Beteiligung an Komplementär-GmbH = notwendiges Betriebsvermögen

Beteiligung an Komplementär-GmbH = notwendiges Betriebsvermögen

Kernaussage
Die Zuordnung einer Beteiligung an einer Komplementär-GmbH zum notwendigen Betriebsvermögen eines Betriebsaufspaltungs-Besitzunternehmens wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Komplementär-GmbH weder zum Besitzunternehmen noch zur Betriebs-GmbH unmittelbare Geschäfte unterhält. Eine Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen setzt voraus, dass die Komplementär-GmbH entscheidenden Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft hat, die aufgrund ihrer intensiven und dauerhaften Geschäftsbeziehungen zum Betriebsunternehmen die gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend fördert. Ferner ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige seinerseits durch das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH in der Lage ist, deren Einfluss auf das geschäftliche Verhalten der GmbH & Co. KG maßgeblich zu fördern.

Sachverhalt
Streitig ist im vorliegenden Fall die Zugehörigkeit einer GmbH-Beteiligung des Steuerpflichtigen zum Betriebsvermögen seines Besitzeinzelunternehmens. Der Steuerpflichtige war Alleingesellschafter der GmbH I, der er die wesentlichen Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellte. Mithin lag unstreitig eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH I war Kommanditistin der X GmbH & Co. KG, deren Komplementärin war die GmbH II, an der wiederum der Steuerpflichtige zu 11 % beteiligt war. Die GmbH I mietete von der GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter an. Bei Veräußerung der Anteile an der GmbH II erfasste die Finanzverwaltung einen Gewerbeertrag, da sie die Auffassung vertrat, es handelte sich bei den Anteilen an der GmbH II um notwendiges Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens des Steuerpflichtigen.

Entscheidung
Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen blieben erfolglos. Nach Ansicht des Finanzgerichts handelte es sich um notwendiges Betriebsvermögen, da die GmbH II als Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG das branchengleiche Gewerbe der GmbH I gefördert habe. Die Leistungen zwischen der GmbH & Co. KG und der GmbH I hätten dem Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen gedient, da ihm im Rahmen der Betriebsaufspaltung die Geschäftsbeziehungen zwischen der GmbH & Co. KG und der GmbH I zuzurechnen seien. Die Revision des Steuerpflichtigen sah der Bundesfinanzhof (BFH) allerdings als begründet an und verwies die Streitsache zurück an das Finanzgericht. Laut BFH kam es nicht entscheidend aus das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung an. Vielmehr ist zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige durch das Halten der Beteiligung die Geschäftstätigkeit der GmbH & Co. KG gegenüber der GmbH I und damit auch gegenüber seinem Besitzunternehmen maßgeblich förderte.

Konsequenz
Sollte die Beteiligung an der Komplementär-GmbH dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zugeordnet werden, wäre der Veräußerungsgewinn auch im Gewerbeertrag zu erfassen.

Auch falsch ausgestellte Kleinbetragsrechnungen lösen Umsatzsteuer aus

Auch falsch ausgestellte Kleinbetragsrechnungen lösen Umsatzsteuer aus

Kernaussage
Wer Umsatzsteuer unberechtigt oder unrichtig in Rechnung stellt, schuldet diese. Auch falsch ausgefüllte Quittungsblöcke können hier zum Verhängnis werden.

Sachverhalt
Ein Kleinunternehmer hatte Quittungen über die von ihm erbrachten Leistungen ausgestellt. In diese hatte er den Bruttobetrag und den Steuersatz, damals noch 16 %, eingetragen. Die im Quittungsblock enthaltenen Felder zum Netto- und Steuerbetrag füllte er hingegen nicht aus. Nach Überprüfung der Quittungen vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Quittungen Kleinbetragsrechnungen (derzeit: Rechnungen bis 150 EUR) darstellten, in denen die Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen sei. Es setzte daher Umsatzsteuer fest. Hiergegen klagte der Kleinunternehmer und gewann. Nach Ansicht des Finanzgerichts lag kein unberechtigter Ausweis von Umsatzsteuer vor, da kein Steuerbetrag ausgewiesen sei; allerdings ging es nun vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Entgegen der Vorinstanz kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Dabei legt der BFH die zugrundeliegende Vorschrift, die den Ausweis eines Steuerbetrages fordert, bewusst über ihren Wortlaut hinaus aus. Er orientiert sich hierbei am Zweck der Vorschrift, der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken. Denn die Quittungen enthielten alle notwendigen Angaben (u. a. Bruttobetrag und Steuersatz), um als Kleinbetragsrechnungen anerkannt zu werden. Es besteht daher das Risiko, dass der Empfänger der Quittungen hieraus den Vorsteuerabzug geltend macht.

Konsequenz
Die Auslegung des BFH dürfte zutreffend sein. Wer auch immer Rechnungen oder ähnliche Dokumente ausstellt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er Umsatzsteuer schuldet, wenn er dem Empfänger den Vorsteuerabzug ermöglicht. Entscheidend ist allein die mögliche Gefährdung des Steueraufkommens. Ob diese tatsächlich eingetreten ist, weil z. B. dem Empfänger bekannt war, dass der Aussteller der Quittungen Kleinunternehmer ist, ist hierbei vollkommen unerheblich. Privatleute, Kleinunternehmer oder Unternehmer mit steuerfreien Umsätzen, z. B. Ärzte, sollten daher Rechnungen, Quittungen o. ä. mit der notwendigen Sorgfalt ausfüllen bzw. nicht alles ausfüllen was ihnen in die Quere kommt.

BFH verwirft Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG für Bauträger

BFH verwirft Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG für Bauträger

Kernaussage
Unternehmen, die selbst Bauleistungen erbringen, schulden i. d. R. die Umsatzsteuer aus den durch Subunternehmer an sie erbrachten Bauleistungen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft; § 13b UStG). Es war lange Zeit streitig, ob die Vorschrift als solche sowohl den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht als auch deren Auslegung durch die Finanzverwaltung. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar. Allerdings hat er die nationalen Gerichte dazu aufgefordert, für eine praxisgerechte Anwendung der Vorschrift zu sorgen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies nun umgesetzt.

Sachverhalt
Unklar war, ob ein Bauträger für Bauleistungen, die ein Bauunternehmer an ihn erbracht hat, nach § 13b UStG Steuerschuldner geworden ist. Der Bauträger betreibt den Erwerb, die Erschließung und Bebauung von Grundstücken. Er beauftragte den Bauunternehmer als Generalunternehmer mit der Erstellung eines Wohnhauses. In der vom Bauunternehmer erteilten Schlussrechnung wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen, sondern auf die Steuerschuldnerschaft des Bauträgers hingewiesen. In seiner Umsatzsteuererklärung gab der Bauträger jedoch an, er habe keine nachhaltigen Bauleistungen erbracht und schulde deshalb die Umsatzsteuer nicht. Dem hielt das Finanzamt entgegen, der Bauträger habe sich mit dem Bauunternehmer darüber geeinigt, dass er, der Bauträger, die Umsatzsteuer schulde. Im Übrigen sei es nicht erforderlich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den empfangenen und den erbrachten Leistungen bestehe. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung
Der BFH vertritt die Auffassung, dass der Subunternehmer bzw. Auftragnehmer nicht erkennen könne, ob der Auftraggeber nachhaltig Bauleistungen erbringe. Es sei für ihn lediglich möglich, zu erkennen, ob die eigene Bauleistung vom Auftraggeber seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet werde. Nur dann wird der Auftraggeber zum Steuerschuldner.

Konsequenz
Die Auslegung der Vorschrift durch den BFH soll einer praktikableren Handhabung dienen. Dies ist grundsätzlich positiv zu bewerten, ob sich tatsächlich eine Vereinfachung ergibt, wird sich zeigen. Fakt ist jedoch, dass die Auslegung der Vorschrift durch die Finanzverwaltung nun in wesentlichen Punkten überholt ist. So kommt es nicht mehr darauf an, in welchem Umfang der Auftraggeber selbst Bauleistungen erbringt (10 %-Grenze), sondern alleine darauf, ob die bezogene Bauleistung vom Auftraggeber selbst zur Erbringung einer Bauleistung verwendet wird („rein – raus“). Bauträger unterliegen daher nicht mehr der Regelung, da sie keine Bauleistungen erbringen, sondern im Gegensatz zu Generalunternehmern Grundstücke liefern. Es ist zu hoffen, dass das BMF nun zügig auf das Urteil reagiert, damit Klarheit herrscht, wie nun in der Praxis konkret verfahren werden muss. Im Zweifel sollten die betroffenen Unternehmen diesbezüglich steuerlichen Rat einholen.

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für umsatzsteuerliche Zwecke

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für umsatzsteuerliche Zwecke

Kernaussage
Erbringen Unternehmer Leistungen, die unterschiedlich zu besteuern sind, zu einem Pauschalpreis (z. B. Sparmenüs bei Fast-Food Ketten), so muss dieser zur Ermittlung der korrekten Bemessungsgrundlage aufgeteilt werden.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) verlangt die Anwendung einer sachgerechten Aufteilungsmethode. Kommen insoweit mehrere Methoden in Betracht, so ist die einfachste zu wählen. Werden die im Pauschalpreis enthaltenen Leistungen auch einzeln angeboten, so ist als Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Einzelkaufpreise zugrunde zu legen. Alternativ hierzu kommen andere Aufteilungsmethoden, wie z. B. das Verhältnis des Wareneinsatzes, nur in Betracht, wenn sie genauso einfach sind. Eine Aufteilung nach den betrieblichen Kosten ist daher nach Ansicht des BMF nicht zulässig.

Konsequenz
Die Auffassung des BMF beruht auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), so dass ihr grundsätzlich zu folgen sein wird. Wer dies unterlässt, muss damit rechnen, dass die Finanzverwaltung die gewählte Aufteilungsmethode verwirft und die Aufteilung im Wege der Schätzung vornimmt. Allerdings toleriert das BMF bis zum 30.6.2014 die bisher verwendeten Aufteilungsmethoden, die den o. g. Anforderungen nicht entsprechen, sofern diese nicht missbräuchlich sind.

Kein ermäßigter Steuersatz fürs Frühstück

Kein ermäßigter Steuersatz fürs Frühstück

Kernaussage
Die alte Regierung geht, die neue kommt, was bleibt sind die Gesetze. Dies gilt auch für den ermäßigten Steuersatz für Hotelübernachtungen, der mit Wirkung zum 1.1.2010 in Kraft trat. Über den Sinn dieser Regelung lässt sich streiten, nicht jedoch darüber, dass hierdurch die Anwendung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) weiter erschwert wird. Es wundert daher nicht, dass sich nun schon der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Regelung beschäftigt hat.

Sachverhalt
Ein Hotelier bot Übernachtung mit Frühstück zu einem Pauschalpreis an. Diesen unterwarf er dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt forderte hingegen den Regelsteuersatz (19 %) für das Frühstück.

Entscheidung
Nach Ansicht des BFH ist das Frühstück nicht begünstigt, denn die Begünstigung betrifft nur Dienstleistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen, was nicht für das Frühstück gilt. Dies entspräche dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Auch die Argumentation des Klägers, dass das Frühstück eine Nebenleistung zur Übernachtung darstelle, die umsatzsteuerlich ebenso wie die Übernachtung zu behandeln sei, beeindruckte den BFH nicht. Er verweist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die es zuließe, nur einzelne Bestandteile einer Dienstleistung ermäßigt zu besteuern.

Konsequenz
Das Frühstück unterliegt weiterhin dem Regelsteuersatz. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den ermäßigten Steuersatz müssen daher Leistungen, die unmittelbar und solche, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, getrennt werden (Aufteilungsgebot). Allerdings lässt der BFH offen, welche Leistungen, neben dem Frühstück, ebenfalls nicht unmittelbar der Vermietung dienen und damit nicht begünstigt sind. Er verweist lediglich darauf, dass diese Abgrenzung schwierig sein kann und zum Teil umstritten ist; neuer Ärger ist also schon vorprogrammiert.

Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG

Der BFH hat in seinen Urteilen vom 7. Juli 2011, V R 41/09, V R 42/09 und V R 21/10 über Fragen der Zuordnung eines einheitlichen Gegenstands zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG im Fall der Errichtung eines teilunternehmerisch genutzten Gebäudes entschieden. In drei weiteren Urteilen hat er sich grundsätzlich zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie geäußert (Urteile vom 19. Juli 2011, XI R 29/09, BStBl II 2012 S. 430, XI R 21/10, BStBl II 2012 S. 434, und XI R 29/10, BStBl II 2012 S. 438).

Über die Zuordnung von teilunternehmerisch genutzten Gegenständen hinaus werden im Folgenden die Grundsätze der Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG dargestellt.

Behandelt werden anhand von Beispielen folgende Punkte:

  1. Grundsätze der Zuordnung
    1. Zuordnungsgebot, Zuordnungsverbot und Zuordnungswahlrecht
    2. Ermittlung der unternehmerischen Mindestnutzung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG
    3. Zuordnungsschlüssel
    4. Zuordnungsobjekt
    5. Prognosezeitraum
    6. Zeitpunkt und Dokumentation der Zuordnungsentscheidung – Auswirkungen der Zuordnungsentscheidung auf den Vorsteuerabzug und dessen Berichtigung nach § 15a UStG
  2. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, insbesondere:
    • 15.2. Allgemeines zum Vorsteuerabzug
    • 15.2a. Ordnungsmäßige Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug
    • 15.2b. Leistung für das Unternehmen
    • 15.2c. Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen
    • 15.2d. Regelungen zum Vorsteuerabzug in Einzelfällen
  3. Entsprechungstabelle Abschn. 15.2 UStAE a. F. zu Abschn. 15.2-15.2d UStAE n. F.
  4. Anwendungsregelung

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7300 / 12 / 10002 :001 vom 02.01.2014

Umgang mit den Leitlinien des gemäß Artikel 398 der Richtlinie 2006/112/EG eingerichteten Mehrwertsteuerausschusses

Der Beratende Ausschuss für die Mehrwertsteuer („Mehrwertsteuerausschuss“) wurde gemäß Artikel 398 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) eingerichtet. Er setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen und wird von der Europäischen Kommission geleitet. Da der Mehrwertsteuerausschuss ein ausschließlich beratender Ausschuss ist, dem keine Rechtsbefugnisse übertragen wurden, kann der Mehrwertsteuerausschuss keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen. Neben den Punkten, für die nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie eine Konsultation erforderlich ist, behandelt der Mehrwertsteuerausschuss Fragen im Zusammen-hang mit der Anwendung der unionsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen.

Der Mehrwertsteuerausschuss erarbeitet Leitlinien, die eine Orientierungshilfe für die Anwendung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie darstellen können. Diese Leitlinien werden von den Mitgliedstaaten einstimmig oder mehrheitlich verabschiedet und von der Europäischen Kommission im Internet veröffentlicht. Bei der Veröffentlichung weist die Europäische Kommission ausdrücklich insbesondere darauf hin, dass die vom Mehrwertsteuerausschuss beschlossenen Leitlinien ausschließlich die Ansichten eines beratenden Ausschusses widerspiegeln und die Leitlinien keine offizielle Auslegung des Unionsrechts darstellen, so dass sie weder für die Europäische Kommission noch für die Mitgliedstaaten verbindlich sind und von ihnen nicht befolgt werden müssen. Gleichwohl werden die Leitlinien – ihrem Sinn entsprechend – bei der Bildung der deutschen Verwaltungsauffassung auf Bund-Länder-Ebene grundsätzlich mit in die Betrachtung einbezogen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Umgang mit den Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses Folgendes:

Die Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses haben keine rechtliche Bindungswirkung. Maßgeblich für die Rechtsanwendung sind das Umsatzsteuergesetz, die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung sowie die Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass und anderen Verwaltungsanweisungen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 1 – S-7072 / 13 / 10005 vom 03.01.2014

Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – Änderung der Rz. 113 – 115 des BMF-Schreibens vom 09.10.2012 (BStBl I S. 953)

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012 (BStBl I Seite 953) wie folgt geändert:

d) Zuteilung von Anteilen ohne Gegenleistung (§ 20 Abs. 4a Satz 5 EStG)

Folgen einer Anteilsübertragung auf Anteilseigner (Sachausschüttung und Abspaltung)

113 Überträgt eine Körperschaft in ihrem Besitz befindliche Anteile an einer weiteren Körperschaft ohne Kapitalherabsetzung ohne zusätzliches Entgelt auf ihre Anteilseigner, ist diese Übertragung als Sachausschüttung an die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft zu beurteilen. Die Sachausschüttung führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

114 Ist die Ermittlung des Kapitalertrags nicht möglich, findet § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG Anwendung. Von dieser Vermutung ist bei ausländischen Sachverhalten in der Regel auszugehen. Bei inländischen Sachverhalten ist davon auszugehen, dass die Erträge durch entsprechende Angaben des Emittenten zu ermitteln sein werden. Die übertragenen Anteile gelten im Zeitpunkt der Depoteinbuchung über die Übertragung zum gemeinen Wert gemäß § 43a Abs. 2 Satz 9 EStG als angeschafft.

115 Erhält ein Anteilseigner Anteile an einer Körperschaft aufgrund einer Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG oder aufgrund eines vergleichbaren ausländischen Vorgangs, findet § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG Anwendung. Die Rzn. 100 ff. gelten entsprechend. Abgesehen von den Fällen einer Abspaltung zur Aufnahme ist bei ausländischen Vorgängen für die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bereits dann von einer Abspaltung auszugehen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • Die ISIN der ursprünglichen Gattung (= Rumpfunternehmen) bleibt erhalten.
  • Die ISIN der neu eingebuchten Gattung wurde neu vergeben und es handelt sich nicht um eine bereits börsennotierte Gesellschaft.
  • Auf Grundlage der Emittenteninformationen liegen die Strukturmerkmale einer Abspaltung gemäß Rz. 01.36 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011 (BStBl I S. 1314) vor.
  • Es ist ein Aufteilungsverhältnis angegeben.
  • Es wird keine Quellensteuer einbehalten.
  • Aus den Emittenteninformationen ergeben sich keine Hinweise auf eine Gewinnverteilung.
  • Der übertragende ausländische und der übernehmende in- oder ausländische Rechtsträger müssen einem vergleichbaren umwandlungsfähigen Rechtsträger inländischen Rechts entsprechen. Der Rechtstypenvergleich ausgewählter ausländischer Rechtsformen erfolgt entsprechend Tabellen 1 und 2 zum BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999 (BStBl I S. 1076).
  • Es wurde keine Barzuzahlung durch den Aktionär geleistet.

§ 20 Abs. 4a Satz 7 EStG findet insoweit keine Anwendung, als die Beteiligungen in einem Betriebsvermögen gehalten werden; vgl. § 20 Abs. 8 Satz 2 EStG.

115a Für die Klassifikation als Abspaltung gemäß § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG kommt es auf das Kriterium des Teilbetriebserfordernisses oder des Vorliegens einer Kapitalherabsetzung nicht an.“

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die vorgenannten Änderungen im Steuerabzugsverfahren erst zum 1. Januar 2014 angewendet werden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-2252 / 09 / 10004 :005 vom 03.01.2014

Kosten eines Studiums, das eine Erstausbildung vermittelt, sind grundsätzlich nicht abziehbar

Mit Urteil vom 5. November 2013 (VIII R 22/12) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Aufwendungen für ein Studium, welches eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, nicht als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar sind.

Im Streitfall hatte der Kläger ein Jurastudium als Erststudium aufgenommen und begehrte für die Jahre 2004 und 2005 unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BFH (aus dem Jahr 2011), die Aufwendungen für das Studium (im Wesentlichen die Kosten der Wohnung am Studienort) als vorweggenommene Betriebsausgaben aus selbständiger Arbeit abzuziehen. Dem stand entgegen, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die geänderte BFH-Rechtsprechung die §§ 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und 4 Abs. 9 EStG unter dem 7. Dezember 2011 neu gefasst und nunmehr ausdrücklich angeordnet hatte, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten darstellen. Anzuwenden ist die Neufassung des Gesetzes für Veranlagungszeiträume ab 2004.

Der BFH erachtet diese Neuregelung als verfassungsgemäß. Sie verstoße weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes in dessen Ausprägung durch das Prinzip der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Der Gesetzgeber habe nur das langjährige und auch bis 2011 vom BFH anerkannte grundsätzliche Abzugsverbot für Kosten der beruflichen Erstausbildung nochmals bestätigt.

BFH, Pressemitteilung Nr. 1/14 vom 08.01.2014 zum Urteil VIII R 22/12 vom 05.11.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.11.2013, VIII R 22/12

Kein Betriebsausgabenabzug für Aufwendungen für ein Studium, welches eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet

Leitsätze

1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein Erststudium, welches zugleich eine Erstausbildung vermittelt und das nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden hat, sind nach § 12 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG keine (vorweggenommenen) Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.

 

2. Die bereits für die Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwendenden gesetzlichen Neuregelungen in § 12 Nr. 5 und § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind verfassungsgemäß. Sie enthalten weder eine unzulässige verfassungsrechtliche Rückwirkung noch verstoßen sie gegen den Gleichheitssatz i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG.

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten um den Abzug von Aufwendungen für ein Erststudium als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
2
Der in der Wohnung seiner Eltern in A mit Zweitwohnsitz gemeldete ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte seit dem Sommersemester 2003 zunächst an der Universität B und später an der Universität C ein Jurastudium als Erststudium. Am jeweiligen Studienort, an dem er jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet war, unterhielt er eine sog. „Studentenbude“ von knapp 25 qm.
3
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen und Erklärungen zur Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge für die Streitjahre 2004 und 2005 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 5.461 EUR (2004) bzw. 3.865 EUR (2005) als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend. Hiervon entfielen 4.476 EUR (2004) bzw. 2.649 EUR (2005) auf Miete und Strom für die Wohnung am Studienort und 192 EUR (2004) bzw. 140 EUR (2005) auf Telefonkosten. Das zunächst zuständige Finanzamt C erkannte die erklärten negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht an, setzte die Einkommensteuer für 2004 und 2005 auf 0 EUR fest und stellte –jeweils unter Fortschreibung des zum 31. Dezember 2003 festgestellten Verlustvortrags– die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 auf jeweils 1.661 EUR fest.
4
Im anschließenden beim Finanzgericht C geführten Klageverfahren erklärte der Kläger bisher nicht angegebene Einnahmen aus Kapitalvermögen von 2.085 EUR (2004) und 2.780 EUR (2005) sowie aus selbständiger Arbeit von 1.000 EUR (2005) nach. Der inzwischen durch einen Wohnortwechsel des Klägers zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) stellte daraufhin mit geänderten Bescheiden vom 2. November 2009 die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 auf 997 EUR und auf den 31. Dezember 2005 auf 0 EUR fest. In diesen Bescheiden, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden sind, blieben die Studienkosten weiterhin unberücksichtigt.
5
Mit der daraufhin an das Finanzgericht (FG) verwiesenen Klage begehrte der Kläger, seine Studienkosten als vorweggenommene Betriebsausgaben abzuziehen. Das FG wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1433 veröffentlichten Urteil vom 18. April 2012  10 K 4400/09 F ab.
6
Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger macht geltend, seine Studienkosten müssten als vorweggenommene Betriebsausgaben berücksichtigt werden, andernfalls werde gegen das Nettoprinzip verstoßen. Denn sein Studium der Rechtswissenschaften habe final im Zusammenhang mit seiner späteren, inzwischen ausgeübten Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gestanden. Die in § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) –EStG– erfolgte angebliche „Klarstellung“, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium ohne vorangegangene Berufsausbildung keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien, sei in seinem Fall schon deshalb nicht anzuwenden, weil die in § 52 Abs. 12, Abs. 23d und Abs. 30a EStG angeordnete Geltung der vorgenannten Vorschriften ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gegen das Rückwirkungsverbot verstoße und daher verfassungswidrig sei.
7
Der Kläger beantragt,das FG-Urteil aufzuheben und die Bescheide vom 2. November 2009 über die Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zum 31. Dezember 2004 bzw. zum 31. Dezember 2005 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von 5.461 EUR (für 2004) und in Höhe von 3.865 EUR (für 2005) festgestellt wird.
8
Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.
9
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die angefochtenen Bescheide vom 2. November 2009 über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 FGO).
11
1. Zutreffend geht das FG davon aus, dass es sich bei den Aufwendungen des Klägers um solche für ein Erststudium handelt, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden hat. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es handelt sich daher um Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der für die Streitjahre 2004 und 2005 geltenden Fassung bis zu 4.000 EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Zwar ist nach dem Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung der Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 28. Juli 2011 VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557, und VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561). Dass die hier streitigen Aufwendungen indes keine (vorweggenommenen) Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit sind, ordnet § 12 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 9 EStG ausdrücklich an. In § 4 Abs. 9 EStG heißt es dazu: „Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, sind keine Betriebsausgaben“; entsprechend ist auch § 12 Nr. 5 EStG formuliert.
12
§ 4 Abs. 9 und § 12 Nr. 5 EStG sind gemäß Art. 25 Abs. 4 BeitrRLUmsG am Tag nach der Verkündung des BeitrRLUmsG, d.h. am 14. Dezember 2011, in Kraft getreten und gemäß § 52 Abs. 12 Satz 11 bzw. § 52 Abs. 30a EStG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden. Die Auffassung des FG, bei den Aufwendungen des Klägers handele es sich um Sonderausgaben, ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden.
13
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die gesetzliche Neuregelung betreffend Aufwendungen für ein Erststudium bzw. eine erstmalige Berufsausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses, die der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 9 und § 12 Nr. 5 EStG sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 und Abs. 30a EStG geschaffen hat, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (so auch Urteil des FG des Saarlandes vom 4. April 2012  2 K 1020/09, juris; Urteil des FG Münster vom 20. Dezember 2011  5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612; Urteile des FG Köln vom 17. Juli 2013  14 K 3720/12, juris, und 14 K 587/13, EFG 2013, 1745; vom 22. Mai 2012  15 K 3413/09, EFG 2012, 1735; Urteil des FG Düsseldorf vom 14. Dezember 2011  14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686; im Ergebnis ebenso Förster, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2012, 486; Trossen, Finanz-Rundschau –FR– 2012, 501; ders. in EFG 2012, 614; Fischer, jurisPR-SteuerR 38/2012, Anm. 1).
14
a) Die Neuregelungen verstoßen insbesondere nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot. Da die Rechtsfolgen der Neuregelungen mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten sollen –hier: Veranlagungszeiträume 2004 und 2005– handelt es sich um einen Fall der sog. echten Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Eine solche ist grundsätzlich unzulässig, denn bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Norm, zumindest bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, müssen die von einem Gesetz Betroffenen grundsätzlich darauf vertrauen können, dass ihre auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, m.w.N.).
15
b) Dieses Rückwirkungsverbot kann jedoch durchbrochen werden, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war; auch ist es dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht verwehrt, rückwirkend eine Rechtslage festzuschreiben, welche vor der Änderung einer Rechtsprechung einer einheitlichen Rechtspraxis und gefestigter Rechtsprechung entsprach (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 187, m.w.N.; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239; BVerfG-Entscheidung vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261).
16
c) Im Streitfall hat der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG lediglich seine bisherige Auffassung zum Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugsverbot für Kosten der Erstausbildung, die er bereits in früheren Jahren vertreten und die er im Rahmen des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze (AOÄndG) vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753) nochmals bestätigt hat, erneut bekräftigt. Mit dem AOÄndG hatte der Gesetzgeber Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung im neu gefassten § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bis zur Höhe von 4.000 EUR im Kalenderjahr zum Sonderausgabenabzug zugelassen und gleichzeitig § 12 EStG durch eine neue Nr. 5 ergänzt, wonach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium als nichtabzugsfähige Ausgaben zu bewerten sind, es sei denn, diese Maßnahmen finden im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Diese Regelung trat gemäß Art. 6 des AOÄndG mit Wirkung vom 1. Januar 2004 in Kraft. Diesem grundsätzlichen Abzugsverbot für Kosten der beruflichen Erstausbildung entsprach auch die langjährige Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 17. April 1996 VI R 94/94, BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450, m.w.N.; vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884). Diese langjährige Rechtsanwendungspraxis hat der BFH endgültig erst im Juli 2011 aufgegeben und entschieden, das seit 2004 geltende grundsätzliche Abzugsverbot für Kosten eines Studiums und einer Erstausbildung stehe der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Kosten für eine Erstausbildung oder für ein Erststudium selbst dann nicht entgegen, wenn diese Maßnahmen unmittelbar im Anschluss an die Schulausbildung durchgeführt werden (BFH-Urteile vom 28. Juli 2011 VI R 5/10, BFHE 234, 262, BStBl II 2012, 553; VI R 8/09, BFH/NV 2011, 2038; VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561; VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19; in BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557). Auf diese geänderte Rechtsprechung hat der Gesetzgeber reagiert und mit der Neufassung von § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG lediglich seinen bereits 2004 zu Tage getretenen Willen verdeutlicht. Demgemäß sieht der Gesetzgeber die gesetzlichen Änderungen im BeitrRLUmsG auch lediglich als Klarstellung an (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 26. Oktober 2011 zum Gesetzentwurf, BTDrucks 17/7524, S. 10 f.).
17
Für den Kläger bestand daher kein schutzwürdiges Vertrauen in die durch die vorgenannten BFH-Urteile vom 28. Juli 2011 geschaffene Rechtslage. Auch wenn der BFH ab 2002 die Grenze zwischen den nur als Sonderausgaben abziehbaren Ausbildungskosten und den unter bestimmten Voraussetzungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbaren Fortbildungskosten in Richtung Fortbildungskosten verschoben hat, hat der BFH die grundsätzliche Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein Erststudium, welches zugleich eine Erstausbildung vermittelt, erstmalig mit den vorstehend genannten Entscheidungen vom 28. Juli 2011, d.h. weit nach Ablauf der Streitjahre 2004 und 2005, bejaht. Zutreffend geht das FG deshalb davon aus, dass der Kläger aus der Rechtsprechung des BFH aus den Jahren vor 2011 kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten kann.
18
Nämliches gilt für die geänderte Rechtsprechung des BFH aus dem Juli 2011. Für die Streitjahre 2004 und 2005 kann sie schon deshalb nicht vertrauensschaffend sein, da sie zum damaligen Zeitpunkt noch niemandem bekannt sein konnte. Ein Vertrauenstatbestand hätte sich deshalb erstmals ab Veröffentlichung der Urteile ab dem 17. August 2011 entwickeln können. Nicht zuletzt aufgrund der sofort aufgekommenen steuerpolitischen Diskussion (vgl. BTDrucks 17/6978 und 17/7259) konnte der Kläger auf den Fortbestand der durch die neuen BFH-Urteile geschaffenen Rechtslage aber nicht vertrauen, zumal die Neuregelung der §§ 4, 9 und 12 EStG im Rahmen der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum BeitrRLUmsG vom 26. Oktober 2011 bereits weniger als drei Monate nach Veröffentlichung der geänderten BFH-Rechtsprechung bekannt geworden ist (so auch Urteil des FG Münster in EFG 2012, 612; Urteile des FG Köln in EFG 2012, 1735; in EFG 2013, 1745; vom 17. Juli 2013  14 K 3720/12, juris; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2012, 686; Urteil des FG des Saarlandes vom 4. April 2012  2 K 1020/09, juris; Förster in DStR 2012, 486; Trossen in FR 2012, 501; Fischer in jurisPR-SteuerR 38/2012, Anm. 1).
19
d) Die gesetzlichen Neuregelungen in § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 bzw. § 52 Abs. 30a EStG verstoßen auch nicht gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes in dessen Ausprägung durch das Prinzip der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit.
20
aa) Zutreffend geht die Vorinstanz davon aus, dass der Gesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem objektiven und nach dem subjektiven Nettoprinzip bemisst. Unabhängig davon, ob dem Nettoprinzip Verfassungsrang zukommt oder nicht, zählt doch die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des Nettoprinzips zu den Grundentscheidungen des Gesetzgebers. Soweit es um die folgerichtige Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung geht, bedürfen Ausnahmen besonderer, sachlich begründeter Rechtfertigung. Als solche kommen insbesondere Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse in Betracht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318, m.w.N.; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1, 2/07, 2 BvL 1, 2/08, BVerfGE 122, 210). Eine Typisierung ist eine normative Zusammenfassung bestimmter in wesentlichen Elementen gleich gearteter Lebenssachverhalte. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210).
21
bb) Auf eine solche Typisierung hat sich der Gesetzgeber mit den Neuregelungen von § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG durch das BeitrRLUmsG bezogen; nämliches hatte er bereits mit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und mit der Neuschaffung des § 12 Nr. 5 EStG durch das AOÄndG im Jahr 2004 ausdrücklich getan (vgl. BTDrucks 15/3339, S. 10) und seine damalige Auffassung mit der Neufassung der Vorschriften durch das BeitrRLUmsG lediglich nochmals klargestellt (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf, BTDrucks 17/7524, S. 10 f.).
22
cc) Der Senat hat keine Bedenken, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung der Vorschriften realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zu Grunde gelegt hat. Durch die Zuordnung der Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung bzw. für ein Erststudium zu den Sonderausgaben und damit die Beschränkung des Abzugs auf 4.000 EUR im Jahr (ab Veranlagungszeitraum 2012 6.000 EUR) dürfte sich in der überwiegenden Zahl der Fälle in Folge der Versagung des Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugs keine relevante steuerliche Auswirkung ergeben, auch wenn der Sonderausgabenabzug bei fehlenden positiven Einkünften regelmäßig ins Leere läuft; auch sorgt die Typisierung für mehr Steuergerechtigkeit und vermeidet Widersprüche zu anderen gesetzlichen Regelungen (vgl. Trossen in FR 2012, 501; im Ergebnis ähnlich Förster in DStR 2012, 486; Fischer in jurisPR-SteuerR 38/2012, Anm. 1; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2012, 686; Urteil des FG Münster in EFG 2012, 612; Urteile des FG Köln in EFG 2012, 1735; in EFG 2013, 1745; vom 17. Juli 2013  14 K 3720/12, juris, und Urteil des FG des Saarlandes vom 4. April 2012  2 K 1020/09, juris). Dafür spricht nicht zuletzt, dass Berufsausbildungskosten noch nicht im direkten Zusammenhang mit einer konkreten Einnahmenerzielung im Rahmen eines bereits zugesagten Dienstverhältnisses stehen, sondern losgelöst von einem späteren Anstellungsverhältnis zunächst primär der individuellen Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Erlangung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Sinne einer „Ausbildung“ dienen (Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2012, 686, m.w.N.). Es handelt sich damit um sog. gemischt veranlasste Aufwendungen, die nicht zwangsläufig dem objektiven Nettoprinzip unterfallen, weil ein unmittelbarer und direkter Anknüpfungspunkt an eine spätere Berufstätigkeit fehlt und möglicherweise auch private Interessen für die Aufwendungen eine Rolle spielen (Urteil des FG Münster in EFG 2012, 1433). Demgemäß steht es dem Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit grundsätzlich frei, ob er Aufwendungen für die berufliche Erstausbildung oder ein Erststudium wegen ihrer Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit den Werbungskosten oder Betriebsausgaben zuordnet oder ob er die private (Mit-)Veranlassung systematisch in den Vordergrund stellt und demgemäß eine Zuordnung der Aufwendungen zu den Sonderausgaben vornimmt (BVerfG-Beschluss vom 16. März 2005  2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268; in diesem Sinne auch Förster in DStR 2012, 486). Die Entscheidung des Gesetzgebers, den mit einer Erstausbildung verbundenen Aufwendungen nur durch den Sonderausgabenabzug Rechnung zu tragen, ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und beinhaltet auch keinen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip (Förster in DStR 2012, 486; Trossen in FR 2012, 501).

Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung

Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Steuerbescheid muss keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Es reicht vielmehr aus, wenn sie hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wiedergibt (hier: „schriftlich“). Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. November 2013 (X R 2/12) entschieden und damit zwei frühere Entscheidungen vom 12. Oktober 2012 III B 66/12 (BFH/NV 2013, 177) und vom 12. Dezember 2012 I B 127/12 (BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) bestätigt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuerbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung wiederholten. Der Kläger legte erst einige Monate nach Bekanntgabe der Bescheide Einsprüche ein, die das FA wegen der Verletzung der Einspruchsfrist von einem Monat als unzulässig verwarf. Der Kläger machte demgegenüber geltend, die Rechtsbehelfsbelehrungen seien unvollständig gewesen, so dass die Jahresfrist gemäß § 356 Abs. 2 AO zum Tragen kommen müsse. Das Finanzgericht gab ihm Recht. Den Rechtsbehelfsbelehrungen hätte der Hinweis auf die Möglichkeit zur Einlegung eines Einspruchs per E-Mail gefehlt.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er sieht die Rechtsbehelfsbelehrungen als vollständig an. Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung eines Einspruchs zwar nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst sei hiernach nicht (zwingend) zu belehren. Allerdings müsse eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen. Das sei jedoch der Fall, wenn der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich § 357 Abs. 1 AO, wiedergegeben werde.

BFH, Pressemitteilung Nr. 2/14 vom 08.01.2014 zum Urteil X R 2/12 vom 20.11.2013

 DruckversionBUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2013, X R 2/12

Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung – Auslegung außerprozessualer Verfahrenserklärungen – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Leitsätze

Es reicht aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

Tatbestand

1
I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) schätzte den gesondert festzustellenden Gewinn des Gewerbetriebs „P“ des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für die Streitjahre 2006 und 2007. Diese Schätzungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nachdem der Kläger im Dezember 2010 seine Gewinnermittlungen für alle Streitjahre eingereicht hatte, hob das FA mit Bescheiden vom 30. März 2011 die Vorbehalte der Nachprüfung für die Streitjahre 2006 und 2007 auf. Am gleichen Tag erließ das FA einen Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2008. Alle drei Bescheide waren mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wiederholten. Daneben enthielten diese Bescheide die E-Mail-Adresse des FA. Infolge der bereits am 14. Januar 2011 ergangenen Aufforderung, Nachweise hinsichtlich der Gewinnermittlungen zu übersenden, bat der Kläger am 20. Mai 2011, die Schätzungen zurückzunehmen. Er habe krankheitsbedingt erst verspätet antworten können. Auf einen Hinweis des FA auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand reagierte der Kläger nicht. Das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 wertete das FA als Einspruch gegen die Bescheide vom 30. März 2011, die es durch Entscheidung vom 26. Juli 2011 als unzulässig verwarf.
2
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hob mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 292 veröffentlichten Urteil die Einspruchsentscheidung auf. Der Einspruch sei fristgerecht eingegangen, da aufgrund des fehlenden Hinweises in den Rechtsbehelfsbelehrungen auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail die Jahresfrist aus § 356 Abs. 2 AO zum Tragen komme.
3
Das FA begründet seine Revision damit, dass die Einlegung eines Einspruchs per E-Mail ein Unterfall der schriftlichen Einspruchseinlegung sei und eine Erweiterung der Rechtsbehelfsbelehrung zur Unübersichtlichkeit führe. Die Nichterwähnung der E-Mail führe nicht zu einer Erschwerung oder gar Gefährdung der Rechtsverfolgung und Fristwahrung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise.
4
Das FA beantragt sinngemäß,das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
7
Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 unvollständig seien, da ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail fehle. Das zutreffend als Einspruch zu wertende Schreiben des Klägers (unten 1.) hat die einmonatige Einspruchsfrist nicht gewahrt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (unten 2.). Die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO ist nicht anwendbar, da die Rechtsbehelfsbelehrungen richtig und vollständig sind (unten 3.).
8
1. Zutreffend haben FA und FG das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 als Einspruch gewertet. Auch außerprozessuale Verfahrenserklärungen –wie dieses Schreiben– sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359). Im vorliegenden Fall liegt in der Bitte des Klägers, die Schätzungen zurückzunehmen, ein Begehren i.S. des § 350 AO, das als Einspruch anzusehen ist.
9
Der Einspruch ist schriftlich und damit jedenfalls formgerecht i.S. des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt worden.
10
2. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einspruch nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO war –auch von Amts wegen– nicht zu gewähren, da der Kläger Tatsachen zur Begründung eines solchen Antrags trotz eines Hinweises des FA nicht dargelegt hat. Die bloße Erwähnung einer Krankheit im Einspruchsschreiben zwingt das FA nicht zu einer Prüfung der Wiedereinsetzung von Amts wegen. Da Krankheit nur ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (vgl. statt vieler: Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 AO Rz 147; Klein/ Rätke, AO, 11. Aufl., § 110 Rz 9, jeweils m.w.N.), hätte der Kläger weitere Tatsachen darlegen und –spätestens im Klageverfahren (vgl. Klein/Rätke, a.a.O., § 110 Rz 46; Pahlke/ Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 110 Rz 89, jeweils m.w.N.)– gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2 AO auch glaubhaft machen müssen. Für Amtsermittlungen ist in einem solchen Verfahren grundsätzlich kein Raum (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2008 I B 101/07, BFH/NV 2008, 1290).
11
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO wäre auch dann nicht zu gewähren, wenn man den Vortrag der Klägerseite so verstünde, dass dem Kläger die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail nicht bekannt gewesen sei und er sich deshalb im Rechtsirrtum befunden habe. Es fehlt insoweit bereits an der Darlegung entsprechender Tatsachen innerhalb der in § 110 Abs. 2 Satz 1 AO festgesetzten Monatsfrist. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf dieser Antragsfrist ist unzulässig (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VI B 101/01, nicht veröffentlicht).
12
3. Die Einspruchsfrist ist nicht gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe der Bescheide verlängert worden, da die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 vollständig und richtig erteilt worden sind. Hinsichtlich der Anforderungen an die Form der Einspruchseinlegung reicht es insoweit aus, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergeben.
13
a) Die Rechtsbehelfsbelehrung muss dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes –GG–; Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragen, soll aber auch so einfach und klar wie möglich sein (Senatsurteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455).
14
Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch –bei objektiver Betrachtung– die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (Senatsurteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; auch BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, jeweils m.w.N.).
15
b) Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch dann noch vollständig und richtig ist, wenn sie hinsichtlich der Form der Einlegung des Rechtsbehelfs nur den Wortlaut des Gesetzes –im Fall der Einlegung des Einspruchs also den des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO– wiederholt, und zwar auch in Bezug auf die Einlegung des Rechtsbehelfs per E-Mail. So stellte der III. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2010 III B 20/09 (BFH/NV 2010, 830) klar, dass die Rechtsbehelfsbelehrung richtig und vollständig sei, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO wiedergebe. Auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form brauche die Behörde auch dann nicht hinzuweisen, wenn in der Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile des Bescheides die konkludente Eröffnung eines „Zugangs“ i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO zu sehen sein sollte. Diese Rechtsprechung hat der III. Senat in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2012 III B 66/12 (BFH/NV 2013, 177) bestätigt.
16
In seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 127/12 (BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) hat sich der I. Senat des BFH dieser Rechtsprechung angeschlossen. Nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont sei bei Wiederholung des Wortlautes des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO kein unrichtiger bzw. missverständlicher Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt worden. Das FA sei weder gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) zu geben, ebenso wie es umgekehrt nicht gehalten sei, angesichts der ergänzenden Regelung des § 87a AO einen Hinweis, der sich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO beschränke, zu unterlassen. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO sei nicht geeignet, bei einem „objektiven“ Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht. Der Hinweis auf die „Schriftlichkeit“ entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wirke weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend. Der Betroffene werde in die Lage versetzt, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter „schriftlich“ aufzufassen sei, angesichts der technischen Weiterentwicklungen zu modifizieren sei.
17
c) Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des I. und III. Senats an und knüpft hierbei an seine Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 an, die es ausreichen lässt, dass die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Berechnung der Einspruchsfrist den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen wiedergibt.
18
aa) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst ist hiernach nicht (zwingend) zu belehren.
19
Allerdings muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064, unter II.2.a, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Maßstäben, die der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 aufgestellt hat (s.o. unter 3.a).
20
bb) Der Senat hat gerade mit Rücksicht auf die im Interesse des Steuerpflichtigen liegende Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung in dieser Entscheidung zu einem Fall, in dem die Frage des Fristbeginns in Rede stand, ausgeführt (unter II.2.c d), es sei ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte. Letzteres setze nach allgemeiner Meinung nicht voraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen wäre. Vielmehr genüge eine abstrakte Belehrung anhand des Gesetzestextes über die vorgeschriebene Anfechtungsfrist. Die konkrete Berechnung sei den Beteiligten überlassen. Auf sämtliche Modalitäten könne kaum hingewiesen werden.
21
cc) Es besteht keine Veranlassung, bei Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO sind, höhere Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung sind.
22
Die Frist ist eine solche Pflichtangabe. Wenn es aber selbst zu der –im Einzelfall sehr komplizierten– Berechnung der Frist ausreicht, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, so muss dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind.
23
Das bedeutet für die Form der Einspruchseinlegung, dass es genügt, den Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich des § 357 Abs. 1 AO, wiederzugeben. Dies ist in den Bescheiden vom 30. März 2011 unstreitig geschehen.

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.10.2012, III B 66/12

Rechtsbehelfsbelehrung muss nicht auf Möglichkeit der Einspruchseinlegung durch E-Mail hinweisen – Keine Besorgnis der Befangenheit wegen salopper Formulierungen des Richters – Darlegung einer Divergenz

Tatbestand

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I. Die damals verheiratete Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt aufgrund eines Festsetzungsbescheids vom 16. April 2004 für ihre im März 1981 geborene Tochter und ihren Sohn ab Oktober 2002 laufend Kindergeld ausgezahlt. Nachdem die damals zuständige Familienkasse X mehrfach erfolglos versucht hatte, der Klägerin unter der von ihr benannten Anschrift (A-Straße, B-Stadt) Schreiben zuzusenden, und auch Anfragen beim Einwohnermeldeamt keine andere Adresse ergaben, hob sie mit Bescheid vom 15. April 2008 die Kindergeldfestsetzung ab November 2003 auf und forderte das für den Zeitraum November 2003 bis Oktober 2007 bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 7.392 EUR von der Klägerin zurück. Der Bescheid enthielt keine E-Mail-Adresse der Familienkasse, war mit der üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde öffentlich zugestellt.
2
Am 2. Oktober 2008 ging bei der Familienkasse X eine Mitteilung der Klägerin ein, wonach sich ihre Anschrift geändert habe (C-Straße, D-Stadt) und sie nunmehr getrennt lebe. Zudem legte die Klägerin eine Studienbescheinigung der Tochter vor, aus der sich ergab, dass die Tochter vom Wintersemester 2005/2006 bis zum Wintersemester 2008/2009 durchgehend immatrikuliert war. Am 15. April 2009 ging bei der inzwischen zuständig gewordenen Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ein Kindergeldantrag der Klägerin für beide Kinder und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen der Tochter in den Jahren 2007 und 2008 ein.
3
Mit Bescheid vom 7. Mai 2009 lehnte die Familienkasse den Antrag u.a. wegen der Bestandskraft des –in Kopie beigefügten– Bescheids vom 15. April 2008 ab. Der Bescheid enthielt im Briefkopf die Angabe der E-Mail-Adresse der Familienkasse und war mit der üblichen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Den gegen beide Bescheide gerichteten Einspruch vom 17. September 2009 verwarf die Familienkasse mit Einspruchsentscheidungen vom 23. November 2009 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig.
4
In dem gegen beide Bescheide gerichteten Klageverfahren führte der zuständige Berichterstatter einen Erörterungstermin durch. Den auf Äußerungen in diesem Termin gestützten Befangenheitsantrag wies das Finanzgericht (FG) ohne Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters mit Beschluss vom 24. Januar 2012 als unbegründet zurück. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.
5
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe

6
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
8
a) Ein solcher Verfahrensmangel ergibt sich nicht aus der Rüge, das FG habe unter Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 47 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter Teilnahme eines Richters, der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sei, mündlich verhandelt und entschieden.
9
Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen –d.h. auch die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs– können gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Sie unterliegen deshalb gemäß § 124 Abs. 2 FGO nicht der Prüfung im Revisionsverfahren; anderes gilt nur dann, wenn die unberechtigte Ablehnung eines Befangenheitsantrages die Vorenthaltung des gesetzlichen Richters zur Folge hat, was nur bei einer greifbar gesetzwidrigen, d.h. willkürlichen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages der Fall ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. Januar 2010 I B 83/09, BFH/NV 2010, 913, m.w.N; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 6, m.w.N.).
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b) Im Streitfall sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin aus willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen wurde.
11
aa) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund besteht, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus –jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung– davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen, sondern unsachlich oder willkürlich entscheiden. Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2001 IV B 118/00, BFH/NV 2001, 1431, m.w.N.). Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen.
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bb) Das FG hat bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Klägerin sowohl die Darstellung der Prozessbevollmächtigten zu den zur Ablehnung führenden Äußerungen des Berichterstatters im Erörterungstermin als auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters hierzu in Betracht gezogen. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung ergibt sich hieraus nicht.
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Die Befangenheit des abgelehnten Richters beruht nach Auffassung der Klägerin darauf, dass der Richter im Erörterungstermin auf das Angebot, das Vorbringen der Klägerin eidesstattlich zu versichern, erklärt habe: „Ich muss ja nicht alles glauben.“ Zudem habe er vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nach einem erneuten Umzug ihre neue Anschrift nicht mitgeteilt habe, geäußert, dass sie es mit solchen Dingen und insbesondere mit Fristen nicht sehr genau nehme.
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Das von der Klägerin daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch wurde ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen. Der Berichterstatter hatte in seiner dienstlichen Äußerung hierzu im Wesentlichen erklärt, er habe mit seinen Bemerkungen darauf aufmerksam machen wollen, dass es zum einen auf den genauen Inhalt einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ankäme und zum anderen keine ausnahmslose Bindung des Gerichts an diese bestehe. Ferner sei das Verhalten der Klägerin im Prozess im Hinblick auf die strittigen Punkte der Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung und der behaupteten rechtzeitigen Einspruchseinlegung zur Sprache gekommen.
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Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Prozessförderungspflicht des Berichterstatters im vorbereitenden Verfahren (§ 76 Abs. 2 FGO) erscheint das vom FG gefundene Ergebnis, dass die Äußerungen des Berichterstatters die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung nicht überschritten haben und insbesondere keinen evident unsachlichen Inhalt hatten, jedenfalls nicht willkürlich.
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2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da die Beschwerde insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.
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a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH „erfordert“. Die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung bildet neben dem Erfordernis der Sicherung der Rechtseinheit eine eigenständige Voraussetzung für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (Senatsbeschluss vom 29. März 2012 III B 94/10, BFH/NV 2012, 1147, m.w.N). Denn das Allgemeininteresse an einer Entscheidung des BFH wird bei vorliegender Divergenz nicht kraft Gesetzes vermutet, sondern ist bei der Entscheidung über die Zulassung gesondert zu prüfen (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 65). Macht der Beschwerdeführer geltend, dass die angegriffene FG-Entscheidung von der Entscheidung eines anderen FG abweicht, ist daher im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen eine Entscheidung des BFH erforderlich ist (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 198).
18
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie legt zwar dar, dass das FG in der angefochtenen Entscheidung einen von der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 24. November 2011  10 K 275/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 292) abweichenden Rechtssatz formuliert habe. Sie setzt sich jedoch nicht mit der Frage auseinander, ob und inwieweit die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang steht. Da die angefochtene Entscheidung von den durch die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 2. Februar 2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830) aufgestellten Rechtsgrundsätzen ausgeht, wonach eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung des § 357 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie der Fristdauer informiert, ausreichend ist, und die Divergenzentscheidung bereits dem BFH in einem anderen Verfahren (Az. des anhängigen Verfahrens: X R 2/12) zur Prüfung vorliegt, hätte die Klägerin im Einzelnen darlegen müssen, weshalb gleichwohl eine Entscheidung des BFH zur Sicherung der Rechtseinheit erforderlich ist.
19
Nicht ausreichend ist insoweit der Vortrag, der BFH habe in der Entscheidung in BFH/NV 2010, 830 nur über die Frage zu entscheiden gehabt, ob die Angabe einer Internetadresse eine geänderte Rechtsbehelfsbelehrung notwendig mache, während im vorliegenden Fall im Bescheid eine E-Mail-Adresse genannt worden sei. Denn aus den Gründen des Senatsbeschlusses in BFH/NV 2010, 830 ergibt sich, dass der Senat die Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Rechtsbehelfsbelehrung vor dem Hintergrund der –unterstellten– Eröffnung des elektronischen Zugangs beurteilt hat. Entscheidungserheblicher Sachverhalt war daher nur der Umstand, dass ein elektronischer Zugang –möglicherweise– eröffnet wurde, nicht dagegen wie dies gegebenenfalls geschehen ist.
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3. Die Revision ist schließlich auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.
21
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine Familienkasse, die in einem Bescheid auf ihre E-Mail-Adresse hinweist, in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids darauf hinweisen muss, dass auch per E-Mail Einspruch eingelegt werden kann.
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Entsprechend den Ausführungen des Senats im Beschluss in BFH/NV 2010, 830 ist diese Frage jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung aus dem Gesetz ergibt. Nach § 157 Abs. 1 Satz 3 AO hat eine Belehrung darüber zu erfolgen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die –wie im Streitfall– den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung des § 357 Abs. 1 AO wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie der Fristdauer informiert, ist ausreichend (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455, m.w.N.). Auf die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung in elektronischer Form brauchte die Familienkasse somit auch dann nicht hinzuweisen, wenn sie durch Angabe einer E-Mail-Adresse konkludent einen „Zugang“ i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO eröffnet hat.

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