Keine Freistellung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag trotz Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG.

Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 24.11.2017, 6 K 150/15, ECLI:DE:FGNI:2017:1124.6K150.15.00

Art 3 GG, § 5 Abs 1 Nr 8 KStG, § 5 Abs 2 Nr 1 KStG

TATBESTAND

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Belastung der Klägerin als steuerbefreiter Körperschaft mit Kapitalertragsteuer auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG verfassungsgemäß ist.
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Die Klägerin ist ein gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt steuerpflichtiges, jedoch nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreites berufsständisches Versorgungswerk. Rechtsgrundlagen ihrer Errichtung sind § 12 Abs. 1 des Kammergesetzes für Heilberufe (HKG) sowie die Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (ASO). Der Zweck der Klägerin ist die Sicherung der Kammerangehörigen im Alter und bei Berufsunfähigkeit sowie die Sicherung der Hinterbliebenen. Nach § 1 ASO ist die Klägerin eine unselbständige Anstalt der Ärztekammer Niedersachen, kann jedoch im Rechtsverkehr unter eigenem Namen handeln, klagen und verklagt werden.
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Im Streitjahr 2010 erzielte die Klägerin – u.a. – die folgenden Kapitalerträge:
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Am … 2014 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bescheides über die Freistellung von der Kapitalertragsteuer und dem Solidaritätszuschlag gem. § 155 AO hinsichtlich der im Kalenderjahr 2010 bezogenen Kapitalerträge.
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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom … ab.
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Zur Begründung führte er aus, der Klägerin seien Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugeflossen, für die gem. §§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG, 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG Kapitalertragsteuer (und Solidaritätszuschlag) mit Abgeltungswirkung einbehalten und abgeführt worden sei. Eine Abstandnahme vom Steuerabzug sei nur gem. § 44a Abs. 8 EStG vorzunehmen. Eine Freistellung nach anderen Vorschriften scheide aus. Insbesondere lägen die Voraussetzungen der § 44a Abs. 1, § 44a Abs. 4, § 44a Abs. 7 oder § 44b Abs. 5 EStG nicht vor. Insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom …
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Die (einfach-) gesetzlich vorgeschriebene Abgeltungswirkung verletze die Klägerin nicht in ihren Grundrechten und verstoße insbesondere nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber habe mit der Ausgestaltung der Vorschriften den ihm eingeräumten weiten Entscheidungsspielraum nicht überschritten. Hinsichtlich der Begründung des Beklagten im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 27.3.2015.
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Hiergegen hat die Klägerin Sprungklage erhoben. Der Beklagte hat der Sprungklage fristgemäß zugestimmt.
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Die Klägerin führt zunächst aus, die Erhebung der Sprung-Verpflichtungsklage sei zulässig. Ein Vorverfahren sei entbehrlich, da der Beklagten der Sprungklage innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt habe.
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Verfahrensrechtlich sei für die Klägerin nur der Weg einer Verpflichtungsklage möglich. Ein Einspruch (und damit nachfolgend eine Anfechtungsklage) gegen die Kapitalertragsteueranmeldung sei nicht erfolgversprechend, denn nach der Rechtsprechung des BFH könne der Vergütungsgläubiger im Wege der Drittanfechtung nur prüfen lassen, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Dies sei jedoch bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steueranspruch zweifelhaft seien. Die Steueranmeldung könne daher nicht mit dem Argument der Verfassungswidrigkeit angegriffen werden. Zudem komme auch ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO nicht in Betracht. Hier gelte das zum Einspruch gegen die Steueranmeldung Ausgeführte. Ebenfalls sei ein Antrag nach § 44b Abs. 5 EStG nicht möglich, weil die Klägerin hier nicht antragsberechtigt sei. Anträge nach § 50d EStG, nach § 50d EStG analog sowie gem. §32 Abs. 5 KStG analog schieden ebenfalls aus. Hinsichtlich der weiteren Begründung im Einzelnen wird insoweit Bezug genommen auf die umfangreichen Ausführungen in der Klageschrift vom 23.4.2015.
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Daher komme nur ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO in Betracht. Ein solcher Anspruch setze voraus, dass der Steuerpflichtige erfolgreich die Aufhebung / Änderung der Kapitalertragsteueranmeldung betreibe oder den Erlass eines Freistellungsbescheides gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO erreiche. Wie ausgeführt sei hier nur der Weg des Freistellungsbescheides möglich. Die Klägerin als Steuerpflichtige könne den Erlass eines derartigen Steuerbescheides beantragen.
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Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, nach den einfachgesetzlichen Vorschriften unterlägen die Gewinnausschüttungen, die Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien, dem Steuerabzug für Kapitalerträge (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 1a EStG). Die Höhe der Kapitalerträge betrage grundsätzlich 25 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 EStG). Der Steuerabzug sei jedoch nur in Höhe von drei Fünfteln (also im Ergebnis i.H.v. 15 %) vorzunehmen, wenn die Gewinnausschüttung von einer nach § 5 Abs. 1 KStG befreien Körperschaft vereinnahmt werde (§ 44a Abs. 8 Nr. 1 KStG). Auf die Kapitalertragsteuer werde zudem ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % erhoben, so dass eine Gesamtbelastung von 15,825 % entstehe. Da der Steuerabzug eine abgeltende Wirkung habe (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG), könne die Kapitalertragsteuer weder auf die Körperschaftsteuer angerechnet noch erstattet werden. Die Belastung durch die Kapitalertragsteuer werde so für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen endgültig. Da dem Steuerabzug die vollen Kapitalerträge unterlägen und aufgrund der Abgeltungswirkung keine Veranlagung stattfinde, kann der Empfänger der Gewinnausschüttung auch keine Aufwendungen steuermindernd geltend machen.
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Hinsichtlich dieser gesetzlich normierten Steuerfolgen bestehe zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Klägerin ist jedoch der Rechtsauffassung, die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und Entgelten aus Wertpapierleihgeschäften, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt steuerpflichtige, aber nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG von der Körperschaftsteuer befreite berufsständische Versorgungseinrichtungen bezogen haben, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Zur Begründung ihrer Auffassung nimmt die Klägerin Bezug auf das Gutachten von Prof Dr. … Danach verstoße die Besteuerung von Gewinnausschüttungen (und Wertpapierleihgeschäften) bei einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreitem Versorgungswerk unter vier Aspekten gegen Art. 3 Abs. 1 GG:
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1. Gewinnausschüttungen, die berufsständische Versorgungseinrichtungen wie die Klägerin vereinnahmten, würden definitiv mit 15,825 % Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag belastet, während Gewinnausschüttungen an nicht steuerbefreite Körperschaften mit lediglich 0,79125 % belastet würden. Hinsichtlich der Berechnungen der Klägerin zur Steuerbelastung wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Gutachten. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
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Sie lasse sich nicht mit dem Ziel rechtfertigen, dass durch die niedrigere Besteuerung der unbeschränkt steuerpflichtigen und nicht befreiten Körperschaften eine Einmalbesteuerung bei den letzten Anteilseignern hergestellt werden solle. Denn dieses Ziel könne schon nicht rechtfertigen, dass auch die thesaurierten Gewinne begünstigt würden. Auch hinsichtlich der ausgeschütteten Gewinne greife der Rechtfertigungsgrund nicht ein, weil nicht nur Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften, sondern auch Versorgungsleistungen von berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei den Empfängern einkommensteuerlich nachbelastet würden. Die Ungleichbehandlung lasse sich zudem nicht mit dem Ziel rechtfertigen, eine Gewerbesteuerbelastung auf die Gewinnausschüttung zu kompensieren, die bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht entstehen könne. Andernfalls würde die gesetzgeberische Entscheidung konterkariert, berufsständische Versorgungseinrichtungen von der Gewerbesteuer frei zu stellen. Auch eine Rechtfertigung mit den außersteuerlichen Zielen, betriebliche Investitionen zu fördern und die Innenfinanzierung zu verbessern, greife nicht.
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2. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Gewinnausschüttungen bei einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreiten Versorgungswerk im Vergleich mit anderen Kapitaleinkünften (vor allem Zinsen) höher belastet würden (15,825 % gegenüber 0 %), obwohl beide gleichermaßen aus Vermögensanlagen stammten, die vom Förderzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG erfasst seien. Diese Ungleichbehandlung könne nicht durch Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt werden. Zudem habe noch unter Geltung des Anrechnungsverfahrens die Ungleichbehandlung den Hintergrund gehabt, eine Gleichbelastung hinsichtlich der Gesamtbelastung bei Gewinnausschüttungen herzustellen. Mit dem Systemwechsel zum Teileinkünfteverfahren greife dieser Rechtfertigungsgrund jedoch nicht mehr, denn seitdem würden die Gewinnausschüttungen in der Regelbesteuerung gegenüber der Besteuerung der berufsständischen Versorgungseinrichtungen günstiger behandelt.
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3. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Gewinnausschüttungen, die berufsständische Versorgungseinrichtungen vereinnahmten, mit 15,825 % Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag belastet würden, während Steuerpflichtigen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG Gewinnausschüttungen steuerfrei vereinnahmen könnten.
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Diese Ungleichbehandlung könne nicht durch Unterschiede in den förderungswürdigen Zwecken gerechtfertigt werden. Ebenso lasse sich der Begünstigungsausschluss nicht mit dem Ziel rechtfertigen, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen mit den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung gleichzustellen.
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4. Der Klägerin seien im VZ 2010 tatsächlich Beteiligungsaufwendungen in Höhe von … Euro entstanden. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass berufsständische Versorgungseinrichtungen diese tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen stünden, nicht geltend machen könnten. Die Ungleichbehandlung ergebe sich einerseits aus dem Vergleich zwischen zwei berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die Beteiligungsaufwendungen in unterschiedlicher Höhe hätten sowie andererseits aus dem Vergleich zwischen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer nicht steuerbefreiten Körperschaft mit jeweils gleichen Beteiligungsaufwendungen.
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Hinsichtlich der weiteren Begründungen der gerügten Verfassungsverstöße auf die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. … Bezug genommen.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit regt die Klägerin an, nach Art. 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom …. zu verpflichten, einen Bescheid über die Freistellung von der Kapitalertragsteuer und dem Solidaritätszuschlag für die im Jahr 2010 zugeflossenen Kapitalerträge zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich zur Begründung auf seine Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom …

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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I. Die Klage ist ohne Vorverfahren als Sprungklage gem. § 45 Abs. 1 FGO zulässig. Der Beklagte hat innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO mit Schriftsatz vom 28.5.2015 zugestimmt.
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II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Beklagte hat zu Recht die Erteilung eines Freistellungsbescheides gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO abgelehnt.
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Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO werden Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Nach Satz 3 der Vorschrift gilt dies auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer. Freistellungsbescheide im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO sind daher begrifflich Steuerbescheide, die nach dem Willen des FA den Steuerpflichtigen verbindlich davon unterrichten, dass eine Steuer von ihm aufgrund des geprüften Sachverhalts dem Grunde nach überhaupt nicht oder für einen bestimmten Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum nicht gefordert werde (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16.10.1991 I R 65/90, BStBl. 1992, 322 m.w.N.).
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Im Streitfall kann ein derartiger Freistellungsbescheid hinsichtlich der streitgegenständlichen Kapitalertragsteuer einschließlich des Solidaritätszuschlages nicht erlassen werden, denn die Steuer ist zu Recht einbehalten und abgeführt worden.
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1. Die Klägerin ist als berufsständische Versorgungseinrichtung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Dies gilt jedoch gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG nicht für inländische Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen; Entsprechendes gilt für die in § 32 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz genannten Einkünfte (Wertpapierleihe). Gewinnausschüttungen, die Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind, unterliegen dem Steuerabzug für Kapitalerträge (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Höhe der Kapitalertragsteuer beträgt grundsätzlich 25 %, der Steuerabzug ist jedoch nur in Höhe von drei Fünfteln (d.h. mit 15%) vorzunehmen, wenn die Ausschüttung – wie im Streitfall – von einer nach § 5 Abs. 1 KStG steuerbefreiten Körperschaft vereinnahmt wird (§§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, 44a Abs. 2 Nr. 1 EStG). Auf die Kapitalertragsteuer wird ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % erhoben (§§ 1 Abs. 3 SolZG, 3 Nr. 5 SolZG). Der Steuerabzug hat gem. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG abgeltende Wirkung.
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Der Klägerin sind im Streitjahr derartige Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen zugeflossen. …
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Mithin ist gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG zutreffend Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt … Euro (sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt … Euro) einbehalten und abgeführt worden. Eine Abstandnahme vom Steuerabzug kommt nur insoweit in Betracht, als sie bereits gem. § 44a Abs. 2 EStG durchgeführt worden ist und die Kapitalerträge (nur) mit 15% belastet worden sind.
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Die dargestellte Besteuerung im Abzugsverfahren nach einfachgesetzlichen Vorschriften ist im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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b) Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht. Nach dieser grundgesetzlichen Regelung ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält.
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Eine Vorlage kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, Zweifel genügen demgegenüber nicht.
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Auch unter Berücksichtigung der seitens der Klägerin vorgebrachten Argumente, die einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG begründen sollen, ist der erkennende Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des hier streitgegenständlichen § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG Norm überzeugt.
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(1) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
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Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber allerdings unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie diese steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren.
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Die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe oder eines Sachverhalts in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstandes zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstandes ist mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstandes und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe oder der Sachverhalt, um deren oder dessen Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen (vgl. insgesamt dazu Urteil des BVerfG vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, -juris – zur Gewerbesteuer mit weiteren Nachweisen zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung).
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Bei der Prüfung der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist auch zu berücksichtigen, ob es sich um eine personenbezogene oder eine bloß verhaltensbezogene Ungleichbehandlung handelt. Für die gleichheitsrechtliche Abwägung fällt hierbei insbesondere ins Gewicht, wieweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen. Ist letzteres der Fall ist ein weniger strenger Maßstab anzulegen als bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung, denn die Steuerpflichtigen können sich der jeweiligen Rechtsfolge durch entsprechende Sachverhaltsgestaltung entziehen. (Beschluss des BVerfG vom 26.10.2004 2 BvR 246/98, juris, ebenso BFH vom 12.12.1990 I R 43/89, BStBl II 1991, 427).
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Allerdings kann eine Ausweichoption gegenüber einem belastenden Steuergesetz, die ein bestimmtes steuerlich relevantes Verhalten des Steuerpflichtigen voraussetzt, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung dieses Steuergesetzes aus rechtsstaatlichen Gründen nur dann als belastungsmindernd berücksichtigt werden, wenn das in Frage kommende Verhalten zweifelsfrei legal ist, keinen unzumutbaren Aufwand für den Steuerpflichtigen bedeutet und ihn auch sonst keinem nennenswerten finanziellen oder rechtlichen Risiko aussetzt (Urteil des BVerfG vom 15.1.2008 a.a.O.).
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(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben begegnet die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit der Einschränkung der Steuerbefreiung für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums in Bezug auf die Auswahl des Steuergegenstandes. Die Ausgestaltung der Besteuerung bestimmter Kapitaleinkünfte als Objektsteuer ist zur Überzeugung des Senates nicht gleichheitswidrig.
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(a) Soweit die Klägerin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit unbeschränkt steuerpflichtigen und nicht steuerbefreiten Körperschaftsteuersubjekten rügt, ist dies vor dem Hintergrund der möglichen Ausweichoptionen der Klägerin eine hinnehmbare Belastung, die sich nach Auffassung des erkennenden Senates innerhalb des Rahmens des weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bewegt.
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Bei der Prüfung einer Ungleichbehandlung mit steuerpflichtigen Körperschaften ist dabei nicht nur auf die (von der Steuerbefreiung) ausgeschlossenen Gewinnausschüttungen abzustellen. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als berufsständische Versorgungseinrichtung bei den Einkünften, die nicht dem Steuerabzug unterliegen, gegenüber den steuerpflichtigen Körperschaften durch die allgemeine Steuerbefreiung privilegiert ist.
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b) Dies gilt ebenso vor dem Hintergrund der von der Klägerin angesprochenen Ungleichbehandlung der Gewinnausschüttungen, die nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, mit Zinseinkünften, die bei der Klägerin von der Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG erfasst werden. Auch insoweit hat es die Klägerin in der Hand, Einnahmen zu erzielen, die nicht dem Steuerabzug unterliegen. Im Übrigen hat hier der Gesetzgeber mit der Einführung der abgeltenden Wirkung des Steuerabzugs gerade die Voraussetzungen für eine verfassungsgemäße Besteuerung geschaffen (Steuerabzug zur Vermeidung eines strukturellen Vollzugsdefizites).
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c) Soweit die Klägerin in Bezug auf die Regelung in § 44a Abs. 7 EStG eine Ungleichbehandlung der berufsständischen Versorgungswerke gegenüber Körperschaftsteuersubjekten im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG rügt, sieht der Senat hier bereits keine wesentlich gleichen Sachverhalte. Die nach dieser Vorschrift befreiten Körperschaften sind – im Gegensatz zu der Klägerin gemeinnützig. Die Entscheidung des Gesetzgebers, gemeinnützigen Körperschaften durch § 44a Abs. 7 EStG eine weitergehende Befreiung von der Kapitalertragsteuer zu gewähren als berufsständischen Versorgungseinrichtungen – ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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d) Der Senat sieht weiterhin keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung in der fehlenden Möglichkeit, tatsächliche Beteiligungsaufwendungen geltend zu machen.
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Steuerrechtliche Regelungen sind so auszugestalten, dass Gleichheit im Belastungserfolg für alle Steuerpflichtigen hergestellt werden kann. Der Gleichheitssatz fordert jedoch nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährdet, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Deshalb darf der Gesetzgeber, wie etwa bei der einkommensteuerlichen Verschonung des Existenzminimums einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen. Er darf auch die Verwirklichung des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel berücksichtigen. Außerdem kann eine Tatbestandstypisierung dazu dienen, komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlicher und verständlicher zu machen, um so den steuerlichen Belastungsgrund zu verdeutlichen und in das Bewusstsein zu rücken (BVerfG vom 10.4.1992 2 BvL 77/92, juris). Vor diesem Hintergrund ist die Besteuerung durch Vornahme eines Steuerabzuges ohne die Möglichkeit, tatsächliche Aufwendungen geltend zu machen, nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber den berufsständischen Versorgungswerken im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG eine typisierende steuerliche Entlastung dadurch gewährt, dass gem. § 44a Abs. 8 EStG bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG der Kapitalertragsteuerabzug nur in Höhe von 3/5 durchzuführen ist und somit mithin eine Entlastung von 2/5 (= 10 Prozentpunkte) gewährt wird.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Diese ist auch dann gegeben, wenn vernünftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen.