Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im Februar 2023

  • Zum Jahresende 2022 hat sich die Dynamik der deutschen Wirtschaft spürbar abgeschwächt. Im vierten Quartal 2022 ist das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal zurückgegangen. Das Jahresergebnis wurde auf 1,8 % um ein Zehntel nach unten korrigiert. Vor allem der private Konsum und die Investitionen dürften sich im vierten Quartal schwächer entwickelt haben. Die Industrie wird weiterhin von hoher Unsicherheit und hohen Energiepreisen belastet.
  • Aktuelle Indikatoren belegen die erwartete wirtschaftliche Abschwächung im Winterhalbjahr 2022/23. Diese dürfte aber insgesamt mild ausfallen. Dennoch belasten die zunehmend bei den Verbrauchern ankommenden Preissteigerungen, Unsicherheiten über die wirtschaftlichen Perspektiven und steigende Zinsen die konjunkturelle Entwicklung zu Jahresbeginn. Sie sorgen für eine Investitionszurückhaltung.
  • Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich gemäß ifo Umfragen im Januar weiter aufgehellt. Fast alle Wirtschaftsbereiche waren zuversichtlicher als zuvor. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die wirtschaftliche Abschwächung im Winter milde ausfallen dürfte.
  • Die Industrieproduktion erhielt zum Jahresende einen Dämpfer. Die Automobilindustrie konnte zwar merklich expandieren, aber in anderen Bereichen wie dem Maschinenbau ging die Ausbringung derweil deutlich zurück. Bei den Auftragseingängen im Verarbeitenden Gewerbe setzte sich im Dezember indes der seit Februar letzten Jahres zu beobachtende Abwärtstrend erst einmal nicht weiter fort.
  • Das Weihnachtsgeschäft ist im Einzelhandel schwach ausgefallen. Die Umsätze sind im Dezember gegenüber dem Vormonat deutlich zurückgegangen. Bei der Stimmung unter den Verbrauchern hielt der positive Trend hingegen an.
  • Die Inflationsrate lag im Januar mit voraussichtlich +8,7 % weiter spürbar unter der 10 %-Marke. Auch auf den vorgelagerten Absatzstufen war in den letzten Monaten in Anbetracht nachlassender Energiepreise eine gewisse Entspannung zu beobachten.
  • Der Arbeitsmarkt bleibt ungeachtet der wirtschaftlichen Abschwächung angespannt. Der Beschäftigungsaufbau hat sich zuletzt weiter fortgesetzt, die Zahl der Arbeitslosen fiel saisonbereinigt. Frühindikatoren deuten auf eine steigende Einstellungsbereitschaft und eine weiter abnehmende Arbeitslosigkeit hin.

Schwacher Jahresausgang, gedämpfte Perspektiven zu Jahresbeginn

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im Schlussquartal 2022 gemäß der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamts gegenüber dem Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt leicht um 0,2 % zurückgegangen. Damit stellte sich die wirtschaftliche Dynamik zum Jahresende etwas schwächer dar als zunächst angenommen. Entsprechend wurde vom Statistischen Bundesamt auch das BIP-Jahresergebnis 2022 auf 1,8 % korrigiert. Vor allem der private Konsum und die Investitionen dürften sich im vierten Quartal schwächer entwickelt haben. Bei den privaten Haushalten dämpfen die zunehmend spürbaren Preissteigerungen und die damit verbundenen Kaufkraftverluste. Das wirkt sich auch auf die konsumnahen Dienstleistungsbereiche aus. Angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven und steigenden Zinsen könnten auch Investitionsprojekte zunächst zurückgestellt werden.

Die Lage in der Industrie hat sich zum Jahresende spürbar abgeschwächt. Besonders die energieintensiven Branchen drosselten abermals ihre Produktion. Im Baugewerbe dürften sich neben der kalten Witterung Mitte Dezember auch die steigenden Zinsen und weiterhin hohen Materialkosten negativ ausgewirkt haben. Positive Signale kommen von den zuletzt gestiegenen Auftragseingängen in der Industrie, die laut Umfragen optimistischeren Geschäftsaussichten in allen Branchen sowie die abnehmenden Materialengpässe. Zusammen mit den immer noch gut gefüllten Auftragsbüchern deutet dies darauf hin, dass es im Winterhalbjahr 2022/23 zwar zu einer spürbaren wirtschaftlichen Abschwächung kommt, die allerdings nicht gravierend ausfallen dürfte.

