Inflationsrate im März 2023 voraussichtlich +7,4 %

Die Inflationsrate in Deutschland wird im März 2023 voraussichtlich +7,4 % betragen. Gemessen wird sie als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat. Nachdem die Inflationsrate im Januar und Februar 2023 jeweils bei +8,7 % gelegen hatte, fällt die Inflationsrate nun deutlich niedriger aus. Wie das Statistische Bundesamt nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber Februar 2023 voraussichtlich um 0,8 %.

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie und Nahrungsmittel merklich angestiegen und haben die Inflationsrate erheblich beeinflusst. Im März 2023 stiegen die Preise für Nahrungsmittel im Vergleich zum Vorjahresmonat mit +22,3 % weiterhin überdurchschnittlich. Dagegen verlangsamte sich der Anstieg der Energiepreise, die im März 2022 im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine sprunghaft gestiegen waren, mit +3,5 % deutlich (Februar 2023: +19,1 % gegenüber Februar 2022). Neben diesem Basiseffekt infolge des hohen Indexstands im März 2022 trugen auch die Maßnahmen des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung, die im Verbraucherpreisindex abgebildet werden, zu dieser Entwicklung bei.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 30.03.2023

BFH: EuGH-Vorlage zur Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einer Biogas-Anlage

Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung von Art. 16 und Art. 74 MwStSystRL zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich um die „Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen … als unentgeltliche Zuwendung“ i. S. von Art. 16 MwStSystRL, wenn ein Steuerpflichtiger Wärme aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt (hier: Zuwendung von Wärme aus dem Blockheizkraftwerk eines Stromlieferanten an ein landwirtschaftliches Unternehmen zum Beheizen von Spargelfeldern)? Kommt es hierfür darauf an, ob der steuerpflichtige Empfänger die Wärme für Zwecke verwendet, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen?
  2. Schränkt der Tatbestand der Entnahme (Art. 16 MwStSystRL) den Selbstkostenpreis i. S. des Art. 74 MwStSystRL in der Weise ein, dass bei seiner Berechnung nur vorsteuerbelastete Kosten einzubeziehen sind?
  3. Gehören zum Selbstkostenpreis nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten oder auch nur mittelbar zurechenbare Kosten wie z. B. Finanzierungsaufwendungen?

Quelle: BFH, Beschluss XI R 17/20 vom 22.11.2022

BFH: Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand

Leitsatz

  1. Hat das FA in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätte einbezogen werden dürfen, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids ist nicht möglich.
  2. Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
  3. Der BFH kann über die Entscheidung des FG hinaus zu Lasten des Revisionsklägers in der Sache entscheiden, wenn die Entscheidung eine unvermeidbare Folge einer prozessual gebotenen Aufhebung des angefochtenen Urteils und der erneuten Entscheidung über den Klageantrag ist.

Quelle: BFH, Urteil II R 40/20 vom 14.12.2022

Gesetzliche Neuregelungen April 2023

Energiesicherheit ohne Atomkraftwerke

Die letzten Atomkraftwerke werden abgeschaltet. Verwaltungsgerichtsverfahren für große Infrastrukturprojekte werden beschleunigt. Alle Corona-Schutzmaßnahmen entfallen. Vereinssitzungen können ohne Bestimmung in der Satzung hybrid oder virtuell stattfinden. Die gesetzlichen Neuregelungen im April 2023 im Überblick.

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Letzte Kernkraftwerke abgeschaltet

Zum 15. April 2023 werden die letzten Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die für das Jahresende 2022 geplante Abschaltung wurde auf Mitte April verschoben, um Engpässen in der Energieversorgung vorzubeugen. Damit die Versorgung im kommenden Winter gesichert ist, bezieht Deutschland nun viel Gas aus Nordwesteuropa.

Infrastrukturausbau

Schnellere Verwaltungsgerichtsverfahren für große Infrastrukturprojekte

Die Gerichtsverfahren zu großen Infrastrukturprojekten erhalten Vorrang und werden effizienter. Klar korrigierbare Mängel werden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, des Ausbaus von Gas- und Stromleitungen sowie von Flüssiggasterminals oder des Schienennetzes nicht mehr aufhalten.

