Sozialversicherungswerte 2014 sind amtlich

Sozialversicherungswerte 2014 sind amtlich

Gesetzgebungsverfahren

Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 29.11.2013 seine Zustimmung zum Referentenentwurf der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2014 der amtierenden Bundesregierung erteilt. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt steht noch aus.

Steigende Beitragsbemessungsgrenzen

Die bundesweit geltenden Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Pflegeversicherung werden ab 1.1.2014 von zur Zeit 3.937,50 EUR pro Monat auf 4.050 EUR pro Monat (48.600 EUR jährlich) erhöht. Die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung werden im Westen auf 5.950 EUR/ Monat (71.400 EUR/Jahr) erhöht, in den neuen Bundesländern gilt 2014 die Beitragsbemessungsgrenze Ost von 5.000 EUR/ Monat (60.000 EUR/Jahr). Besondere Beitragsbemessungsgrenzen gelten in der Knappschaftlichen Rentenversicherung. In dieser werden folgende neue Beträge für die Beitragsbemessungsgrenzen gelten: 7.300 EUR/Monat (87.600 EUR/Jahr) (West) und 6.150 EUR/ Monat (73.800 EUR/Jahr) (Ost).

Anhebung der Versicherungspflichtgrenze

Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung wird bundeseinheitlich festgesetzt und erhöht sich; im Jahr 2014 beträgt sie 53.550 EUR/ Jahr (2013: 52.200 EUR). Die Jahresarbeitsentgeltgrenze für Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2013 versicherungsfrei waren, wird für das Jahr 2014 48.600 EUR betragen (2013: 47.250 EUR). Die bundeseinheitliche Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht der Jahresarbeitsentgeltgrenze (48.600 EUR/Jahr).

Neue Bezugsgröße in der Sozialversicherung

Die Bezugsgröße 2014 in der Sozialversicherung beträgt in den alten Bundesländern 2.756 EUR/ Monat; in den neuen Bundesländern 2.345 EUR/ Monat. Sie ist sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Grundlage der Beitragsberechnung.

Rechte und Pflichten bei Steuerprüfung – Anpassung Merkblatt

Rechte und Pflichten bei Steuerprüfung – Anpassung Merkblatt

Kernaussage

Mit Schreiben vom 13.11.2013 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ein neues Merkblatt über die Rechte und Pflichten von Steuerpflichtigen bei Prüfungen durch die Steuerfahndung veröffentlicht. Das neue Merkblatt ersetzt das alte BMF-Schreiben aus dem Jahr 1979.

Inhalt

Das Merkblatt ist inhaltlich kaum verändert worden. Der Steuerpflichtige ist nach wie vor zur Mitwirkung bei der Ermittlung seiner steuerlichen Verhältnisse verpflichtet und muss die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen. Diese Mitwirkung kann grundsätzlich, z. B. durch Festsetzung eines Zwangsgeldes erzwungen werden. Zwangsmittel sind dann nicht zulässig, wenn der Steuerpflichtige dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Das gilt stets, soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat bereits ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist. Soweit der Steuerpflichtige nicht mitwirkt, können daraus im Besteuerungsverfahren für ihn nachteilige Folgerungen gezogen und die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Ergibt sich während der Ermittlung der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, wird ihm unverzüglich die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt. In diesem Falle wird der Steuerpflichtige noch gesondert über seine strafprozessualen Rechte belehrt. Im Strafverfahren haben die Steuerfahndung und ihre Beamten polizeiliche Befugnisse. Sie können Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) anordnen und sind berechtigt, die Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen durchzusehen.

Neuerungen

Neu ist allein die Klarstellung, dass der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und anderen Urkunden nunmehr nicht nur „zur Einsicht und Prüfung vorzulegen“ hat, sondern auch „die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen“ geben muss. Ferner kann bei Unterlagen, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, Einsicht in die gespeicherten Daten genommen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen genutzt werden. Zudem kann verlangt werden, dass die Daten nach Vorgabe der Finanzbehörde maschinell ausgewertet oder die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Außerdem finden sich mehr Verweise auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen.

