Neues zum Differenzhaftungsanspruch bei der Aktiengesellschaft

Neues zum Differenzhaftungsanspruch bei der Aktiengesellschaft

Kernaussage

Mit der so genannten Differenzhaftung wird die im Gesellschaftsrecht angeordnete Haftung eines Gesellschafters auf die Differenz zwischen dem Wert seiner Sacheinlage und der zu erbringenden Stammeinlage bezeichnet. Auch im Aktienrecht gilt: Erreicht die Sacheinlage nicht den Wert des Ausgabebetrags, hat der Aktionär die Differenz in Geld zu leisten (Differenzhaftung). Dazu entschied der Bundesgerichtshof kürzlich, dass ein Vergleich über den Differenzanspruch grundsätzlich zulässig ist und nicht der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Bei Aufrechnung der (Differenz-)Einlageforderung muss die Gegenforderung des Aktionärs vollwertig, fällig und liquide sein.

Sachverhalt

Im Jahr 1999 hatte die Babcock AG (Schuldnerin) eine Sachkapitalerhöhung durchgeführt. Die damalige Preussag AG (heute TUI und Beklagte) übernahm die Aktien gegen Einbringung von Geschäftsanteilen zweier Tochtergesellschaften sowie Aktien an der Preussag Werft (HDW). Die Schuldnerin verpflichtete sich zudem, später weitere Aktien an der HDW zu kaufen. Die Schuldnerin konnte dieser Kaufverpflichtung nicht nachkommen, weil in den eingebrachten Tochtergesellschaften Verluste aufgelaufen waren. In einer Vereinbarung von 2000 verpflichtete sich die Beklagte, der Schuldnerin einen Ertragszuschuss zum Erwerb der HDW Aktien von rund 170 Mio. EUR zu gewähren. Die Schuldnerin erklärte, aus dem Transaktionsvertrag von 1999 keine Ansprüche mehr geltend zu machen. In einer weiteren Vereinbarung sollte die Zahlungsverpflichtung durch Verrechnung mit dem Ertragszuschuss als erfüllt anzusehen sein. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Babcock AG. Er nimmt die Beklagte auf Differenzhaftung in Höhe von 170 Mio. EUR in Anspruch. Die hiergegen gerichtete Klage wurde von den Unterinstanzen abgewiesen. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Entscheidung

Sofern die eingebrachten Anteile und Aktien nicht den Wert der Sacheinlage erreichen, können die Aktiengesellschaft und der Aktionär ohne Zustimmung der Hauptversammlung einen Vergleich über diesen Differenzhaftungsanspruch schließen. Der Vergleich ist zulässig, wenn eine tatsächliche oder rechtliche Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs besteht. Zu beachten ist aber die Fortwirkung der Verpflichtung zur Leistung der Einlage und das aktienrechtliche Verbot der Aufrechnung gegen die Einlageforderung. Nur wenn die Gegenforderung des Aktionärs vollwertig, fällig und liquide ist, kann wirksam aufgerechnet werden. Das hat das Berufungsgericht noch zu prüfen.

Konsequenz

Bislang war umstritten, ob sich Aktionär und Gesellschaft überhaupt bei Differenzhaftungsansprüchen vergleichen dürfen. Nach dieser Entscheidung dürfte sich die Sachkapitalerhöhung als Alternative zur Barleistung anbieten, so dass sich die Chancen für Unternehmenssanierungen erhöht haben.