluss vom 22. Mai 2025 hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet – mit brisanter Fragestellung: Ist die steuerliche Begünstigung von sog. Servicekörperschaften mit dem europäischen Beihilfenrecht (Art. 107 AEUV) vereinbar?

Was ist eine Servicekörperschaft?

Servicekörperschaften sind Gesellschaften – z. B. GmbHs –, die Dienstleistungen gegen Vergütung erbringen, aber ausschließlich für gemeinnützige Organisationen tätig sind. Seit dem Jahressteuergesetz 2020 können sie unter bestimmten Voraussetzungen als steuerbegünstigte Körperschaften anerkannt werden, obwohl sie selbst keine eigenen gemeinnützigen Zwecke unmittelbar verwirklichen. Grundlage ist § 57 Abs. 3 AO.

Beispiel: Eine Krankenhaus-GmbH lagert die Wäscherei auf eine separate Service-GmbH aus. Durch ein „planmäßiges Zusammenwirken“ kann auch diese GmbH steuerlich als gemeinnützig gelten.


Worum geht es konkret?

Die Klägerin im Streitfall wollte als Servicekörperschaft Buchhaltungs- und Rechnungswesenleistungen für eine gemeinnützige Stiftung erbringen. Die Vorteile:

  • ermäßigter Umsatzsteuersatz für die Leistungen
  • steuerliche Begünstigungen wie Körperschaftsteuerfreiheit
  • Wettbewerbsvorteile gegenüber nicht gemeinnützigen Anbietern

Der BFH sieht darin möglicherweise eine selektive wirtschaftliche Bevorzugung und somit eine beihilferelevante Maßnahme im Sinne des EU-Rechts. Fraglich ist auch, ob es sich um eine nicht genehmigte „neue Beihilfe“ handelt, die aufgrund fehlender Notifizierung gegenüber der EU-Kommission nicht anwendbar wäre.


Was prüft der EuGH?

Der EuGH soll u. a. klären:

  • Stellt § 57 Abs. 3 AO eine verbotene staatliche Beihilfe dar?
  • Liegt eine genehmigungspflichtige Neuregelung nach Art. 108 AEUV vor?
  • Kann der Status der Gemeinnützigkeit bei Servicekörperschaften überhaupt bestehen bleiben?
  • Stehen gemeinnützigkeitsrechtliche Bindungen (z. B. zur Mittelverwendung) einer Beihilfeannahme entgegen?

Warum ist das brisant?

Sollte der EuGH die Regelung in § 57 Abs. 3 AO als unzulässige Beihilfe einstufen:

  • könnte die Vorschrift unanwendbar werden,
  • wäre die steuerliche Begünstigung für Servicekörperschaften in Gefahr,
  • und müssten sich zahlreiche Organisationen neu strukturieren.

Besonders betroffen wären gemeinnützige Einrichtungen, die ausgelagerte Dienste (IT, Controlling, Reinigung etc.) über separate Gesellschaften steuern – ein verbreitetes Modell im Non-Profit-Sektor.


Fazit & Empfehlung für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH wird maßgeblichen Einfluss auf die steuerliche Anerkennung und Gestaltung gemeinnütziger Kooperationsmodelle haben.

🔹 Steuerberater und NPOs sollten bestehende Auslagerungen kritisch prüfen
🔹 Gestaltungsmodelle mit Servicekörperschaften sollten vorläufig zurückhaltend gehandhabt werden
🔹 Die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung sollte aktiv verfolgt werden

Wir halten Sie selbstverständlich über das Verfahren und dessen Auswirkungen auf dem Laufenden. Bei Rückfragen oder zur Überprüfung bestehender Strukturen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.


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