Keine Aussetzung der Vollziehung bei geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung

Das Finanzgericht (FG) Münster hat mit seinem Beschluss vom 29. Oktober 2024 (Az. 3 V 1270/24 Ew,F) entschieden, dass für eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Grundsteuerwertfeststellung ein besonderes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Dieses konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden.


Hintergrund: Die Streitfrage

Der Antragsteller, Inhaber eines durch Bebauung genutzten Teilerbbaurechts, beantragte die AdV der Grundsteuerwertfeststellung. Als Begründung führte er die Verfassungswidrigkeit der neuen Grundsteuerwertermittlung an.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren und Ablehnung des außergerichtlichen AdV-Antrags wandte er sich an das FG Münster.


Entscheidung des FG Münster

Der 3. Senat des FG Münster lehnte den Antrag ab und ließ dabei offen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen der Grundsteuerwertfeststellung bestehen. Ausschlaggebend war das fehlende besondere Aussetzungsinteresse des Antragstellers, das im Rahmen einer Interessenabwägung Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Gesetzesvollzug hätte haben müssen.


Begründung: Interessenabwägung

Die Entscheidung stützt sich auf die Abwägung zwischen den individuellen Interessen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse:

  1. Keine irreparablen Nachteile für den Antragsteller
    Die Grundsteuerwertfeststellung und der Grundsteuermessbetrag führten nicht zu schwerwiegenden und irreversiblen Nachteilen für den Antragsteller.
  2. Öffentliches Interesse am Gesetzesvollzug
    • Die Grundsteuer ist essenziell für die finanzielle Stabilität der Kommunen.
    • Eine faktische Außerkraftsetzung der Grundsteuer B könnte zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe führen (2023: 15,08 Mrd. Euro bundesweit).
    • Kommunen können diese planbaren und konjunkturunabhängigen Einnahmen nicht durch andere Steuern (z. B. Gewerbesteuer) ersetzen.
  3. Gefahr von Präzedenzfällen
    Bei einer Häufung stattgebender AdV-Beschlüsse könnten viele Steuerpflichtige Musteranträge stellen. Dies würde einer faktischen Vorwegnahme des Prüfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts gleichkommen.

Folgen für Steuerpflichtige

  • Die Entscheidung zeigt, dass ein besonderes Aussetzungsinteresse für eine erfolgreiche AdV bei verfassungsrechtlichen Zweifeln erforderlich ist.
  • Steuerpflichtige sollten sich bewusst sein, dass das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung meist schwerer wiegt als individuelle Nachteile durch die Grundsteuerfestsetzung.

Beschwerde zugelassen

Das FG Münster hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof (BFH) in dieser Angelegenheit eine andere Bewertung vornimmt.


Fazit:
Die Entscheidung des FG Münster unterstreicht, dass Steuerpflichtige bei der Grundsteuerwertermittlung trotz verfassungsrechtlicher Zweifel keine AdV ohne ein besonderes Aussetzungsinteresse erwarten können. Steuerpflichtige sollten ihre rechtlichen Möglichkeiten dennoch sorgfältig prüfen und gegebenenfalls die weitere Entwicklung auf höherer Ebene abwarten.

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