Klimaschutz per Kfz-Steuer umstritten

Viel grundsätzliche Kritik an der Kraftfahrzeugsteuer hat es in einer öffentlichen Anhörung zu deren geplanter Reform gegeben, die am 14. September 2020 im Finanzausschuss stattfand. Zur Begutachtung stand ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (19/20978) sowie ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/17794) mit dem Titel “Lenkungswirkung zu emissionsarmen und emissionsfreien Autos entfalten – Kfz-Steuer schnellstmöglich reformieren”.

Die Regierung will mit der Novelle Beschlüsse aus ihrem Klimaschutzprogramm 2030 umsetzen. Um den Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht zu werden, will sie die Kohlendioxid-Emissionen im Verkehrssektor um mindestens 40 bis 42 Prozent verringern. Dabei sollten soziale Belange berücksichtigt, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleistet und bezahlbare Mobilität sichergestellt werden. Dazu soll zum einen die Befreiung von Elektrofahrzeugen von der Kraftfahrzeugsteuer verlängert werden. Zum anderen sollen Autos mit Verbrennungsmotor umso höher besteuert werden, je mehr Kohlendioxid sie ausstoßen, und zwar im Gegensatz zur geltenden Regelung progressiv, das heißt mit steigendem Ausstoß des Klimagases überproportional stark. Die Grünen wollen in ihrem Antrag eine noch stärkere Ausrichtung der Kfz-Steuersätze auf die CO2-Prüfwerte. Außerdem wollen sie die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge als Gutschrift in die Kfz-Steuer integrieren.

In der Anhörung waren sich die Gutachter im Grundsatz einig, dass die Reform der Kraftfahrzeugsteuer nur einen geringen Beitrag zum Ziel eines klimaschonenden Verkehrs leisten kann. Am deutlichsten wurde der Finanzwissenschaftler Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau. Er sprach von dem Versuch, „Klimapolitik zu betreiben mit einer Steuer, die dafür grundsätzlich nicht geeignet ist“. Denn nicht der Besitz, sondern die Nutzung des Fahrzeugs entscheide, wie viel Kohlendioxid es ausstößt. Auf die Entscheidung, welches Auto jemand anschafft, habe die Kfz-Steuer dagegen kaum Einfluss, „es sei denn, sie ist so hoch, dass sie einem Verbot gleichkäme“. Eine wirkliche Klimawirkung könne nur über die Energiesteuer oder die Einbeziehung des Verkehrs in den Zertifikatehandel mit Verschmutzungsrechten erzielt werden, befand Söllner.

Sein Kollege Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg stimmte dem zwar im Grundsatz zu, aber nicht in der Unbedingtheit. Diverse Studien zeigten, dass bei den Überlegungen der Käufer die Haltungskosten und damit auch die darin enthaltene Kfz-Steuer durchaus eine Rolle spielten. Auch dürfe man diese nicht isoliert betrachten, da ihre Reform nur eine Komponente im umfangreichen Klimapaket der Bundesregierung darstelle. Der Gesetzentwurf leiste „im Rahmen der KfZ-Steuer das, was er leisten kann“, urteilte Hechtner.

Isabel Klocke, Leiterin Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler, sprach sich grundsätzlich für die Abschaffung der Kfz-Steuer und stattdessen eine stärkere Nutzung der Energiesteuer zur Förderung des Klimaschutzes aus. Sie erinnerte daran, dass die Kfz-Steuer historisch als Luxussteuer eingeführt worden sei und erst später umweltpolitische Lenkungsfunktionen dazugekommen seien. Heute sei ihre Zielrichtung vergleichbar mit der Energiesteuer, weshalb die Reduzierung auf ein System sinnvoll sei, auch zur Verwaltungsvereinfachung.

Den Verwaltungsaufwand verdeutlichte Thomas Liebel, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ. Über 2.500 Arbeitskräfte seien beim Zoll zur Bearbeitung der Kraftfahrzeugsteuer erforderlich. Änderungen führten, vor allem wenn es dabei zu Fehlern komme, stets „zu einer Masse an Anfragen und Rechtsbehelfsverfahren“, die bearbeitet werden müssten. Ausdrücklich begrüßte Liebel, so wie auch andere Sachverständige, die geplante Aufhebung einer Sonderregelung für leichte Nutzfahrzeuge unter 3,5 Tonnen. Diese erfordere derzeit tausende Einzelfallprüfungen, ob das Fahrzeug tatsächlich zu Transportzwecken und nicht zur Personenbeförderung genutzt wird, was zu einer steuerlichen Einstufung als Pkw führt.

Im Großen und Ganzen positiv bewertete Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA), die geplante Reform. Vor dem Hintergrund, dass rund zwei Drittel der Neuwagenkäufe auf gewerbliche Flotten und Autovermieter entfallen, erwartet Scheel durchaus eine „deutliche Anreizwirkung“, klimaschonende Fahrzeuge zu kaufen. Denn in diesem Segment werde knapp kalkuliert. Stefan Gerwens, Leiter Verkehr beim ADAC, ergänzte, dass die Höhe der Kfz-Steuer auch Einfluss auf den Restwert eines Fahrzeugs beim Verkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt habe. Bei durchschnittlich 19 Jahren Haltedauer könnten je nach Modell erhebliche Beträge zusammenkommen. Gerwens wie auch Scheel und andere Sachverständige stellten allerdings die nach wie vor vorgesehene Hubraumkomponente bei der Festsetzung der Steuer in Frage. Dieses ursprünglich einzige Kriterium habe keine Lenkungswirkung mehr.

Für den Vorschlag im Antrag der Grünen, anstelle der jetzigen Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ein Bonus-Malus-System in die Kfz-Steuer zu integrieren, sprach sich Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, aus. Danach soll es bereits beim Autokauf eine Gutschrift für besonders klimaschonende Modelle geben, für „Spritschlucker“ dagegen einen kräftigen Zuschlag. Die aktuell geplante Reform schaffe keine wirklichen Anreize, da die Spreizung der Steuersätze zwischen umweltfreundlichen und umweltschädlichen Modelle zu gering sei. Ein Bonus-Malus-System könne zudem die Ressourcen berücksichtigen, die bereits zur Produktion des Fahrzeugs verbraucht werden.

Ähnlich argumentierte Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, der die geplante Reform „sehr ambitionslos“ nannte. Mit ihr ändere sich für die meisten Autokäufer wenig, erst ab einem Ausstoß von 195 Gramm CO2 pro Kilometer steige die Steuer stärker. Einige europäische Länder hätten bereits mit einer Bonus-Malus-Regelung gute Erfahrungen gemacht. Sie sei sozial gerecht und klimapolitisch wirksam.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 14.09.2020