Kapitalabfindungen von Versorgungswerken sind steuerpflichtig

Kapitalabfindungen von Versorgungswerken sind steuerpflichtig

Kernaussage

Die Besteuerung von Kapitalabfindungen, die ein Versicherter von seinem berufsständischen Versorgungswerk erhält und die ihm ab dem 1.1.2005 zugeflossen sind, ist verfassungsgemäß.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im März 2009 eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe von 350.00 EUR von seinem Versorgungswerk erhalten. Die Abfindung wurde vom Finanzamt mit einem Besteuerungsanteil von 58 % besteuert. Der Kläger vertrat die Auffassung, die Abfindung sei nicht steuerbar. Seine Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieb erfolglos. Daraufhin legte er Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Der BFH teilt die Auffassung des FG, dass die vom Kläger bezogene Kapitalzahlung in Höhe von 350.000 EUR mit einem Besteuerungsanteil von 58 % zu besteuern ist. Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte sei auch auf einmalige Zahlungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2004 zugeflossen sind. Die Norm im Einkommensteuergesetzes (EStG) sei dahin auszulegen, dass eine Besteuerung als ‹andere Leistung› keine wiederkehrenden Bezüge voraussetze. Eine Steuerpflicht entspreche vielmehr dem Sinn und Zweck der Neuregelung mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung. Die Norm sei auch verfassungskonform. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Rückwirkungsverbot vor. Auch gegen das Verbot der Doppelbesteuerung werde nicht verstoßen. Der BFH hat aber für die Abfindung die so genannte Fünftelregelung im EStG für außerordentliche Einkünfte angewendet, da in der Abfindung eine atypische Zusammenballung von Einkünften vorliege. Hintergrund ist, dass für den Bereich der Basisversorgung lediglich Rentenzahlungen typisch sind und die Versorgungswerke nur dann Abfindungen zahlen dürfen, die auf vor 2005 bezahlten Beträgen beruhen.

Konsequenz

Auch Kapitalabfindungen, die ein Versicherter von seinem berufsständischen Versorgungswerk erhält, sind steuerpflichtig, wenn sie dem Steuerpflichtigen ab dem 1.1.2005 zugeflossen sind.

Zur 1 %-Regelung bei Überlassung mehrerer Autos

Zur 1 %-Regelung bei Überlassung mehrerer Autos

Kernproblem

Bei der Nutzung eines Dienstwagens muss zwischen der steuerlichen Behandlung bei Arbeitnehmern und den Unternehmern strikt unterschieden werden. Nach aktueller Rechtsprechung hat der Unternehmer die Möglichkeit, die Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch im Status und Gebrauchswert gleichwertige Fahrzeuge des Privatvermögens zu widerlegen. Der Arbeitnehmer soll dagegen allein durch die „Zurverfügungstellung“ einen geldwerten Vorteil erlangen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem weiteren Verfahren bestätigt. Dafür genießt der Arbeitgeber Vertrauensschutz, wenn ihn das Finanzamt trotz vorher erlassener Billigkeitsregelungen in Haftung nehmen möchte.

Sachverhalt

Bei der Lohnsteuer-Außenprüfung einer Gebäudereinigungs-GmbH wurde festgestellt, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Limousine und ein Geländewagen X5 zur uneingeschränkten Nutzung überlassen wurden. Lohnsteuer wurde nur für die Limousine abgeführt. Dabei berief sich die GmbH auf eine Billigkeitsregelung der Verwaltung, nach der der Listenpreis des überwiegend genutzten Kfz zugrunde gelegt werden kann, wenn die Nutzung der Fahrzeuge durch andere zur Privatsphäre gehörende Personen des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden kann. Weil die Ehefrau des Geschäftsführers einen privaten Geländewagen X3 fuhr, sah die GmbH von einem weiteren PKW-Sachbezug ab. Der Prüfer dagegen erfasste wegen der unterschiedlichen Nutzungseigenschaften der Fahrzeuge einen weiteren Sachbezug, woraufhin das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen die GmbH erließ. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab.

Entscheidung

Der BFH hielt an seiner Rechtsprechung fest: Danach führt die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Denn der Vorteil umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten und fließt dem Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens zu. Eine einschränkende Auslegung kommt nicht in Betracht, denn schließlich hat es der Arbeitnehmer selbst in der Hand, ein Fahrtenbuch zu führen oder eine abweichende arbeitsvertragliche Regelung zu treffen. Dagegen ist die Haftung des Arbeitgebers ermessensfehlerhaft, wenn er die Lohnsteuer aufgrund der Billigkeitsregelung der Finanzbehörden materiell unzutreffend einbehält. Der BFH wies den Fall an das Finanzgericht zurück; die dortigen Richter haben nun noch zu klären, ob nicht auch eine verdeckte Gewinnausschüttung, z. B. wegen des Fehlens einer fremdüblichen Vereinbarung, vorliegt.

Konsequenz

Es bleibt die Frage offen, ob sich das Finanzamt nicht auch im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers an seine Billigkeitsregelung gebunden fühlen muss. Bis es dazu Verlautbarungen der Verwaltung gibt, können Streitfälle offen gehalten werden.

Steuerbefreiung für die Pflege des Erblassers?

Steuerbefreiung für die Pflege des Erblassers?

