Nordrhein-Westfalen geht neue Wege in der Steuerfahndung: Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) entwickelt das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) derzeit einen KI-Prototyp, der künftig bei der Aufdeckung von Terrorfinanzierung helfen soll. Das Projekt ist Teil eines Maßnahmenpakets zur inneren Sicherheit, das die Landesregierung nach dem Terroranschlag von Solingen auf den Weg gebracht hat.
🎯 Ziel: KI soll Beweise in digitalen Asservaten schneller finden
Wie Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk betont, geht es bei dem Pilotprojekt darum, die Durchsuchung sichergestellter digitaler Datenmengen (z. B. Festplatten, Smartphones, Cloudspeicher) durch Künstliche Intelligenz zu beschleunigen:
„Das Sichten von Terrabytes an Daten auf der Suche nach einer einzigen verdächtigen Transaktion ist bisher extrem aufwendig – mit der neuen KI wird das erheblich effizienter.“
🧠 KI-gestütztes System: Retrieval-Augmented Generation (RAG)
Das System basiert auf einer sogenannten RAG-Architektur (Retrieval-Augmented Generation). Diese kombiniert maschinelles Verstehen großer Datenmengen mit generativer KI. Die Besonderheiten:
- Dateiformatübergreifende Verarbeitung: Text, Bilder, Audio und Rechnungen werden in einheitliche Textform überführt.
- Mehrsprachigkeit: Inhalte in anderen Sprachen werden automatisch ins Deutsche übersetzt.
- Interaktive Abfrage: Ermittlerinnen und Ermittler können mit den digitalisierten Asservaten interagieren – etwa in Form eines „KI-Chats“.
Prof. Dr. Christian Bauckhage, KI-Experte des Fraunhofer IAIS und Professor für Intelligente Systeme an der Universität Bonn, sieht darin einen echten Gamechanger:
„Die Ermittler können gezielt nach verdächtigen Strukturen suchen – etwa bestimmten Empfängern oder Transaktionen – ohne sich selbst durch unstrukturierte Datenmengen quälen zu müssen.“
🔍 Bedeutung für Steuerfahndung und Finanzkriminalität
Der Fokus des Projekts liegt zwar auf der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, doch das Potenzial geht weit darüber hinaus. Der KI-Prototyp könnte künftig auch in folgenden Bereichen Anwendung finden:
- Aufklärung großer Steuerhinterziehungsfälle (Cum-Ex, Cum-Cum, Umsatzsteuerkarusselle)
- Datenanalysen bei Betriebsprüfungen, insbesondere bei internationalen Sachverhalten
- Erkennung komplexer Geldflüsse über Krypto-Assets oder Schattenbanken
- Beschleunigte Auswertung in Compliance- und Geldwäscheprüfungen
🗓️ Projektzeitraum und nächste Schritte
Die Forschungskooperation ist zunächst auf sechs Monate angelegt. In diesem Zeitraum soll das Fraunhofer-Team:
- den Prototyp entwickeln,
- mit realitätsnahen Daten testen,
- dokumentieren, wie sich der Einsatz im Alltag bewährt.
⚖️ Zwischen Datenschutz, Effizienz und Transparenz
Der geplante KI-Einsatz wirft auch rechtliche Fragen auf – etwa zur Zulässigkeit automatisierter Auswertung sensibler Daten, zur DSGVO-Konformität und zu möglichen Beweisproblemen in Straf- und Besteuerungsverfahren.
Dennoch zeigt das Projekt eindrucksvoll: Künstliche Intelligenz wird ein fester Bestandteil der modernen Steuerfahndung. Kanzleien und Unternehmen sollten sich rechtzeitig auf KI-basierte Prüfungsinstrumente einstellen – nicht nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung.
Quelle: Presseinformation der Finanzverwaltung NRW vom 10.06.2025