Lohnsteuerliche Sachbezüge ab 2020: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Der Bundesrat hat am 29.11.2019 dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (gemeinhin „JStG 2019“) zugestimmt. Das Gesetz enthält neben zahlreichen weiteren Regelungen eine wichtige Änderung bei der Abgrenzung von Bar- und Sachlohn. Steuerliche Berater und Arbeitgeber sollten diese unbedingt im Blick haben.

Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zur Abgrenzung von Bar- und Sachlohn geändert bzw. fortentwickelt hat. Bestimmte Sachbezüge wie aufladbare Geldkarten erfüllten demnach nicht länger die Kriterien eines Sachbezugs. Da dies für Rechtsunsicherheit sorge, war im Referentenentwurf zum JStG 2019 vom 08.05.2019 eine Änderung der Abgrenzung von Bar- und Sachlohn enthalten, die Geldkarten und weitere Arbeitgeberleistungen eindeutig als Barlohn definierten.

Wohl auch bedingt durch die Kritik der Verbände, Medien und einzelner Länder war die Regelung im Regierungsentwurf vom 09.08.2019 überraschend nicht mehr enthalten – nur um dann in geänderter Form im Rahmen eines Antrags der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD kurz vor Abschluss der Erörterungen erneut einen Platz im JStG 2019 zu finden.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) erklärt, was ab 2020 zu beachten ist.

Geänderte Sachbezugsdefinition

Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung ist bislang ein Sachbezug regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen kann. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber erhalte oder ob der Arbeitnehmer die Sache von einem Dritten auf Kosten des Arbeitgebers beziehe (vgl. etwa BFH vom 04.07.2018, VI R 16/17, BStBl II 2019, S. 373 ). Zudem darf nach dem BFH keine Barauszahlung möglich sein.

Künftig dürfte die Abgrenzung zwischen Bar- und Sachlohn – insbesondere bei Gutscheinen und Geldkarten – indes etwas komplizierter werden. Denn § 8 EStG wird wie folgt geändert (vgl. BR-Drs. 552/19, S. 10 ):

Dem Absatz 1 werden die folgenden Sätze angefügt: „Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen.“

Ferner wird für Gutscheine und Geldkarten gesetzlich ein Zusätzlichkeitserfordernis festgeschrieben. Dem § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG werden hierfür folgende Wörter angefügt: „(…) die nach Absatz 1 Satz 3 nicht zu den Einnahmen in Geld gehörenden Gutscheine und Geldkarten bleiben nur dann außer Ansatz, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.“

Konsequenzen für die Praxis

Gemäß der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/14909, S. 44 ) sollen durch die Änderung insbesondere bestimmte Open-Loop-Geldkarten nicht länger als Sachbezug gelten. Open-Loop-Geldkarten funktionieren ähnlich wie Kreditkarten und können an zahlreichen Akzeptanzstellen zur Zahlung genutzt werden. Unberührt von der Änderung sollen nach der Gesetzesbegründung hingegen sog. Closed-Loop- (nur beim Aussteller der Karte einlösbar) sowie sog. Controlled-Loop-Karten (Centergutscheine, „City-Cards“) sein.

Durch den Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) könnten jedoch auch andere – bislang als Sachbezug geltende – Leistungen des Arbeitgebers ihre Sachbezugseigenschaft ab 01.01.2020 verlieren. Sie wären dann als steuer- und sozialversicherungspflichtiger Barlohn zu behandeln.

Der DStV empfiehlt daher: Die Sachbezugseigenschaft von durch den Arbeitgeber gewährten Leistungen – insbesondere Geldkarten und Gutscheine – sollte mit Blick auf die Gesetzesänderung sorgfältig überprüft werden. Für eine erste Einordnung, ob die Kriterien des ZAG erfüllt sind und insoweit ein Sachbezug vorliegt, bietet sich das Merkblatt zum ZAG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an. Ferner ist das Zusätzlichkeitserfordernis zu beachten.

Kritik an der Gesetzesänderung

Die in der Gesetzesbegründung angeführte geänderte bzw. fortentwickelte Rechtsprechung des BFH kann der DStV nicht erkennen. Dies hat er bereits in seiner Stellungnahme S 09/19 zu dem Referentenentwurf deutlich zum Ausdruck gebracht. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass hier eine unliebsame Rechtsprechung des BFH überschrieben werden soll.

Die Regelung schafft zudem nicht – wie in der Gesetzesbegründung behauptet – mehr Rechtssicherheit. Das Gegenteil ist der Fall. Die Frage, ob Bar- oder Sachlohn vorliegt, dürfte in der Praxis nunmehr schwieriger zu beantworten sein als zuvor. In der öffentlichen Anhörung des Bundestages zu dem Gesetzentwurf hat sich der DStV vergeblich für eine rechtssichere, an der BFH-Rechtsprechung orientierte und praktikable Lösung eingesetzt.

Bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung der Gesetzesänderung schnell ein klarstellendes und nicht zu restriktives Anwendungsschreiben folgen lässt.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 02.12.2019