Gewinnbegriff beim Investitionsabzugsbetrag

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in seinem Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2023 (10 K 1873/22) entschieden, dass der Begriff „Gewinn“ im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Steuerbilanzgewinn zu interpretieren ist und nicht als steuerlicher Gewinn gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies bedeutet, dass außerbilanzielle Positionen bei der Ermittlung des Gewinns für den Investitionsabzugsbetrag nicht zu berücksichtigen sind. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zu einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 15. Juni 2022.

Wesentliche Punkte des Gerichtsbescheids:

  1. Sachverhalt: Die Klägerin, ein Gewerbebetrieb, machte für das Jahr 2020 einen Investitionsabzugsbetrag geltend. Das Finanzamt lehnte diesen ab, da es der Auffassung war, dass die Gewinngrenze von 200.000 Euro überschritten sei, wenn man den steuerlichen Gewinn inklusive außerbilanzieller Korrekturen zugrunde legt.
  2. Entscheidung des Gerichts: Das Gericht gab der Klage statt und entschied, dass der Investitionsabzugsbetrag gewährt werden muss, da die Gewinngrenze nicht überschritten wurde, wenn man den Steuerbilanzgewinn als maßgeblich betrachtet.
  3. Begründung:
    • Maßgeblichkeit des Steuerbilanzgewinns: Das Gericht stellte fest, dass der Gesetzestext auf den „ermittelten“ Gewinn nach § 4 bzw. § 5 EStG abstellt, was darauf hindeutet, dass der Steuerbilanzgewinn ohne außerbilanzielle Korrekturen gemeint ist.
    • Wortlautauslegung: Der Wortlaut des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG deutet darauf hin, dass der nicht korrigierte Gewinn maßgeblich ist.
    • Teleologische Auslegung: Der Zweck des Gesetzes, die Liquidität und Investitionsbereitschaft kleiner und mittlerer Betriebe zu stärken, spricht für die Maßgeblichkeit des Steuerbilanzgewinns.
    • Historische und systematische Auslegung: Die historische Auslegung liefert kein eindeutiges Ergebnis, aber die systematische Auslegung unterstützt die Interpretation, dass der Steuerbilanzgewinn gemeint ist.
  4. Gegenposition des Bundesfinanzministeriums: Das Gericht stellt seine Entscheidung gegen die Auffassung des Bundesfinanzministeriums, das in seinem Schreiben vom 15. Juni 2022 den steuerlichen Gewinn inklusive außerbilanzieller Korrekturen als maßgeblich ansah.
  5. Revisionszulassung: Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung wurde die Revision zum Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen X R 14/23 zugelassen.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg betont die Bedeutung des Steuerbilanzgewinns bei der Ermittlung des Gewinns für den Investitionsabzugsbetrag und stellt klar, dass außerbilanzielle Positionen nicht zu berücksichtigen sind. Dies hat wesentliche Auswirkungen auf die Berechnung und Verfügbarkeit des Investitionsabzugsbetrags für Unternehmen.