Nachfolgeplanung mit Minderjährigen: Wann ist ein Ergänzungspfleger erforderlich? – Neue Klarheit durch den BGH

Vermögensübertragungen auf Kinder und Enkel sind ein beliebtes Gestaltungsinstrument der Nachfolgeplanung – besonders mit Blick auf schenkungsteuerliche Freibeträge. Doch wenn die Empfänger noch minderjährig sind, stellen sich oft schwierige rechtliche Fragen. Vor allem: Wann muss ein Ergänzungspfleger eingeschaltet werden? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu 2024 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen – und für mehr Rechtssicherheit gesorgt.


👩‍⚖️ Was ist ein Ergänzungspfleger?

Ein Ergänzungspfleger wird durch das Familiengericht bestellt, wenn die Eltern ein Rechtsgeschäft für ihr minderjähriges Kind nicht wirksam alleine vornehmen dürfen – insbesondere, wenn ein möglicher Interessenkonflikt vorliegt (§ 1909 BGB). Dies betrifft etwa Geschäfte, die nicht „nur rechtlich vorteilhaft“ sind oder eine Beteiligung am Rechtsverkehr mit persönlichen Pflichten beinhalten.


🏠 Grundstücksschenkung an Kinder: Wann braucht es einen Pfleger?

Der BGH hat nun in einem vielbeachteten Urteil klargestellt:

Kein Ergänzungspfleger erforderlich, wenn …

  • ein unbebautes oder bebautes Grundstück auf ein minderjähriges Kind übertragen wird,
  • dieses nicht vermietet oder verpachtet ist,
  • und keine weiteren Verpflichtungen (z. B. Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft) entstehen.

Selbst wenn das Grundstück mit einer Grundschuld belastet oder ein Nießbrauch vorbehalten ist, gilt der Erwerb nach dem BGH weiterhin als nur rechtlich vorteilhaft – solange der Nießbraucher sämtliche Kosten trägt.

Ergänzungspfleger erforderlich, wenn …

  • es sich um eine vermietete oder verpachtete Immobilie handelt,
  • das Kind eine Eigentumswohnung erhält (Mitgliedschaft in der WEG!),
  • besondere Lasten oder Haftungsrisiken bestehen (z. B. durch gemeinschaftliche Verpflichtungen).

⚖️ Besonders wichtig: Der Erwerb von Miteigentumsanteilen

Lange war umstritten, ob bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück ein Ergänzungspfleger notwendig ist. Einige Oberlandesgerichte bejahten das – mit Hinweis auf mögliche Gesamtschuldverhältnisse innerhalb der Miteigentümergemeinschaft.

Der BGH hat dem nun widersprochen: Die Übertragung eines Miteigentumsanteils sei wie der Erwerb von Alleineigentum zu behandeln – rechtlich vorteilhaft und ohne Pfleger möglich, solange keine konkrete Gefahr oder Verpflichtung besteht.


📌 Unser Praxistipp

Wenn Sie Immobilien bereits zu Lebzeiten auf Ihre Kinder oder Enkelkinder übertragen möchten, achten Sie auf diese Punkte:

  • Wählen Sie nicht vermietete oder verpachtete Grundstücke,
  • behalten Sie sich bei Bedarf einen Nießbrauch vor,
  • vermeiden Sie vorerst die Schenkung von Eigentumswohnungen,
  • lassen Sie bei Unsicherheiten frühzeitig prüfen, ob ein Ergänzungspfleger erforderlich ist.

💡 Gut zu wissen: Ein ohne Zustimmung des Ergänzungspflegers durchgeführtes Geschäft ist schwebend unwirksam. Lehnt der nachträglich bestellte Pfleger die Genehmigung ab, ist das Geschäft endgültig hinfällig.


✅ Fazit: BGH schafft Rechtssicherheit für die Nachfolgeplanung

Mit der neuen Entscheidung bietet der BGH mehr Klarheit für Eltern, Großeltern und Berater: Nicht jede Übertragung auf Minderjährige erfordert einen Ergänzungspfleger. Entscheidend ist der rechtliche Vorteil des Kindes und das Fehlen konkreter Pflichten. Wer bei der Gestaltung frühzeitig mit dem Steuer- und Rechtsberater spricht, nutzt Freibeträge optimal – ohne Risiken bei der Wirksamkeit der Schenkung.


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Quelle:
BGH, Beschluss vom 19.07.2023 – XII ZB 447/22
KG Berlin, Beschluss vom 13.04.2022 – 1 W 10/22
OLG München, Beschluss vom 24.01.2022 – 34 Wx 336/21