BFH zur Organschaft im Umsatzsteuerrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei die Organschaft betreffenden Entscheidungen zum einen seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. Beide Entscheidungen sind nach Vorabentscheidung durch den EuGH ergangen.

Mit dem Urteil vom 18.01.2023 – XI R 29/22 (Az. XI R 16/18) – sieht der BFH die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft entgegen früheren Zweifeln weiterhin als unionsrechtskonform an. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) werden gewährleistet, da der BFH schon bisher die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 der Abgabenordnung für die Umsatzsteuer des Organträgers haftet.

Im Hinblick auf das Kriterium der Willensdurchsetzung ändert der BFH allerdings seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Für das Bestehen einer Organschaft ist zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Die finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert ist, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

Mit dem Beschluss vom 26.01.2023 – V R 20/22 (Az. V R 40/19) – soll geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist.

Nach einer vor einhundert Jahren vom Reichsfinanzhof begründeten Rechtsprechung, die später vom Gesetzgeber in das UStG übernommen wurde, unterliegen Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als „unselbstständiger“ Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbstständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z. B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, sodass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.

https://www.steuerschroeder.de/steuer/organschaft-erneute-eugh-vorlage-vom-26-januar-2023-v-r-20-22-v-r-40-19/

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 19/23 vom 23.03.2023 zum Urteil XI R 29/22 (XI R 16/18) vom 18.01.2023 und zum Beschluss V R 20/22 (V R 40/19) vom 26.01.2023

BFH zur Tarifierung von Vanille-Oleoresin und der Aromenbegriff im Branntweinsteuerrecht

Leitsatz

  1. Eine Ware bestehend aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand, bis zu 10 % (m/m) Wasser und mit einem durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m) ist als Vanille-Oleoresin in die Unterpos. 1302 19 05 KN einzureihen. Die Pos. 1302 KN ist gegenüber den Pos. 3301 und 3302 KN nicht subsidiär.
  2. Vanille-Oleoresin der Unterpos. 1302 19 05 KN ist als Aroma i. S. von § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG anzusehen, wenn es eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.

Quelle: BFH, Urteil VII R 6/22 (VII R 44/18) vom 27.09.2022

ifo-Präsident Fuest: Unternehmensteuern jetzt reformieren

Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, hat eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung gefordert. „Steuersenkungen heute können die Bedingungen für Investitionen so verbessern, dass später die Steuereinnahmen wachsen, weil die wirtschaftliche Tätigkeit produktiver wird“, schreibt Fuest in einem Aufsatz. „Die Ampelkoalition will zwar die Abschreibungsregeln verbessern. Jedoch greift die Beschränkung auf Investitionen für den Klimaschutz und digitale Güter zu kurz.“ Beschleunigte Abschreibungen würden die Finanzierung von Investitionen erleichtern, gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken.

Auch bei der Gewerbesteuer sieht Fuest massive Schwächen. Sie verkompliziere das Steuersystem unnötig und in Wirtschaftskrisen brächen die Einnahmen der Städte und Gemeinden regelmäßig ein. Die Kommunen müssten dann ihre Investitionen senken, was der gesamten Wirtschaft schade. „Eine Reform der Kommunalfinanzen wäre politisch schwer umzusetzen, doch gibt es überzeugende Konzepte“, schreibt Fuest.

Der Staat fördere auch Forschung und Entwicklung oft durch komplizierte Programme. „Sinnvoller wäre es, die weniger bürokratische steuerliche Forschungsförderung auszubauen.” Unternehmen sehen sich bei der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und dem demografischen Wandel erheblichen Investitionen und Risiken gegenüber.

Quelle: ifo Institut, Pressemitteilung vom 24.03.2023

Urteil im Prozess um Strom- und Gaspreiserhöhungen bei vertraglich zugesagten Preisgarantien

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg mit einer Unterlassungsklage gegen eine einseitige Preisanpassung als solche wenden. Dass die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, zur einseitigen Preisanpassung berechtigt zu sein, unrichtig ist, stellt keine Täuschung des Kunden dar. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Düsseldorf Erfried Schüttpelz entschieden (Urteil I-20 U 318/20 vom 23.03.2023).

