Interesse an Bitcoin & Co. bleibt hoch

Massive Kurseinbrüche, Hackerattacken auf Anleger und Finanzskandale bei Kryptobörsen – doch viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger interessieren sich weiter für Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether & Co. Rund ein Drittel (32 Prozent) können sich vorstellen, in Zukunft Kryptowährungen zu kaufen. Dabei habe 3 Prozent bereits in der Vergangenheit gekauft, 6 Prozent haben das fest vor und 23 Prozent wollen es auf jeden Fall nicht ausschließen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 1.007 Personen ab 16 Jahren in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Jeder Zehnte (10 Prozent) gibt an, noch nie von Kryptowährungen gehört oder gelesen zu haben, unter den Älteren ab 65 Jahre ist der Anteil mit 14 Prozent am höchsten. „Kryptowährungen haben sich etabliert und werden nicht mehr verschwinden. Auch wenn sie sich in der Breite noch nicht durchgesetzt haben, bieten die rasanten Entwicklungen am Markt noch großes Potenzial“, sagt Benedikt Faupel, Blockchain-Experte beim Bitkom. „Kryptowährungen eignen sich nicht dazu, schnell reich zu werden, sie sind vielmehr eine Möglichkeit für risikobereite und eher langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger, ihre Geldanlage zu diversifizieren.“

Allerdings haben die jüngsten Skandale, etwa um die Kryptobörse FTX, Spuren hinterlassen. So sagen drei Viertel (74 Prozent), dies habe ihr Vertrauen in Kryptowährungen zerstört. 73 Prozent fordern eine stärkere Regulierung und Überwachung von Kryptobörsen durch die Politik in Deutschland und der EU. 7 von 10 (70 Prozent) haben Angst, beim Kauf von Kryptowährungen betrogen zu werden und ebenso viele glauben, dass Kryptowährungen nur etwas für Spekulanten sind. 57 Prozent geben an, dass ihnen Bitcoin & Co. zu kompliziert seien. Zugleich sind aber 36 Prozent der Überzeugung, dass sich Kryptowährungen als langfristige Geldanlage eignen. „Der Krypto-Markt braucht Regulierung, um das nötige Vertrauen bei Privatleuten und Unternehmen zu schaffen. Deutschland hat sich hier bereits 2019 mit einer Blockchain-Strategie positioniert und weltweit gilt die EU mit der 2024 in Kraft tretenden umfassenden Regulierung als internationaler Vorreiter“, so Faupel. „Entscheidend ist aber, sich jetzt nicht auszuruhen. In Deutschland braucht es dringend ein Update der Blockchain-Strategie und auch die europäische Krypto-Regulierung muss in der Umsetzung zeigen, dass sie weiterhin Raum für technologische Innovationen und innovative Geschäftsmodelle lässt.“ …

Quelle: Bitkom, Pressemitteilung vom 07.03.2023

DStV will Position von KMU beim Zahlungsverzug stärken

Der DStV hat sich mit seiner Stellungnahme an der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zur Aktualisierung der Vorschriften zum Zahlungsverzug beteiligt. Der DStV sieht Handlungsbedarf, um KMU in Europa künftig besser vor Zahlungsverzug zu schützen.

Zur Erreichung seiner Ziele beim sog. Europäischen Green Deal oder bei der Bekämpfung von Vermögensdelikten zeichnet sich der EU-Gesetzgeber in dieser Wahlperiode bisher hauptsächlich durch die Schaffung neuer Unternehmensbelastungen aus. Da ist es immerhin erfreulich, dass die EU-Kommission mit der Aktualisierung der Zahlungsverzugs-Richtlinie künftig KMU bei der Verbesserung ihrer Liquidität unterstützen will.

Dafür gibt es gute Gründe: Nach der EU-Kommission ist jede vierte Insolvenz in der EU auf nicht fristgerecht beglichene Rechnungen zurückzuführen. 40 % der 18 bis 40 Milliarden Rechnungen in der Europäischen Union werden zudem nicht fristgerecht bezahlt.

