Grundsteuer: Bundesfinanzhof hält Bundesmodell für verfassungskonform – was heißt das für Sie als Eigentümer?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteilen vom 12.11.2025 (II R 25/24, II R 31/24 und II R 3/25) entschieden:
Das sog. Bundesmodell der Grundsteuer ist verfassungsgemäß. Die neue Grundsteuer, die ab dem 01.01.2025 gilt, bleibt damit zunächst bestehen.

Im Folgenden erhalten Sie einen verständlichen Überblick, was der BFH entschieden hat – und was das konkret für Sie als Eigentümer bedeutet.


1. Worum ging es in den Verfahren?

Geklagt hatten Wohnungseigentümer aus:

  • Nordrhein-Westfalen (Köln)
  • Sachsen
  • Berlin

Es ging jeweils um Eigentumswohnungen, bei denen das Finanzamt zum Stichtag 01.01.2022 nach dem Ertragswertverfahren den Grundsteuerwert festgestellt hatte. Diese Werte sind die Basis für die Grundsteuer ab 2025.

Die Kläger hielten das Bundesmodell im Kern für verfassungswidrig, u. a. weil:

  • der Gesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz falsch genutzt habe,
  • die Bewertung zu stark pauschaliere (Bodenrichtwerte, Nettokaltmieten),
  • dadurch der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt sei.

Die Finanzgerichte hatten die Klagen bereits abgewiesen – der BFH hat diese Entscheidungen nun bestätigt.


2. Was hat der BFH entschieden?

2.1 Formell: Der Bund durfte das Bundesmodell regeln

Der BFH sieht das Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) von 2019 als formell verfassungsgemäß an:

  • Der Bund hatte nach Art. 105 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz.
  • Dass sich der Gesetzgeber in der Begründung teilweise auf die „Fortschreibungskompetenz“ (Art. 125a GG) berufen hat, spielt keine Rolle – entscheidend ist, dass die Kompetenz im Grundgesetz zum Zeitpunkt des Gesetzes bestand.

Eine „Ermessensunterschreitung“ lag nach Auffassung des BFH nicht vor.

2.2 Materiell: Typisierung ja – aber verfassungskonform

Der Kernpunkt: Verstößt das Bundesmodell gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG)?

Der BFH sagt nein – und begründet das im Wesentlichen so:

  1. Belastungsgrund ist klar: Besteuert wird das Innehaben von Grundbesitz und die Möglichkeit, daraus Erträge zu erzielen (Sollertrag). Das spiegelt die objektive Leistungsfähigkeit wider.
  2. Typisierung und Pauschalierung sind zulässig:
    • Bodenrichtwerte basieren auf Marktdaten der Gutachterausschüsse und dürfen als Durchschnittswerte verwendet werden, auch wenn das einzelne Grundstück davon abweicht.
    • Nettokaltmieten werden landesweit typisiert und über Mietniveaustufen pauschal angepasst. Das führt zwar im Einzelfall zu Über- oder Unterbewertungen, ist aber aus Praktikabilitätsgründen hinnehmbar.
  3. Automatisierter Massen­vollzug hat Vorrang vor Detailgerechtigkeit:
    Der Gesetzgeber darf Bewertungs-Ungenauigkeiten in Kauf nehmen, um die Bewertung von rund 36 Mio. Grundstücken praktikabel und automatisiert durchführen zu können.
  4. Dämpfungseffekte in der Steuerberechnung:
    • Die Steuermesszahl für Wohnimmobilien im Bundesmodell ist mit 0,31 ‰ sehr niedrig.
    • Abweichungen bei der Bewertung führen dadurch oft nur zu relativ geringen Steuerunterschieden.
  5. Korrekturmöglichkeit bei krasser Überbewertung:
    Eigentümer können einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen, wenn der festgestellte Grundsteuerwert diesen um mindestens 40 % übersteigt (§ 220 Abs. 2 BewG n. F.).

3. Für welche Bundesländer gilt das Urteil?

Das Urteil betrifft das Bundesmodell, das aktuell in folgenden Ländern angewendet wird:

  • Berlin
  • Brandenburg
  • Bremen
  • Mecklenburg-Vorpommern
  • Nordrhein-Westfalen
  • Rheinland-Pfalz
  • Sachsen
  • Sachsen-Anhalt
  • Saarland
  • Schleswig-Holstein
  • Thüringen

In diesen Ländern sind die Erfolgsaussichten von Klagen gegen das Bundesmodell an sich nun deutlich gesunken.

Keine unmittelbaren Auswirkungen hat das Urteil auf die Länder mit eigenen Grundsteuermodellen:

  • Baden-Württemberg
  • Bayern
  • Hamburg
  • Hessen
  • Niedersachsen

Zu den Ländermodellen sind teilweise noch Verfahren beim BFH anhängig; u. a. plant der BFH für Baden-Württemberg mündliche Verhandlungen voraussichtlich im April 2026.


4. Was bedeutet das für Sie als Eigentümer konkret?

4.1 Einsprüche gegen das Bundesmodell

  • Wenn Ihr Einspruch sich nur allgemein auf die angebliche Verfassungswidrigkeit des Bundesmodells stützt, sind die Chancen nach dieser BFH-Entscheidung sehr gering.
  • Das bedeutet aber nicht, dass jeder Einspruch aussichtslos ist – es kommt darauf an, was Sie angreifen:
    • Berechnungsfehler
    • falsche Zuordnung von Flächen, Nutzungen
    • offensichtlich falsche Bodenrichtwerte
    • nachweisbar überhöhter Wert im Einzelfall (Stichwort: § 220 Abs. 2 BewG – Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts).

4.2 Schwerpunkt künftig: Bewertung im Einzelfall

Der Weg der „Musterverfahren gegen das Bundesmodell“ ist durch die BFH-Entscheidung praktisch versperrt. Künftig rücken stärker in den Fokus:

  • Einzelfallbewertung (z. B. stark abweichender Marktwert)
  • Fehler bei der Datenerhebung oder Übernahme in die Bescheide
  • Besonderheiten des Grundstücks (Altlasten, Zuschnitt, baurechtliche Einschränkungen), die im Bodenrichtwert nicht abgebildet sind.

4.3 Auswirkungen auf Mieter

Auch wenn die Grundsteuer formal von den Eigentümern geschuldet wird, kann sie in aller Regel über die Nebenkosten auf Mieter umgelegt werden. Die Entscheidung des BFH stabilisiert das System – aber nicht unbedingt die Höhe der Belastung. Kommunen behalten weiterhin ihre Hebesatzhoheit.


5. Was sollten Sie jetzt tun?

  1. Grundsteuerwert- und Messbescheide prüfen
    • Stimmen Grundstücksfläche, Wohnfläche, Baujahr, Nutzung?
    • Ist die Zuordnung (z. B. Wohnen vs. Gewerbe) korrekt?
  2. Bodenrichtwerte plausibilisieren
    • Liegt Ihr Objekt in einer atypischen Lage innerhalb der Bodenrichtwertzone (z. B. neben Bahntrasse, Altlast, schlechte Erschließung)?
    • Ggf. lohnt sich eine gutachterliche Überprüfung, insbesondere bei sehr hoher Steuerlast.
  3. Einspruchsstrategie anpassen
    • Reine „Verfassungs-Einsprüche“ gegen das Bundesmodell sind nach der BFH-Entscheidung praktisch chancenlos.
    • Sinnvoll sind konkrete, belegbare Einwendungen zur individuellen Bewertung.
  4. Kommunale Hebesätze beobachten
    • Die BFH-Entscheidung betrifft die Bewertung, nicht die Hebesätze.
    • Erhöht Ihre Gemeinde den Hebesatz, steigt die Steuer – trotz unverändertem Grundsteuerwert.

6. Fazit: Rechtsrahmen steht – Gestaltung bleibt möglich

Der BFH hat mit klaren Worten bestätigt:

Das Bundesmodell zur Grundsteuer ist verfassungskonform.

Für Eigentümer bedeutet das:

  • Die Grundsteuer-Reform 2025 bleibt – jedenfalls auf Basis des Bundesmodells.
  • Erfolg verspricht künftig weniger der „große“ Angriff auf das System, sondern die saubere Prüfung und Gestaltung im Einzelfall.