Gesundheit

Corona-Schutzmaßnahmen entfallen vollständig

Am 7. April entfallen alle Corona-Schutzmaßnahmen. Das heißt: Auch beim Besuch eines Krankenhauses, Pflegeheimes oder beim Reisen muss keine FFP2-Maske mehr getragen werden

Vereinsrecht

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen künftig einfacher möglich

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen sind schon nach bisherigem Recht möglich. Allerdings ist dafür in der Regel eine entsprechende Bestimmung in der Vereinssatzung notwendig. Diese Notwendigkeit entfällt mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht.

Quelle: Bundesregierung, Mitteilung vom 30.03.2023

Bürokratieabbau: Kommission will grenzüberschreitende Geschäfte weiter vereinfachen

Die EU-Kommission will bürokratische Hürden für grenzüberschreitend tätige Unternehmen weiter reduzieren. Dazu hat sie eine Richtlinie vorgeschlagen, die es Gesellschaften erleichtern soll, die Nutzung digitaler Werkzeuge und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht auszuweiten. EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte zu dem Vorschlag: „Er wird grenzüberschreitende Verfahren für Unternehmen, Unternehmensregister und Behörden erheblich vereinfachen. Insbesondere wird das EU-Gesellschaftszertifikat den Unternehmen ermöglichen, Behörden und Interessenträgern in der gesamten EU auf einfache und zuverlässige Art wesentliche Informationen über ihr Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Es wird in allen EU-Sprachen verfügbar und in allen Mitgliedstaaten anerkannt sein. Durch die Abschaffung der Notwendigkeit der Apostille wird ein weiteres erhebliches Hindernis für Unternehmen beseitigt.“

Der Vorschlag wird zur weiteren Digitalisierung des Binnenmarkts beitragen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen, in der EU geschäftlich tätig zu werden. Dank des vorgeschlagenen EU-Gesellschaftszertifikats oder der Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Erfassung sollen jährlich etwa 437 Millionen Euro an Verwaltungskosten eingespart werden.

Abbau von Bürokratie und Verwaltungsaufwand

Zum Abbau von Bürokratie und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für grenzüberschreitend tätige Unternehmen werden unter anderem folgende Vorschriften vorgeschlagen:

  • Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Erfassung, damit Unternehmen bei der Errichtung einer Zweigniederlassung oder eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat nicht erneut Informationen übermitteln müssen. Die einschlägigen Informationen können über das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (BRIS) ausgetauscht werden;
  • Ein EU-Gesellschaftszertifikat mit grundlegenden Informationen über Unternehmen, das kostenlos in allen EU-Sprachen verfügbar sein wird;
  • Eine mehrsprachige Standardvorlage für eine digitale EU-Vollmacht, mit der eine Person zur Vertretung eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat ermächtigt wird;
  • Beseitigung von Formalitäten wie der Notwendigkeit einer Apostille oder beglaubigter Übersetzungen von Unternehmensdokumenten.

Verbesserung der Transparenz und des Vertrauens in grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten

Mit dem Vorschlag werden die bestehenden EU-Vorschriften für Gesellschaften (Richtlinie (EU) 2017/1132) aktualisiert, um sie an die digitalen Entwicklungen und neuen Herausforderungen anzupassen und Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt zu fördern.

Zur Erhöhung der Transparenz und des Vertrauens in die Unternehmen sollen die vorgeschlagenen Vorschriften

  • sicherstellen, dass wichtige Gesellschaftsinformationen (z. B. über Personengesellschaften und Konzerne) insbesondere auf EU-Ebene über das BRIS öffentlich zugänglich sind;
  • die Suche nach Informationen über Unternehmen in der EU erleichtern, indem eine Suche über BRIS und gleichzeitig über zwei weitere EU-Systeme ermöglicht wird, die die nationalen Register wirtschaftlicher Eigentümer und Insolvenzregister miteinander verknüpfen;
  • die Richtigkeit, Zuverlässigkeit und Aktualität der Daten in Unternehmensregistern gewährleisten, z. B. durch Überprüfung von Gesellschaftsinformationen vor ihrer Eintragung in Unternehmensregister in allen Mitgliedstaaten.

Weiteres Vorgehen

Der Vorschlag wird nun vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert. Es wird vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Richtlinie binnen zwei Jahren in nationales Recht umsetzen müssen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 29.03.2023

Schneller zum Recht: Einfachere Klagemöglichkeiten für Verbraucher und Entlastung der Justiz

Das Bundeskabinett hat heute den von dem Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann vorgelegten Regierungsentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie beschlossen.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:

„Der Weg für die neue Abhilfeklage ist frei! Das ist eine gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher, denn sie kommen künftig noch schneller zu ihrem Recht. Im Erfolgsfall sollen sie das ihnen zustehende Geld bereits im Rahmen der Abhilfeklage erhalten und dafür nicht noch einmal vor Gericht ziehen müssen. Die Justiz soll dadurch im Bereich der Massenverfahren spürbar entlastet werden. Sie wird außerdem davon profitieren, dass wir das bereits erprobte und bewährte Modell der Musterfeststellungsklage bei der Umsetzung der Richtlinie beibehalten und weiterentwickelt haben.

Auch die Unternehmen erhalten mit dem Entwurf die nötige Rechtssicherheit. Sie müssen sich darauf einstellen können, wie hoch die Summe der Ansprüche ist, über die in einem Verfahren verhandelt wird. Der Entwurf sieht daher angemessene zeitliche Grenzen vor, in denen man seinen Anspruch geltend machen muss.

Alles in allem schaffen wir so einen ausgeglichenen und effektiven Rechtsrahmen, der die Verbraucherrechte stärkt, die Justiz entlastet und den Unternehmen die nötige Rechtssicherheit bietet.“

Das Kernstück des Gesetzentwurfs ist das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG). Es bündelt die bisher in der Zivilprozessordnung (ZPO) enthaltenen Regelungen über die Musterfeststellungsklage und entwickelt sie fort.

Die Einführung einer neuartigen Klageform – die Abhilfeklage – stärkt die Verbraucherrechte und soll die Justiz entlasten. Sie erlaubt Verbraucherverbänden, gleichartige Leistungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen ein Unternehmen unmittelbar gerichtlich einzuklagen. Dieses neue Instrument kann beispielsweise bei Entschädigungsansprüchen wegen der Annullierung desselben Fluges oder bei Zinsnachzahlungsansprüchen wegen einer massenhaft verwendeten unwirksamen Vertragsklausel eines Geldinstituts zur Anwendung kommen.

Um Klagen unseriöser Verbände zu verhindern, sind besonders qualifizierte Einrichtungen zur Klage berechtigt, auch aus anderen Mitgliedstaaten der EU. Dabei müssen die Verbände Ansprüche von mindestens 50 Betroffenen vertreten. Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Ansprüche, auf die sich die jeweilige Abhilfeklage bezieht, in einem Verbandsklageregister anmelden. Sie müssen also nicht selbst klagen und profitieren unmittelbar von dem Verfahren: Ihnen zustehende Beträge werden im Erfolgsfall von einem Sachwalter direkt an sie ausgezahlt.

Kleine Unternehmen werden im Gesetzentwurf Verbraucherinnen und Verbrauchern gleichgestellt, d. h. auch sie profitieren von der Abhilfeklage. Mit dem Entwurf wird zugleich die Justiz gestärkt, da sie von massenhaften Einzelklagen entlastet wird.

Der Entwurf sieht darüber hinaus folgende Regelungen vor:

  • Die Bestimmungen der Verbandsklagenrichtlinie, die auf Unterlassungsentscheidungen gerichtet sind, werden im Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) umgesetzt.
  • Der Entwurf enthält zudem Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Künftig werden einstweilige Verfügungen und Klagen von qualifizierten Verbraucherverbänden und qualifizierten Einrichtungen, mit denen Unterlassungsansprüche nach dem UKlaG oder nach dem UWG durchgesetzt werden, verjährungshemmende Wirkung für Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern haben.
  • Flankierend zur Umsetzung der Verbandsklagenrichtlinie sieht der Entwurf Regelungen vor, durch welche die Durchsetzung des Gewinnabschöpfungsanspruchs nach § 10 UWG erleichtert werden soll.
  • Außerdem sieht der Entwurf eine Regelung zur Entlastung von mit Massenverfahren befassten Gerichten vor. Die in § 148 ZPO vorgesehenen Aussetzungsmöglichkeiten werden erweitert, um zeitraubende parallele Sachverständigenbegutachtungen zu identischen Fragestellungen zu vermeiden und die Verfahren dadurch effizienter führen zu können.