Der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog der EU-Kommission enthält dabei etwa die Begrenzung der Zahlungsfristen zwischen Unternehmen, die Einführung strengerer Abschreckungsmaßnahmen wie automatische Zinszahlungen, einer Erhöhung des Zinssatzes oder der Einführung einer Definition unlauterer Praktiken und Klauseln. Zudem sollen öffentliche Auftraggeber sicherstellen, dass Generalunternehmer ihre Subunternehmer rechtzeitig bezahlen.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt eine Umsetzung der meisten dieser vorgeschlagenen Maßnahmen. Darüber hinaus unterbreitet er weitere Vorschläge zur Verbesserung der Zahlungen von Großunternehmen an KMU.

So regt der DStV etwa an, dass eine vertragliche Vereinbarung des Abtretungsverbots von Forderungen an Banken oder Inkasso-Unternehmen künftig unwirksam sein soll. Die Abschaffung eines solchen Verbots könnte die Sicherheiten von KMU gegenüber Kreditgebern erhöhen und somit die Möglichkeiten zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen erweitern.

Die EU-Kommission will ihren Vorschlag zur Aktualisierung der Zahlungsverzugs-Richtlinie im 3. Quartal verabschieden. Der Abschluss des europäischen Gesetzgebungsverfahrens dürfte sich dagegen in die, im kommenden Jahr beginnende, Wahlperiode verschieben. Entsprechend liegt auch die Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber noch in weiter Ferne.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 07.03.2023

Vermögensteuer: Verfassungsrechtlich gut begründbar angesichts von großen finanziellen Aufgaben und hoher Ungleichheit

Eine Vermögensteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Angesichts einer hohen Ungleichheit bei der Vermögensverteilung und erheblicher finanzieller Herausforderungen, denen sich die Bundesrepublik ausgesetzt sieht, ist ihre Einführung nicht nur gut begründbar, sie trüge auch zur Verwirklichung grundlegender verfassungsrechtlicher Prinzipien bei. Zu diesem Ergebnis kommt ein neues, von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Rechtsgutachten. Bei der Ausgestaltung einer Vermögensteuer hat der Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum, zeigt die Untersuchung von Prof. Dr. Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht an der Business & Law School der Hochschule für Management und Recht in Berlin.

In Deutschland ist der Anteil der Armen in der letzten Dekade deutlich gewachsen – das ergibt der aktuelle Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Gleichzeitig sind die privaten Vermögen im Vergleich zu anderen EU- und OECD-Ländern mit ähnlicher Einkommenssituation besonders ungleich verteilt. Die untere Hälfte der Bevölkerung hat nach Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung keine nennenswerten Vermögen. Dagegen besitzen die reichsten zehn Prozent rund zwei Drittel des gesamten Privatvermögens, das reichste Prozent der Bevölkerung bis zu 35 Prozent und allein die reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung verfügen über bis zu 20 Prozent. Zudem halten vor allem Reiche jene Vermögensarten, die in den vergangenen Jahren die höchsten Renditen abgeworfen haben, etwa Aktien, Immobilien und Betriebsvermögen. Haushalte mit weniger Habe konzentrieren sich hingegen auf risikoarme Anlagen, die aber besonders stark von einer hohen Inflation betroffen sind. Hinzu kommen erhebliche finanzielle Herausforderungen an den Staat. So müssen nicht nur die Milliardenkredite, die in den vergangenen Jahren zur Bewältigung der multiplen Krisen aufgenommen wurden, bedient werden. Zusätzlich besteht riesiger Investitionsbedarf, um eine erfolgreiche sozial-ökologische Transformation zu ermöglichen.

Angesichts dieser Entwicklungen gewinnt die Debatte über eine Wiedereinführung der Vermögensteuer wieder an Fahrt. Manche meinen, eine solche Steuer verstoße gegen die Verfassung, und halten die Debatte damit für beendet. In seinem Gutachten kommt Juraprofessor Thiele zum gegenteiligen Ergebnis. Nach Prüfung der verfassungsrechtlichen Lage unter Berücksichtigung der aktuellen Situation von Staat und Gesellschaft gelangt er zu dem Schluss: Eine Vermögensteuer ist nicht nur nicht verfassungswidrig. Im Gegenteil habe die Ungleichheit in Deutschland ein Ausmaß erreicht, das die Einführung einer Vermögensteuer auch verfassungsrechtlich eher nahelegt.

Richtig ist zwar, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995 die damalige Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärt hat. Ebenso richtig ist allerdings, dass sich dieser Beschluss keineswegs gegen eine Besteuerung von Vermögen an sich, sondern lediglich gegen die damalige konkrete Ausgestaltung richtete. Das Grundgesetz steht einer Vermögensbesteuerung insofern nicht prinzipiell entgegen, betont Thiele, zumal sie dort sogar „ausdrücklich als eine prinzipiell zulässige Steuerart aufgelistet“ wird.

Darüber hinaus würde die Vermögensteuer dazu beitragen, das Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung, das Prinzip der Leistungsfähigkeit, besser zu verwirklichen: Gleich Leistungsfähige müssen danach gleich, unterschiedlich Leistungsfähige unterschiedlich besteuert werden. Es liege auf der Hand, dass eine Person, die beispielsweise monatlich 5.000 Euro verdient, zusätzlich aber ein Vermögen von einer Million Euro besitzt, leistungsfähiger ist als jemand, der „nur“ 5.000 Euro im Monat verdient. Die Einkommensteuer allein bildet diese unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten insofern nicht angemessen ab. Mit Blick auf das Fundamentalprinzip der Leistungsfähigkeit sei es daher auch kein Widerspruch, wenn der Staat sowohl eine progressive Einkommenssteuer als auch eine Vermögenssteuer erhebt. Eine Doppelbesteuerung könne darin nicht gesehen werden.

Auch das Sozialstaatsprinzip in Artikel 20 des Grundgesetzes liefert nach Thieles Analyse verfassungsrechtlich jedenfalls dann Argumente für eine Besteuerung von Vermögen, wenn die Ungleichheit ein nicht mehr zu rechtfertigendes Ausmaß erreicht hat. Eine zu hohe soziale Ungleichheit ist in einer demokratischen Ordnung ein Problem. Wenn die Vermögen derart ungleich verteilt sind, „droht die soziale Ungleichheit aufgrund der damit einhergehenden kränkenden Wirkung das einigende Band der Gemeinschaft zu zerreißen, da deren Mitglieder nicht mehr in der Lage sind, sich als politisch gleich und folglich als Angehörige der gleichen politischen Gemeinschaft (noch) zu erkennen“, schreibt der Rechtswissenschaftler. In diesem Fall sei der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ungleichheit auf ein begründungsfähiges Niveau zu bringen.

Der Gesetzgeber hat bei der Erhebung einer Vermögensteuer allerdings einen großen Spielraum, so Thiele. Eigentum ist zwar durch das Grundgesetz besonders geschützt, allerdings nicht uneingeschränkt. Steuern stellen nach weit verbreiteter Ansicht keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar, schon gar keine Enteignung. Schließlich heißt es auch im Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet“. Jeder soll, gemessen an seiner Leistungsfähigkeit, einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Allenfalls die Frage, wie hoch dieser ausfallen darf, ist unter Expertinnen und Experten umstritten. Steuern dürfen indes keine „erdrosselnde Wirkung“ haben.

Verfassungsrechtlich unproblematisch ist nach diesen Maßstäben die Besteuerung von Sollerträgen aus Vermögenswerten, analysiert der Juraprofessor. Besteuerungsgrundlage wären danach die aus dem Vermögen erzielbaren Erträge, zum Beispiel potenzielle Mieteinnahmen und Zinseinkünfte, nicht hingegen die Vermögenssubstanz. Aber auch eine darüber hinaus gehende Substanzbesteuerung sei nicht per se ausgeschlossen – zu rechtfertigen sei sie „in Zeiten erheblicher und nur schwer begründungsfähiger Vermögensungleichheit“ – wenn durch die Ungleichheit also eine Gefährdung des demokratischen Versprechens der demokratischen Gleichheit drohe.

Bei der Ausgestaltung der Vermögensteuer sind jedoch weitergehende verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten, zeigt Thiele: So müssen neben den privaten Vermögen im Grundsatz auch Betriebsvermögen einbezogen werden. Allerdings müssen Betriebsvermögen nicht zwingend in der gleichen Höhe wie private Vermögen besteuert werden. Es sei möglich, Betriebsvermögen zu privilegieren, da diesem eine besondere Bedeutung für die Prosperität einer Gesellschaft zukomme, so der Rechtswissenschaftler.

Essenziell ist außerdem, dass Vermögensgegenstände so erfasst werden, dass sie annähernd dem Marktwert entsprechen. Werden bei der Erfassung unterschiedliche Maßstäbe angelegt, stünde dies im Konflikt mit dem Gleichheitsgrundsatz – genau hier lag das Problem der bis in die 1990er-Jahre erhobenen Vermögensteuer, über die das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte.

Eine Schwierigkeit damals wie heute: Bei Bargeld oder Aktien ist die Bewertung vergleichsweise einfach, komplizierter wird es beispielsweise bei Kunstgegenständen und anderen Sachgütern, ebenso bei Immobilien. Hier ist der Staat auf die Ehrlichkeit der Steuerpflichtigen angewiesen, wobei allerdings zu betonen ist, dass die unzutreffende Angabe von relevanten Steuersachverhalten eine Straftat darstellt.

Zudem seien gewisse „Unschärfen“ bei der Bewertung von Vermögensgegenständen verfassungsrechtlich zulässig: Abweichungen von bis zu 20 Prozent vom „tatsächlichen“ Wert seien verfassungsrechtlich denkbar, so Thiele. Außerdem ist es im Steuerrecht nicht unüblich, dass mit Pauschalierungen gearbeitet wird. Auch ist die Tatsache, dass eine Steuer nicht leicht zu erheben ist, kein sachgerechter Grund, sie nicht zu erheben, betont der Gutachter.

Abgesehen davon lassen sich die verfassungsrechtlichen Probleme entschärfen, wenn man lediglich eine Sollertragsteuer einführt, da sich zum einen Einkünfte einfacher ermitteln und besser bewerten lassen als Gesamtvermögen. Zum anderen bleibt dabei die Vermögenssubstanz dann prinzipiell unangetastet, sodass der damit bewirkte Eingriff in die Eigentumsfreiheit verfassungsrechtlich keine Probleme bereite.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 07.03.2023

Hohe Beitragsnachforderung wegen Schwarzarbeit – Scheinselbstständige Bauarbeiter sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Bauarbeiter, die im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Rentenversicherung fordert von Baufirma 100.000 Euro Beitragsnachzahlung

Eine Baufirma aus Kassel ließ drei ungarische Männer, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet hatten, Trockenbauarbeiten verrichten. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die im Landkreis Kassel wohnenden Bauarbeiter, die insbesondere Säulen mit Brennschutzplatten verkleideten, nicht zahlt.

Das Hauptzollamt ermittelte und die Deutsche Rentenversicherung führte eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie fest, dass die drei Männer als sog. Scheinselbstständige abhängig beschäftigt gewesen seien und forderte von der Baufirma Sozialversicherungsbeiträge (inkl. Säumniszuschlägen) in Höhe von rund 100.000 Euro.

Der Inhaber der Baufirma widersprach und verwies auf den abgeschlossenen Nachunternehmervertrag. Die Bauarbeiter hätten pro verkleideter Säule einen Festbetrag von 10 Euro bzw. 11 Euro erhalten. Bei ca. 12 Minuten Arbeitszeit pro Säule hätte der Stundenlohn bei rund 45 Euro gelegen. Zudem hätten sie einen eigenen Firmenbus sowie eigene Arbeitsmaterialien eingesetzt und seien auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Daher sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.

Nachunternehmervertrag diente lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse

Die Richterinnen und Richter beider Instanzen gaben jedoch der Rentenversicherung Recht. Abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung habe vorgelegen. Der Inhaber der Baufirma habe die drei Bauarbeiter zumeist in seinem Bus zu den Baustellen gefahren. Dort hätten sie die ihnen zugewiesenen Säulen mit Brennschutzplatten versehen müssen. Material und Werkzeug sei ihnen gestellt worden, ein eigener Firmenbus habe ihnen nicht zur Verfügung gestanden. Die kaum Deutsch sprechenden Bauarbeiter hätten lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. Ein Unternehmerrisiko hätten sie nicht getragen. Bei einer Arbeitszeit zwischen 20 und 60 Minuten pro Säule und dem vereinbarten Festpreis hätten sie ein selbstständiges Unternehmen nicht führen können.