Kernfrage

Zugunsten von Menschen, die einen anderen unentgeltlich oder gegen zu geringes Entgelt gepflegt haben, besteht bei einem Erwerb von Todes wegen von der gepflegten Person ein sachlicher Erbschaftsteuer-Freibetrag von bis zu 20.000 EUR. Dabei handelt es sich nicht um einen Pauschalbetrag; vielmehr ist der Wert der erbrachten Leistungen, der gegebenenfalls gesondert festzustellen ist, bis zu einem Betrag von 20.000 EUR sachlich erbschaftsteuerbefreit. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr über die Voraussetzungen der Gewährung dieses Freibetrages zu befinden; insbesondere darüber, ob dessen Gewährung von der Feststellung einer Pflegestufe im Sinne der sozialrechtlichen Bestimmungen abhängig ist.

Sachverhalt

Der Kläger hatte eine ältere Dame über Jahre unentgeltlich gepflegt und von ihr 2 Eigentumswohnungen vermacht erhalten. Diese Eigentumswohnungen wurden mit einem Abschlag von 10 % für Mietwohnobjekt zur Erbschaftsteuer veranlagt. Dabei wollte das Finanzamt im Hinblick auf die Erbschaftsteuerbefreiung von Pflegeleistungen allerdings nur den (kurzen) Zeitraum anerkennen, in dem die ältere Dame zuletzt in die Pflegestufen des Sozialrechts eingestuft war, und außerdem wegen der ermäßigten Veranlagung der Eigentumswohnungen einen 10 %igen Abschlag vornehmen. Hiergegen klagte der Kläger und erhielt zuletzt vom BFH Recht.

Entscheidung

Dieser urteilte, dass es für die Gewährung des Pflegefreibetrages im Rahmen der Erbschaftsteuer gerade nicht auf die Einordnungen der gepflegten Person in die gesetzliche Pflegestufensystematik ankomme. Pflege im Sinn der Erbschaftsteuer sei bereits die dauerhafte und regelmäßige Fürsorge für das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden einer pflegebedürftigen Person. Darüber hinaus komme auch keine anteilige Kürzung des Freibetrages wegen eines gewährten Bewertungsprivilegs in Betracht. Eine entsprechende gesetzliche Regelung, wie sie für Verbindlichkeiten bestehe, existiere nicht.

Konsequenz

Die Entscheidung wirkt zugunsten des Steuerpflichtigen. Die Inanspruchnahme des Pflegefreibetrages im Rahmen der Erbschaftsteuer dürfte erleichtert werden. Allerdings wird es entscheidend auf die Bewertung der Pflegeleistungen und deren Nachweis ankommen.

Wann darf das Finanzamt mit Forderungen des Steuerpflichtigen aufrechnen?

Wann darf das Finanzamt mit Forderungen des Steuerpflichtigen aufrechnen?

Kernaussage

Das Finanzamt darf nicht pfänden, wenn es auch aufrechnen könnte. Für eine Aufrechnung ist dabei ausreichend, wenn die Hauptforderung erfüllbar ist; sie muss nicht fällig sein.

Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt ein Handelsunternehmen und hat aufgrund von Überschüssen in der Umsatzsteuer ein Vorsteuerguthaben. Der Steueranmeldung dieses Vorsteuerguthabens hat das Finanzamt noch nicht zugestimmt. Parallel pfändete das Finanzamt wegen eines anderen Anspruchs das Konto der Antragstellerin bei einer Bank. Laut Ansicht des Finanzamts scheitere eine Aufrechnung, da der Anspruch aus dem Vorsteuerguthaben (Hauptforderung) noch nicht fällig sei. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Aussetzungsantrag der Antragstellerin statt. Damit wird bis zur Entscheidung über den Einspruch die Pfändung aufgehoben. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist hier erforderlich, da der bloße Einspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet und daher ohne den Aussetzungsantrag sofort vollzogen, sprich gepfändet, werden kann. Zur Begründung führt das Finanzgericht an, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungsverfügung vorliegen. Vor Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme muss das Finanzamt ohne Ermessenfehler über deren Einleitung entscheiden. Ein Ermessensfehler liegt aber vor, wenn der Anspruch bereits im Erhebungsverfahren verwirklicht werden kann (Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs). Hier hätte mit dem Anspruch aus dem Vorsteuerguthaben (Hauptforderung) der Antragstellering aufgerechnet werden können, da dafür nicht die Fälligkeit der Hauptforderung erforderlich ist. Vielmehr reicht es aus, wenn die Hauptforderung erfüllbar ist. Daher hätte ein milderes Mittel zur Forderungsdurchsetzung als die Pfändung, nämlich die Aufrechnung, bestanden.

Konsequenz

Das Finanzamt muss vor einer Vollstreckung mildere Mittel – wie eine Aufrechnung – ausschöpfen. Daher sind die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung exakt zu prüfen. Die Besonderheit, dass hier zur Festsetzung des Vorsteuerguthabens noch die Zustimmung des Finanzamts (§ 168 AO) erforderlich war, schadet im Rahmen der Aufrechnung nicht.

Keine Verzinsung der Wegzugsteuer

Keine Verzinsung der Wegzugsteuer

Kernaussage

Das Ziel der so genannten „Wegzugsbesteuerung“ besteht darin, sicherzustellen, dass die im Inland gelegten stillen Reserven auch im Inland steuerlich erfasst werden. Dazu werden in der Regel bei einem Wohnsitzwechsel in ein anderes Land die stillen Reserven erfasst und besteuert. Es wird also ein fiktiver Veräußerungsvorgang angenommen. Die deutsche Wegzugsbesteuerung ist in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt. Sofern eine natürliche Person, die insgesamt mindestens 10 Jahre in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hat, ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt, werden die stillen Reserven in sämtlichen Anteilen (bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2006 inländische Anteile) an Kapitalgesellschaften, an denen der Steuerpflichtige in den vergangenen 5 Jahren zu mindestens 1 % beteiligt war bzw. ist (s. § 17 EStG) besteuert, soweit er im Zeitpunkt des Wegzuges noch Anteile hält. Da kein Verkauf stattgefunden hat, gilt als Veräußerungspreis der gemeine Wert (in etwa der Marktwert) der Anteile zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht Düsseldorf kürzlich entschieden, dass die Wegzugsteuer nicht der Vollverzinsung unterliegt.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute, die nach mehr als 10-jähriger unbeschränkter Steuerpflicht ihren Wohnsitz von Deutschland nach Österreich verlagerten. Die zum Zeitpunkt des Wegzugs vorhandenen Anteile an Kapitalgesellschaften waren im Zusammenhang mit der Wohnsitzverlegung steuerlich nach § 6 AStG zu erfassen. Da die Kläger innerhalb der EU verzogen sind, war die zu erhebende Steuer aber zinslos zu stunden (§ 6 Abs. 5 AStG). Die Festsetzung der Steuer nach § 6 AStG erfolgte mit einer zeitlichen Verzögerung von mehr als 4 Jahren und führte nach Auffassung des Finanzamtes zu einer Vollverzinsung ab dem 15 Monat (§ 233a AO).

Entscheidung

Das Finanzgericht Düsseldorf entschied, dass eine Vollverzinsung nicht zulässig ist, weil sie den Kläger in seinen aus dem EU-Vertrag ableitbaren Grundrechten verletzt. Dabei bezieht sich das Gericht auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), in der entschieden worden war, dass die Wegzugsbesteuerung des AStG so auszugestalten ist, dass sie zwar eine Festsetzung der Steuer ermöglicht, die Erhebung aber grundsätzlich so lange ausschließt, bis der Steuerpflichtige einen tatsächlichen Veräußerungsgewinn erzielt. In diesem Zusammenhang führt bereits eine Verzinsung des Steueranspruchs zu einer Benachteiligung, die vom EuGH nicht toleriert wird.

Konsequenz

Neben diesem grundsätzlichen Hinderungsgrund für eine Erhebung von Zinsen stützt das FG Düsseldorf seine Entscheidung noch auf die folgenden Argumente: Die Festsetzung der Steuer nach § 6 AStG ist nur im Hinblick auf die in Deutschland entstandenen stillen Reserven zulässig. Wenn gleichzeitig geregelt wird, dass diese Steuer zinslos zu stunden ist, kann es nicht zu einer Fälligkeit kommen, die eine Zinsbelastung auslösen könnte. Wenn die Steuer zwar festgesetzt aber nicht erhoben werden kann, kann es auch nicht zu dem von der Vollverzinsungsregelung beabsichtigten Nachteilsausgleich kommen. Insoweit reicht die Zielsetzung des § 6 Abs. 5 AStG über seinen Wortlaut hinaus. Er steht nach Auffassung des Gericht nicht nur einer zinsbewehrten Stundung, sondern auch einer Vollverzinsung entgegen.

Kosten eines verwaltungsgerichtlichen Streites absetzbar

Der 11. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem am 10.01.2014 veröffentlichten Urteil (vom 27. November 2013, 11 K 2519/12 E) entschieden, dass auch Aufwendungen für einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erfolgt und aus Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg bietet. Er hat damit die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu den Kosten eines Zivilverfahrens auf die Aufwendungen für ein Verwaltungsgerichtsverfahren übertragen.

Im Streitfall hatten sich die Kläger gegen eine ihrem Nachbarn erteilte Baugenehmigung gewendet, die sie für rechtswidrig hielten. Das Verwaltungsgericht teilte diese Auffassung, das Oberverwaltungsgericht war jedoch anderer Meinung. Das hiergegen vor dem Bundesverwaltungsgericht geführte Klageverfahren verloren die Kläger ebenfalls. Sie mussten daher sämtliche Verfahrenskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) in Höhe von rund 17.500 Euro tragen. Diese Aufwendungen machten sie als außergewöhnliche Belastungen in ihrer Einkommensteuererklärung 2010 geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab – zu Unrecht, wie der 11. Senat jetzt entschieden hat. Die Aufwendungen der Kläger für das verwaltungsgerichtliche Verfahren seien – so das Gericht – als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anzusehen. Dass die Kläger zur Durchsetzung ihrer Auffassung gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen hätten, sei nicht mutwillig gewesen. Ihre Klage habe – wie die erstinstanzliche Entscheidung zeige – auch Aussicht auf Erfolg gehabt.

Der 11. Senat hat zudem klargestellt, dass die im Jahr 2013 geschaffene gesetzliche Neuregelung des § 33 Abs. 2 EStG, nach der Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreites weitestgehend vom Abzug ausgeschlossen werden, im Streitfall keine Anwendung findet.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 10.01.2014 zum Urteil 11 K 2519/12 vom 27.11.2013

Finanzgericht Münster, 11 K 2519/12 E

Datum:
27.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2519/12 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2012 und Abänderung der bisherigen Festsetzung in dem Bescheid vom 16.12.2011 wird die Einkommensteuer für das Jahr 2010 auf … € festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

1G r ü n d e :

2Streitig ist, ob Aufwendungen für einen in letzter Instanz verlorenen Verwaltungsgerichtsprozess als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

3Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Ihre Wohnung befindet sich in C1., F.-Straße 01. Eigentümer des Grundstücks ist der Kl. Beide Kl. erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie der Kl. solche aus

4nichtselbständiger Arbeit und die Klin. solche aus Renten. Im Streitjahr 2010 hat der Gesamtbetrag der Einkünfte … € betragen. Mit Bescheid vom 16.12.2011 hat das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer (ESt) nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von … € unter Berücksichtigung einer Ermäßigung gem. § 35a EStG für Handwerkerleistungen in Höhe von … € nach dem Splitting-Tarif auf … € festgesetzt. Dabei wurden außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG in Höhe von … € unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von … € als mit … € abziehbar berücksichtigt.

5In ihrer Erklärung zur ESt hatten die Kl. weitere außergewöhnliche Belastungen aus folgendem Grund geltend gemacht:

6Auf dem angrenzenden Nachbargrundstück (F.-Straße 02) befindet sich ein metall-verarbeitender Betrieb. Nach dem Bebauungsplan sind dieses Grundstück sowie das der Kl. als Gewerbegebiet ausgewiesen. In der Vergangenheit war von dem vorherigen Betriebsinhaber eine betrieblich genutzte Halle ohne Baugenehmigung unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück des Kl. errichtet werden. Im Jahr 2001 wurden auf dem Nachbargrundstück Umbaumaßnahmen durchgeführt. Die Halle wurde mit Ausnahme der Mauer, die auf der Grundstücksgrenze stand, abgerissen. Die Mauer hatte nach den Angaben des Kl. deswegen stehen bleiben sollen, damit sich der Inhaber des Betriebes auf Bestandsschutz berufen konnte. Gegen das Bauvorhaben war der Kl. vorgegangen. Über das Verwaltungsgericht N. hatte er ein Urteil erstritten, mit dem die dem Vorhaben zu Grunde liegende Baugenehmigung erfolgreich angefochten wurde. Dieses Urteil war rechtskräftig geworden.

7In der Folgezeit wurden das Nachbargrundstück und der Betrieb auf einen nahen Angehörigen (Vater) übertragen. Die betriebliche Halle wurde weiter gebaut und war seit dem Jahr 2002 fertig. Zur Legalisierung hatte der nunmehrige Betriebsinhaber erneut einen Antrag auf Baugenehmigung gestellt. Diese war ihm auch von der Stadt C1. erteilt worden. Die dagegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht N. war zunächst in der ersten Instanz erfolgreich. Auf die Berufung der Stadt C1. hatte das Oberverwaltungsgericht N1. diese Entscheidung mit Urteil vom 15.05.2008 aufgehoben. Die daraufhin von dem Kl. eingelegte Revision ist von dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2010 zurückgewiesen worden. Dabei wurde der Kl. zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten verurteilt. Aus diesem Anlass waren im Streitjahr Rechtsanwaltskosten in Höhe von … € sowie Gerichtskosten in Höhe von … €, insgesamt Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von … €, angefallen. Nach Meinung der Kl. waren diese Aufwendungen ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG zu berücksichtigen. Sie beriefen sich hierbei auf die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015).

8Das FA lehnte dies in dem ESt-Bescheid vom 16.12.2011 ab. Unter anderem verwies es darauf, dass das genannte Urteil aufgrund eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen – BMF-Schreiben – vom 20.12.2011 IV C 4 – S 2284/07/0031: 002 – / – 2011/1025909 – (BStBl. I 2011, 1286) über den Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH komme es im Hinblick darauf, ob Gerichtskosten zwangsläufig angefallen seien, auf die wesentliche Ursache an, die zu den Aufwendungen geführt habe. Liege diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, komme ein Abzug nicht in Betracht. Ein Abzug sei außerdem bisher nur für den Fall von Aufwendungen für einen Zivilprozess in Betracht gekommen.

9Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kl. Klage erhoben. Sie machen geltend, dass die genannten Aufwendungen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Es komme nur darauf an, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe und nicht mutwillig erschienen sei. Auf eine Unterscheidung zwischen Zivilprozesskosten und Kosten in einer Verwaltungsstreitsache könne es nicht ankommen. Sie beziehe sich allein auf die Zuständigkeit der Gerichte und habe keinen Einfluss auf die grundsätzliche Bewertung einer Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit der damit verbundenen Verfahrenskosten. Sie, die Kl., hätten die Aufwendungen für die Rechtsverfolgung weder mutwillig veranlasst noch ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hierfür spreche bereits die Tatsache, dass sie in erster Instanz Recht erhalten hätten. Dem Verfahren in der Berufungsinstanz hätten sie sich nicht entziehen können. Die Kosten hinsichtlich der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht seien nicht anders einzuordnen, weil die Aussichten für einen aus ihrer Sicht positiven Ausgang des Verfahrens wegen des Erfolges in der ersten Instanz nicht als negativ einzuschätzen gewesen seien.

10Die Kl. beantragen,

11den ESt-Bescheid vom 16.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.07.2012 dahingehend zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von … € gem. § 33 EStG anzuerkennen sind,

12hilfsweise,

13die Revision zuzulassen.

14Das FA beantragt,

15die Klage abzuweisen.

16Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung macht es geltend, dass es wegen des Nichtanwendungserlasses des BMF vom 20.12.2011 daran gehindert sei, die neuere Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234/30, BStBl. II 2011, 1015) zu berücksichtigen. Die bisherige Rechtsprechung lasse eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nicht zu.

17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten FA-Akten verwiesen.

18Am 29.10.2013 hat vor dem Berichterstatter des Senats ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

19Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

20Die Klage ist begründet.

21Die im Streitjahr angefallenen Aufwendungen für Rechtsanwälte und Gerichtskosten aus Anlass der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

22Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastungen), wird auf Antrag die ESt dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

23Die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von … € sind dem Kl. zwangsläufig entstanden.

24Allerdings bestehen Bedenken, ob die genannten Aufwendungen nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH als zwangsläufig zu beurteilen gewesen sind. Im Falle von Kosten für einen Zivilprozess war dieses Merkmal nur dann zu bejahen, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen war. In der Regel aber ist es der freien Entscheidung der (Vertrags-) Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrecht-lichen Anspruchs einem Prozess-(kosten)Risiko aussetzen. Lasse sich ein Steuerpflichtiger trotz ungewissem Ausgang auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen. Als zwangsläufig anerkannt worden sind Kosten aus Anlass eines Zivilprozesses nur dann, wenn dieser existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Nur dann, wenn ein Steuerpflichtiger ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (bisherige ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. Urteile vom 09.05.1996 III R 224/94, BStBl. II 1996, 596 und vom 27.08.2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 533. Den Bedenken, ob die genannten Maßstäbe im Streitfall erfüllt sind, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen.

25Denn an der vorgenannten Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit hat der BFH seit seinem Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) nicht mehr festgehalten. Danach sind Kosten für einen Zivilprozess dann als zwangs-läufig zu beurteilen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Kosten eines Zivilprozesses sind auf Seiten des jeweiligen Klägers bzw. Beklagten bereits dann unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus der Sicht eines verständigen Dritten Aussicht auf Erfolg bietet (BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015 unter Tz. 15). Maßgeblich sind demnach die Vorgaben, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen (vgl. Anm. Rosenke zum Urteil des FG München vom 20.04.2012 8 K 2190/09, Entscheidungen der Finanzgerichte, – EFG – 2013, 453).

26Für den Streitfall folgt der Senat dieser neueren Rechtsprechung. Soweit die darin genannten Auslegungsgrundsätze nach dem Erlass des BMF in seinem Schreiben vom 20.12.2011 IV C 4 – S 2284/07/003: 002 -/- 2011/1025909 (BStBl. I 2011, 1286) nicht zu berücksichtigen sein sollen, sind hieran lediglich die nachgeordneten Finanzbehörden gebunden. Eine Bindung der Gerichte vermag hiervon nicht auszugehen.

