Grenzüberschreitende Verlustverrechnung: Ein neuerliches Nein vom BFH

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut Stellung zur Frage genommen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine inländische Muttergesellschaft die Verluste ihrer ausländischen Tochtergesellschaft übernehmen kann (BFH 9.8.23, I R 26/19). In diesem Urteil verneinte der BFH die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verlustverrechnung unter Berufung auf das Fehlen einer faktischen Organschaft innerhalb der EU.

Sachverhalt

Die A-GmbH, mit Sitz in Deutschland, war Alleingesellschafterin der in Frankreich ansässigen A-s.a.r.l. Diese Tochtergesellschaft verzeichnete über Jahre hinweg Verluste und stellte ihren Geschäftsbetrieb schließlich ein. Trotz der Einstellung des Betriebs lieferte die A-GmbH weiterhin Waren an die A-s.a.r.l. ohne entsprechende Bezahlung und ohne Beitreibungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Übertragung des Vermögens erfolgte durch eine „Transmission Universelle de Patrimoine“ gemäß französischem Recht, und die A-s.a.r.l. wurde aus dem Handelsregister gelöscht.

Rechtliche Einordnung

Der BFH bekräftigte, dass für die Anerkennung von Verlusten einer Tochtergesellschaft auf Ebene der Muttergesellschaft ein Organschaftsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 KStG erforderlich ist. Dies setzt voraus, dass die Tochtergesellschaft über eine inländische Geschäftsleitung verfügt oder zumindest eine Gewinnabführungsvereinbarung im Handelsregister eingetragen ist. Da keine dieser Bedingungen erfüllt war, lehnte der BFH die Verlustverrechnung ab.

Kritische Würdigung

Der BFH bestätigte, dass es keine Grundlage im nationalen Recht oder im Unionsrecht gibt, die eine voraussetzungslose Übernahme finaler Verluste einer ausländischen Tochtergesellschaft erlaubt. Die Entscheidung stellt klar, dass die bloße finanzielle Unterstützung durch fortlaufende Lieferungen ohne Gegenleistung nicht ausreicht, um eine faktische Organschaft zu begründen.

Praxisrelevanz

Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für multinationale Unternehmen, die auf eine grenzüberschreitende Verlustnutzung hoffen. Es zeigt sich, dass die strengen Voraussetzungen einer Organschaft, insbesondere die Notwendigkeit einer Gewinnabführungsvereinbarung, konsequent angewendet werden. Unternehmen müssen daher ihre Strukturen überdenken und dürfen nicht auf eine nachträgliche Anerkennung von Verlustverrechnungen hoffen, ohne die formalen Anforderungen einer Organschaft erfüllt zu haben.

Ausblick

Obwohl der BFH offenlässt, ob eine faktische Organschaft grundsätzlich möglich ist, betont er, dass eine solche nur unter strikter Einhaltung der formalen Kriterien denkbar wäre. Dazu gehört eine explizite Gewinn- und Verlustabführung, die auch tatsächlich durchgeführt wird. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für den Gesetzgeber, die Rahmenbedingungen für eine grenzüberschreitende Organschaft klar zu definieren, sollte eine solche politisch gewünscht sein.

In der Zwischenzeit sollten Unternehmen, die internationale Verlustverrechnung anstreben, ihre internen Vereinbarungen prüfen und sicherstellen, dass diese den deutschen steuerlichen Anforderungen entsprechen. Nur so können sie potenziell negative Konsequenzen in zukünftigen Betriebsprüfungen vermeiden. Der Fall zeigt einmal mehr, dass im internationalen Steuerrecht eine genaue und vorausschauende Planung unerlässlich ist.