Abkühlung in der Weltwirtschaft

Aktuelle Indikatoren zeigen eine insgesamt schwache Entwicklung des globalen Umfeldes. Der Welthandel nahm im November spürbar um 2,5 % gegenüber dem Vormonat ab, nachdem es bereits im Oktober zu einer Abnahme um 1,4 % gekommen war. Die weltweite Industrieproduktion verringerte sich um 0,2 % (Oktober: -0,8 %). Die Stimmungsindikatoren am aktuellen Rand sprechen für eine weiterhin verhaltene Entwicklung in den kommenden Monaten.

Markanter Rückgang bei ex- und Importen

Der nominale Wert aller Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen hat sich im Berichtsmonat Dezember gegenüber dem Vormonat deutlich verringert (-4,9 %). Auch die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen wiesen in nominaler Rechnung einen starken Rückgang auf (-5,7 %). Im Gegensatz zu den Vormonaten ist der deutliche Rückgang bei den Aus- und Einfuhren nicht vorrangig durch die Preisentwicklung getrieben. Die Ausfuhrpreise blieben im Vormonatsvergleich mit einer Veränderungsrate von +0,1 % nahezu konstant, die Einfuhrpreise gaben mit -1,6 % leicht nach. Der größte Teil des nominalen Rückgangs bei den Aus- und Einfuhren dürfte daher in realer Rechnung bestehen bleiben.

Die aktuelle Schwäche der Weltwirtschaft ist somit im deutschen Außenhandel angekommen. Bei den Ausfuhren wurden leichte Gewinne in den Vormonaten durch den schlechten Dezember vollends aufgezehrt. Allerdings bedeuten die weiterhin fallenden Importpreise eine leichte Verbesserung der Terms of Trade der deutschen Volkswirtschaft. Die monatliche Handelsbilanzüberschuss stieg im Dezember erneut und lag mit 10,6 Mrd. Euro etwas über dem Niveau des Vormonats. Auf dem Höhepunkt der Energiepreiskrise im August hatte die Handelsbilanz noch mit einem negativen Saldo von 1,6 Mrd. Euro abgeschlossen.

Der Ausblick für den Außenhandel bleibt aufgrund des weltwirtschaftlichen Abschwungs verhalten. Der Stimmungsindikator von S&P Global legte zwar im Januar zum zweiten Mal in Folge leicht zu, er befindet sich mit 49,8 Punkten jedoch weiterhin knapp unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Im Dienstleistungsbereich war die Stimmung besser als im Verarbeitenden Gewerbe. Die ifo Exporterwartungen konnten im Januar auf niedrigem Niveau leicht zulegen. Sie liegen jetzt bei +4,3 Saldenpunkten. Zum Vergleich: Vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine lag der Index noch bei rund 15 Saldenpunkten. Eine positive Nachricht ist, dass sich die Erholung bei den Materialengpässen weiter fortsetzt. So gaben in der ifo Umfrage vom Dezember nur noch 50,7 % der Unternehmen an, von Knappheiten bei Vorprodukten betroffen zu sein. Im Vormonat waren es noch 59,3 %. Auch die Containerfrachtraten auf der Verbindung Asien – Europa sind mittlerweile fast wieder auf Vorkrisenniveau gefallen.

Die Industrieproduktion erhält Dämpfer zum Jahresende, Aussichten aber positiv

Die Produktion im Produzierenden Gewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Dezember gegenüber dem Vormonat spürbar zurückgegangen (-3,1 %). Insbesondere der Ausstoß im Baugewerbe sank vor allem wegen der kalten Witterung Mitte Dezember kräftig (-8,0 %). In der Industrie kam es zu einem Minus von 2,1 %. Der Bereich Energie und Wasserversorgung war nach einer Erholung im Vormonat wieder rückläufig (-2,3 %).

In den einzelnen Industriebranchen verlief die Entwicklung der Produktion differenziert: Zwar konnte der gewichtige Bereich Kfz und Kfz-Teile auch im Dezember merklich expandieren (+3,3 %), der ähnlich große Maschinenbau ging derweil allerdings deutlich zurück (-3,8 %). Die besonders energieintensiven Wirtschaftszweige entwickelten sich am Jahresende unterdurchschnittlich. Insbesondere die Herstellung chemischer Erzeugnisse (-11,2 %) sowie der Bereich Papier und Pappe (-7,6 %) waren stark rückläufig. Die Herstellung pharmazeutischer Erzeugnisse konnte hingegen mit +12,9 % kräftig zulegen.

Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe sind im Dezember gegenüber dem Vormonat um 3,2 % gestiegen. Damit setzten die Bestellungen ihren seit Februar letzten Jahres zu beobachtenden Abwärtstrend nicht weiter fort. Ohne Großaufträge kam es zu einem leichten Rückgang um 0,6 %. Insgesamt lagen die Bestellungen zuletzt in arbeitstäglich bereinigter Rechnung 10,1 % unter ihrem Niveau im Vorjahresmonat. Im Vormonatsvergleich haben sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage zugelegt (+5,7 % bzw. +1,2 %). Besonders kräftig nahmen dabei die Bestellungen aus dem Euroraum mit +9,8 % zu, während aus dem Nicht-Euroraum 3,8 % weniger Aufträge eingingen.

Die Stimmung in der deutschen Industrie hat sich im Januar erneut aufgehellt. Die Geschäftserwartungen waren merklich weniger pessimistisch und die Beurteilung der aktuellen Lage verbesserte sich. Dies sowie die gut gefüllten Auftragsbücher und die abnehmenden Materialengpässe deuten auf eine insgesamt recht milde wirtschaftliche Abschwächung im Winterhalbjahr hin.

Einzelhandelsumsatz zuletzt spürbar schwächer

Die Umsätze im Einzelhandel ohne Kfz haben sich im Dezember trotz Weihnachtsgeschäft gegenüber dem Vormonat um 5,3 % verringert. Im Vergleich zum Dezember 2021 meldete der Einzelhandel ein (reales) Umsatzminus von 6,6 %, was zu einem beträchtlichen Teil auch die hohen Preissteigerungen im Einzelhandel, insbesondere für Lebensmittel, widerspiegelt. So kam es in nominaler Rechnung, also ohne Preisbereinigung, binnen Jahresfrist zu einem Umsatzplus von 3,9 %. Der Handel mit Lebensmitteln verzeichnete im Dezember im Vergleich zum Vormonat ein reales Umsatzminus von 4,7 % (ggü. Vorjahresmonat -9,1 %). Der Handel ohne Nahrungsmittel ging um 3,7 % zurück (ggü. Vorjahresmonat +2,6 %). Der Internet- und Versandhandel verbuchte im Dezember eine Abnahme um 3,8 % (ggü. Vorjahresmonat -7,2 %). Im Gesamtjahr 2022 gingen die Umsätze im Einzelhandel gegenüber dem Vorjahr um 0,6 % zurück. Besonders kräftig fiel das Umsatzminus im Internet- und Versandhandel aus (-7,2 %). Im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Krise (Dezember 2019) sank der Umsatz um 1,9 %.

Die Neuzulassungen von Pkw durch private Halter sind im Januar sehr kräftig um 39,8 % gefallen, nachdem sie allerdings im November und Dezember um 14,6 % bzw. 21,5 % zugelegt hatten. Die Entwicklung zum Jahresende hin dürfte stark durch die Reduzierung bzw. das Auslaufen der Förderung von E-Autos und Pkw mit Hybrid-Antrieb geprägt worden sein.

Das Klima bei den privaten Verbrauchern hat sich zum Jahresanfang 2023 weiter aufgehellt. Laut dem GfK Konsumklima ist im Februar mit der vierten Verbesserung in Folge zu rechnen. Die Stimmung unter den Verbrauchern liegt zwar noch auf einem niedrigen Niveau, aber es ist ein positiver Trend sichtbar. Dass der starke Pessimismus wieder nachgelassen hat, dürfte nicht zuletzt auch auf die Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung zurückzuführen sein, die neben den gesunkenen Preisen an den Märkten wieder für niedrigere Energiekosten gesorgt haben. Auch beim ifo Geschäftsklima im Einzelhandel setzte sich im Januar die positive Tendenz fort. Dies gilt sowohl für die Beurteilung der aktuellen Lage, die per Saldo nur noch leicht negativ war, als auch für die Geschäftserwartungen.

Inflationsrate bleibt unter 10 %

Die Inflationsrate, d. h. der Anstieg des Preisniveaus binnen Jahresfrist, lag im Januar voraussichtlich bei 8,7 %. Gegenüber dem Vormonat erhöhten sich die Verbraucherpreise im Januar damit um 1,0 %. Das Statistische Bundesamt hat mit dem Berichtsmonat Januar 2023 eine turnusmäßige Revision auf das neue Basisjahr 2020 vollzogen. Wie üblich, wurden noch keine Ergebnisse für einzelne Gütergruppen ausgewiesen. Außerdem ist ein Vergleich der jetzt bekannt gegebenen Werte für den Januar 2023 mit den Zeitreihen auf Basis des Warenkorbs aus dem Jahr 2015 nur bedingt sinnvoll.

Durch die ab Januar wirksam werdenden Gas- und Strompreisbremsen sollten im weiteren Jahresverlauf die Höchststände aus dem letzten Jahr mit Inflationsraten von über 10 % überwunden sein. Dafür spricht auch, dass auf den vorgelagerten Absatzstufen in den letzten Monaten in Anbetracht nachlassender Energiepreise eine gewisse Entspannung zu beobachten war. So hat sich der Preisauftrieb auf Erzeugerebene im Dezember im Vormonatsvergleich zum dritten Mal in Folge abgeschwächt (-0,4 %, Nov.: -3,9 %; Okt.: -4,2 %), v. a. weil die Energiepreise gegenüber Vormonat zurückgegangen sind (-1,0 %, Nov.: -9,6 %; Okt.: -10,4 %). Die Großhandelsverkaufspreise verringerten sich im Dezember ebenfalls im Vergleich zum November (-1,6 %). Im Vorjahresvergleich stiegen sie aber noch um 12,8 %. Ähnlich verhielt es sich mit den Importpreisen im Dezember (-1,6 % ggü. Vormonat; +12,6 % ggü. Vorjahr).

Die Bundesregierung geht in ihrer Jahresprojektion vom 25. Januar für das Jahr 2023 von einem Verbraucherpreisanstieg um 6,0 % aus. Die Gas- und Strompreisbremsen federn die verzögerte Weitergabe der höheren Beschaffungspreise durch die Energieversorger an die privaten Haushalte ab, auch schon rückwirkend für Januar und Februar.

Aussichten am Arbeitsmarkt hellen sich weiter auf

Trotz der wirtschaftlichen Abschwächung zum Jahreswechsel verläuft die Entwicklung am Arbeitsmarkt insgesamt positiv: Der zu Jahresanfang übliche Anstieg der registrierten Arbeitslosigkeit fiel vergleichsweise gering aus, so dass es in saisonbereinigter Rechnung zu einem Rückgang um 15.000 Personen kam. Die Erwerbstätigkeit legte im Dezember weiter zu (+24.000 Personen). Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gab es im November ebenfalls ein merkliches Plus (+30.000 Personen). Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit erhöhte sich im November auf rund 210 Tausend Personen. Sie dürfte im Dezember auf erhöhtem Niveau geblieben sein.

Die Frühindikatoren haben sich derweil merklich aufgehellt. Die Zahl der gemeldeten Stellen hat sich stabilisiert. Die Arbeitsmarktbarometer von ifo und IAB deuten auf eine steigende Einstellungsbereitschaft und eine weiter abnehmende Arbeitslosigkeit hin. Im konsumnahen Handel sind die Aussichten zwar noch verhalten, aber auch hier haben sich die Beschäftigungsaussichten deutlich verbessert. Tatsächlich ist mittlerweile der Arbeitskräftemangel in vielen Betrieben das drängendere Problem. Der Arbeitskräfteknappheits-Index des IAB stieg im Januar auf einen neuen Rekordstand.

Quelle: BMWK, Pressemitteilung vom 13.02.2023

BFH zur Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einer Biogas-Anlage

Leitsatz

  1. Entstehen Selbstkosten i. S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) aufzuteilen (Anschluss an die BFH-Urteile vom 25.11.2021 – V R 45/20, BFHE 275, 392, und vom 15.03.2022 – V R 34/20, BFH/NV 2022, 1013 und entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE).
  2. Eine KG, an der der Unternehmer zu 40/82 (bei einer Gewinnpartizipation und Stimmrechten von 50 %) beteiligt ist, ist eine nahestehende Person i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG.

Quelle: BFH, Urteil XI R 31/19 vom 09.11.2022

BFH: Vermietung und Verpachtung – Zurechnung der Einkünfte – Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil

Leitsatz

  1. Durch die Bestellung des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft erzielt der Nießbraucher – anstelle des Gesellschafters – die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn und soweit er aufgrund der ihm vertraglich zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte grundsätzlich in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken.
  2. Entsprechendes gilt beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil. Der Quotennießbraucher erzielt nur dann die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen – und zwar auch solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen – nicht alleine und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Quelle: BFH, Urteil IX R 4/20 vom 15.11.2022

BFH: Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG bei sog. Drittanstellung von Geschäftsführern

Leitsatz

Ist bei einer KGaA die nicht am Kapital beteiligte Komplementärin, eine GmbH & Co. KG (KG), zu 100 % an ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, einer GmbH, beteiligt, und sind in dieser GmbH sowohl Kommanditisten der KG als auch nicht an der KG beteiligte Personen Geschäftsführer, führt die Übertragung der Geschäftsführung der KGaA durch Anstellungsvertrag auf diese Personen (sog. Drittanstellung) nicht dazu, dass die dadurch ausgelösten Aufwendungen die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG bei der Gewerbeertragsermittlung der KGaA mindern, wenn der KG durch Satzung ein entsprechender Ersatzanspruch zusteht. Die Geschäftsführer der KGaA üben dann faktisch und wirtschaftlich ihre Tätigkeit für Rechnung der KG aus.

Quelle: BFH, Urteil I R 13/20 vom 14.09.2022

BFH: EuGH-Vorlage zur Besteuerung von Gutscheinen in einer Leistungskette nach aktuellem Recht

Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung von Art. 30a Nr. 2 und Art. 30b Unterabs. 2 MwStSystRL zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Liegt ein Einzweck-Gutschein i. S. von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn
  • zwar der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats an Endverbraucher erbracht werden sollen,
  • aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?
  1. Falls die Frage 1 verneint wird (und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt): Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wonach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten Steuerpflicht (EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 – C-520/10, EU:C:2012:264) entgegen?

Quelle: BFH, Beschluss XI R 21/21 vom 03.11.2022

BFH: Übertragung eines vor dem 01.01.2019 ausgestellten Gutscheins über eine elektronische Dienstleistung in einer Leistungskette

Leitsatz

Guthabenkarten über näher bezeichnete und im Inland zu erbringende Leistungen konnten wie eine Ware gehandelt werden und führten jedenfalls vor Inkrafttreten der § 3 Abs. 13 ff. UStG über die Anzahlungsbesteuerung zu einer Steuerentstehung.

Quelle: BFH, Beschluss XI R 11/21 vom 29.11.2022

BFH: Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags

Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil I R 29/19 vom 02.11.2022

Leitsatz

  1. Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG) bezieht sich nicht nur auf den Schlusspunkt des Ausgleichs aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden.
  2. Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

Quelle: BFH, Urteil I R 37/19 vom 02.11.2022

BFH: Körperschaftsteuerrechtliche Organschaft im Fall der Insolvenz

Leitsatz

  1. Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags ist Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Kann ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigiert werden und wäre bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze im endgültigen Jahresabschluss ein anderes Ergebnis auszuweisen, kann diese Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags ungeachtet der Insolvenz nicht in (analoger) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG „geheilt“ werden.
  2. Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

Quelle: BFH, Urteil I R 29/19 vom 02.11.2022

BFH zur Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen und Duldungsinanspruchnahme des Kontoinhabers im Fall einer Kontoleihe

Leitsatz

  1. Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
  2. Erteilt der Kontoinhaber einem Dritten, z. B. seinem Ehepartner, Kontovollmacht und lässt er es ohne Kontrollmaßnahmen zu, dass der Dritte das Konto für die Abwicklung eigener Geldgeschäfte nutzt, finden bei einer Duldungsinanspruchnahme des Kontoinhabers nach § 3 AnfG die Grundsätze für eine Wissenszurechnung nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB entsprechende Anwendung.

Quelle: BFH, Urteil VII R 21/21 vom 23.08.2022

Keine Bonus-Monate beim Elterngeld wegen Bereitschaftsdienst

Der Bereitschaftsdienst von Klinikärzten ist Arbeitszeit. Er zählt auch als Zeit der Erwerbstätigkeit im Sinne des Elterngeldrechts und kann deshalb dazu führen, dass ein Arzt keine sog. Partnerschaftsbonus-Monate beim Elterngeld bekommt. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt entschieden.

Geklagt hatte eine Klinikärztin. Nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 2016 hatte sie elf Monate das Basiselterngeld bezogen, ihr Ehemann anschließend drei weitere Monate. Danach arbeiteten beide in Teilzeit und nahmen die vier sog. Partnerschaftsbonus-Monate in Anspruch. Das setzte nach dem damaligen Recht voraus, dass beide Elternteile in diesen vier Monaten gleichzeitig im Monatsdurchschnitt nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig waren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Ärztin, wenn man ihre Bereitschaftsdienste in der Klinik vollständig mitzählte, in einigen Monaten mehr als 30 Stunden pro Woche gearbeitet hatte. Deshalb forderte die zuständige Behörde das für die vier Partnerschaftsbonus-Monate zunächst nur vorläufig gezahlte Elterngeld zurück.

Dagegen klagte die Ärztin. Sie meinte, dass der Bereitschaftsdienst keine Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes sei. Sie müsse sich zwar in der Klinik aufhalten, könne die Zeit im Bereitschaftsdienstzimmer aber weitgehend frei nutzen. Wenn man nur die Zeiten zähle, in denen sie tatsächlich zum Einsatz gekommen sei, dann habe sie durchweg weniger als 30 Stunden pro Woche gearbeitet. Mit dieser Argumentation hatte sie in erster Instanz vor dem Sozialgericht Erfolg. Auf die Berufung der Elterngeldstelle hat das LSG ihre Klage aber in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung in zweiter Instanz abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Bereitschaftsdienst vollständig als Zeit der Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen, weil die Ärztin sich auf Weisung ihres Arbeitgebers in der Klinik aufhalten musste und weil dieser Dienst vergütet wurde. Ein weiterer Gesichtspunkt sei, dass die Ärztin sich während des Bereitschaftsdienstes gerade nicht um die Betreuung ihres Kindes kümmern konnte. Außerdem richte sich die Höhe des Elterngeldes nach dem Einkommen vor der Geburt. Hier wirke sich auch Einkommen aus Bereitschaftsdiensten positiv für den Elterngeldberechtigten aus. Dann sei es aber konsequent, solche Zeiten auch bei den Voraussetzungen der Partnerschaftsbonus-Monate zu berücksichtigen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Hintergrund

Das Elterngeld dient dazu, fehlendes Einkommen auszugleichen, wenn Eltern nach der Geburt eines Kindes ihre Arbeit einschränken oder unterbrechen. Sie können bis zu vier zusätzliche Monate das sog. Elterngeld Plus als Partnerschaftsbonus erhalten, wenn sie in diesem Zeitraum beide zwischen 24 und 32 Wochenstunden in Teilzeit arbeiten (§ 4b Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz). Der Entscheidung des LSG lag die ältere Gesetzeslage zugrunde, die für Kinder galt, die vor dem 1. September 2021 geboren sind. Danach setzte die Inanspruchnahme der vier Partnerschaftsbonus-Monate voraus, dass beide Elternteile in diesen vier aufeinander folgenden Monaten im Monatsdurchschnitt zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiteten (§ 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG in der bis zum 31. August 2021 geltenden Fassung).

Quelle: LSG Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung vom 08.02.2023 zum Urteil L 2 EG 3/21 vom 15.12.2022 (nrkr)

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin