Kindergeld auch für Kinder einer eingetragenen Lebenspartnerin

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 08.08.2013 VI R 76/12 entschieden, dass einer Lebenspartnerin ein Kindergeldanspruch auch für die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin zusteht. Er hat damit die für Ehegatten geltende Regelung auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft angewandt, nach der im Haushalt lebende gemeinsame Kinder der Ehegatten zusammengezählt werden. Sobald beide Lebenspartner oder Ehegatten zusammen mehr als zwei Kinder haben, ist diese Regelung günstiger, als wenn jeder einzelne Ehegatte oder Lebenspartner für seine Kinder Kindergeld beantragt. Denn das Kindergeld steigt ab dem dritten Kind von 184 Euro auf 190 Euro an und beträgt für das vierte und jedes weitere Kind 215 Euro.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 07.05.2013 entschieden hatte, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei, sind nunmehr die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden (§ 2 Abs. 8 EStG). Die Neuregelung vom 15.07.2013 durch das Gesetz zur Änderung des EStG und Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 07.05.2013 findet auch bei noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen Anwendung (§ 52 Abs. 2a EStG). Der BFH hat mit seinem Urteil entschieden, dass diese Anwendungsregelung auch für Kindergeldfestsetzungen gilt.

Im Streitfall lebt die Klägerin in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie wohnt gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern, ihrer eingetragenen Lebenspartnerin sowie mit deren beiden minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Für ihre Kinder erhält sie Kindergeld. Darüber hinaus begehrte sie für den Zeitraum ab Dezember 2009 vergeblich Kindergeld für die in dem gemeinsamen Haushalt versorgten Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Nach seiner Meinung ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzungen die Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen auch insoweit geboten, als Kindergeldfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom 15.07.2013 eine Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern für das gesamte EStG und mithin auch für das in dem X. Abschnitt des EStG geregelten Kindergeldrecht bezweckt.

BFH, Pressemitteilung Nr. 73/13 vom 23.10.2013 zum Urteil VI R 76/12 vom 08.08.2013

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 8.8.2013, VI R 76/12

Kindergeld für das Kind der Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

Leitsätze

1. Ein Kindergeldanspruch wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 gewährt, wenn ein eingetragener Lebenspartner in seinen Haushalt die Kinder seines eingetragenen Lebenspartners aufnimmt.

 

2. Die in § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 bestimmte Gleichstellung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen ist in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. § 52 Abs. 2a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 gilt insoweit entsprechend.

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob zugunsten eines eingetragenen Lebenspartners ein Kindergeldanspruch besteht, wenn dieser in seinen Haushalt die Kinder seines eingetragenen Lebenspartners aufnimmt.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie wohnt gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern, ihrer eingetragenen Lebenspartnerin sowie mit deren beiden minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Für ihre Kinder erhält sie Kindergeld. Darüber hinaus begehrte sie für den Zeitraum ab Dezember 2009 vergeblich Kindergeld für die in dem gemeinsamen Haushalt versorgten Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ihrer Auffassung nach verstoße es gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, dass nach dieser Vorschrift ein Kindergeldanspruch nur bei der Haushaltsaufnahme von Kindern des Ehegatten, nicht jedoch bei der Aufnahme von Kindern eines eingetragenen Lebenspartners bestehe.
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Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 306 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Verfassungs- und Gemeinschaftsrechts.
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Sie beantragt,

das Urteil des FG, den Ablehnungsbescheid vom 18. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) zu verpflichten, zugunsten der Klägerin ab Dezember 2009 zusätzlich Kindergeld für die beiden Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin festzusetzen.

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Die Familienkasse beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Entscheidung des FG wird aufgrund geänderter Rechtslage ein Kindergeldanspruch zugunsten eines eingetragenen Lebenspartners gewährt, wenn dieser in seinen Haushalt die Kinder seines eingetragenen Lebenspartners aufnimmt.
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1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht ein Kindergeldanspruch für die vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten.
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a) Dies gilt nunmehr auch für die Aufnahme von Kindern eines eingetragenen Lebenspartners. Denn gemäß § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 (Gesetz vom 15. Juli 2013 –BGBl I 2013, 2397–) sind die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden.
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b) Die in § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 bestimmte Gleichstellung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen ist in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
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§ 52 Abs. 2a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 bestimmt zwar, dass § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 nur bei noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen Anwendung finden soll. Diese Regelung gilt allerdings entsprechend für noch nicht bestandskräftige Kindergeldfestsetzungen. Dies ergibt sich zunächst aus § 31 Satz 3 EStG. Hiernach wird das Kindergeld als Steuervergütung gezahlt. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzungen ist folglich die Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen auch insoweit geboten, als Kindergeldfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 15. Juli 2013 eine Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern für das gesamte Einkommensteuergesetz und mithin auch für das in dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes geregelten Kindergeldrecht bezweckte (BTDrucks 17/13870, S. 6). Anhaltspunkte dafür, dass diese Gleichstellung nicht auch für noch nicht bestandskräftige Kindergeldfestsetzungen Gültigkeit haben soll, bestehen nicht.
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2. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin die beiden minderjährigen Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin, für die sie Kindergeld beantragt hat, in ihren Haushalt aufgenommen. Der begehrte Kindergeldanspruch steht ihr daher nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 32 Abs. 3 EStG i.V.m. § 2 Abs. 8 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 sowie entsprechend § 52 Abs. 2a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 15. Juli 2013 zu.