Der Inhaber der Baufirma habe auch von der Sozialversicherungspflicht der Bauarbeiter ausgehen müssen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die drei Bauarbeiter als sog. Scheinselbstständige für ihn tätig gewesen seien. Der mit ihnen geschlossene Nachunternehmervertrag habe lediglich der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse und der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht gedient.

Auch die erhobenen Säumniszuschläge (rund 20.000 Euro) seien nicht zu beanstanden. Insbesondere könne sich der Inhaber der Baufirma nicht auf unverschuldete Unkenntnis berufen, da von dieser im Falle der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung von vornherein nicht ausgegangen werden könne.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

§ 24 SGB IV

(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. (…)

(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

§ 28e SGB IV

(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber (…) zu zahlen. (…)

§ 28p SGB IV

(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen (…).

Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung vom 07.03.2023 zum Urteil L 8 BA 51/20 vom 07.03.2023

Corona-Infektion als Arbeitsunfall?

Das Sozialgericht Speyer konnte sich im konkreten Fall nicht vom Vorliegen eines Arbeitsunfalles überzeugen. Es war nicht aufklärbar, ob sich der Angestellte bei der beruflichen Tätigkeit oder im privaten Bereich mit dem COVID-19-Virus angesteckt hat.

Im April 2021 erkrankte ein Angestellter des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz an Corona. Tage zuvor war eine Kollegin positiv auf das COVID-19-Virus getestet worden. Beide hatten an ihrem Präsenztag eine kurze Unterhaltung geführt. Außerdem befanden sich ihre Büros im Flur einander gegenüberliegend.

Das Sozialgericht hat entschieden, dass dem Angestellten kein Anspruch auf Feststellung der COVID-19-Infektion als Arbeitsunfall zusteht. Zwar kann eine Corona-Infektion grundsätzlich einen Arbeitsunfall darstellen. Es fehlt hier aber die haftungsbegründende Unfallkausalität.

Zwar spricht für eine Infektion am Arbeitsplatz die zeitliche Abfolge der Nachweise der Infektionen. Auch ist das COVID-19-Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragbar.

Gegen eine Infektion am Arbeitsplatz spricht jedoch, dass ein unmittelbarer Kontakt mit der erkrankten Kollegin auf eine wenige Minuten dauernde Unterhaltung beschränkt war, die Kollegin eine OP-Maske trug und ein Abstand von mehr als 1,5 Metern eingehalten wurde. Eine indirekte Infektion durch in der Luft befindliche Aerosole (akkumulierte infektiöse Partikel) aufgrund eines Luftaustausches zwischen den Büros hält das Sozialgericht für unwahrscheinlich. Zwar können sich Aerosole vor allem auch in Innenräumen über die Zeit akkumulieren und enthalten diese Aerosole virale Partikel ist auch eine Ansteckung über größere Distanzen möglich. Die Büroräume waren allerdings nur durch zwei Türen über einen 2 m breiten Flur „verbunden“; ein gekipptes Bürofenster sorgte für frische Luft. Der COVID-19 Risikorechner für Aerosolübertragung und Ansteckungsgefahr in Innenbereichen des Max-Planck-Institutes für Chemie ist nicht anwendbar. Wegen Unsicherheiten und Variabilität bei den Modellannahmen gelten die berechneten Ergebnisse grundsätzlich nur für die im jeweiligen Modell vorausgesetzten idealisierten Szenarien und nicht für konkrete Einzelfälle.

Demgegenüber ist – auch bei gewissenhafter Vorsicht – eine Ansteckung im privaten Bereich möglich. Auch im Freien – Treffen mit den Nachbarn im Garten – kann es zu einer Übertragung des COVID-19-Virus durch Tröpfchen kommen. Zu bedenken ist auch, dass ein negatives Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit COVID-19 nicht vollständig ausschließt, da die Tests nicht in jedem Stadium der Infektion verlässlich anschlagen.

Das Sozialgericht sieht keine Veranlassung in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann – die Inzidenz lag zum damaligen Zeitpunkt in Speyer bei weit über 100 -, eine quasi Beweislastumkehr zu Gunsten der Versicherten für die gesetzliche Unfallversicherung zu begründen. Der Gesetzgeber hat der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV, die grundsätzlich auch die Erkrankung an COVID-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Versicherungsträger nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeits- und/oder Gerechtigkeitsgründen kommt ohnehin nicht in Betracht.

Quelle: SG Speyer, Pressemitteilung vom 07.03.2023 zum Urteil S 12 U 188/21 vom 07.02.2023 (nrkr)

Unternehmen in Handel, Bau und Landwirtschaft nutzten Inflation, um Gewinne zu steigern

Manche Unternehmen haben auch im vierten Vierteljahr 2022 ihre Verkaufspreise stärker erhöht als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise angelegt war. „Diese Firmen haben die Lage genutzt, um ihre Gewinne kräftig zu steigern. Das gilt vor allem für Unternehmen im Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie im Baugewerbe. In der Land- und Forstwirtschaft, die im Sommer zu den Inflationsgewinnern zählte, haben dagegen zuletzt die steigenden Kosten verstärkt durchgeschlagen“, sagt Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung in Dresden. Insgesamt habe sich die Entwicklung im vierten Quartal verlangsamt.

Er verweist darauf, dass in fast allen großen Wirtschaftszweigen die Bruttobetriebsüberschüsse stark gestiegen sind. Das sind die Unternehmensgewinne zuzüglich Abschreibungen und sonstigen Nettoproduktionsabgaben.

„Auch wenn die Rate weiterhin hoch ist, hat sich die Dynamik der Preisanhebungen gegenüber dem 3. Quartal etwas abgeschwächt. Für die Verbraucher besteht damit Hoffnung, dass der Höhepunkt der Inflation überschritten ist“, sagt Ragnitz weiter.

Gegen überzogene Preisanhebungen helfe nur mehr Wettbewerb. Die Regierung könne zur Senkung der Inflation beitragen, indem sie auf breit angelegte Entlastungen zugunsten aller Haushalte verzichte und sie auf besonders arme Haushalte beschränke. Würden sich hingegen die Gewerkschaften mit ihren hohen Lohnforderungen durchsetzen, bestünde die Gefahr eines neuerlichen Inflationsschubs.

Quelle: ifo Institut, Pressemitteilung vom 06.03.2023

Unfallversicherungsschutz beim „Luftschnappen“ im Pausenbereich

Unfallversicherungsschutz besteht auch, wenn ein Arbeitnehmer beim „Luftschnappen“ in einem ausgewiesenen Pausenbereich von einem Gabelstapler angefahren wird.

In der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist anerkannt, dass ein Unfall nicht nur dann ein Arbeitsunfall ist, wenn er während betriebsbezogener Verrichtungen in der Arbeit geschieht, sondern auch, wenn sich in ihm eine spezifische betriebsbezogene Gefahr verwirklicht. Die Reichweite dieser Fallgruppe des Versicherungsschutzes ist aber immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Vor diesem Hintergrund hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg am 27. Februar 2023 entschieden, dass ein Beschäftigter auch dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, wenn ihn beim Luftschnappen in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Pausenbereich auf dem Betriebsgelände ein Gabelstapler anfährt.

Der Kläger des Verfahrens, der im Rhein-Neckar-Kreis wohnt, hatte sich, als ihm keine konkrete Arbeit zugewiesen war, erlaubterweise in einem ausgewiesenen Pausen- und Raucherbereich auf dem Betriebsgelände eines Unternehmens in Ludwigshafen aufgehalten, um Luft zu schnappen. Dabei fuhr ihn ein Gabelstapler an. Er erlitt eine Unterarmfraktur und eine Kniegelenksdistorsion. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger zur Zeit des Unfalls eine privatnützige Verrichtung ausgeführt habe. Das Sozialgericht Mannheim war dem gefolgt und hatte auch keinen Versicherungsschutz wegen einer spezifischen Betriebsgefahr gesehen, weil die Gefahr in dem Pausenbereich nicht höher gewesen sei als allgemein am Wohn- und Beschäftigungsort und weil sich der Kläger dieser Gefahr freiwillig ausgesetzt habe.

Dagegen hat der 1. Senat des LSG auf die Berufung des Klägers hin einen Arbeitsunfall festgestellt. Es lag hier eine spezifische betriebliche Gefahr vor. Die erhöhte Gefährlichkeit von Gabelstaplern gegenüber dem alltäglichen Straßenverkehr ist durch Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) nachgewiesen und Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften. Ein Beschäftigter darf darauf vertrauen, während einer gestatteten Pause auch in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Bereich keinen gegenüber dem allgemeinen Leben erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein.

Der Senat hat allerdings die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zugelassen, weil in der bisherigen Rechtsprechung nicht endgültig geklärt ist, ob der Versicherungsschutz wegen einer spezifischen betriebsbezogenen Gefahr nur in unmittelbarer Nähe des konkreten Arbeitsplatzes besteht oder auch in einem weiter entfernt liegenden Pausenbereich wie hier. Die Berufsgenossenschaft kann daher entscheiden, ob sie Revision einlegt oder das Urteil ausführt.

Hinweis zur Rechtslage

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB)

§ 8. Arbeitsunfall. (1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. (…)

§ 2. Versicherung kraft Gesetzes. (1) Kraft Gesetzes sind versichert

1. Beschäftigte (…)

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 06.03.2023 zum Urteil L 1 U 2032/22 vom 27.02.2023

Pflichtteilsstrafklausel setzt Mittelabfluss voraus

Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten sollen den Nachlass für den überlebenden Ehegatten möglichst ungeschmälert erhalten. Wird die Verwirkung der Pflichtteilsklausel von den Testierenden nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an den Erhalt des Pflichtteils geknüpft, setzt die Verwirkung der Klausel einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne Mittelabfluss besteht kein Sanktionierungsgrund, betonte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit am 06.03.2023 veröffentlichter Entscheidung.

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Sie hatte aus einer früheren Ehe eine Tochter, ihr verstorbener Ehemann hatte aus früheren Ehen zwei Töchter. Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter hieß es: ‚Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (… Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.‘

Die Tochter der Erblasserin beantragte einen Erbschein, der sie und eine der zwei Töchter des vorverstorbenen Ehemannes zu je 1/2 als Erbinnen ausweisen soll. Sie meint, die weitere Tochter sei nicht Erbin der Erblasserin geworden sei, da sie nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Gemäß der testamentarischen Schlusserbenbestimmung seien alle drei Töchter Erbinnen zu jeweils ein Drittel geworden, bestätigte das OLG. Die dritte Tochter habe ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seien Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung sei damit – abweichend von den üblichen Klauseln – nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils, sondern zusätzlich ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. Ob die Tochter hier überhaupt ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, könne offenbleiben. Jedenfalls habe sie nicht ihren Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten.

Der Hinweis der anderen Töchter, sie habe ihren Pflichtteil erhalten, dieser sei aber „gleich null“ gewesen, überzeuge nicht. Ein „ins Leere gehender bzw. wertloser Pflichtteil … (löse) nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel aus“. Durch das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ hätten die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen „um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten“ gegangen sei. Wenn die Tochter nichts aus dem Nachlass erhalten habe, sei der Nachlass nicht geschmälert und es bestehe nach dem Willen der Ehegatten kein Grund für eine Sanktionierung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 06.03.2023 zum Beschluss 21 W 104/22 vom 21.02.2023

BAföG: Ausbildungsförderung trotz Nichtbestehens von bis zum 4. Fachsemester zu erbringenden Leistungsanforderungen

Studierenden, die den für weitere Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) über das 4. Fachsemester hinaus erforderlichen Nachweis über den üblichen Leistungsstand nicht erbringen, können ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, wenn das Nichtbestehen von Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führt. Dabei kommt es auf die Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise nicht an, die Ursache für die Verlängerung des Studiums sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 03.03.2023 entschieden.

Die Klägerin ist Studentin der Pharmazie. Nachdem sie den erforderlichen Nachweis über die Erbringung der üblichen Studienleistungen („Scheine“) bis zum Abschluss des 4. Fachsemesters nicht vorlegen konnte, beantragte sie beim beklagten Studierendenwerk vergeblich die Fortsetzung der Förderung. Die von der Klägerin daraufhin erhobene Klage auf Weiterförderung im 5. und 6. Fachsemester hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nur bei einem einmaligen Leistungsversagen in Betracht komme. Die Klägerin habe jedoch in den ersten beiden Semestern zwei Leistungsnachweise nicht erbracht, die für die Teilnahme an Veranstaltungen in den beiden Folgesemestern erforderlich waren und sie an der Erbringung weiterer Leistungsnachweise hinderten.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, hatte Erfolg. Zwar ist die Weitergewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Studierende eine Zwischenprüfung nicht bestehen oder – wie hier – die bis zum 4. Fachsemester üblichen Leistungen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG) nicht erbringen. Ausnahmsweise ist aber die Frist zur Vorlage der Leistungsnachweise zu verlängern und weiter Ausbildungsförderung zu gewähren, wenn voraussichtlich eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu bewilligen sein wird (§ 48 Abs. 2, § 15 Abs. 3 BAföG). Dies ist nach dem Gesetz jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grund für die Überschreitung vorliegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG). Ein solcher Grund ist schon von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere dann angenommen worden, wenn Studierende erstmals eine Zwischenprüfung nicht bestehen und deshalb an der planmäßigen Fortsetzung des Studiums gehindert sind. Sie sollen im Falle des Nichtbestehens der bis zum 4. Fachsemester erforderlichen Leistungsanforderungen, das zu einer erstmaligen Verzögerung des Studiums führt, eine zweite Chance erhalten, den Leistungsrückstand in angemessener Zeit durch Ablegung der entsprechenden Prüfungen aufzuholen. Diese gesetzliche Wertung greift auch dann, wenn die Nichterbringung sonstiger Leistungsnachweise dazu führt, dass eine planmäßige Fortsetzung des Studiums in einem höheren Semester nicht möglich ist, weil zunächst nicht bestandene Studienleistungen wiederholt werden müssen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob nur ein Leistungsversagen für die Verzögerung ursächlich ist oder ob mehrere nicht bestandene Leistungsnachweise im Zusammenwirken diese Folge auslösen. Entscheidend ist allein, ob es Studierenden aus studienorganisatorischen Gründen erstmalig objektiv unmöglich ist, die fehlenden Leistungen ohne eine sich auf die Förderungshöchstdauer auswirkende Verzögerung des Studiums zu erbringen. Dies ist hier der Fall gewesen, was zu einer Verlängerung des Grundstudiums der Klägerin um zwei Semester führt, für die Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren war.

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung vom 03.03.2023 zum Urteil 5 C 6.21 vom 03.03.2023

Corona-Neustarthilfen: Frist für Endabrechnung endet am 31.03.2023

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) weist aktuell darauf hin, dass die Frist zur Endabrechnung der Corona-Neustarthilfen für die prüfenden Dritten am 31.03.2023 endet.

Die notwendigen Informationen zur Endabrechnung der Neustarthilfen sind nach Auskunft des BMWK in den letzten Wochen nochmals übersichtlicher gestaltet worden und weiterhin unter dem bekannten Portal www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de abrufbar. Dort befindet sich auch der Zugangslink zur Endabrechnung.

Die Corona-Neustarthilfen (Neustarthilfe, Neustarthilfe Plus und Neustarthilfe 2022) wurden auf Basis des Referenzumsatzes 2019 ausgezahlt, um Soloselbstständigen eine schnelle Umstellung auf die pandemiebedingte Situation zu ermöglichen. In der Endabrechnung sind nun die tatsächlich erzielten Einkünfte im Förderzeitraum dem Referenzumsatz 2019 gegenüberzustellen.

Wenn die Neustarthilfe etwa über Steuerberaterinnen und Steuerberater als prüfende Dritte beantragt wurde, müssen diese auch die entsprechende Endabrechnung einreichen. Zur Entlastung der Berufsangehörigen war die ursprünglich nur bis zum Jahresende 2022 laufende Frist nach gemeinsamer Intervention von DStV und BStBK bis zum 31.03.2023 verlängert worden.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 06.03.2023

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin