Nachweis der Bekanntgabe bei Rechtsnachfolge

FG Münster, Mitteilung vom 17.06.2024 zum Urteil 4 K 870/21 E vom 19.04.2024 (nrkr – BFH-Az.: VI R 16/24)

Mit Urteil vom 19. April 2024 (Az. 4 K 870/21 E) hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass bei Bestreiten des Zugangs eines Steuerbescheids an den Rechtsvorgänger durch den Rechtsnachfolger keine übermäßig hohen Anforderungen an die darzulegenden Zweifel zu stellen sind.

Die Klägerin, eine Stiftung und Gesamtrechtsnachfolgerin der im Februar 2020 verstorbenen Steuerpflichtigen, beanstandete den Zugang eines Einkommensteuerbescheids für 2016, der am 23. Oktober 2017 abgesandt wurde. Der entsprechende Erstattungsbetrag von 178,62 Euro wurde überwiesen, jedoch fand sich der Steuerbescheid nach dem Tod der Steuerpflichtigen nicht unter den hinterlassenen Unterlagen.

Mitarbeiter der Testamentsvollstreckerin entdeckten im Haushalt der Verstorbenen sämtliche Steuerunterlagen, darunter die Steuerbescheide für 2017 und 2018, nicht jedoch den Bescheid für 2016. Eine Berechnung des Steuerberaters wies zudem auf eine erwartete Erstattung von 281,67 Euro hin.

Nach einer Nachfrage übermittelte das Finanzamt eine Abschrift des Bescheids an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin steuermindernde Kosten in Höhe von 200.000 Euro geltend und argumentierte, der Bescheid sei nie bekannt gegeben worden. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig unter Berufung auf die gesetzliche Zugangsfiktion.

Das Finanzgericht Münster gab der Klage in vollem Umfang statt. Es stellte fest, dass der Einkommensteuerbescheid für 2016 nicht als bekannt gegeben gelte. Die Behörde trägt den vollen Beweis für den Zugang eines Verwaltungsakts, wobei Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen indiziell gewürdigt werden können. Ein Rechtsnachfolger muss allerdings nicht nur mit Nichtwissen bestreiten, sondern begründete Zweifel am Zugang darlegen.

Im Streitfall sah das Gericht solche Zweifel als gegeben an. Die tatsächlich erfolgte Erstattung war deutlich niedriger als die berechnete Summe, was auf eine fehlende Bekanntgabe hinweist. Zudem hätte die Steuerpflichtige bei Bekanntgabe Kontakt zum Finanzamt oder Steuerberater aufgenommen. Die gut sortierten Unterlagen im Haushalt der Verstorbenen ohne den Bescheid für 2016, aber mit den Bescheiden für 2017 und 2018, verstärkten diese Zweifel. Auch aus der Überweisung des Erstattungsbetrags konnte keine sichere Überzeugung des Zugangs gewonnen werden, insbesondere unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Alters der Verstorbenen.

Die Revision wurde zugelassen und ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 16/24 anhängig.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter Juni 2024