BFH zur Geschäftsführerhaftung: Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen

Leitsatz

Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.

Quelle: BFH, Beschluss VII R 23/19 vom 15.11.2022

BFH: Verfassungsmäßigkeit des Übergangsrechts zur Einführung der Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG mit Wirkung vom 01.01.2009

Leitsatz

Die durch § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG bewirkte Einbeziehung unechter Finanzinnovationen in die Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG mit Wirkung vom 01.01.2009 ist verfassungsgemäß.

Quelle: BFH, Urteil VIII R 23/20 vom 13.12.2022

BFH zur Bewertung eines GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Rechten – Vertrauensschutz hinsichtlich der Bewertung von Sachzuwendungen

Leitsatz

  1. Bleiben die Gewinnbezugs- und Stimmrechte, mit denen ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ausgestattet ist, erheblich hinter dem Anteil am Nominalkapital zurück, ist dies bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Anteils regelmäßig wertmindernd zu berücksichtigen, sofern die Liquidation der Gesellschaft nicht konkret absehbar ist.
  2. Der Steuerpflichtige, der für eine Sachzuwendung einen höheren Wertansatz als den vom FA für zutreffend gehaltenen begehrt, trägt hierfür die Feststellungslast. Das FA trägt jedoch die Feststellungslast für die tatsächlichen Umstände, die zu einem Wegfall des Schutzes des Vertrauens in die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigung führen.
  3. Da eine Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast lediglich eine „ultima ratio“ darstellt, ist zunächst der Sachverhalt aufzuklären, insbesondere der Beteiligte, aus dessen Sphäre die entscheidungserheblichen Tatsachen stammen, zur Mitwirkung aufzufordern. Sollten die Mitwirkungspflichten verletzt werden, ist vor einer Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast eine Reduzierung des Beweismaßes vorzunehmen.
  4. Bei Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG ist es dem Zuwendenden zuzurechnen, wenn Personen, die er in Ausweitung seines Risikobereichs in die Abwicklung der Zuwendung eingeschaltet hat, Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigung haben.
  5. Die zulässige Erhebung einer Sprungklage setzt in einer Verpflichtungssituation voraus, dass die Behörde zuvor einen Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts durch Verwaltungsakt abgelehnt hat.

Quelle: BFH, Urteil X R 17/20 vom 16.11.2022

BFH: Keine Identität zwischen einer Erbengemeinschaft und einer aus den Miterben gebildeten GbR

Leitsatz

  1. Im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind eine Erbengemeinschaft und eine aus den Miterben gebildete GbR als jeweils selbstständige Feststellungssubjekte zu behandeln. Bestehen beide Feststellungssubjekte fort, ist für jedes ein eigenständiges Feststellungsverfahren durchzuführen.
  2. Ein identitätswahrender Formwechsel einer Erbengemeinschaft in eine GbR ist nach dem UmwG nicht möglich.
  3. Der Grundsatz, dass eine Erbengemeinschaft nebeneinander Gewinn- und Überschusseinkünfte erzielen kann, gilt nicht mehr, wenn diese in eine GbR als „andere Personengesellschaft“ i. S. von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG überführt wird.

Quelle: BFH, Urteil IV R 5/19 vom 19.01.2023

BFH konkretisiert Rechtsprechung zu steuerschädlichen Vorbehalten in Bezug auf eine Pensionszusage

Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur in eng begrenzten Fällen zulässig. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 06.12s.2022 – IV R 21/19 – entschieden.

Im Streitfall hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine betriebliche Altersversorgung für ihre Mitarbeiter eingeführt und für die hieraus resultierenden Verpflichtungen sog. Pensionsrückstellungen gebildet. Einzelheiten waren in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Die Höhe der Versorgungsleistungen ergab sich aus sog. Versorgungsbausteinen, die aus einer „Transformationstabelle“ abzuleiten waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte sich vorbehalten, u. a. diese Transformationstabelle einseitig ersetzen zu können. Wegen dieses Vorbehalts erkannte das Finanzamt die sog. Pensionsrückstellungen nicht an, sodass es in den Streitjahren jeweils zu Gewinnerhöhungen kam.

Auch der BFH sah den Vorbehalt als steuerschädlich an. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sei steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt ausdrücklich einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand, normiere, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestatte. Demgegenüber seien uneingeschränkte Widerrufsvorbehalte, deren arbeitsrechtliche Gültigkeit oder Reichweite zweifelhaft oder ungeklärt sei, steuerrechtlich schädlich. Auch im Streitfall sei dies der Fall, da der Vorbehalt eine Änderung der Pensionszusage in das Belieben des Arbeitgebers stelle. Der Vorbehalt sei keiner in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe zuzuordnen, bei der ein Abschlag ausgeschlossen sei.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 18/23 vom 16.03.2023 zum Urteil IV R 21/19 vom 06.12.2022

Typologiepapier der FIU für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

Die Financial Intelligence Unit (FIU) hat das Typologiepapier „Besondere Anhaltspunkte für Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 GwG und die in § 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes genannten Vereine“ veröffentlicht.

Das Papier wurde speziell für wirtschaftsprüfende und steuerberatende Berufsgruppen entwickelt. Es benennt konkrete Anhaltspunkte, die auf Geldwäscheaktivitäten hinweisen können, und liefert Fallbeispiele aus der Praxis. Diese Informationen können WP/vBP helfen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besser zu erkennen.

Die WPK stellt das Typologiepapier der FIU im Mitgliederbereich Meine WPK zur Verfügung.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 15.03.2023

Beweis der Unrichtigkeit einer Postzustellungsurkunde durch Zeugenvernehmung

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat sich im Urteil vom 22. November 2022 (Az. 15 K 1593/21 U,AO) mit der Möglichkeit befasst, den Beweis der Unrichtigkeit einer Postzustellungsurkunde im Wege des Zeugenbeweises zu führen. Im entschiedenen Fall hat der Senat auch nach Einvernahme von sieben Mitarbeitern der betroffenen Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Postzustellungsurkunde unrichtig errichtet worden war.

Die Klägerin legte gegen aufgrund einer Außenprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide Einsprüche ein, die das Finanzamt als unbegründet zurückwies. Die Einspruchsentscheidung stellte es der zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft gegen Postzustellungsurkunde zu. In der Postzustellungsurkunde dokumentierte der Postzusteller, dass er am 14. Mai 2021 – einem Freitag – erfolglos versucht habe, die Einspruchsentscheidung in den Geschäftsräumen persönlich zu übergeben. Auch eine Ersatzzustellung durch Übergabe an eine bei der Steuerberatungsgesellschaft beschäftigte Person sei nicht möglich gewesen. Die Einspruchsentscheidung wurde daher in den zur Steuerberatungsgesellschaft gehörenden Briefkasten eingeworfen. Eine Uhrzeit für den Zustellversuch notierte der Postzusteller nicht. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Posteingangsstempel mit Datum 17. Mai 2021 an. Die Klage wurde sodann am 17. Juni 2021 erhoben.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig, weil die Klage erst nach der am 14. Juni 2021 abgelaufenen Klagefrist erhoben worden sei. Auf Grund der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde stehe fest, dass die Einspruchsentscheidung am 14. Mai 2021 zugestellt worden sei. Die Postzustellungsurkunde sei ordnungsgemäß errichtet, die Angabe der Uhrzeit des Zustellversuchs sei ohne entsprechenden Auftrag des Zustellenden nicht zu vermerken. Den durch § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis habe die Klägerin nicht geführt.

Der Senat wies in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass die Klägerin bereits nicht behaupte, dass der Postzusteller bei der Vornahme der Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen der zu den Kanzleiräumen gehörenden Briefkasten beobachtet worden wäre, ohne zuvor eine persönliche Zustellung oder eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO zu versuchen. Auch vergleichbare Umstände, die eine unmittelbare Feststellung der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde erlauben würden, seien nicht vorgetragen worden.

Stattdessen verweise die Klägerin vielmehr mittelbar darauf, dass ein am 14. Mai 2021 in der Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr vom Postzusteller unternommener Zustellversuch bei der Steuerberatungsgesellschaft ausnahmslos erfolgreich gewesen wäre, weil bei Betätigung der Klingelanlage dem Postzusteller geöffnet worden wäre und er die Einspruchsentscheidung einer zum Empfang berechtigten Person hätte übergeben können. Insoweit hob der Senat hervor, dass es darauf ankomme, ob der Postzusteller die vorrangigen Formen der Zustellung bei pflichtgemäßer Durchführung der vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus seiner Sicht tatsächlich nicht durchführen könne. Eine Ersatzzustellung sei danach im Streitfall eröffnet, wenn dem Postzusteller auf eine einmalige Betätigung der Klingelanlage hin nicht hinreichend schnell und für ihn ersichtlich die Tür geöffnet werde. Gerade dies sei aber auch nach einer Einvernahme der von der Klägerin benannten Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen nicht festzustellen.

