Grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zahlungen von Pflichtbeiträgen einer Selbstständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung

Grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zahlungen von Pflichtbeiträgen einer Selbstständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Streitjahr 2005 (zweiter Rechtsgang)

Die fehlende Kenntnis von der Versicherungspflicht der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit und den entsprechenden Zahlungen der Pflichtbeiträge sowie fehlende Angaben hierzu im Erklärungsvordruck schließen ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters aus.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 24.07.2013, 9 K 29/12

§ 173 Abs 1 Nr 2 AO

Tatbestand

 

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Streitig ist die Änderung eines Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO).

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Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2005 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In diesem Jahr war der Kläger als Diplom-Kaufmann im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichtselbständig tätig. Die Klägerin ist Diplom-Ingenieurin und erzielte 2005 mit dem Handel von Kinderutensilien und als Reitlehrerin gewerbliche Einkünfte.

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In ihrer Einkommensteuer-Erklärung 2005, bei deren Anfertigung ein Steuerberater mitgewirkt hatte, machten die Kläger Angaben zu den Altersvorsorgeaufwendungen. In dem amtlichen Formular wurde nach Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (Arbeitnehmeranteil) gefragt. Ferner waren Beiträge zu freiwilligen Versicherungen oder Höherversicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen einzutragen.

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Die Kläger gaben den vom Kläger geleisteten Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung mit 6.085 € und den hierzu geleisteten Arbeitgeberanteil mit 6.084 € an. Für die Klägerin wurden keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erklärt.

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Der Einkommensteuer-Bescheid für 2005 vom 4. Dezember 2006 erging erklärungsgemäß. In dem Bescheid wurden Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 1.218 € berücksichtigt. Der Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten.

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Mit Schreiben vom 10. September 2008 beantragten die durch ihren Steuerberater vertretenen Kläger u.a., den Einkommensteuer-Bescheid 2005 nach § 173 AO zu ändern und die von der Klägerin als Selbständige geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens betreffend den Einkommensteuer-Bescheid 2007 sei festgestellt worden, dass die Klägerin in 2005 solche Beiträge entrichtet habe. Die Kläger treffe kein grobes Verschulden, da ihnen nicht bekannt gewesen sei, dass infolge der Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) im Streitjahr Altersvorsorgeaufwendungen im größeren Umfang abziehbar seien als im Vorjahr. Dem Antrag beigefügt war eine Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. Februar 2006. Danach hatte die Klägerin im Jahr 2005 als selbständig Tätige Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung von insgesamt 759,20 € geleistet. Die Bescheinigung enthält keine Ausführungen zur steuerlichen Abziehbarkeit der Zahlungen als Altersvorsorgeaufwendungen.

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Diesen Änderungsantrag lehnte der Beklagte ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er mit der Begründung zurück, die Kläger träfe an dem nachträglichen Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen ein grobes Verschulden. Sie müssten sich das Verschulden ihres Beraters zurechnen lassen. Dieser sei gehalten gewesen, seine Mandanten auf die gesetzlichen Neuregelungen im AltEinkG hinzuweisen. Auch hätten die Kläger ggf. ihren Steuerberater nach den Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung in ihrem speziellen Fall befragen können.

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Der 12. Senat des Niedersächsischen FG wies die u.a. für das Streitjahr 2005 erhobene Klage mit Urteil vom 26. August 2009 (12 K 460/08) ab. Den Klägern hätte sich aufdrängen müssen, dass auch Pflichtbeiträge der Selbständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung als Vorsorgeaufwendungen steuerlich relevant seien. Zwar könne infolge der Fassung des Erklärungsformulars, das im Einzelnen Altersvorsorgebeiträge, nicht aber Pflichtbeiträge Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung abfrage, der Eindruck entstehen, solche Beiträge seien steuerlich nicht relevant und daher nicht anzugeben. Aufgrund der insgesamt in der Steuererklärung geforderten Daten sei aber ohne Weiteres zu schließen, dass solche Pflichtbeiträge steuerbegünstigt seien oder zumindest sein könnten. Den Klägern sei die steuerliche Bedeutung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und allgemein zur Altersvorsorge bekannt gewesen.