Die gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie müssen am 25. Juni 2023 in Kraft treten.

Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 29.03.2023

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG für Umsätze aus der Aufnahme und Verpflegung von Begleitpersonen und der Verpflegung von Mitarbeitern

Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 16. Dezember 2015, XI R 52/13

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I. Rechtsprechung

1 Mit Urteil vom 16. Dezember 2015 – XI R 52/13, BStBl II 202X S. XXX1, hat der BFH entschieden, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die als gesetzlicher Träger der Sozialversicherung im Rahmen der von ihr betriebenen Rehabilitationskliniken ohne medizinische Notwendigkeit Begleitpersonen von Patienten gegen privatrechtlich vereinbartes gesondertes Entgelt unterbringt und verpflegt sowie an ihre Mitarbeiter entgeltliche Verpflegungsleistungen erbringt, insoweit unternehmerisch tätig ist und in der Folge umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführt, wenn die genannten Leistungen für die Tätigkeiten in den Rehabilitationskliniken nicht unerlässlich oder dazu bestimmt sind, den Rehabilitationskliniken zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

2 Im Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 27.02.2023 – III C 2 – S 7220/22/10002 :010, BStBl I Seite 351, geändert worden ist, wird Abschnitt 4.15.1 wie folgt gefasst:

„4.15.1. Sozialversicherung, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe, Kriegsopferversorgung

(1) 1Nach § 4 Nr. 15 Buchstabe a und b UStG sind in unionsrechtskonformer Auslegung von Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL nur die Umsätze der in § 4 Nr. 15 UStG genannten Unternehmer untereinander und an die Versicherten steuerfrei, bei denen es sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handelt. 2Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, dass diese aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung bewirkt werden.

(2) Nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 15 Buchstabe b UStG fallen Leistungen, die außerhalb eines bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses erbracht werden, sowie Tätigkeiten, die für die Einrichtung nicht unerlässlich oder dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen zu verschaffen (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 – XI R 52/13, BStBl II 202X S. XXX).“

Anwendungsregelung

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Schlussbestimmungen

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Fußnote

1Das Urteil wird zeitgleich mit diesem Schreiben im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7171 / 19 / 10002 :001 vom 24.03.2023

Mindestlohnentwicklung: Deutliche Fortschritte, aber kein Grund, sich zurückzulehnen

„Mit der strukturellen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde ist Deutschland einen großen Schritt in Richtung eines angemessenen Mindestlohnniveaus im Sinne der Europäischen Mindestlohnrichtlinie gegangen“ – es bleibt aber Luft nach oben, wenn eine existenzsichernde Untergrenze erreicht und gehalten werden soll. Zu diesem Ergebnis kommen Arbeitsmarktexperten der Hans-Böckler-Stiftung in einer neuen Stellungnahme für die Mindestlohnkommission. Die berät in den kommenden Monaten über die nächste Anpassung des Mindestlohns zum 1. Januar 2024. Der jüngste Fortschritt sei kein Grund, sich zurückzulehnen und mit dem Status quo zufriedenzugeben, analysieren die Forschenden. Nach der jüngsten außerordentlichen Erhöhung gelte es, den Mindestlohn dauerhaft auf ein angemessenes Niveau zu bringen. Außerdem dürfe es angesichts der aktuell hohen Preissteigerungen keine Verschnaufpause geben. Und schließlich sind trotz des jüngsten Anstiegs noch nicht die in der EU-Mindestlohnrichtlinie genannten Referenzwerte erreicht: 50 Prozent des durchschnittlichen oder 60 Prozent des mittleren Lohns, des Medianlohns, würden aktuell 13,16 Euro beziehungsweise 13,53 Euro entsprechen, haben die Fachleute des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) berechnet.

Was der Mindestlohn bisher bewirkt hat

Die Arbeitsmarktexperten fassen in ihrer Analyse die bisherigen Erfahrungen mit Einführung und Erhöhungen der gesetzlichen Lohnuntergrenze zusammen. Dabei erinnern sie auch daran, dass „die von vielen befürchteten negativen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt ausgeblieben“ sind, nachdem der Mindestlohn 2015 eingeführt worden war. In den Folgejahren beschloss die für Anpassungen zuständige Mindestlohnkommission mäßige Erhöhungen, die zeitverzögert die Entwicklung der Tariflöhne nachzeichneten. So stieg der gesetzliche Mindestlohn von ursprünglich 8,50 Euro bis 2021 auf 9,60 Euro. Seitdem hat er mit zwei Zwischenstufen um 25 Prozent zugelegt und beträgt derzeit 12 Euro. Damit kommt er zum ersten Mal „in die Nähe der Niedriglohnschwelle“, die das Statistische Bundesamt für 2022 mit 12,50 Euro angibt. Die Anhebung verbesserte für rund sechs Millionen Beschäftigte die Bezahlung – das waren deutlich mehr als bei der Einführung 2015.

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Mindestlohnbereich haben durch die jüngste Erhöhung im Schnitt 100 Euro mehr im Monat, Minijobberinnen und Minijobber 50 Euro. Die Löhne und Gehälter in den unteren Zehnteln der Verteilung stiegen überdurchschnittlich. Der Mindestlohn habe statistischen Erhebungen zufolge „sehr ausgeprägte Effekte“, was die Lohnentwicklung betrifft, schreiben die Experten Prof. Dr. Alexander Herzog-Stein, Dr. Malte Lübker, Dr. Toralf Pusch, Prof. Dr. Thorsten Schulten und Dr. Andrew Watt.

Dabei machte die gesetzliche Untergrenze Tarifverhandlungen in Niedriglohnbranchen keineswegs überflüssig, sondern sie habe im Gegenteil den zumeist eher schwach organisierten Tarifvertragsparteien in den Niedriglohnbranchen geholfen, „eine notwendige Aufwertung des Tariflohnniveaus gegenüber anderen Branchen voranzutreiben“. Zudem wirke der Mindestlohn gesamtwirtschaftlich stabilisierend, was etwa die Überwindung der Coronakrise erleichtert habe.

Die neue EU-Richtlinie zum Mindestlohn

Im Oktober 2022 ist eine neue EU-Richtlinie verabschiedet worden, um „die Angemessenheit der Mindestlöhne der Arbeitnehmer“ zu verbessern. Damit werden – auch für Deutschland verbindliche – anspruchsvollere Ziele formuliert. Während bei der Einführung 2015 hierzulande die recht niedrige Pfändungsfreigrenze als Orientierungspunkt galt, kommen nun weitere Kriterien ins Spiel: Der Mindestlohn soll Armut trotz Arbeit möglichst verhindern, den sozialen Zusammenhalt stärken, soziale Aufstiege erleichtern und das geschlechtsspezifische Lohngefälle verringern. Zu beachten sind laut der Richtlinie bei der Festlegung:

  • die Kaufkraft des Mindestlohns unter Berücksichtigung der Preissteigerungen
  • das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung
  • die Wachstumsrate der Löhne
  • die langfristige Entwicklung der Produktivität

Explizit werden zudem die „auf internationaler Ebene üblichen Referenzwerte“ von 50 Prozent des Durchschnitts- oder 60 Prozent des Medianlohns genannt.

Als besonders dringlich erscheint den Fachleuten von WSI und IMK aktuell die Berücksichtigung der Inflation – die Beschäftigte mit niedrigem Entgelt häufig noch härter trifft als Bessergestellte, wie der monatliche „Inflationsmonitor“ des IMK zeigt. Eine entsprechende Anpassung des Mindestlohns sollte mindestens einmal im Jahr erfolgen. Und ein weiterer Aspekt könnte eine Rolle spielen: nämlich inwieweit der Mindestlohn reicht, um Altersarmut zu vermeiden. Derzeit wären beispielsweise 13,37 Euro nötig, damit eine Person, die 40 Jahre 38,5 Stunden in der Woche zum Mindestlohn arbeitet, einen Rentenanspruch oberhalb der Grundsicherung erwirbt.

In jedem Fall ist es laut WSI und IMK in Zukunft keine Option mehr, den Mindestlohn wie in der Vergangenheit einfach mit gewissem Zeitverzug den Tariflöhnen folgen zu lassen. Vielmehr sei der Auftrag der Mindestlohnkommission, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner sowie wissenschaftlichen Beratenden zusammensetzt, gesetzlich zu präzisieren. Dazu sollten die in der EU-Richtlinie genannten Kriterien ins deutsche Mindestlohngesetz übernommen werden.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 29.03.2023

EuG zur Gewährung einer Beihilfe für eine Fluggesellschaft im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Die Klage gegen den Beschluss, mit dem die EU-Kommission, die der Fluggesellschaft Blue Air von Rumänien im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gewährte Beihilfe genehmigt hat, wird in vollem Umfang abgewiesen.

Am 18. August 2020 teilte Rumänien der Europäischen Kommission eine Beihilfemaßnahme zugunsten der Fluggesellschaft Blue Air Aviation S. A. (im Folgenden: Blue Air) mit, die in Form eines zinsvergünstigten Darlehens über rund 62.130.000 Euro gewährt und durch den rumänischen Staat gesichert wurde.

Die mitgeteilte Maßnahme umfasste zwei verschiedene Beihilfen, die auf zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt waren, wobei jede Beihilfe jeweils einen bestimmten Betrag abdeckte. Bei der ersten handelte es sich um ein Darlehen in Höhe von 28.290.000 Euro als Ersatz für die Schäden, die Blue Air im Zeitraum vom 16. März bis zum 30. Juni 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie unmittelbar durch die Streichung und Verschiebung ihrer Flüge infolge der Einführung von Reisebeschränkungen entstanden waren (im Folgenden: Maßnahme zum Ersatz von Schäden). Die zweite Beihilfe betraf ein Darlehen in Höhe von 33.840.000 Euro zur teilweisen Deckung des durch die Betriebsverluste nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie entstandenen dringenden Liquiditätsbedarfs von Blue Air (im Folgenden: Rettungsbeihilfe).

Ohne Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV stellte die Kommission mit Bescheid vom 20. August 2020 1 fest, dass es sich bei der mitgeteilten Maßnahme um eine staatliche Beihilfe handele, deren beiden Teile mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Die Kommission erklärte die Maßnahme zum Ersatz von Schäden daher für gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV 2 mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Rettungsbeihilfe wurde gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV 3 in Verbindung mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (im Folgenden: Leitlinien) 4 für vereinbar erklärt.

Die von der Fluggesellschaft Wizz Air Hungary Zrt. gegen diesen Beschluss erhobene Nichtigkeitsklage wird von der Zehnten Kammer des Gerichts abgewiesen. Das Gericht bestätigt mit seinem Urteil das Ergebnis der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Vereinbarkeit der mitgeteilten Maßnahme mit dem Binnenmarkt.

Würdigung durch das Gericht

Erstens weist das Gericht den auf eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV gestützten Nichtigkeitsgrund zurück. Damit warf die Klägerin der Kommission u. a. vor, sie habe den Schaden, der Blue Air durch die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen entstanden sei, fehlerhaft bemessen.

Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nur Schäden, die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, ausgeglichen werden dürfen.

Daraus folgt, dass Beihilfen, die die von ihren Empfängern erlittenen Verluste übersteigen könnten, nicht unter Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV fallen. Weiter führt das Gericht aus, dass das schadensbegründende Ereignis, wie es im angefochtenen Beschluss festgestellt wurde, der entscheidende Grund für den durch die in Rede stehende Beihilfe zu beseitigenden Schaden sein und diesen unmittelbar verursacht haben muss.

Die Kommission musste also, um die Maßnahme zum Ersatz von Schäden für gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären zu dürfen, ein besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob die im Rahmen der COVID-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen wirklich der entscheidende Grund für den Schaden waren, der durch diese Maßnahme beseitigt werden sollte, oder ob vielmehr ein Teil dieses Schadens den bereits vorher bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air geschuldet war.

Im Hinblick auf diese Ausführungen weist das Gericht u. a. das Argument der Klägerin zurück, dass die Kommission den infolge der COVID-19-Pandemie erlittenen Schaden überbewertet habe, weil sie die Verluste nicht ausgenommen habe, die bereits vorher bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air geschuldet gewesen seien. Das Gericht präzisiert insoweit, dass die Kommission die tatsächliche finanzielle Lage von Blue Air mit einer kontrafaktischen Fallgestaltung, wie sie ohne die Reisebeschränkungen eingetreten wäre, verglichen und sich dabei auf die im Budget 2020 für den Zeitraum vom 16. März bis zum 30. Juni 2020 veranschlagten Einnahmen und Ausgaben gestützt habe. Für diese kontrafaktische Fallgestaltung berücksichtigte die Kommission die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air. Da sich diese Schwierigkeiten auch in den von Blue Air tatsächlich erzielten Ergebnissen widerspiegelten und folglich in beiden von der Kommission miteinander verglichenen Szenarien zum Ausdruck kamen, stellt das Gericht fest, dass sich die Auswirkungen bei der Berechnung des Schadens, der Blue Air durch die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen entstanden ist, gegenseitig aufhoben.

Zweitens weist das Gericht den Nichtigkeitsgrund zurück, der auf eine im Licht der Leitlinien fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gestützt wird. Die Klägerin machte insoweit u. a. geltend, die Kommission habe fälschlicherweise angenommen, dass die Rettungsbeihilfe ein Ziel von gemeinsamem Interesse im Sinne von Rn. 43 der Leitlinien verfolge. Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die mitgeteilte Beihilfe gemäß Rn. 43 der Leitlinien, damit sie nach diesen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden kann, insofern ein Ziel von gemeinsamem Interesse verfolgen muss, als sie soziale Härten verhindern oder ein Marktversagen beheben soll. Dafür spricht auch Rn. 44 dieser Leitlinien, wonach die Mitgliedstaaten nachweisen müssen, dass der Ausfall des begünstigten Unternehmens zu schwerwiegenden sozialen Härten oder zu schwerem Marktversagen führen würde, indem sie insbesondere nachweisen, dass die Gefahr einer Unterbrechung der Erbringung eines wichtigen Dienstes gegeben ist, der nur schwer zu ersetzen ist, wobei es für Wettbewerber schwierig wäre, die Erbringung der Dienstleistung einfach zu übernehmen.

Aus dem Beschluss der Kommission ergibt sich in Bezug auf die Frage, ob die von Blue Air erbrachte Dienstleistung wichtig ist, dass diese die Anbindung Rumäniens sicherstellte, da sie nationale und internationale Strecken flog und dabei auf zwei spezifische Gruppen von Fluggästen abzielte, die auf Billigflugverbindungen angewiesen seien, nämlich die lokalen Kleinunternehmen und die im Ausland lebenden rumänischen Bürgerinnen und Bürger. Nach Auffassung der Kommission wären die Luftverkehrsdienstleistungen von Blue Air zudem auch deshalb schwer zu ersetzen, weil die anderen Billigfluggesellschaften auf den meisten von Blue Air bedienten Strecken kaum oder gar nicht vertreten seien und Blue Air daher eine Nische besetze, die auf dem rumänischen Markt nicht von anderen Billigfluggesellschaften bedient werde.

Keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente vermag diese Feststellungen zu entkräften, weshalb das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Kommission zutreffend davon ausgegangen ist, dass im Fall eines Marktaustritts von Blue Air eine konkrete Gefahr bestünde, dass bestimmte als wichtig erachtete Beförderungsdienste für Fluggäste unterbrochen würden, die unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles schwer zu ersetzen gewesen wären, und daher die Beihilfe zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse beitrage.

Da auch die anderen von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe unbegründet waren, weist das Gericht die Klage insgesamt ab.

Fußnoten

1 Beschluss C(2020) 5830 final der Kommission vom 20. August 2020 betreffend die staatliche Beihilfe SA.57026 (2020/N) – Rumänien – COVID-19: Beihilfe zugunsten von Blue Air.
2 Gemäß dieser Bestimmung sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar.
3 Gemäß dieser Bestimmung können Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.
4 Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2014, C 249, S. 1).

Quelle: EuG, Pressemitteilung vom 29.03.2023 zum Urteil T-142/21 vom 29.03.2023

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin