Grundsteuerreform: Umstrittenes Bewertungsverfahren

Die von den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vorgelegte Reform der Grundsteuer ist von den Vertretern der Städte und Gemeinden begrüßt, von der Wissenschaft und der Wohnungswirtschaft zum Teil sehr kritisch beurteilt worden. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände am 12.09.2019 die neuen Bewertungsregelungen im Koalitionsmodell, die vollumfänglich den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen würden. Zudem entspreche die Wertorientierung des Reformmodells den allgemeinen steuerpolitischen Gerechtigkeitsvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Dies sei wichtig für die langfristige Akzeptanz der Grundsteuer bei den Steuerpflichtigen.

Grundlage der Anhörung war ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts ( 19/11085 ). Danach soll für die Erhebung der Steuer in Zukunft nicht allein auf den Bodenwert zurückgegriffen werden, sondern es sollen auch Erträge wie Mieteinnahmen berücksichtigt werden. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer nach anderen Bewertungsverfahren erheben können. Auch in Zukunft werden die Gemeinden die Höhe der Grundsteuer mit örtlichen Hebesätzen bestimmen können. Um strukturelle Erhöhungen der Steuer zu vermeiden, appellieren CDU/CSU- und SPD-Fraktion an die Kommunen, die Hebesätze entsprechend abzusenken.

Außerdem ging es in der Anhörung um den ebenfalls von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (19/11086), der einen erhöhten, einheitlichen Hebesatz auf baureife Grundstücke ermöglicht. Auf der Tagesordnung standen zudem Anträge zur Grundsteuer von AfD-Fraktion (19/11125), FDP-Fraktion (19/11144) sowie der Fraktion Die Linke (19/7980).

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezeichnete den Gesetzentwurf grundsätzlich als sinnvollen Kompromiss zwischen den verschiedenen Anforderungen an eine Grundsteuerreform. Der Entwurf erhalte den Wertbezug der Grundsteuer, beschränke diesen Bezug aber auf wesentliche wertbestimmende Merkmale, um die erforderliche Neubewertung von 36 Millionen Grundstücke einfach zu halten. Die Gewerkschaft Verdi verlangte, das jetzige Aufkommensniveau aus der Grundsteuer mindestens zu erhalten. Auch höhere kommunale Einnahmen aus der Grundsteuer seien sinnvoll und legitim, wenn sie aus einer Belastung hoher Immobilienvermögen resultieren würden.

Professor Clemens Fuest vom ifo-Institut kritisierte den erheblichen Aufwand zur Wertbestimmung vor allem der Gebäude. Dieser Bewertungsaufwand mache es den Bürgern unnötig schwer, die Höhe der Steuer nachzuvollziehen und würde den Steuerzahlern und der Finanzverwaltung hohe Kosten aufbürden, die in keinem Verhältnis zum Nutzen in Form von Einzelfallgerechtigkeit stehen würden. Im Gesetzentwurf werde der Eindruck erweckt, großen Wert auf Einzelfallgerechtigkeit zulegen, tatsächlich entstehe aber nicht mehr als eine „Pseudogerechtigkeit“, kritisierte Fuest. Auch der Deutsche Steuerberaterverband hegte grundsätzliche Zweifel, ob die angedachten Bewertungsmethoden für ein Massenverfahren wie die Grundsteuer geeignet seien.

Mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass das neue Bewertungsverfahren zu einer Besserstellung von besonders teuren Immobilien führen könne. Professor Lorenz Jarass (Hochschule Rhein-Main) erklärte, der Gesetzentwurf führe zu unsystematischen und widersprüchlichen Grundsteuern. Als Beispiel nannte er, dass Eigentumswohnungen bis zu einem Viertel höher besteuert würden als vergleichbare Wohnungen in nicht aufgeteilten Häusern. Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass die geplante Vereinfachung zu Lasten der Steuerzahler gehen würde. So würden bestimmte wertmildernde Umstände, wie Baumängel und Denkmalschutzauflagen, gar nicht mehr berücksichtigt.

Professor Johanna Hey von der Universität Köln stellte fest, durch das neue Bewertungssystem komme es systematisch zu zum Teil deutlichen Unterbewertungen von vermieteten Immobilien in teuren Lagen, während Grundstücke in schlechten Lagen zum Teil zum Verkehrswert oder sogar darüber angesetzt würden. „Die Eigentümer mit Grundstücken in geringwertigen Lagen zahlen folglich die Verschonung der Eigentümer in hochpreisigen Lagen mit“, so Hey. Das Problem könne auch nicht durch Hebesatzanpassungen gelöst werden, da diese gemeindeeinheitlich festgelegt würde. Mit seinen systematischen Verzerrungen werde der Gesetzentwurf den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine im Verhältnis der Grundstücke zueinander realitätsgerechten Abbildung des Verkehrswertes offensichtlich nicht gerecht. Christoph Trautvetter (Netzwerk Steuergerechtigkeit) wies darauf hin, dass der Unterschied zwischen wertvollen und günstigen Immobilien beim Koalitionsmodell sehr viel geringer sei als bei dem von den Bundesländern entwickelten Kostenwertmodell und dem Bodenwertmodell.

Der Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft verlangte Änderungen am vorgeschlagenen Bewertungsverfahren. Andernfalls werde insbesondere der Bereich des bezahlbaren Wohnens massiv belastet. Für die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft drohen bei Geschäftsgrundstücken nicht realitätsgerechte Bewertungen. Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, bei großen Flächen wie zum Beispiel Produktionshallen einen pauschalen Wertabschlag vornehmen oder einen geringeren Wert nachweisen zu können. Dies sollte aber nicht über die aufwändige Erstellung eines Wertgutachtens erfolgen müssen. Der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierte die hohen Kosten. Allein zum ersten Bewertungsstichtag würden die Kosten eine Milliarde Euro betragen. Der Verband sprach sich für ein Flächenmodell aus, um nicht regelmäßig alle Immobilien neu bewerten zu müssen. Ein im Entwurf vorgesehener Rabatt für Wohnungsgenossenschaften führt nach Ansicht des Verbandes zur Verfassungswidrigkeit.

Nach Ansicht von Professor Dirk Löhr von der Hochschule Trier vermag der Gesetzentwurf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einer relations- und realitätsgerechten Bewertung nur dann zu entsprechen, wenn bei der grundsteuerlichen Bewertung der Wohngebäude entweder bei den Mieten stärker differenziert oder hilfsweise die unterlassene Differenzierung wenigstens besser begründet werde. Die Probleme ließen sich einfach lösen, indem auf die Einbeziehung der Gebäude gänzlich verzichtet und lediglich die Bodenwerte der Besteuerung zugrunde gelegt und würden, empfahl Löhr. Auch Professor Gregor Kirchhof (Universität Augsburg) riet zu einem Grundsteuermodell, „das einfach anzuwenden ist“. Den jetzigen Gesetzentwurf mit seinem nach dem früheren System der Einheitswerte „seltsamen Mischsystem“ hielt Kirchhof für verfassungswidrig.

Quelle: Deutscher Bundestag, Pressemitteilung vom 12.09.2019