Der Antragsteller, ein Verein der sich unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, nimmt im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein deutschlandweit tätiges Energieversorgungsunternehmen wegen irreführender Angaben sowie wegen unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Unterlassung in Anspruch (vgl. Pressemitteilung vom 09.03.2023). Das Landgericht Düsseldorf hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.11.2022 unter anderem untersagt, während des vereinbarten Zeitraums einer Preisfixierung einseitig eine Erhöhung des Strom- und/oder Gaspreises mitzuteilen (Az. 12 O 247/22). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat insoweit Erfolg. Zwar stand ihr nach der Auffassung des Senats ein Recht zur einseitigen Preiserhöhung, gestützt auf § 313 BGB nicht zu, weil der Gesetzgeber auf die „Gaskrise“ reagiert und in § 24 EnSiG ein spezialgesetzliches Preisänderungsrecht eingeführt hat, das die Anwendung des § 313 BGB verdrängt. Dass die Voraussetzungen des § 24 EnSiG nicht vorliegen, weil die Bundesnetzagentur nicht eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen festgestellt hat, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 24 EnSiG zu erkennen gegeben, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Versorger nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich ist.

Der Unterlassungsanspruch hat jedoch deswegen keinen Erfolg, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen unter anderem dann fehlt, wenn damit unmittelbar auf die Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Einfluss genommen werden soll. Damit scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung einer einseitigen Preisanpassung als solche gegenüber Kunden aus. Ohne eine derartige Gestaltungserklärung könnte die Antragsgegnerin das von ihr beanspruchte Recht nicht wahrnehmen und dessen Berechtigung im Verhältnis zu Kunden nicht klären. Im Übrigen handelt es sich bei der Preisanpassungserklärung auch nicht um eine täuschende Angabe.

Demgegenüber darf die Antragsgegnerin nicht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwenden, in der in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit und Preisfixierung ein beidseitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat eingeräumt wird. Eine solche Klausel führt zu einer vollständigen Aushöhlung der Preisgarantie und ist unwirksam. Insoweit hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht möglich, weil es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.

Quelle: OLG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 23.03.2023 zum Urteil I-20 U 318/20 vom 23.03.2023 (rkr)

Zentrale Aufsicht über registrierte Rechtsdienstleister ab 2025

Die Aufsicht über registrierte Rechtsdienstleister liegt ab 2025 zentral beim Bundesamt für Justiz. Sie löst die bisherige zersplitterte Aufsicht durch Landesjustizverwaltungen und Gerichte ab. Zudem werden unbefugte Rechtsdienstleistungen künftig mit Bußgeldern sanktioniert.

Nach dem Gesetz zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe wird die Aufsicht über registrierte Rechtsdienstleister ab dem 01.01.2025 zentral beim Bundesamt für Justiz (BfJ) liegen. Dazu zählen Inkassodienstleister – darunter auch viele Legal Tech-Unternehmen –, Rentenberaterinnen und -berater sowie Rechtsdienstleistende in einem ausländischen Recht. Die Aufsicht über sie war bislang auf fast 40 Stellen in den Landesjustizverwaltungen und an Gerichten der Länder verteilt. Neben der Registrierung und Aufsicht nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) obliegt dem BfJ künftig auch die Geldwäscheaufsicht für die betreffenden Dienstleister.

Das Gesetz wurde am 15.03.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die entsprechenden Regelungen insbesondere im RDG treten zum 01.01.2025 in Kraft. Die neue Aufsichtsstruktur im Bundesamt für Justiz wird bis dahin aufgebaut.

Mit dem Gesetz kommen zudem auch Anpassungen im anwaltlichen Berufsrecht. Diese sind bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten, also am 16.03.2023. Hierzu zählt insbesondere eine Klarstellung beim anwaltlichen Tätigkeitsverbot bei Vertretung widerstreitender Interessen. Wer im Rahmen der juristischen Ausbildung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei tätig war, unterliegt zwar später einem Tätigkeitsverbot bei Interessenkollision, dieses erstreckt sich aber – ebenso wie bei Referendarinnen und Referendaren – nicht auf die gesamte Sozietät.

Weitere Änderungen betreffen das Berufsrecht für Patentanwältinnen und -anwälte sowie die Regelungen zum besonderen elektronischen Postfach für Steuerberaterinnen und Steuerberater (beSt). Unter anderem sollen für Steuerberatungs-Berufsausübungsgesellschaften ebenfalls Gesellschaftspostfächer eingerichtet werden.

Quelle: BRAK, Mitteilung vom 22.03.2023

Recht auf Reparatur: EU-Kommission führt neue Verbraucherrechte für einfache und attraktive Reparaturen ein

Die Europäische Kommission hat am 22.03.2023 einen neuen Vorschlag für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren angenommen, der zu Einsparungen für die Verbraucher/innen führen und die Ziele des europäischen Grünen Deals u. a. durch die Verringerung des Abfallaufkommens unterstützen soll. In den letzten Jahrzehnten wurde bei fehlerhaften Produkten häufig der Ersatz gegenüber einer Reparatur bevorzugt, und den Verbraucherinnen und Verbrauchern wurden nach Ablauf der gesetzlichen Garantie keine ausreichenden Anreize für eine Reparatur der betreffenden Waren geboten. Mit dem Vorschlag wird es für Verbraucher/innen einfacher und kostengünstiger, Waren reparieren, statt sie ersetzen zu lassen. Darüber hinaus wird eine höhere Nachfrage den Reparatursektor ankurbeln und gleichzeitig Anreize für Hersteller und Verkäufer schaffen, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Mit dem Vorschlag wird sichergestellt, dass im Rahmen der gesetzlichen Garantie mehr Produkte repariert werden und dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern einfachere und kostengünstigere Optionen zur Reparatur von technisch reparierbaren Produkten (beispielsweise Staubsauger oder bald Tablets und Smartphones) zur Verfügung stehen, wenn die gesetzliche Garantie abgelaufen ist oder die Ware verschleißbedingt nicht mehr funktionsfähig ist.

Neue Maßnahmen zur Förderung und Erleichterung von Reparatur und Wiederverwendung

Mit dem Vorschlag wird sowohl innerhalb als auch außerhalb der gesetzlichen Garantie ein neues „Recht auf Reparatur“ für Verbraucher/innen eingeführt.

Im Rahmen der gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz.

Über die gesetzliche Garantie hinaus wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein neues Paket von Rechten und Instrumenten zur Verfügung stehen, um eine „Reparatur“ zu einer einfachen und verfügbaren Option zu machen:

  • Anspruch der Verbraucher/innen gegenüber Herstellern auf Reparatur von Produkten, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind, wie Waschmaschinen oder Fernsehgeräte. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich Verbraucher/innen jederzeit an jemanden wenden können, wenn sie sich für eine Reparatur ihres Produkts entscheiden. Zugleich sollen Hersteller angeregt werden, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln.
  • Verpflichtung der Hersteller zur Unterrichtung der Verbraucher/innen über die Produkte, die sie selbst reparieren müssen.
  • Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Kontaktaufnahme zu Reparaturbetrieben und Verkäufern instandgesetzter Waren in ihrer Region zu ermöglichen. Die Plattform soll Suchen nach Standorten und Qualitätsstandards ermöglichen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, attraktive Angebote zu finden, und die Sichtbarkeit von Reparaturbetrieben erhöhen.
  • Ein europäisches Formular für Reparaturinformationen, das die Verbraucher/innen von jedem Reparaturbetrieb verlangen können, wodurch Transparenz in Bezug auf die Reparaturbedingungen und den Preis geschaffen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern der Vergleich von Reparaturangeboten erleichtert wird.
  • Ein europäischer Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen wird entwickelt, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei zu helfen, Reparaturbetriebe zu ermitteln, die sich zu einer höheren Qualität verpflichten. Dieser Standard für eine „einfache Reparatur“ steht allen Reparaturbetrieben in der gesamten EU offen, die bereit sind, sich zu Mindestqualitätsstandards, etwa in Bezug auf die Lebensdauer oder die Verfügbarkeit von Produkten, zu verpflichten.

Nächste Schritte

Der Kommissionsvorschlag muss vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen werden.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 22.03.2023

Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ab dem 1. Januar 2023

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat durch Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2023 entschieden, dass ein durch einen Steuerberater nach dem 1. Januar 2023 lediglich per Fax eingereichter bestimmender Schriftsatz, im Streitfall die Bezeichnung des Klagebegehrens, nicht rechtswirksam ist.

Der Steuerberater war nach § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verpflichtet, den Schriftsatz als elektronisches Dokument zu übermitteln, da ihm spätestens seit dem 1. Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO „zur Verfügung steht“. Die Verpflichtung betrifft sämtliche bestimmende Schriftsätze. Hierzu gehören insbesondere die Klageschrift und andere Schriftsätze, mit denen eine für das Verfahren wesentliche Prozesshandlung vollzogen wird.

Der Senat stützt dieses Ergebnis darauf, dass die Bundessteuerberaterkammer durch § 86d Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) verpflichtet gewesen sei, über die Steuerberaterplattform für Steuerberaterinnen, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) einzurichten. Die Inhaberinnen und Inhaber des beSt seien wiederum nach § 86d Abs. 6 StBerG verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über dieses zur Kenntnis zu nehmen (passive Nutzungspflicht). Nach § 157e StBerG sei diese Regelung am 1. August 2022 in Kraft getreten und erstmals ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden.

Die Verpflichtung zur Nutzung des beSt knüpfe an diesen Einrichtungszeitpunkt an. Nach der Gesetzesbegründung sei dieser „auf Grund der noch erforderlichen technischen Umsetzung“ auf den 1. Januar 2023 bestimmt worden. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte mit diesem Zeitpunkt die passive, und gleichzeitig die aktive Nutzungspflicht beginnen.

Der Gesetzgeber habe sich mit guten Gründen dagegen entschieden, die Nutzungspflicht an ein anderes (unbestimmtes) Ereignis, wie z. B. die Erstanmeldung des Postfachinhabers oder den Erhalt des Registrierungsbriefes zu knüpfen. Eine Nutzungspflicht für jede Steuerberaterin und jeden Steuerberater zum 1. Januar 2023 sei zwingend erforderlich gewesen, um deren elektronische Erreichbarkeit sicherzustellen. Anderenfalls müssten die Gerichte gesonderte Listen über die jeweilige Erreichbarkeit führen, und u. U. in jedem Einzelfall den Erhalt des Registrierungsbriefs oder den Zeitpunkt der Erstregistrierung ermitteln. Dadurch würde die Wirkung des gesamten vorgesehenen Systems gefährdet.

Der Gesetzgeber habe ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die Einrichtung des beSt eingeräumt. Etwaige Organisationsmängel der Bundessteuerberaterkammer rechtfertigten keine Suspendierung des gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkts.

Eine die Ersatzeinrichtung in Papierform berechtigende, vorübergehende technische Störung i. S. des § 52d Sätze 3 und 4 FGO liege nicht vor, wenn ein zugelassener elektronischer Übermittlungsweg noch gar nicht eingerichtet worden sei. Es handele sich also nicht um ein technisches Problem bei der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt, sondern um einen strukturellen Mangel.

Schließlich liege auch keine (absolute) Unmöglichkeit vor, das beSt zu nutzen, weil für Steuerberaterinnen und Steuerberater, die aktiv mit den Finanzgerichten kommunizierten, bereits vor dem 1. Januar 2023 die Möglichkeit bestanden habe, über die sog. Fast Lane eine schnellere Einrichtung des beSt zu erreichen.Diese Nachricht anhören

Quelle: FG Niedersachsen, Mitteilung vom 22.03.2023 zum Gerichtsbescheid 7 K 183/22 vom 10.02.2023

Einkommensteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 und 4 EStG sowie § 22 Nr. 1a EStG

Dieses BMF-Schreiben regelt die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 und 4 sowie § 22 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Anwendungsregelung

Das Schreiben ist ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe im Bundessteuerblatt auf alle offenen Fälle anzuwenden und ersetzt das BMF-Schreiben vom 9. April 2010, BStBl I 2010 S. 323.

Das Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 3 – S-2221 / 19 / 10035 :001 vom 21.03.2023

Abgasskandal: EuGH zur Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen

Der Käufer eines Kraftfahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hat gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.

Neben allgemeinen Rechtsgütern schützt das Unionsrecht auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Das Landgericht Ravensburg (Deutschland) ist mit der Schadensersatzklage einer Privatperson (QB) gegen Mercedes-Benz Group befasst. Diese Klage ist auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den Mercedes-Benz Group dadurch verursacht haben soll, dass sie das von QB erworbene Dieselkraftfahrzeug mit einer Software ausgerüstet habe, mit der die Abgasrückführung verringert wird, wenn die Außentemperaturen unter einem bestimmten Schwellenwert liegen. Eine solche Abschalteinrichtung, die höhere Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen zur Folge habe, sei nach der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen verboten.