27Im vorliegenden Rechtsstreit geht es allerdings nicht um die Kosten für einen Zivilprozess. Die vom BFH herausgestellten Grundsätze sind aber auch in den Fällen anzuwenden, in denen – wie im Streitfall – Kosten aus Anlass eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betroffen sind. Grund für die geänderte Rechtsauffassung des BFH zur Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit in seinem Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) ist der Ausgangspunkt, dass sich im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol streitige Ansprüche regelmäßig nur gerichtlich durchsetzen oder abwehren lassen. Zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten seien die Kontrahenten auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für Fälle eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Soweit es um Maßnahmen eines Trägers öffentlicher Verwaltung geht, kann von dem dadurch Betroffenen eine Korrektur letztlich nur mit gerichtlicher Hilfe begehrt werden. Das vom BFH in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl. II 2011, 1015) betonte staatliche Gewaltmonopol, nach dem zivilrechtliche An-sprüche nur mit Hilfe von Gerichten durchzusetzen oder abzuwehren sind, muss demgemäß auch bei der Durchsetzung von Ansprüchen bzw. Abwehrmaßnahmen im öffentlich-rechtlichen Bereich gelten (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 14.01.2013 11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701, Anm. Trossen EFG 2013, 43, zum Urteil des FG Hamburg vom 24.09.2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41).

28Nach diesen Vorgaben sind im Streitfall die Kosten für die Bezahlung der Rechtsanwälte und der Gerichtskosten aus Anlass der Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn wegen des auf dessen Grundstück errichteten Bauvorhabens als zwangsläufig anzusehen. Dass Hilfe des Verwaltungsgerichts in Anspruch genommen wurde, war nicht mutwillig. Der Kl. hatte sich gegen ein Bauvorhaben seines Nachbarn gewandt, welches seiner Auffassung nach nicht gesetzeskonform genehmigt war. Gegenüber dem früheren Eigentümer hatte er in den Vorjahren bereits ein verwaltungsgerichtliches Urteil er-stritten, nach dem das Bauvorhaben rechtswidrig war. Dieses Urteil war auch in Rechtskraft erwachsen.

29Nachdem das Eigentum an dem Nachbargrundstück auf eine andere Person übergegangen war, war der Kl. gegenüber der von der Baubehörde nunmehr nochmals erteilten Genehmigung erneut vorgegangen. Angesichts des Umstands, dass seine Rechtsauffassung hinsichtlich der dem Vorgänger erteilten Genehmigung als nicht rechtmäßig bestätigt war, kann nicht davon gesprochen werden, dass sein erneutes Vorgehen unter Zurhilfenahme des Gerichts mutwillig gewesen ist.

30Für die Inanspruchnahme der Hilfe durch das Verwaltungsgericht hatten auch hinreichende Erfolgsaussichten bestanden. Zumindest hatte in der ersten Instanz das Verwaltungsgericht N. die Rechtsauffassung des Kl. bestätigt.

31Der Höhe nach sind die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten mit … € anzusetzen. Hierüber besteht kein Streit.

32Soweit zum heutigen Zeitpunkt die Gesetzesvorschrift zu den nach § 33 EStG abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen geändert worden ist, hat dies auf die Beurteilung des Streitfalls keinen Einfluss. In Abs. 2 des § 33 EStG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilfe-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Amtshilfe RLUmsG – vom 26.06.2013 (BGBl. 2013, 1809) nach Artikel 2 Nr. 16 folgender Satz 4 angefügt worden: Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Diese Vorschrift gilt aber nach Art. 31 des vorgenannten Gesetzes erst seit dem Tag nach der Verkündung, d. h. seit dem 30.06.2013 (vgl. Juris). Da von dieser Gesetzesänderung keine Rückwirkung ausgeht, ist der Streitfall nach der Auslegung des Merkmals der Zwangsläufigkeit zu beurteilen, die bis dahin maßgeblich gewesen ist.

33Die ESt für das Streitjahr 2010 errechnet sich damit wie folgt neu:

34Zu versteuerndes Einkommen bisher                                                                            … €

35mehr außergewöhnliche Belastungen                                                                      ./.  … €

36zu versteuerndes Einkommen neu                                                                                … €

37ESt nach Splittingtarif                                                                                                 … €

38Ermäßigung für Handwerkerleistungen                                                                    ./.  … €

39ESt lt. Urteil                                                                                                              … €

40Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709 Nr. 10, 710 ZPO.

42Die Revision ist im Hinblick auf eine Vielzahl von beim BFH anhängigen Revisionsverfahren nach der Änderung seiner Rechtsauffassung zum Merkmal der Zwangsläufigkeit in § 33 EStG zuzulassen (vgl. u. a. VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12, VI R 74/12, VI R 9/13, VI R 16/13, VI R 31/13, sowie XR 34/12).

