Keine steuerbare Einnahme: Untreue führt nicht zu Einkommensteuer

FG Schleswig-Holstein: Rückflüsse aus veruntreuten Geldern sind keine steuerpflichtigen sonstigen Einkünfte – Urteil rechtskräftig


Nicht jede Geldzahlung, die dem Steuerpflichtigen zufließt, ist auch steuerpflichtig. Das hat das Finanzgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 2. Mai 2024 (Az. 4 K 84/23) entschieden – mit einem bemerkenswerten Ergebnis: Rückflüsse aus einer Untreuehandlung stellen keine steuerbaren Einkünfte dar – auch dann nicht, wenn sie dem Steuerpflichtigen zur persönlichen Bereicherung dienen.

Das Urteil ist rechtskräftig – und zeigt, wie eng die steuerrechtliche Beurteilung an das Zivil- und Strafrecht anknüpft.


Worum ging es im konkreten Fall?

Ein Arbeitnehmer hatte in seiner Position Zahlungen vom Geschäftskonto seines Arbeitgebers an einen Dritten veranlasst – mit dem Ziel, diesem für die Beeinflussung von Vergabeentscheidungen eine Zahlung zukommen zu lassen. Intern war mit dem Dritten jedoch abgesprochen, dass ein Teil dieser Zahlung wieder an den Arbeitnehmer zurückfließen sollte – was auch geschah.

Das Finanzamt wollte diese Rückflüsse als steuerpflichtige sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) erfassen – der Arbeitnehmer wehrte sich dagegen.


Die Entscheidung des Finanzgerichts

Das FG Schleswig-Holstein wies die Auffassung der Finanzverwaltung zurück:

  • Die Rückzahlung des Dritten sei keine Gegenleistung für eine Leistung des Klägers – sondern Teil einer vorher vereinbarten Beuteteilung.
  • Die Auszahlung an den Dritten sowie der Rückfluss an den Kläger erfolgten auf Grundlage eines einheitlichen kriminellen Plans.
  • Es handele sich nicht um eine wirtschaftlich begründbare Transaktion, sondern um eine bloße Aufteilung von veruntreutem Geld.
  • Es sei dabei steuerlich unerheblich, ob der Kläger zuerst selbst die Gelder veruntreut oder deren Auszahlung an den Dritten veranlasst habe – die Rückzahlung sei in beiden Fällen keine steuerbare Einnahme.

Steuerrecht trifft Strafrecht – warum das Urteil konsequent ist

Das Einkommensteuerrecht setzt grundsätzlich eine Vermögensmehrung im wirtschaftlichen Eigentum voraus. Wenn Gelder aufgrund einer Untreuehandlung vereinnahmt werden, besteht jedoch kein rechtlicher Anspruch auf das Geld, sondern vielmehr eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem geschädigten Eigentümer.

Im Ergebnis liegt daher keine echte „Bereicherung“ im steuerlichen Sinne vor – sondern ein (häufig strafbarer) Besitz ohne Rechtsgrundlage.

Auch wenn das Finanzgericht hier eine Nichtsteuerbarkeit bejaht, bedeutet das keinesfalls Straffreiheit. Im Gegenteil:

  • Die Untreuehandlung erfüllt regelmäßig den Tatbestand nach § 266 StGB.
  • Rückflüsse aus veruntreutem Vermögen unterliegen nicht der Einkommensteuer, aber sehr wohl der strafrechtlichen Verfolgung.
  • Auch die bloße Bereitstellung der Zahlungsströme kann für beide Beteiligte eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit oder Bestechung (§§ 299 ff. StGB) begründen.

Tipp für die Praxis:
Eine steuerlich nicht erfasste Einnahme kann trotzdem Auslöser für Ermittlungsverfahren sein. Steuerfreiheit ≠ Straffreiheit.

Grafik: Wann ist ein Vermögenszufluss steuerbar?

ZuflussartSteuerpflicht?Begründung
Arbeitslohn✅ JaEntgelt für eine Leistung
Schenkung❌ NeinUnterliegt ggf. der Schenkungsteuer, aber nicht der Einkommensteuer
Rückzahlung aus Untreuehandlung❌ NeinKein wirtschaftlicher Leistungsaustausch – bloße Beuteteilung
Provision für Vertragsvermittlungen✅ JaEntgeltliche Leistung, § 22 Nr. 3 oder § 15 EStG
Unterschlagung/Betrug mit Rückfluss❌ NeinKein zivilrechtlicher Anspruch, keine Einkunftsquelle
Schwarzgeld (z. B. bei Bauleistung)✅ JaSteuerpflicht trotz Illegalität, § 40 AO

Praxistipp: Grenzen der Steuerpflicht bei unrechtmäßigen Zuflüssen

Nicht jede Zahlung, die den Kontostand erhöht, löst auch Einkommensteuer aus. Besonders bei kriminellen Vorgängen wie Untreue, Unterschlagung oder Diebstahl ist Vorsicht geboten:

Strafrechtlich relevant = ja
Steuerpflichtig = nicht automatisch!

Aber Achtung: Das bedeutet nicht, dass solche Vorgänge steuerlich folgenlos bleiben. In anderen Konstellationen – etwa bei verdeckten Vergütungen oder Scheingeschäften – kann durchaus eine Steuerpflicht entstehen.


Fazit: Rückflüsse aus Unrechtstatbeständen sind keine steuerbaren Einnahmen

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat einen wichtigen Grundsatz bekräftigt:
Kriminell erlangte Gelder – auch wenn sie zur privaten Verfügung stehen – führen nicht zwangsläufig zu steuerpflichtigen Einkünften.
Die bloße Vermögensmehrung reicht nicht aus – es braucht einen wirtschaftlichen Leistungsaustausch.

Aber: Sie sind regelmäßig strafrechtlich relevant – und können auch steuerlich relevant werden, z. B. bei Verschleierungsversuchen oder Geldwäsche.