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Mit ihrer Revision machten die Kläger weiterhin geltend, der Einkommensteuer-Bescheid 2005 sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die gegenteilige Auffassung des FG stehe im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1984 VI R 181/80 (BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693) und vom 22. Mai 1992 VI R 17/91 (BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80). Den Klägern könne nicht vorgeworfen werden, eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet zu haben. Da nach den Pflichtbeiträgen selbständiger Personen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gefragt worden sei, sei für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass solche hätten angegeben werden können. Nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien solche Pflichtbeiträge nur in Ausnahmefällen zu leisten.

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Der BFH folgte im Urteil vom 9. November 2011 (X R 53/09, BFH/NV 2012, 545) im Grundsatz der Argumentation der Kläger und hob das angefochtene FG-Urteil auf. Das Unterlassen von Angaben zu einem im Erklärungsvordruck nicht vorgesehenen Punkt spreche dem ersten Eindruck nach gegen das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit. Dies gelte erst recht, wenn der Erklärungsvordruck den Eindruck erwecke, diese Angaben seien steuerlich nicht relevant. Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei dann nicht gegeben, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung allein auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruhe. Allerdings müsse auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlten, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig seien. Auch müsse der Steuerpflichtige sich ihm aufdrängenden Zweifelsfragen nachgehen. Beauftrage ein Steuerpflichtiger zur Erstellung einer Steuererklärung einen Steuerberater, dann handele er regelmäßig grob fahrlässig, wenn er diesem Unterlagen vorenthalte, die steuerlich relevant sein könnten.

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Klarstellend wies der BFH darauf hin, dass es nicht von entscheidender Bedeutung sei, dass die Klägerin ihren Ehemann nicht über die geleisteten Zahlungen informiert habe. Sofern sich für sie aufgedrängt haben sollte, dass die in Frage stehenden Beiträge abziehbar sein könnten, wäre das bei ihr vorliegende grobe Verschulden im Rahmen der Zusammenveranlagung auch ihrem Ehemann zuzurechnen.

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Der BFH verwies die Sache im vorgenannten Urteil an das Niedersächsische FG zurück.

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Sofern das FG im 2. Rechtsgang Tatsachen feststellen sollte, aus denen zu schließen sei, dass für die Kläger die steuerliche Relevanz der zu beurteilenden Beiträge erkennbar war, wäre ein etwaiger Irrtum, diese Beiträge seien im konkreten Fall steuerlich ohne Auswirkung, unbeachtlich.

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Für den 2. Rechtsgang gab der BFH dem Niedersächsischen FG auf zu prüfen, ob den steuerlichen Berater der Kläger ein grobes Verschulden trifft. Der vom Steuerpflichtigen beauftragte steuerliche Berater müsse sich ebenso wie der Steuerpflichtige um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflicht bemühen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht sei den Klägern wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Zudem sei zu prüfen, ob das nachträgliche Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auf einer Verletzung der Pflicht des Steuerberaters beruhe, die Kläger über die gesetzlichen Neuregelungen des AltEinkG zu informieren. Auch werde das FG untersuchen müssen, ob sich aufgrund der konkreten Einzelfallumstände dem steuerlichen Berater habe aufdrängen müssen, die Klägerin könnte als Selbstständige gesetzlich rentenversicherungspflichtig gewesen sein und im Jahr 2005 entsprechende Aufwendungen getragen haben.

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Im 2. Rechtsgang ist nach dem gültigen Geschäftsverteilungsplan der 9. Senat des Niedersächsischen FG für das Verfahren zuständig geworden.