Der Klägerin war nach Ansicht des 15. Senats des Finanzgerichts Münster auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zum einen fehlte es aus Sicht des Senats an der Darlegung eines ordentlichen Ablaufs der Post- und Fristerfassung, um die Nicht- bzw. Falscherfassung der Frist tatsächlich als Büroversehen und nicht als strukturellen Organisationsmangel zu erkennen. Zum anderen war der Vortrag nicht vollumfänglich glaubhaft gemacht worden, sondern vielmehr nach der durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2023 zum Urteil 15 K 1593/21 vom 22.11.2022 (rkr)

Abzug anerkannter „Goldfinger-Verluste“ kann nicht nachträglich über § 15a Abs. 5 EStG beschränkt werden

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 24. Februar 2023 (Az. 4 K 1274/19 F) entschieden, dass Verlusten, die über eine britische General Partnership im Rahmen eines sog. Goldfinger-Modells erlitten wurden, welches rechtskräftig als gewerblich anerkannt wurde, nicht nachträglich über § 15a Abs. 5 EStG die Ausgleichsfähigkeit versagt werden kann.

Die Kläger waren Gesellschafter einer in Großbritannien ansässigen General Partnership (GP), die mit Gold handelte. Kurz nach ihrer Gründung kaufte die GP im Jahr 2007 Gold und verkaufte es im Folgejahr wieder. Für das Jahr 2007 ermittelte die GP im Rahmen einer Einnahme-Überschuss-Rechnung aufgrund des Warenankaufs einen erheblichen Verlust. Dieser war nach ihrer Auffassung gesondert festzustellen und bei den Klägern im Rahmen des negativen Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen (sog. Goldfinger-Modell). Das Finanzamt war ursprünglich der Auffassung, dass der Goldhandel nicht zu gewerblichen Einkünften führe und lehnte daher eine Verlustberücksichtigung ab. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 11. Dezember 2013 (Az. 6 K 3045/11 F) statt, das der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19. Januar 2017 (Az. IV R 50/14) bestätigte.

Daraufhin erließ das Finanzamt nunmehr einen Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG, mit dem es die Verluste lediglich als mit künftigen gewerblichen Gewinnen aus der GP als verrechenbar ansah. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Inanspruchnahme der Kläger für Schulden der GP unwahrscheinlich gewesen sei (§ 15a Abs. 5 Nr. 3 EStG).

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat den Feststellungsbescheid aufgehoben und damit der erhobenen Klage vollumfänglich stattgegeben. Zunächst seien die Kläger als Gesellschafter der GP nicht mit Kommanditisten, die im Außenverhältnis lediglich beschränkt haften, vergleichbar, sodass eine Anwendung von § 15a Abs. 5 EStG von vornherein ausscheide. Vielmehr weise die GP wegen ihrer gewerblichen Einkünfte Parallelen zu einer OHG auf. Im Übrigen habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich Regelungen zur Einschränkung des negativen Progressionsvorbehalts insbesondere zur Missbrauchsvermeidung bei Goldfinger-Modellen geschaffen, die lediglich im Streitjahr noch nicht anwendbar gewesen seien. Würden die Verluste unter § 15a EStG fallen, hätte es dieser Regelungen nicht bedurft.

Unabhängig davon habe der Senat nicht feststellen können, dass eine Inanspruchnahme der Kläger für Schulden der GP im Sinne von § 15a Abs. 5 Nr. 3 EStG unwahrscheinlich gewesen sei. Das Finanzamt, das diese steuererhöhenden Umstände hätte nachweisen müssen, habe hierzu nichts festgestellt. Die Kläger seien zur Aufbewahrung von Unterlagen angesichts des lange zurückliegenden Zeitraums nicht mehr verpflichtet gewesen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2023 zum Urteil 4 K 1274/19 vom 24.02.2023

Restnutzungsdauer eines Mietobjekts kann nach der Immobilienwertverordnung berechnet werden

Mit zwei Urteilen vom 14. Februar 2023 (Az. 1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F) hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass vom Steuerpflichtigen eingeholte Wertgutachten, in denen die Restnutzungsdauern von Mietobjekten nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) berechnet werden, der Ermittlung der AfA zugrunde gelegt werden können.

Die Klägerinnen der beiden Verfahren sind vermögensverwaltende GmbH & Co. KGen, die Vermietungseinkünfte aus verschiedenen Objekten erzielen. Die Gebäude sind in den 1920er Jahren bzw. um 1950 errichtet worden. Die Klägerinnen begehrten eine Berechnung der AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, da die tatsächlichen Restnutzungsdauer der Gebäude niedriger seien als 40 bzw. 50 Jahre. Hierzu reichten sie beim Finanzamt jeweils selbst in Auftrag gegebene Verkehrswertgutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen über den gesamten Immobilienbestand ein. Im Rahmen dieser Gutachten ermittelte die Sachverständige die jeweilige Restnutzungsdauer der einzelnen Gebäude nach den Regelungen der ImmoWertV. Danach wird die Restnutzungsdauer grundsätzlich durch Abzug des Alters von der Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen ermittelt. Wurden in der Vergangenheit Um- und Ausbau- oder Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen durchgeführt, durch welche sich die Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer verlängert hatte, schätzte die Gutachterin die Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung dieser Modernisierungsmaßnahmen anhand der Anlage III zum Sachwertmodell der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse in Nordrhein-Westfalen (AGVGA NRW). Aufgrund des Alters der Gebäude lagen die Restnutzungsdauern unterhalb der gesetzlich typisierten Restnutzungsdauern von 40 bzw. 50 Jahren.

Das Finanzamt erkannte die Berechnung der Restnutzungsdauern in den Gutachten nicht an. Die Klägerinnen hätten kürzere Nutzungsdauern weder durch technischen Verschleiß noch aus wirtschaftlichen Gründen glaubhaft gemacht, da die Gutachten insoweit lediglich mathematische Ermittlungen enthielten.

Die Klägerinnen beriefen sich im Klageverfahren insbesondere auf das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19). Danach sei jede Methode zulässig, die geeignet sei, einen angemessenen Schätzungsrahmen darzulegen.

Beide Klagen hatten vollumfänglich Erfolg. Der 1. Senat des Finanzgerichts Münster hat ausgeführt, dass den Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19) ein Wahlrecht zustehe, sich mit den typisierten AfA-Sätzen zufriedenzugeben oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend zu machen und darzulegen. Dabei sei keine Gewissheit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer erforderlich. Vielmehr könne allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden, sodass eine Schätzung des Steuerpflichtigen nur dann zu verwerfen sei, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liege. Dabei könne das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung nach der ImmoWertVO Anwendung finden, auch wenn dieses eine modellhafte Berechnung darstelle, die nicht primär auf die Ermittlung der tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG gerichtet sei.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die von den Klägerinnen auf Grundlage der eingereichten Gutachten ermittelten Restnutzungsdauern nicht zu beanstanden. Die Gutachterin habe nach Ortsbesichtigung den Zustand der einzelnen Objekte, die Ausstattung der Wohnungen, die Bauweise und den Unterhaltungszustand der Gebäude dargestellt. Sie habe bei der Berechnung der Nutzungsdauern die Regelungen der ImmoWertV angewandt und für durchgeführte Um- und Ausbau- oder Modernisierungsmaßnahmen das von der AGVGA NRW entwickelte Punkteverfahren angewandt. Als Gesamtnutzungsdauer habe die Gutachterin die vom jeweiligen örtlich zuständigen Gutachterausschuss zur Ableitung der Liegenschaftszinssätze zugrunde gelegte Gesamtnutzungsdauer angesetzt.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2023 zu den Urteilen 1 K 3840/19 und 1 K 3841/19 vom 14.02.2023

Anwendung der bis 09.03.2023 ergangenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieses Schreibens ergangenen BMF-Schreiben das Folgende:

Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2021 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieses BMF-Schreibens ergangenen BMF-Schreiben anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt sind. Die nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben werden für nach dem 31. Dezember 2021 verwirklichte Steuertatbestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2022 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende BMF-Schreiben überholt sind.

BMF-Schreiben in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen. Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten. Die in der Anlage 1 zum BMF-Schreiben vom 11. März 2022 (Az. IV A 2 – 0 2000 / 21 / 10005 :001) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben sind nachrichtlich in der Anlage 2 (gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 11. März 2022 (BStBl I S. 366) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11. März 2022 (BStBl I S. 367) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es wird unter demselben Datum wie die dementsprechenden gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegeben.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O 2000 / 22 / 10003 :001 vom 10.03.2023

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin