Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches

Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches, speziell des Ordnungsgeldverfahrens bei nicht fristgemäßer Einreichung des Jahresabschlusses, entlastet gerade kleine und Kleinstunternehmen. Umso wichtiger ist, dass das Gesetzgebungsvorhaben noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet und die Änderungen auch in Kraft treten können. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung  und könnte einige der Fallkonstellationen, die in der Vergangenheit zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt haben, beseitigen.  Ergänzend ist auf folgende Punkte hinzuweisen:
1. Auf den ersten Blick wird mit der Pflicht zur Herabsetzung des Ordnungsgeldes bei Erfüllung der Offenlegungspflicht nach Ablauf der Sechswochenfrist nach § 335 Abs. 4 Satz 2 HGB-E der Eindruck einer Entlastung vermittelt. Das tatsächliche Zeitfenster, das zu einer Herabsetzung des ersten Ordnungsgeldes und damit einer Entlastung führen kann, ist formal jedoch eng und vom Unternehmen/den Beteiligten nicht abschätzbar.
Die Herabsetzung nach § 335 Abs. 4 Satz 2 ist dann vorzunehmen, wenn die Beteiligten nach Ablauf der Sechswochenfrist ihrer Offenlegungspflicht nachkommen. Begrenzt ist diese Möglichkeit durch Satz 3. Die Offenlegung muss vor einer Entscheidung des Bundesamtes für Justiz erfolgen. Laut Begründung ist eine solche Entscheidung die Festsetzung des Ordnungsgeldes. Dieser Zeitpunkt steht für den Beteiligten jedoch nicht fest. Das Bundesamt kann nach Ablauf der Sechswochenfrist das Ordnungsgeld festsetzen. Ob dies sofort erfolgt oder nach einigen Tagen oder Wochen, kann von dem Unternehmer bzw. den Beteiligten nicht eingeschätzt werden. Würde das Ordnungsgeld sofort nach Ablauf der Sechswochenfrist festgesetzt werden – was rechtlich möglich ist – so bestünde sogar eine Schlechterstellung zur aktuell geltenden Regelung.
Denn aktuell wird das Ordnungsgeld auf 250 Euro herabgesetzt, wenn die Sechswochenfrist geringfügig (2 Wochen laut Rechtsprechung) überschritten ist. Im Ergebnis kann der Vorschlag in § 335 Abs. 3 HGB-E die grundsätzliche Belastung durch zu hohe Ordnungsgelder insbesondere für kleinere Unternehmen und deren teilweise existenzgefährdenden Folgen in Einzelfällen nicht beseitigen. Eine grundsätzliche Entlastung könnte nur durch die Herabsetzung des anzudrohenden Ordnungsgeldes selbst erfolgen. Es ist davon auszugehen,  dass auch die im Gesetzentwurf genannten Staffelbeträge als Androhung ihren präventiven Effekt entfalten. Darüber hinaus wären auch niedrigere Ordnungsgelder abschreckend.

2. Mit § 335 Abs. 5 HGB-E wird der Begriff des „Verschuldens“ im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgenommen. Hierdurch sollen bestimmte, in der Vergangenheit aufgetretene Konstellationen, die bislang nicht berücksichtigt wurden (vgl. Beispielsfälle in der Begründung zu A II 3, B Nr. 2b), künftig neu gestaltet werden. Es ist unklar, ob die in der Begründung genannten Beispielsfälle bei Anwendung des Gesetzes dann auch zur Änderung des „Verschuldensmaßstabs“ und damit zur tatsächlichen Berücksichtigung dieser Konstellationen führen werden. Offen ist auch, welcher Verschuldensmaßstab im Rahmen des Einspruchsverfahrens verwendet würde. Der bisher vom Bundesamt für Justiz verwendete Verschuldensmaßstab im Rahmen des § 335 Abs. 1 Satz 1 HGB hat gerade die in der Begründung genannten Beispielsfälle nicht berücksichtigt. Wenn die in der Begründung genannten Beispielsfälle im Rahmen der Sechswochenfrist als Nichtverschulden bei der rechtzeitigen Einreichung des Jahresabschlusses gewertet werden, so müssten sie, wenn sie zum Zeitpunkt des Einspruches gegen die Androhung des Ordnungsgeldes bestehen, konsequenterweise auch im Einspruchsverfahren berücksichtigt werden. Dies ist aufgrund des Gesetzestextes formal nicht sichergestellt.

Ergänzend ist noch anzumerken, dass die Formulierung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sich – anders als z. B. § 32 VwVfG – im Rahmen der Ausschlussfrist nicht auf höhere Gewalt bezieht, vgl. § 335 Abs. 5 Satz 7 HGB-E.

3. Ungeklärt ist das Vorgehen der Beteiligten, wenn mehrere Ordnungsgeldfestsetzungen erfolgt sind, z. B. wenn der geschäftsführende Einzelgesellschafter längere Zeit durch Krankheit nicht in der Lage ist, seinen Aufgaben nachzukommen. Er hätte wohl gegen jede der Ordnungsgeldfestsetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.

4. Die Begründung des Gesetzestextes geht grundsätzlich davon aus, dass die Hindernisse, die zu einer nicht verschuldeten rechtzeitigen Offenlegung führen, temporär sind. Unklar ist die Rechtslage, wenn z. B. in seltenen Fällen durch  Brand die gesamten Buchungsunterlagen des Unternehmens vernichtet wurden, keine externe Sicherung vorliegt und eine Rekonstruktion nicht möglich ist. Für Fälle dauerhafter Hindernisse bzw. objektiver Unmöglichkeit der Erstellung bzw. Offenlegung des Jahresabschlusses scheint der Entwurf keine Lösung zu formulieren – unabhängig davon, ob diese Unmöglichkeit in der Sechswochenfrist entstanden ist oder schon vorher bestand und im Rahmen des Einspruchs vorgetragen wird.
Dies erscheint insofern klärungsbedürftig, als unserer Kenntnis nach in noch nicht veröffentlichten Beschlüssen das LG Bonn auch in Fällen der objektiven Unmöglichkeit eine Vorlagepflicht bejaht hat. Wie aber soll ein Unternehmen einer Offenlegungspflicht nachkommen, wenn die nötigen Unterlagen hierfür nicht bestehen und nicht wiederhergestellt werden können?

5. Nach § 335b Satz 2 HGB-E soll das Ordnungsgeldverfahren gegen die persönlich haftenden Gesellschafter oder gegen die Mitglieder der vertretungsberechtigten Organe der persönlich haftenden Gesellschafter gerichtet werden; sekundär auch gegen die Offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft.

Es erscheint unbillig, das Ordnungsgeldverfahren auch gegenüber den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern durchzuführen.

BT-Drs. 17/13221