Der internationale Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden sorgt zunehmend dafür, dass im Ausland erzielte Kapitalerträge auch den deutschen Finanzämtern bekannt werden.
Doch was passiert, wenn solche Einkünfte versehentlich nicht angegeben werden?
Droht eine Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung, oder kann eine nachträgliche Berichtigung straffrei erfolgen?
Ein aktueller Praxisfall zeigt, worauf es ankommt.
1. Ausgangslage: Vergessene Kapitalerträge aus China
Eine Steuerpflichtige mit Wohnsitz in Deutschland hatte Kapitalanlagen in Hongkong.
Das Finanzamt erhielt im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs (AIA) Daten zu dortigen Zinserträgen und forderte die Steuerpflichtige auf, ihre Einkommensteuererklärungen für 2020 und 2021 zu überprüfen.
Nach anwaltlicher Beratung wurden:
- für 2022 Zinsen i. H. v. 75.000 € per ELSTER nachträglich erklärt,
- und für 2020 nachträglich 6.200 € Zinseinnahmen offengelegt.
Für 2021 bestand kein Nachmeldungserfordernis.
Trotz dieser freiwilligen Nachmeldung leitete das Finanzamt ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ein.
2. Steuerlich: Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO
Sobald ein Steuerpflichtiger erkennt, dass eine abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig war, ist er nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, unverzüglich eine Berichtigungserklärung einzureichen.
Wichtig:
- Diese Pflicht gilt unabhängig vom Verschulden.
- Die Berichtigung muss aktiv erfolgen, nicht erst auf Nachfrage.
- Eine rechtzeitige Selbstberichtigung kann strafbefreiend wirken, wenn noch kein Strafverfahren eingeleitet wurde.
Im vorliegenden Fall war die Aufforderung des Finanzamts jedoch bereits auf ausländische Kapitalerträge gestützt – also ein Hinweis, dass der Sachverhalt dem Amt bereits bekannt war. Damit war der Weg zu einer straffreien Selbstanzeige weitgehend versperrt.
3. Strafrechtlich: Vorsatz als entscheidender Faktor (§ 370 AO)
Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung setzt Vorsatz voraus – also das Wissen und Wollen einer unrichtigen Steuererklärung.
Das bedeutet:
- Wer Zinseinkünfte bewusst verschweigt, handelt vorsätzlich.
- Wer sie versehentlich vergisst, nicht.
Die bloße Unkenntnis oder Nachlässigkeit begründet höchstens leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) – ein Ordnungswidrigkeitstatbestand, keine Straftat.
Entscheidend ist, ob das Finanzamt oder die Staatsanwaltschaft den Nachweis führen kann, dass der Steuerpflichtige die Zinseinnahmen bewusst verschwiegen hat.
Im vorliegenden Fall spricht die zeitnahe Nachmeldung nach Bekanntwerden und die nachvollziehbare Begründung („vergessen“) gegen einen Hinterziehungsvorsatz. Allerdings kann eine leichtfertige Steuerverkürzung mit einer Geldbuße bis 50.000 € geahndet werden.
4. Automatischer Informationsaustausch (AIA): Kein „sicherer Hafen“ mehr
Seit 2017 tauschen über 100 Staaten – darunter auch China (bzw. Hongkong) – Finanzdaten von Konten und Kapitalerträgen automatisch aus.
Das bedeutet:
- Ausländische Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne werden jährlich an das deutsche Finanzamt gemeldet.
- Spätestens beim Datenabgleich fällt eine Nichtdeklaration auf.
Damit entfällt das Argument, man habe „nicht gewusst“, dass auch ausländische Kapitalerträge steuerpflichtig sind.
5. Was ist jetzt zu tun, wenn Kapitalerträge vergessen wurden?
Schritt 1 – Sofortige Selbstberichtigung
Reichen Sie umgehend eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO ein.
Das kann über ELSTER oder über Ihren Steuerberater erfolgen.
Wichtig ist, dass die Erklärung vor Einleitung eines Strafverfahrens eingeht.
Schritt 2 – Offenlegung aller betroffenen Jahre
Prüfen Sie, ob auch weitere Steuerjahre betroffen sind.
Eine Teilselbstanzeige (nur für ein Jahr) kann die Straffreiheit gefährden.
Schritt 3 – Offenlegung vollständiger Angaben
Legen Sie Kontoauszüge, Zinsabrechnungen und Nachweise über Kapitalanlagen vollständig vor – insbesondere bei ausländischen Banken.
Schritt 4 – Nachzahlung und Zinsen
Nachversteuern Sie die Einkünfte einschließlich Hinterziehungszinsen (§ 235 AO).
Die Zinsen betragen 6 % p. a., gerechnet ab dem 15. Monat nach Ablauf des Steuerjahres.
Schritt 5 – Verteidigungsstrategie bei eingeleitetem Verfahren
Ist bereits ein Strafverfahren eröffnet, sollte keine eigenständige Stellungnahme erfolgen.
Dann gilt: Schweigen und sofortige Beauftragung eines Steuerstrafverteidigers.
In vielen Fällen lässt sich durch frühzeitige Kooperation und Zahlung eine Verfahrenseinstellung gegen Auflage (§ 153a StPO) erreichen.
6. Fazit
Das Vergessen von ausländischen Kapitalerträgen kann steuerstrafrechtlich erhebliche Folgen haben – insbesondere seit dem weltweiten Informationsaustausch.
Gleichzeitig gilt: Nicht jeder Fehler ist eine Steuerhinterziehung.
Wenn die Einnahmen versehentlich nicht angegeben, aber nachträglich berichtigt werden, bestehen gute Chancen auf Straffreiheit oder zumindest eine milde Behandlung.
Unser Tipp:
Prüfen Sie regelmäßig alle Auslandskonten, Fonds und Depots.
Bei Unsicherheiten sollten Sie frühzeitig mit Ihrer Steuerberatung über eine vorsorgliche Berichtigung oder Selbstanzeige sprechen – bevor das Finanzamt Sie darauf aufmerksam macht.
Rechtliche Grundlagen:
- § 153 AO – Berichtigung von Erklärungen
- § 370 AO – Steuerhinterziehung
- § 378 AO – Leichtfertige Steuerverkürzung
- OECD Common Reporting Standard (CRS) – automatischer Informationsaustausch