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Auf Anfrage des Berichterstatters hat der Prozessvertreter der Kläger mitgeteilt, dass bei der Übergabe der Steuerunterlagen durch den Kläger die Verbesserung der Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu gesetzlichen Rentenversicherungen erörtert worden sei. Aus Unwissenheit habe der Kläger die Frage nach der Entrichtung weitere Rentenversicherungsbeiträge verneint. Die Vorsorgeaufwendungen seien anhand des Erklärungsvordrucks abgearbeitet worden. Dort seien die streitbefangenen Beiträge aber nicht genannt worden, sodass dem steuerlichen Berater kein grobes Verschulden an der Nichtberücksichtigung angelastet werden könne. Dies gelte auch für die Kläger selbst. Der Klägerin habe sich auch nicht aufdrängen müssen, dass ihre Beiträge als Vorsorgeaufwendungen absetzbar seien. Ein Verschulden könne sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass die Klägerin dem Kläger nicht alle Kontoauszüge zu den Steuerunterlagen übergeben habe. Dies sei unüblich, da der Steuerberater im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung nicht jede einzelne Buchung auf dem Girokonto im Hinblick auf die steuerliche Relevanz überprüfen müsse. Mangels Vorlage der Kontoauszüge habe der steuerliche Berater den Umstand der Zahlungen der Beiträge nicht erkennen können. Da die im Streitjahr begonnene Tätigkeit nicht zu den durch Gesetz als rentenversicherungspflichtig eingestuften Tätigkeiten gehöre, habe sich für den steuerlichen Berater auch nicht aufdrängen müssen, dass die Kläger Beiträge entrichtet habe. In das Verfahren über den Existenzgründerzuschuss für die neuaufgenommene Tätigkeit der Klägerin im Rahmen einer Ich-AG sei der Steuerberater nicht eingebunden gewesen.

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Die Kläger beantragen,

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unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2008 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 3. November 2008 den Bescheid über Einkommensteuer für 2005 vom 4. Dezember 2006 zu ändern und die Steuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn weitere Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 760 € für 2005 berücksichtigt werden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hält weiterhin daran fest, dass die begehrte Änderung des Einkommensbescheides 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen groben Verschuldens am nachträglichen Bekanntenwerden der neuen Tatsache – Zahlungen der Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung durch die Klägerin – nicht in Betracht komme.

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Für die Klägerin habe sich im Hinblick auf den Zusammenhang mit ihrem Betrieb und der Höhe der Aufwendungen aufdrängen müssen, dass ihre gezahlten Beiträge steuerlich absetzbar sein könnten. Die fehlende Übergabe entsprechender Kontoauszüge zu den Zahlungen sei ihr daher vorzuwerfen. Dieses grob fahrlässige Verhalten sei auch dem Kläger als Ehemann zuzurechnen. Soweit der Steuerberater die Kläger über die Abzugsfähigkeit solcher Beiträge informiert habe, hätten die Kläger grob fahrlässig gehandelt, wenn sie ihm entsprechende Unterlagen darüber vorenthalten hätten. Im Falle des Unterlassens eines solches Hinweises hätte der steuerliche Berater grob fahrlässig gehandelt, weil dieser verpflichtet gewesen sei, seine Mandanten auf die steuerlichen Behandlung von Zuschüssen der Bundesagentur zur Ich-AG hinzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

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1. Die Klage ist begründet.

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Zu Unrecht hat der Beklagte die steuerliche Berücksichtigung der nachträglich bekanntgewordenen Rentenversicherungsbeiträge der Klägerin in Höhe von 760 € im Rahmen einer Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO abgelehnt.

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Da die Tatbestandsvoraussetzungen der Änderungsvorschrift vorliegend erfüllt sind, war der Beklagte verpflichtet, die begehrte Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vorzunehmen.

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a. Unstreitig ist, dass die von der Klägerin im Streitjahr getragenen Aufwendungen für ihre Pflichtbeiträge als Selbstständige zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) dem Beklagten bei Durchführung der ursprünglichen Einkommensteuer-Veranlagung für das Streitjahr nicht bekannt waren und daher Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind. Unstreitig ist auch, dass die Berücksichtigung dieser Aufwendungen eine Verminderung der Einkommensteuer-Schuld zur Folge hätte.

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b. Entgegen der Auffassung des Beklagten treffen weder die Kläger noch den steuerlichen Vertreter ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zahlungen der Rentenversicherungsbeiträge im Streitjahr 2005.

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aa. Ein grobes Verschulden setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264; vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379, und vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl II 2005, 75, jeweils m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

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Ob ein Beteiligter in dem genannten Sinn grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage.

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Wie der BFH im ersten Rechtsgang bereits festgestellt hat, reicht zur Annahme grober Fahrlässigkeit nicht aus, dass sich den Klägern in der Gesamtschau der anzugebenden Daten trotz fehlendem Hinweis auf dem Steuererklärungsvordruck die steuerliche Relevanz der von der Klägerin geleisteten Pflichtbeiträge habe aufdrängen müssen.

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Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dann nicht gegeben ist, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung allein auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht (Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960; vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379). Allerdings muss auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteil vom 20 März 2013, VI R 9/12, juris). Auch muss der Steuerpflichtige sich ihm aufdrängenden Zweifelsfragen nachgehen (BFH-Urteil in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80).

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bb. Im Streitfall wurde im Steuererklärungsformular 2005 getrennt für einzelne Fallgruppen nach den im Jahr 2005 geleisteten Altersvorsorgebeiträgen gefragt. Nicht gefragt wurde jedoch nach von Selbstständigen geleisteten Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Demgemäß blieb im Streitfall nicht eine ausdrücklich gestellte Frage unbeantwortet. Das Unterlassen von Angaben zu einem im Erklärungsvordruck nicht vorgesehenen Punkt spricht jedenfalls im Ausgangspunkt nach Auffassung des BFH gegen das Vorliegen von grobem Verschulden (BFH-Urteil in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264 und Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 173 Rz 116). Erst recht gilt dies, wenn wie im Streitfall alle anderen Arten von Altersvorsorgebeiträgen im Einzelnen abgefragt werden, da hierdurch der Eindruck erweckt werden könnte, die im Formular nicht erwähnten anderen Altersvorsorgebeiträge seien steuerlich irrelevant. Es wurde zudem weder im ersten Rechtsgang vom FG festgestellt noch vom beklagten Finanzamt behauptet, dass das Merkblatt zur Steuererklärung 2005 Hinweise auf die hier in Frage stehenden Pflichtbeiträge Selbständiger enthalten habe, die die Kläger nicht berücksichtigt hätten.

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Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, anzunehmen, die Kläger seien aufgrund ihrer individuellen beruflichen oder sonstigen Kenntnisse oder Erfahrungen ohne Weiteres in der Lage gewesen, die steuerliche Relevanz der in Frage stehenden Pflichtbeiträge zu erkennen. Allein die Kenntnis der Klägerin von der Beitragszahlung ist insoweit nicht ausreichend (BFH-Urteil vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

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Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Klägerin nach der Schilderung in der mündlichen Verhandlung insoweit in einem Beratungsgespräch bei der Agentur für Arbeit die Information erhalten hat, der Existenzgründerzuschuss sei steuerfrei. Auch der Bescheid über die entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung enthielt keinen Hinweis auf eine steuerliche Abzugsfähigkeit. Nach ihren individuellen Fähigkeiten und Steuerrechtskenntnissen konnte die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten daher davon ausgehen, dass eine Unterrichtung des Steuerberaters über die Gründung einer Ich-AG, den Erhalt eines Existenzgründerzuschusses und die Entrichtung der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht erforderlich sei. Etwas anderes musste sich nach diesen Gesamtumständen für die Klägerin nicht aufdrängen.

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Insoweit ist auch nicht entscheidend, dass die Klägerin ihren Ehemann nicht über die geleisteten Zahlungen informiert hat.

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Entsprechende Belehrungen des Steuerberaters, z.B. in einem Mandantenrundschreiben oder im Rahmen einer persönlichen Beratung, konnte der Senat nicht feststellen. Hinweise über verbesserte Abzugsmöglichkeiten durch das AltEinkG beschränkten sich nach der glaubhaften Darstellung des Steuerberaters auf die im Steuererklärungsvordruck erwähnten Vorsorgeaufwendungen.

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Mangels tatsächlicher Kenntnis bzw. Kennenmüssens von der Absetzbarkeit der streitbefangenen Rentenversicherungsbeiträge kann im Ergebnis den Klägern ein grobes Verschulden nicht angelastet werden. Das FG konnte zu Lasten der Kläger keine Umstände ermitteln, aus denen sich die Relevanz der Begleitumstände der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin (Gründung einer Ich-AG, Erhalt eines Existenzgründerzuschusses und Entrichtung der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung) herleiten ließe mit der Folge, dass insoweit die Unterrichtung des steuerlichen Beraters ohne Verschulden unterblieb.

38
cc. Auch der steuerliche Berater hat vorliegend nicht grob fahrlässig gehandelt.

39
Der vom Steuerpflichtigen beauftragte steuerliche Berater muss sich ebenso wie der Steuerpflichtige um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflicht bemühen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht wäre den Klägern wie eigenes Verschulden zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109).

40
Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass das nachträgliche Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auf einer Verletzung der Pflicht des Steuerberaters beruht, die Kläger über die gesetzlichen Neuregelungen des AltEinkG zu informieren.

41
Nach der glaubhaften Schilderung des Steuerberaters hat er auf Grundlage des Erklärungsvordrucks und den übergebenen Unterlagen die Kläger über die verbesserte Absetzbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge ab 2005 hingewiesen. Mangels Kenntnis von der Versicherungspflicht der Tätigkeit der Klägerin (i.d.R keine Versicherungspflicht bei Gewerbetreibenden), mangels Kenntnis von den Zahlungen der Beiträge und mangels Angaben hierzu im Erklärungsvordruck konnte der steuerliche Berater auch nicht erkennen, dass insoweit eine steuerliche Relevanz bei den Klägern besteht. Es bestand daher aus Sicht des Senats auch keine Verpflichtung, die Kläger über die theoretische Möglichkeit des Abzugs auch der streitbefangenen Rentenversicherungsbeiträge aufzuklären. Da nach den glaubhaften Angaben den Steuerberater keine Kenntnis von dem Erhalt eines Existenzgründerzuschusses von der Bundesagentur für Arbeit bestand und dieser im Übrigen steuerfrei ist, vermag der Senat auch hieraus keine Pflichtverletzung in Bezug auf eine unterlassene weitere Prüfung der steuerlichen Folgewirkungen im Hinblick auf eine Pflichtversicherung herzuleiten.

42
In der Gewinnermittlung der Klägerin für das Streitjahr fehlt nach den Feststellungen des Senats im Übrigen jeglicher Hinweis auf den erhaltenen Existenzgründerzuschuss bzw. die Gründung einer Ich-AG, sodass sich insoweit ein weitergehender Ermittlungsbedarf im Hinblick auf eine Versicherungspflicht und einer etwaigen Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung für den Steuerberater auch nicht aufdrängen musste. Weitere konkrete Einzelfallumstände, aus denen sich für den Steuerberater eine Versicherungspflicht und eine Beitragsentrichtung der Klägerin hätten ergeben können, hat der Senat nicht feststellen können.

43
Insgesamt trifft damit auch den Steuerberater kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zahlungen der Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherung.

44
Da nach alledem die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vorliegen, war der Klage stattzugeben.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kosten des Revisionsverfahrens waren in die Kostengrundentscheidung aufzunehmen (vgl. Tenor des Urteils des BFH vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545). Die Kostentragung diesbezüglicher Kosten richtet sich dabei ebenfalls nach dem endgültigen Maß des Obsiegens und Unterliegens.

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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.