Keine sog. „tatsächliche Verständigung“ mit dem Finanzamt über Hinterziehungszinsen möglich

Mit Urteil vom 12. April 2018 (6 K 2254/17) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass wegen einer Steuerhinterziehung festzusetzende Hinterziehungszinsen nicht Gegenstand einer sog. „tatsächliche Verständigung“ zwischen Steuerpflichtigem und Finanzamt sein können.

Der Kläger betreibt in der Vorderpfalz einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hatte, deren Höhe allerdings nicht mehr zweifelsfrei aufklärbar war. Der Kläger und das Finanzamt einigten sich daher in einer schriftlich dokumentierten sog. „tatsächlichen Verständigung“ dahingehend, dass nicht verbuchte Einnahmen anzusetzen und die Gewinne um die vereinbarten Beträge (rund 100.000 Europro Jahr) zu erhöhen seien. Nach Bestandskraft der entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide setzte das beklagte Finanzamt Hinterziehungszinsen fest (rund 9.800 Euro). Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, weil nach seiner Auffassung im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden sei, der auch die Hinterziehungszinsen habe beinhalten sollen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger Klage (über die noch nicht entschieden ist) und stellte außerdem einen Antrag beim Finanzamt auf Erlass der Hinterziehungszinsen. Gegen die Ablehnung dieses Erlassantrags hat der Kläger (nach erfolglosem Einspruchsverfahren) ebenfalls Klage erhoben, die vom FG mit folgender Begründung abgewiesen wurde:

Die schriftlich abgefasste tatsächliche Verständigung enthalte keine Vereinbarung zu den Hinterziehungszinsen. Eine wie auch immer geartete mündliche Zusage sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Unabhängig davon wäre eine solche (mündliche wie schriftliche) Vereinbarung auch gar nicht zulässig und daher -jedenfalls für das Gericht -ohnehin nicht bindend. Denn eine tatsächliche Verständigung oder Zusage sei allenfalls in Bezug auf einen unklaren Sachverhalt oder bei Entscheidungen zulässig, bei denen der Finanzverwaltung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zustehe. Bei reinen Rechtsfragen hingegen könnten solche Vereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht getroffen werden. Die Rechtsfolge, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung -die hier aufgrund der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide feststehe -zwingend Hinterziehungszinsen festgesetzt werden müssten, ergebe sich bereits aus dem Gesetz und sei daher einer Einigung nicht zugänglich.

Kontext der Entscheidung

Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung bei Verdacht einer Steuerhinterziehung kann es zu einer schriftlichen tatsächlichen Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt kommen, weil die Sachverhalte teils lange zurückliegen und mitunter sehr schwierig zu ermitteln sind (z. B. bei Auslandssachverhalten).

Bei diesem Verfahren ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung weder schriftlich noch mündlich der Verzicht des Finanzamtes auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann. Bei der Auslotung der Möglichkeit einer tatsächlichen Verständigung sollte der Steuerpflichtige in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung – zur Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten vor dem Finanzgericht – daher berücksichtigen, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung zwingend noch Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 30.05.2018 zum Urteil 6 K 2254/17 vom 12.04.2018 (nrkr)