Im deutschen Recht kann bei einfacher Fahrlässigkeit ein Schadensersatzanspruch gegeben sein, wenn gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstoßen wurde. Daher fragt das deutsche Gericht den Gerichtshof, ob die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) in Verbindung mit der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie die Einzelinteressen eines individuellen Käufers eines solchen Fahrzeugs schützen. Was die Berechnung des QB eventuell geschuldeten Schadensersatzes betrifft, möchte das Landgericht Ravensburg außerdem wissen, ob es für die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist, dass eine Anrechnung von Nutzungsvorteilen auf diesen Schadensersatzanspruch unterbleibt oder nur in eingeschränktem Umfang erfolgt.

In seinem Urteil erläutert der Gerichtshof zunächst, dass es Sache des deutschen Gerichts ist, die Tatsachenfeststellungen zu treffen, die für die Feststellung erforderlich sind, ob die in Rede stehende Software als Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 einzustufen ist und ob ihre Verwendung gemäß einer der Ausnahmen gerechtfertigt werden kann, die diese Verordnung vorsieht1.

Was die Rechtsgüter betrifft, die neben dem allgemeinen Ziel, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, durch die Verordnung Nr. 715/2007 geschützt werden, berücksichtigt der Gerichtshof den weiteren Regelungsrahmen für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen innerhalb der Union, in den sich diese Verordnung einfügt. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass Fahrzeuge gemäß der Rahmenrichtlinie einer EG-Typgenehmigung bedürfen, die nur erteilt werden kann, wenn der Fahrzeugtyp den Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2007, insbesondere denen über Emissionen, entspricht. Darüber hinaus sind die Fahrzeughersteller nach der Rahmenrichtlinie verpflichtet, dem individuellen Käufer eine Übereinstimmungsbescheinigung auszuhändigen. Mit diesem Dokument, das u. a. für die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs vorgeschrieben ist, wird bestätigt, dass dieses Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht. Durch die Übereinstimmungsbescheinigung lässt sich somit ein individueller Käufer eines Fahrzeugs davor schützen, dass der Hersteller gegen seine Pflicht verstößt, mit der Verordnung Nr. 715/2007 im Einklang stehende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.

Diese Erwägungen führen den Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Rahmenrichtlinie eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellt, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt. Dementsprechend schützen nach Auffassung des Gerichtshofs die Bestimmungen der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit denen der Verordnung Nr. 715/2007 neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Die Mitgliedstaaten müssen daher vorsehen, dass der Käufer eines solchen Fahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat.

In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines Schadensersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen. Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass die nationalen Rechtsvorschriften es nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, für den dem Käufer entstandenen Schaden einen angemessenen Ersatz zu erhalten. Es kann auch vorgesehen werden, dass die nationalen Gerichte dafür Sorge tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt. Im vorliegenden Fall wird das Landgericht Ravensburg zu prüfen haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs durch QB diesem eine angemessene Entschädigung für den Schaden gewährleistet, der ihm tatsächlich durch den Einbau einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Abschalteinrichtung in sein Fahrzeug entstanden sein soll.

Fußnote

1 Vgl. hierzu die Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C-128/20 (siehe Pressemitteilung Nr. 124/22), und vom 17. Dezember 2020, CLCV u. a. (Abschalteinrichtung für Dieselmotoren), C-693/18 (siehe Pressemitteilung Nr. 170/20).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 21.03.2023 zum Urteil C-100/21 vom 21.03.2023

Fünf Jahre Beschwerdestelle „SEPA-Diskriminierung“

Wettbewerbszentrale zieht trotz konstanten Beschwerdeaufkommens positive Bilanz

Auch mehr als fünf Jahre nach Gründung der Beschwerdestelle „SEPA-Diskriminierung“ bearbeitet die Wettbewerbszentrale noch immer jährlich mehr als 100 Beschwerden über sog. IBAN-Diskriminierung. Damit bewegt sich das diesbezügliche Beschwerdeaufkommen weiterhin auf einem konstanten Niveau. Im Juni 2017 hatte die Wettbewerbszentrale auf Anregung ihrer Mitglieder in Abstimmung mit der BaFin und der Deutschen Bundesbank eine Beschwerdestelle gegen SEPA-Diskriminierung eingerichtet.

Was ist IBAN-Diskriminierung?

Unternehmen, die als Zahlungsmodalität das Lastschriftverfahren zum Einzug von Forderungen anbieten und verwenden, müssen nach der sog. SEPA-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 260/2012) den Lastschrifteinzug aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchführen lassen. Die Unternehmen sind also verpflichtet, den Einzug von Konten in der EU zuzulassen, die mit dem SEPA-Lastschriftverfahren erreichbar sind. Gleiches gilt auch für die Vornahme von Zahlungen. Lehnen die Unternehmen Konten im EU-Raum ab, so handelt es sich um sog. IBAN-Diskriminierung.

Verstöße in unterschiedlichen Branchen

Die Fälle von SEPA-Diskriminierung sind nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt. Ein Schwerpunkt liegt allerdings auf Versicherern, Energieversorgern, Verkehrsgesellschaften und der Telekommunikationsbranche. So haben sich gegenüber der Wettbewerbszentrale kürzlich ein Festnetz- und Mobilfunkanbieter sowie der französische Musikstreaming-Dienst „Deezer“ verpflichtet, künftig alle Konten im EU-Raum als Lastschriftkonten zu akzeptieren, nachdem die Wettbewerbszentrale nach Erhalt von Beschwerden gegen diese Praxis der betreffenden Anbieter vorgegangen war. „Gründe für die Ablehnung des Einzugs von EU-Konten bei Lastschriften durch die Unternehmen sind häufig der Einsatz von veralteten IT-Systemen oder nicht richtig geschulte Mitarbeiter in den Unternehmen“ kommentiert Dr. Fabio Schulze, Syndikusrechtsanwalt bei der Wettbewerbszentrale und dort zuständig für den Bereich Finanzmarkt, die Erfahrungen der Wettbewerbszentrale.

Eingeleitete Gerichtsverfahren

Nicht in allen Fällen sind die Unternehmer zu einer außergerichtlichen Einigung bereit. In durchschnittlich fünf Fällen pro Jahr erhebt die Wettbewerbszentrale Klage beim zuständigen Landgericht. In einem Fall hatte der Energieversorger E.ON abgelehnt, Abschlagszahlungen für die Lieferung von Strom bzw. Erdgas von einem litauischen Konto einzuziehen. In dem Verfahren hat das Landgericht München I (Az. 3 HK O 18493/21, Urteil vom 23.12.2022, nicht rechtskräftig) das Unternehmen verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen von Verträgen über die Erbringung von Energielieferungen die Möglichkeit zur Zahlung per Lastschrift von Konten im EU-Raum in der Weise einzuschränken, dass eine Abbuchung von einem Konto in Litauen abgelehnt wird. Das Unternehmen hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.

Auch Lottogewinne müssen auf SEPA-erreichbare Konten ausgezahlt werden

In einem Fall, in dem eine Lotteriegesellschaft Gutschriften nicht auf ausländische Konten seiner Kunden mit Wohnsitz in Deutschland auszahlen wollte, konnte die Wettbewerbszentrale jüngst außergerichtlich eine Einigung erzielen. Das Unternehmen hatte sich zunächst geweigert, Lottogewinne auf ausländische Bankkonten auszuzahlen. Eine Beschränkung auf deutsche Bankkonten war sogar in den AGB der Gesellschaft festgehalten. Nachdem die Wettbewerbszentrale dies moniert hatte, gab das Unternehmen eine entsprechende Unterlassungserklärung ab, in der es sich verpflichtete, Lottogewinne künftig auf sämtliche Konten im EU-Raum auszuzahlen und eine Beschränkung auch künftig nicht mehr in den AGB zu vereinbaren.

Fallzahlen in der Rechtsdurchsetzung rückläufig

Die Zahl der Fälle, in denen die Wettbewerbszentrale eine solche „SEPA-Diskriminierung“ im Wege einer Abmahnung beanstandet, ist zuletzt rückläufig. Während im Jahr 2017 noch in drei Viertel der Fälle eine förmliche Beanstandung erfolgte, sprach die Wettbewerbszentrale im Jahr 2022 nur noch bei etwa einem Drittel der Beschwerden eine entsprechende Beanstandung aus – eine positive Bilanz zur Arbeit der SEPA-Beschwerdestelle.

Quelle: Wettbewerbszentrale, Pressemitteilung vom 21.03.2023

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin