1. Allgemeines
Für die Fälle der Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) haben die Urteile keine Bedeutung. Da die Grundstücke einer Gesellschaft, deren Anteile zu mindestens 95 % in einer Hand vereinigt sind, grunderwerbsteuerrechtlich diesem Gesellschafter zugerechnet werden, ist bei einer Übertragung der Anteile davon auszugehen, dass der neue Gesellschafter die Grundstücke von dem früheren Gesellschafter und nicht von der Gesellschaft erwirbt. Für die Fälle, in denen mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft von einem Gesellschafter auf einen anderen übertragen werden, steht somit der Anwendbarkeit personenbezogener Befreiungsvorschriften (z. B. § 3 Nr. 6 GrEStG) nichts entgegen. Dies gilt dem Grunde nach auch für die Vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG.
Mit Urteil vom 23. Mai 2012 – II R 21/10 -, BStBl II S. 793, hat der BFH seine Rechtsprechung teilweise geändert. Danach findet in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Anwendung, soweit die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine schenkweise Anteilsübertragung zurückzuführen ist. Nach Auffassung des BFH beruht in diesen Fällen der fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke ebenso wie der Erwerb der Gesellschaftsanteile insoweit auf einer Schenkung. Der BFH stützt seine Rechtsauffassung dabei auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, die doppelte Belastung eines Lebenssachverhaltes mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer- bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden.
Begünstigungsfähig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen unabhängig von deren Schenkungszeitpunkten. Die Begünstigung vorangegangener schenkweiser Anteilsübertragungen setzt voraus, dass das jeweilige Grundstück der Gesellschaft bereits zu den damaligen Schenkungszeitpunkten zuzurechnen war. Nur in diesen Fällen kann überhaupt erst eine steuerliche Doppelbelastung im Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung entstehen. Für Anteilserwerbe von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes gilt dies entsprechend.
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Quelle: FinMin Baden-Württemberg