Jahressteuergesetz 2022 erstmals beraten

Staatliche Zahlungen an die Bevölkerung sollen einfacher abgewickelt werden können. Dies sieht der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022; 20/3879) vor, den der Bundestag am Freitag, 14. Oktober 2022, erstmals beraten und an den federführenden Finanzausschuss überwiesen hat. Auf einer neuen Rechtsgrundlage sollen Leistungen wie das geplante Klimageld künftig unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer direkt auf die Konten der Steuerpflichtigen überwiesen werden können. Daneben enthält der Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungen bei Steuervergünstigungen, Pauschbeträgen und Abschreibungsregeln für das nächste Jahr.

FDP: Sozial ausgewogen, ökonomisch klug

Das Gesamtpaket mit 16 Einzelmaßnahmen nannte Christoph Meyer (FDP) „auf der einen Seite sozial ausgewogen, auf der anderen Seite aber auch ökonomisch klug“. Es sei ein „ganzer Strauß von wichtigen Entlastungsmaßnahmen, der den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land zugute kommen wird“.

Besonders hob Meyer Steuererleichterungen für Betreiber kleiner Solarstromanlagen auf Wohngebäuden hervor. Sie sollten „möglichst gar nicht mit dem Finanzamt zu tun haben“. Vorgesehen ist, dass Betreiber von Anlagen bis 30 Kilowatt Leistung in der Spitze ihre Erträge nicht mehr besteuern müssen sowie für Kauf und Reparatur solcher Anlagen keine Umsatzsteuer erhoben wird. Die damit geförderte dezentrale Energieversorgung sei ein wichtiger Beitrag zur Energiesicherheit in Deutschland, sagte Meyer.

CDU/CSU: Lob mit Einschränkung für Minister Lindner

„Ein ehrliches Lob an Christian Lindner“ ließ Olav Gutting (CDU/CSU) dem nicht anwesenden Bundesfinanzminister ausrichten. Guttings Fraktionskollegin Antje Tillmann (CDU/CSU) bescheinigte dem Gesetzentwurf „eine ganze Reihe positiver Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger“. Die Zustimmung ihrer Fraktion machte sie allerdings von Nachbesserungen im weiteren parlamentarischen Verfahren abhängig. So solle die Steuerfreiheit kleiner Photovoltaik-Anlagen auch auf Solarthermie-Anlagen ausgeweitet werden, mit denen aus Sonnenstrahlung Warmwasser erzeugt wird.

Kritik übte Tillmann unter anderem daran, dass bei der Gebäude-Abschreibung die Möglichkeit der Verkürzung im Fall energetischer Sanierung gestrichen werden soll, dass für die Attraktivität von Riester-Verträgen zur privaten Altersvorsorge nichts getan werde und dass es bei der Grunderwerbsteuer weiterhin keinen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum geben soll. Die geplante Nutzung der Steuer-ID für Direktzahlungen an die Bevölkerung nannte Tillmann „Aktionismus“, der „erhebliche bürokratische Kosten“ für die Banken verursache, ohne dass klar sei, wie diese Möglichkeit dann eingesetzt werden soll.

SPD: Liefern, was im Koalitionsvertrag versprochen

Auch die Redner der Koalitionsfraktionen sprachen sich für Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren aus. Allerdings hob Michael Schrodi (SPD) hervor: „Vieles, das wir im Koalitionsvertrag versprochen haben, liefern wir jetzt schon.“ Als Beispiele nannte er unter anderem die Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags sowie verlängerte und verbesserte steuerliche Regelungen für Arbeitnehmer im Homeoffice.

Die Kritik Tillmanns an der Regelung für die Nutzung der Steuer-ID wies Schrodi mit dem Hinweis zurück, dass beabsichtigt sei, das Klimageld „zielgenau“ auszuzahlen. Jetzt mit dem Jahressteuergesetz werde in einem „ersten Schritt“ überhaupt erst die Rechtsgrundlage geschaffen, um „Direktzahlungen an die Menschen“ zu ermöglichen.

Grüne loben Erleichterung für Solarstromanlagen

Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) hob besonders die geplanten Steuervergünstigungen für kleine Solarstromanlagen hervor. Dabei gehe es darum, „einen Investitionsanreiz für unsere Bürgerinnen und Bürger zu setzen, der auch volkswirtschaftlich echte Rendite bringt“.

Schäfer hob neben der Steuerersparnis auch die Beseitigung von bürokratischen Hürden für Betreiber solcher Anlagen hervor. „Diese Koalition gestaltet Zukunft“, erklärte er.

AfD kritisiert Flickschusterei am Steuersystem

Sehr grundsätzlich kritisierte Jörn König (AfD), dass statt grundsätzlicher Änderungen im Steuersystem Jahr für Jahr mit den Jahressteuergesetzen nur an kleinen Stellschrauben gedreht werde. „Es ist und bleibt Flickschusterei“, sagte König. Er erinnerte an die Forderung seiner Fraktion nach einem „Tarif auf Rädern“, mit dem auch diverse steuerrechtliche Pauschalen automatisch an die Inflation angepasst werden sollten, statt sie jährlich per Gesetz neu festzulegen.

Ebenso fundamental stellte König die geplante Regelung der Steuer-ID für Direktzahlungen in Frage. „Hier werden die Grundlagen gelegt, um große Gruppen des Volkes dauerhaft von direkten Staatszuwendungen abhängig zu machen.“ Das Geld dafür solle von der „fleißigen Mittelschicht“ aufgebracht werden.

Linke: Ungerechtigkeiten im Steuersystem bleiben

Auch die Kritik aus der Fraktion Die Linke ging weit über die an Einzelregelungen hinaus. „Was bleibt, sind extreme Ungerechtigkeiten im Steuersystem“, stellte Janine Wissler (Die Linke) fest. „Leistungsloses Einkommen“ aus Vermögen werde weiterhin niedriger besteuert als Einkommen aus Erwerbsarbeit.

Kapitalerträge müssten „endlich angemessen besteuert werden“, forderte Wissler. Zudem erinnerte sie an Forderungen ihrer Fraktion nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer, der Schließung von Schlupflöchern bei der Erbschaftsteuer sowie einer wirksameren Bekämpfung der Steuerhinterziehung.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

In der Abgabenordnung soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um einen direkten Auszahlungsweg unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer aufzubauen, teilt die Regierung mit. Hierdurch solle eine bürokratiearme und zugleich betrugssichere Möglichkeit entstehen, künftige öffentliche Leistungen, wie beispielsweise das Klimageld, auf Grundlage der in der IdNr-Datenbank enthaltenen Daten direkt an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen.

Dazu soll in Paragraf 139b der Abgabenordnung eine rechtliche Grundlage für die Speicherung einer Kontoverbindung (IBAN) aller in Deutschland gemeldeter Bürgerinnen und Bürger in der IdNr-Datenbank für die Auszahlung künftiger öffentlicher Leistungen geschaffen werden. Die in der IdNr-Datenbank gespeicherte IBAN unterliege dabei einer engen Zweckbindung.

Entfristung der Homeoffice-Pauschale

Durch die verschiedenen Maßnahmen sollen die Steuerzahler im kommenden Jahr um 3,16 Milliarden Euro und bis 2026 um rund 6,9 Milliarden Euro entlastet werden. Im Einzelnen sieht der Entwurf vor, den Sparer-Pauschbetrag von derzeit 801 Euro auf 1.000 Euro für Alleinstehende und von 1.602 auf 2.000 Euro für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner zu erhöhen. Zur leichteren technischen Abwicklung sollen bereits erteilte Freistellungsaufträge prozentual erhöht werden. Bei der Altersvorsorge soll der vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen ab 2023 vollzogen werden. Bisher waren für 2023 96 Prozent und 98 Prozent für 2024 vorgesehen. Damit soll eine doppelte Besteuerung vermieden werden.

Der Grundrentenzuschlag soll steuerfrei gestellt werden. Dadurch könnte der Grundrentenzuschlag steuerlich unbelastet in voller Höhe zur Verfügung stehen und so ungeschmälert zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen, heißt es in der Entwurf. Verbessert wird die Abschreibung von Immobilien. Der lineare AfA-Satz zur Abschreibung von Wohngebäuden, die nach dem 31. Dezember 2023 fertiggestellt werden, soll von zwei auf drei Prozent angehoben werden. Damit würden zukünftig alle Gebäude grundsätzlich über einen Zeitraum von 33 Jahren abgeschrieben. Erhöht wird der Ausbildungsfreibetrag für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden und auswärts untergebracht sind. Der Betrag soll von 924 Euro auf 1.200 Euro pro Kalenderjahr erhöht werden.

Vorgesehen ist auch die Entfristung der sogenannten Homeoffice-Pauschale und eine weitere Modernisierung der Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer. Die Pauschale in Höhe von fünf Euro pro Tag soll dauerhaft entfristet und der maximale Abzugsbetrag von 600 Euro auf 1.000 Euro pro Jahr angehoben werden. Ihr Abzug soll unabhängig davon möglich sein, ob die Tätigkeit in einer Arbeitsecke oder im häuslichen Arbeitszimmer erfolgt und unabhängig davon, ob es der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit ist oder ein anderer Arbeitsplatz existiert.

Im Jahressteuergesetz vorgesehen sind des Weiteren die Anhebung des linearen Abschreibungssatzes für die Abschreibung von Wohngebäuden auf drei Prozent, ein vollständiger Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen ab 2023, die Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags auf 1.000 Euro sowie Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen mit Wirkung zum 1. Januar 2023. 

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 14.10.2022