Reisekostenreform 2014: Überblick über die Neuregelungen

Reisekostenreform 2014: Überblick über die Neuregelungen

Kernaussage
Das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) zur „Reform des steuerlichen Reisekostenrechts – Grundsätze ab dem 1. Januar 2014“ vom 30.9.2013 soll die bisherigen Bestimmungen des Reisekostenrechts neu definieren. Im Wesentlichen erfolgt dies durch Vereinfachungen der Berechnungsgrundlagen sowie durch Anpassungen und Erhöhung der Pauschalen zu Gunsten der Arbeitnehmer.

Ausgewählte Neuregelungen
Im Wesentlichen finden sich im BMF-Schreiben folgende Neuregelungen: Zum Einen wird die regelmäßige Arbeitsstätte durch die so genannte „erste Tätigkeitsstätte“ ersetzt. Zum Anderen werden die Verpflegungspauschalen erhöht und es erfolgt eine Pauschalbesteuerung mit 25 % bis zu 100 % der steuerfrei zu erstattenden Mehraufwendungen. Ferner werden die Verpflegungspauschalen bei arbeitgeberseitig gestellten Mahlzeiten gekürzt und die Behandlung von Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu gestellten Mahlzeiten neu geregelt. Zudem werden neue Kriterien zur Vereinfachung in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Unterkunftskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung und einer Auswärtstätigkeit festgelegt. Schließlich erfolgt noch eine Anhebung der Höchstbeträge für steuerfreie Erstattungen der Unterkunftskosten.

Konsequenz
Die Neuregelung der Reisekostenreform bietet erstmalig Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten der Arbeitnehmer. Zu beachten ist, dass noch vor dem 1.1.2014 erheblicher Handlungsbedarf in der Praxis besteht, um möglichen Mehraufwand zu vermeiden. Unter anderem sind die internen Reisekostenrichtlinien und Arbeitsverträge zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern. Schulungen der Mitarbeiter sind für eine reibungslose Umsetzung ebenfalls zu erwägen.

Gewerbesteuer-Messbetrag: Schachtelprivileg und Besitzzeitanrechnung

Gewerbesteuer-Messbetrag: Schachtelprivileg und Besitzzeitanrechnung

Kernaussage
Das Umwandlungsteuergesetz (UmwStG) behandelt in § 23 die steuerlichen Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft, wenn diese eingebrachtes Betriebsvermögen mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert ansetzt. Die dort angeordnete „entsprechende“ Anwendung bedeutet, dass eine Besitzzeitanrechnung bei der übernehmenden Gesellschaft auch für vorher im Privatvermögen gehaltene Anteile erfolgt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). In der Folge ist dies auch bei den Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträgen im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus einem Gewerbebetrieb zu beachten (§ 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a GewStG).

Sachverhalt
Klägerin ist die eine GmbH, die wiederum nur einen alleinigen Gesellschafter hat. Im Dezember 2009 wurde eine Stammkapitalerhöhung um 25.000 EUR beschlossen. Der neue Geschäftsanteil wurde vom Alleingesellschafter übernommen; er leistete dafür 100 % seiner im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an der GmbH. Die Beteiligung wurde zum Buchwert angesetzt und als qualifizierter Anteilstausch behandelt. Die anschließend beschlossene Gewinnausschüttung wurde zu 95 % als steuerfrei behandelt. Entsprechend erging ein Gewerbesteuermessbescheid. Infolge einer Außenprüfung im Jahr 2011 erging ein geänderter Gewerbesteuermessbescheid, da die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nicht erfüllt worden seien. Hiergegen klagte die GmbH.

Entscheidung
Das Finanzgericht Köln gab der Klage statt. Die Revision wurde aber aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Zu Unrecht hatte die Steuerbehörde zum Gewerbeertrag der Klägerin die Gewinnausschüttung hinzugerechnet. Die in § 23 Abs. 1 UmwStG angeordnete „entsprechende“ Anwendung bedeutet, dass in § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine Besitzzeitanrechnung auch für vorher im Privatvermögen gehaltene Anteile erfolgt. In der Folge ist dies auch bei § 8 Nr. 5 bzw. § 9 Nr. 2a GewStG (Hinzurechnungen bzw. Kürzungen) zu beachten. Hätte der Alleingesellschafter die Beteiligung nicht im Privat-, sondern im Betriebsvermögen gehalten, wäre die dann teilweise steuerfreie Gewinnausschüttung nicht bei der Gewerbesteuer erhöhend berücksichtigt worden. Diese „günstige Position“ darf nicht durch einen Anteilstausch verloren gehen.

Konsequenz
Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof (BFH) letztinstanzlich entscheiden wird. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte ist zur Besitzzeitanrechnung für im Privatvermögen gehaltener Anteile bisher uneinheitlich.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin