Vereinsversammlungen künftig hybrid möglich

Vereine sollen künftig grundsätzlich hybride Mitgliederversammlungen einberufen dürfen. Die Teilnahme und Ausübung von Mitgliedsrechten soll dann sowohl in Präsenz als auch virtuell möglich sein. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/2532) zur Ergänzung des Paragrafen 32 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beschloss der Rechtsausschuss im Bundestag am 08.02.2023. Eingebracht hatte den Gesetzentwurf der Bundesrat. Durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wurde die Vorlage allerdings grundlegend geändert. Für die Vorlage stimmten im Ausschuss die Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie von CDU/CSU und Die Linke bei Ablehnung der Vertreter der AfD-Fraktion. Die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfes ist für 09.02.2023 geplant.

Gegenüber dem Entwurf der Länderkammer sieht die nun verabschiedete Fassung unter anderem vor, dass die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation möglich sein soll und nicht nur in Form von Videokonferenztechnik. Dies ermöglicht laut Begründung auch die Teilnahme per Chat, Telefonkonferenzen oder Abstimmungen per E-Mail. Zudem bezieht sich die Regelung nicht wie im Entwurf der Länderkammer auf den Vereinsvorstand, sondern ist laut Begründung so ausgestaltet, dass sie auch für andere mögliche Einberufungsorgane gilt.

Für die Einberufung rein virtueller Mitgliederversammlungen durch das Einberufungsorgan soll, sofern es keine entsprechende Satzungsregelung gibt, ein Beschluss der Mitglieder notwendig sein. Der Beschluss soll laut Begründung nur für künftige Versammlungen gelten und kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten. Zudem muss laut Entwurf bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung angegeben werden, „wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“.

Wie in der Begründung ausgeführt wird, greifen die neuen Regelungen über Verweisungen in Paragraf 28 BGB beziehungsweise Paragraf 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen. Zudem sind die Regelungen dispositiv, das heißt, Vereine können in ihren Satzungen davon abweichen und beispielsweise hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen.

Keine Mehrheit fand ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Nach diesem wäre die Einberufung rein virtueller Versammlungen auch ohne vorherigen Beschluss der Mitglieder möglich gewesen. Einen gleichlautenden Gesetzentwurf der Unionsfraktion (20/4318) erklärte der Ausschuss für erledigt.

Die Koalitionsfraktionen hatten zu dem Gesetzentwurf bereits früher einen Änderungsantrag eingebracht, der auch Gegenstand der Sachverständigenanhörung war. Der nun verabschiedete Änderungsantrag geht über diesen früheren Antrag hinaus.

Die Anhörung im Video und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw50-pa-recht-mitgliederversammlungen-925646

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 08.02.2023

Austausch von Steuerberichten mit den USA beschlossen

Der Finanzausschuss im Bundestag hat am 08.02.2023 dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. August 2020 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über den Austausch länderbezogener Berichte (20/5021) zugestimmt. Für den Entwurf stimmten in der vom Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Sitzung die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die CDU/CSU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Die Fraktion Die Linke enthielt sich.

Mit der Vereinbarung mit den USA soll sichergestellt werden, „dass die Finanzverwaltungen zur Wahrung der Integrität des Steuerrechts die erforderlichen Informationen erhalten und dass die multinationalen Unternehmen ihren Dokumentationspflichten nach einem einheitlichen Standard nachkommen“, heißt es in der Begründung.

Die SPD-Fraktion nannte die Länderberichte ein wichtiges Instrument, um Großunternehmen besser auf die Finger zu schauen und Steuergestaltungen eindämmen zu können. Nach Schätzungen würden der Europäischen Union jedes Jahr rund 50 bis 70 Milliarden Euro durch Steuergestaltungen verloren gehen. Durch den Informationsaustausch werde es zu einem Anstieg der effektiven Steuersätze kommen, erklärte die SPD-Fraktion unter Berufung auf eine OECD-Studie. Man hoffe, dass die Steuerflucht effektiv bekämpft werden könne.

Die CDU/CSU-Fraktion schloss sich den Äußerungen der SPD-Fraktion inhaltlich an und erinnerte zudem an das bereits vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf den Weg gebrachte BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting – Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung). Mit dem BEPS-Projekt soll verhindert werden, dass international tätige Unternehmen aufgrund der unzureichend aufeinander abgestimmten Steuersysteme der Staaten einen unfairen Steuerwettbewerb betreiben und daher Steuerschlupflöcher entstehen, mit denen solche Unternehmen ihre Steuerlast mit aggressiver Steuerplanung auf ein Minimum drücken können. Die CDU/CSU-Fraktion nannte es aber bemerkenswert, dass die USA nicht dem multilateralen Abkommen beitreten, sondern ein bilaterales Abkommen abschließen würden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von einem wichtigen Instrument zur Bekämpfung von Steuerflucht. Die FDP-Fraktion schloss sich dieser Einschätzung an und zeigte sich erfreut über die breite Zustimmung. Auch die AfD-Fraktion begrüßte das Abkommen, merkte jedoch kritisch an, dass damit nur die Auswirkungen unterschiedlicher Steuersätze für Unternehmen bekämpft würden statt die Steuersätze zu senken.

Die Fraktion Die Linke begrüßte die Zielsetzung des Abkommens. Die USA würden eingebunden, nachdem sie sich der BEPS-Initiative bisher verweigert hätten. Aufgrund des dürftigen Inhalts des Abkommens sei aber zu bezweifeln, dass die Ziele tatsächlich erreicht würden. Steuergestaltungen durch internationale Konzerne seien ein Riesenproblem, aber in dem Abkommen würden Einzelheiten des Informationsaustausches wie Umfang und Zeitplan offen gelassen.

Die Bundesregierung erklärte auf eine Frage der CDU/CSU-Fraktion, es handele sich um ein internationales Abkommen, das als Einspruchsgesetz angesehen werde und im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sei. Wenn das Gesetz verabschiedet worden sei, könne eine Informationsaustauschrunde mit den USA ab 31. März 2023 beginnen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 08.02.2023

2022 wurden 8,3 % weniger Zigaretten versteuert als im Vorjahr

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 65,8 Milliarden Zigaretten versteuert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 6,0 Milliarden Stück beziehungsweise 8,3 % weniger als im Jahr 2021. Der Rückgang fiel damit deutlich höher aus als in den vergangenen Jahren (2021: -2,8 %; 2020: -1,1 %). Ein Grund für den starken Rückgang dürfte die Erhöhung der Tabaksteuer zum 1. Januar 2022 sein. Auch der Absatz von Zigarren und Zigarillos sank um 8,9 % auf 2,5 Milliarden Stück. Die Menge des versteuerten Feinschnitts erhöhte sich dagegen trotz Steuererhöhung mit +0,9 % leicht im Vergleich zum Vorjahr auf 25 080 Tonnen. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass selbst gedrehte Zigaretten aus Feinschnitt-Tabak günstiger sind als fertige Zigaretten und daher häufig als Ausweichprodukt genutzt werden.

Im Jahr 2022 wurden 324,5 Tonnen Pfeifentabak versteuert. Im Gegensatz zu den Vorjahren handelt es sich bei der versteuerten Menge für das Jahr 2022 allerdings ausschließlich um klassischen Pfeifentabak. Ein Vergleich mit den Vorjahren ist nicht möglich, da Wasserpfeifentabak und Tabakprodukte für elektrische Tabakerhitzer in den Absatzzahlen für Pfeifentabak seit dem Berichtsjahr 2022 nicht mehr enthalten sind.

Tabaksteuermodernisierungsgesetz: Absatz von Wasserpfeifentabak sinkt in der zweiten Jahreshälfte stark

Zum 1. Januar 2022 wurde ein zusätzlicher Steuertarif für Wasserpfeifentabak und erhitzten Tabak eingeführt. Bislang wurden diese wie Pfeifentabak und somit niedriger versteuert. Für E-Zigaretten und Liquids fiel ab 1. Juli 2022 erstmals Tabaksteuer an.

Der Absatz von Wasserpfeifentabak belief sich im Jahr 2022 insgesamt auf 962,6 Tonnen. Während im 1. Halbjahr 2022 noch 902,4 Tonnen an Wasserpfeifentabak versteuert wurden, belief sich die Absatzmenge für das 2. Halbjahr 2022 auf nur noch 60,3 Tonnen. Grund hierfür ist ein Vorzieheffekt aufgrund der Neufassung der Tabaksteuerverordnung, die am 1. Juli 2022 in Kraft getreten ist. Seit diesem Zeitpunkt ist der Vertrieb und der Handel mit Wasserpfeifentabak in Packungen über 25 Gramm grundsätzlich nicht mehr zulässig. Kleinverkaufspackungen über 25 Gramm, die nachweislich vor dem 1. Juli 2022 versteuert wurden, durften bis zum 31. Dezember 2022 abverkauft werden. Die Menge der seit dem 1. Juli 2022 erstmals steuerpflichtigen Substitute für Tabakwaren (z. B. Liquids) betrug 266 018 Liter.

Zum 1. Januar 2022 trat außerdem erstmals seit sieben Jahren wieder eine stufenweise Tabaksteuererhöhung in Kraft:

  • ab 1. Januar 2022 für Zigaretten, Zigarren/Zigarillos, Feinschnitt und Pfeifentabak,
  • ab 1. Januar 2023 für Wasserpfeifentabak und erhitzten Tabak und
  • ab 1. Januar 2024 für Substitute für Tabakwaren (hierunter fallen z. B. die in E-Zigaretten genutzten Liquids).

Menge der versteuerten Zigaretten seit 1991 mehr als halbiert

Die langfristige Entwicklung der versteuerten Tabakwaren zeigt, dass der Zigarettenabsatz seit 1991 von 146,5 Milliarden Stück um mehr als die Hälfte auf 65,8 Milliarden Stück im Jahr 2022 sank. Im Gegensatz dazu stiegen die versteuerten Verkaufswerte für Zigaretten aufgrund von Tabaksteuer- und Preiserhöhungen im gleichen Zeitraum um 37,7 % auf 21,9 Milliarden Euro.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 08.02.2023

Kein Wohngeld bei überlanger Studiendauer

Studierende können bei überlanger Studiendauer einen Anspruch auf Wohngeld verlieren. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die 1991 geborene Studierende hatte über mehrere Jahre Wohngeld erhalten; Anfang 2022 stellte sie einen Antrag auf Weiterbewilligung. Sie befand sich inzwischen im 14. Fachsemester (Bachelor-Studiengang Bauingenieurswesen) und (wegen vier Urlaubssemestern und zwei Semestern eines Erststudiums) im 20. Hochschulsemester. Die Wohngeldbehörde des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin lehnte den Antrag auf Wohngeld mit der Begründung ab, die Inanspruchnahme sei missbräuchlich.

Die 21. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Gewährung von Wohngeld stehe im konkreten Fall der gesetzliche Ausschlussgrund der missbräuchlichen Inanspruchnahme entgegen. Wohngeld solle nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gewährt werden, wenn sich das Wohngeldbegehren mit Blick auf das Gebot einer sparsamen und effektiven Verwendung staatlicher Mittel als unangemessen und sozialwidrig darstelle. Dabei habe der Gesetzgeber selbst ein Regelbeispiel bestimmt, nämlich den Besitz erheblichen Vermögens. Die Rechtsprechung habe es als weiteren Beispielsfall angesehen, wenn die antragstellende Person erwerbsfähig sei und es unterlasse, eine ihr zumutbare Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Ein Fall missbräuchlicher Inanspruchnahme liege aber auch bei Studierenden mit einer Studiendauer vor, die unter Berücksichtigung der Gesamtumstände dafür spreche, dass das Studium nicht (mehr) ernsthaft betrieben werde. So liege es, wenn eine Studierende sich im Zweitstudium im 14. Fachsemester und damit mehr als dem Doppelten der Regelstudienzeit befinde und nur etwas mehr als die Hälfte aller erforderlichen Klausuren bestanden habe. Eine Verdoppelung der Regelstudienzeit wegen behaupteter studentischer Nebentätigkeit komme ebenso wenig in Betracht wie eine Herausrechnung von vier „Corona-Semestern“.

Das Urteil ist mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden.

Quelle: VG Berlin, Pressemitteilung vom 07.02.2023 zum Urteil 21 K 144/22 vom 15.12.2022 (rkr)

Abgabe von Unstimmigkeitsmeldungen ab 1. April 2023 in jedem Fall verpflichtend

Ab dem 1. April 2023 ist die Abgabe von Unstimmigkeitsmeldungen nach § 23a Abs. 1 Geldwäschegesetz (GwG) in jedem Fall verpflichtend.

Nach dem GwG Verpflichtete müssen eine Unstimmigkeitsmeldung nach § 23a Abs. 1 GwG beim Transparenzregister abgeben, wenn sie Unstimmigkeiten zwischen den Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister und den beim Vertragspartner erhobenen Angaben feststellen.

Derzeit besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Unstimmigkeitsmeldung wegen des Fehlens einer Eintragung im Transparenzregister, wenn ihr Fehlen darauf beruht, dass die Eintragung nicht verpflichtend war (sogenannte Mitteilungsfiktion des § 20 Abs. 2 GwG a. F.), § 59 Abs. 10 GwG.

Diese Übergangsregelung endet zum 1. April 2023, sodass Unstimmigkeitsmeldungen auch dann abgegeben werden müssen, wenn eine Eintragung im Transparenzregister aufgrund der Mitteilungsfiktion des § 20 Abs. 2 GwG a. F. noch nicht erfolgt ist.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 07.02.2023

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung auf Wassernutzungsentgelte im Rahmen der öffentlichen Wasserversorgung

Das Finanzgericht Berlin Brandenburg hat mit Urteil vom 14. Dezember 2022 (Az. 11 K 11252/17) entschieden, dass bei der Berechnung der Gewerbesteuer die Entgelte, die ein Wasserversorgungsunternehmen für die Entnahme von Grundwasser aufgewandt hat, zu einem Viertel zu berücksichtigen sind. Diese gewerbesteuerliche Hinzurechnung beruht auf § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG. Nach dieser Vorschrift ist dem Gewerbeertrag ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten hinzuzurechnen.

Die Klägerin, ein im Land Brandenburg ansässiges Wasserversorgungsunternehmen, wandte sich mit ihrer Klage u. a. gegen die vom Finanzamt vorgenommene Hinzurechnung und verwies auf eine Entscheidung des 6. Senats des FG Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2017, der zufolge das Wassernutzungsentgelt nicht für die rechtliche Gestattung der Entnahme, sondern für die tatsächliche Entnahme von Wasser entrichtet werde (Az. 6 K 6104/15, EFG 2017, 741).

Der 11. Senat ist dieser Auffassung nicht gefolgt, weil nach seiner Überzeugung die der Klägerin noch vor der Wiedervereinigung im Jahr 1990 erteilte wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung zur Entnahme von Grundwasser zum Zweck der Trinkwasserversorgung eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis und damit ein Recht im Sinne der genannten Vorschrift darstelle. Für die zeitlich befristete Überlassung dieser Erlaubnis seien der Klägerin die streitigen Aufwendungen in Form des Wassernutzungsentgelts nach § 40 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) entstanden. Damit werde nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des OVG Berlin-Brandenburg der in der Eröffnung der Benutzungsmöglichkeit liegende Vorteil abgeschöpft. Insoweit sei es unschädlich, dass die Höhe des Wassernutzungsentgelts an die Menge des entnommenen Wassers anknüpfe. Denn um die Abgrenzung zu einer Steuer zu ermöglichen, müsse das Wassernutzungsentgelt nach der Rechtsprechung des BVerfG gegenleistungsabhängig sein und dürfe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigen. Dieser Anforderung werde insbesondere dann entsprochen, wenn sich das Wasserentnahmeentgelt nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge berechne. Schließlich sei die Wassernutzungserlaubnis der Klägerin auch im gewerbesteuerrechtlichen Sinne überlassen worden, weil im Land Brandenburg die öffentliche Wasserversorgung in der Verantwortung der Kommunen und kreisfreien Städte liege, die entweder entsprechende Zweckverbände bilden oder Unternehmen unterschiedlicher Rechtsform mit der Durchführung der Wasserversorgung beauftragen könnten. Vor diesem Hintergrund könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des 6. Senats berufen. Denn in dem von diesem entschiedenen Fall sei die öffentliche Wasserversorgung eine gesetzlich bestimmte Pflichtaufgabe des betreffenden Unternehmens gewesen.

Die Entscheidung des 11. Senats könnte erhebliche Konsequenzen für die Preisgestaltung der Wasserversorger in Brandenburg haben.

Das beim Bundesfinanzhof anhängige Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision wird dort unter dem Aktenzeichen IV B 7/23 geführt.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 07.02.2023 zum Urteil 11 K 11252/17 vom 14.12.2022 (nrkr – BFH-Az.: IV B 7/23)

Gewährung von Forschungszulage nach dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz – FZulG)

Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz – FZulG) vom 14. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2763) wurde eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Form einer Forschungszulage (FZul) eingeführt. Das Gesetz ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten.

Mit Artikel 8 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona Steuerhilfegesetz) vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1512) wurde der Bemessungsgrundlagenhöchstbetrag in § 3 Absatz 5 FZulG angehoben und die Anwendungsregelung in § 16 FZulG konkretisiert.

Mit Artikel 40 des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) wurden Klarstellungen in Bezug auf den Ausschluss der Förderung von Auftragnehmern in § 3 Absatz 4 FZulG und in Bezug auf die Anrechnung der FZul bei der nächsten erstmaligen Festsetzung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer und die damit ggf. zusammenhängende Steuererstattung in § 10 FZulG getroffen.

Mit Artikel 5 des Gesetzes zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2931) wurden insbesondere in § 3 Absatz 6 FZulG erforderliche Anpassungen zur Begrenzung der Bemessungsgrundlage bei verbundenen Unternehmen umgesetzt sowie in § 5 Absatz 4 FZulG ein Verfahren zur gesonderten Feststellung von förderfähigen Aufwendungen für die Fälle, in denen die Einkünfte des FuE-Unternehmens gesondert festgestellt werden, eingeführt.

Die im FZulG verwendeten Begriffe sind nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem FZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas Anderes entnehmen lässt (BFH vom 18. Mai 1999 – III R 65/97, BStBl II S. 619). Die Gewährung der FZul hängt aber nicht von der konkreten ertragsteuerlichen Behandlung beim Steuerpflichtigen ab.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die Anwendung des FZulG die im Schreiben aufgeführten Grundsätze.

Anwendungsregelung

Dieses Schreiben ersetzt das BMF-Schreiben vom 11. November 2021 (BStBl I S. 2277) und ist ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe im Bundessteuerblatt (BStBl) in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Das Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 3 – S-2020 / 22 / 10007 :003 vom 07.02.2023

„INVEST – Zuschuss für Wagniskapital“ wird um weitere vier Jahre verlängert – deutliche Erhöhung des Erwerbszuschusses von bisher 20 % auf 25 %

Die Förderrichtlinie zum INVEST-Programm wird nun mit Wirkung zum 06.02.2023 für weitere vier Jahre bis zum 31.12.2026 verlängert. Investitionen von Business Angels in junge innovative Unternehmen werden somit auch weiterhin bezuschusst.

Bereits seit Mai 2013 fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Programms „INVEST – Zuschuss für Wagniskapital“ Privatpersonen mit steuerfreien Zuschüssen für ihre Beteiligungen an Start-ups.

Die Beauftragte des BMWK für die Digitale Wirtschaft und Start-ups, Dr. Anna Christmann:

„Mit INVEST konnten seit Programmstart bereits fast 1,4 Milliarden Euro Wagniskapital für junge innovative Unternehmen mobilisiert werden. Die in mehreren Studien nachgewiesene Hebelwirkung des INVEST-Programms wollen wir mit der Fortsetzung des Programms weiterhin nutzen, um auch zukünftig die Kapitalausstattung von jungen innovativen Unternehmen durch private Investierende zu verbessern.“

In der neuen Förderrichtlinie hat das BMWK die Optimierungsvorschläge aus der Evaluation vom letzten Jahr aufgegriffen und die Förderbedingungen so angepasst, dass zukünftig eine stärkere Fokussierung auf die Mobilisierung von sog. Virgin Angels, also erstmals investierenden Business Angels, erfolgt.

Die Beauftragte des BMWK für die Digitale Wirtschaft und Start-ups, Anna Christmann:

„Wir haben in der Evaluation gesehen, dass Virgin Angels oder Business Angels mit bisher nur wenigen Investments besonders sensitiv auf eine Erhöhung der INVEST-Zuschüsse reagieren. Wir haben daher den Erwerbszuschuss erstmals seit 10 Jahren deutlich von bisher 20 % auf 25 % angehoben. Mit der Einführung eines INVEST-Budgets in Höhe von 100.000 Euro an Erwerbszuschüssen pro natürlicher Person und weiteren Anpassungen bei den Investitionsgrenzen sollen vor allem Virgin Angels neu in den Markt eintreten und dann auch dauerhaft am Markt bleiben, sodass mit INVEST eine nachhaltige Belebung des Business-Angel-Marktes erfolgt.“

Die aufgrund knapper Haushaltsmittel zum 01.03.2022 vorgenommenen Einschränkungen bei den INVEST-Förderbedingungen werden nun zum Teil wieder zurückgefahren. So werden Wandeldarlehen dem direkten Anteilserwerb wieder gleichgestellt und der Erwerbszuschuss beträgt in beiden Fällen zukünftig 25 %. Auch die Mindestinvestitionssumme wird wieder von 25.000 Euro auf 10.000 Euro reduziert. Anschluss-Investments sind jedoch entsprechend den Empfehlungen der Evaluation auch weiterhin nicht mehr INVEST-förderfähig.

Quelle: BMWK, Pressemitteilung vom 07.02.2023

Ermittlung des Gebäudesachwerts nach § 190 BewG – Baupreisindizes zur Anpassung der Regelherstellungskosten aus der Anlage 24 BewG für Bewertungsstichtage im Kalenderjahr 2023

Gemäß § 190 Absatz 4 Satz 4 BewG gebe ich die maßgebenden Baupreisindizes zur Anpassung der Regelherstellungskosten aus der Anlage 24, Teil II., BewG bekannt, die ausgehend von den vom Statistischen Bundesamt am 10. Januar 2023 veröffentlichten Preisindizes für die Bauwirtschaft (Preisindizes für den Neubau in konventioneller Bauart von Wohn- und Nichtwohngebäuden; Jahresdurchschnitt 2022; 2015 = 100) ermittelt wurden und für Bewertungsstichtage im Kalenderjahr 2023 anzuwenden sind.

Baupreisindizes (nach Umbasierung auf das Jahr 2010 = 100)

Gebäudearten*
1.01. bis 5.1. Anlage 24, Teil II., BewG
Gebäudearten*
5.2. bis 18.2. Anlage 24, Teil II., BewG
164,0166,9


*Die Bestimmungen in der Anlage 24, Teil II., BewG zum Teileigentum und zur Auffangklausel gelten analog.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben IV C 7 – S-3225 / 20 / 10001 :004 vom 30.01.2023

Weitere Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im JStG 2010 mit Grundgesetz unvereinbar

Körperschaftsteuerminderungspotenzial III

Mit am 7. Februar 2023 veröffentlichtem Beschluss (Az. 2 BvL 29/14) hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts auf die Vorlage eines Finanzgerichts entschieden, dass auch § 36 Absatz 6a Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung von § 34 Abs. 13f KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (im Folgenden: § 36 Abs. 6a KStG) mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist. Die Regelung kann zu einem Verlust von im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbarem Körperschaftsteuerminderungspotenzial führen, ohne dass dies durch die gleichzeitige Verringerung von Körperschaftsteuererhöhungspotenzial vollständig kompensiert wird.


Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 % Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 % (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung, zuletzt also in Höhe von 10 Prozentpunkten. Steuerfreie Vermögensmehrungen der Körperschaft wurden dagegen zum Teil bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, enthielten also ein Steuererhöhungspotenzial.

§ 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln. Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte.

Die Regelung in § 36 Abs. 6a KStG sieht die Umgliederung des mit 45 % vorbelasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % vorbelastetes Eigenkapital (EK 40) vor; gleichzeitig wird ein positiver nicht mit Körperschaftsteuer vorbelasteter Eigenkapitalteil (EK 02) verringert, bis er verbraucht ist. Bei dieser Umgliederung kann es zu einem Verlust von im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbarem Körperschaftsteuerminderungspotenzial kommen, ohne dass dies durch die Verringerung eines im EK 02 ruhenden und im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbaren Körperschaftsteuererhöhungspotenzials ausgeglichen wird.

Das unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). In dieses Schutzgut greift § 36 Abs. 6a KStG bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur nachteilig ein. Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt. Er ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele jedenfalls nicht erforderlich und wird den Anforderungen des Gleichheitssatzes an die Umgestaltung von Eigentümerbefugnissen nicht gerecht.

Sachverhalt

Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde das verwendbare Eigenkapital (vEK) der Gesellschaft entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene „Eigenkapitaltöpfe“ (EK) gegliedert. Eine Belastung des einbehaltenen Gewinns mit 45 % wurde im sogenannten „EK 45“ vermerkt, eine Belastung mit 40 % im „EK 40“. Diese belasteten Eigenkapitalteile enthielten ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden im „EK 0“ erfasst. Letzteres unterteilte sich in die nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Gewinne und Verluste (EK 01), Altrücklagen aus den Jahren vor 1977 (EK 03), offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter (EK 04) sowie sonstige der Körperschaftsteuer nicht unterliegende Vermögensmehrungen (EK 02). Das EK 02 und das EK 03 wurden bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, sie enthielten also ein Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.

Den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete der Gesetzgeber durch die mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.Oktober 2000 neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügten §§ 36 bis 40 KStG. Gemäß § 36 KStG wurden die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals in mehreren Umrechnungsschritten zusammengefasst und umgegliedert und die so ermittelten Endbestände gesondert festgestellt. Diese Feststellung bildete die Grundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 1 KStG einerseits und der Nachbelastung mit Körperschaftsteuer gemäß § 38 KStG andererseits.

Mit Beschluss vom 17. November 2009 (BVerfGE 125, 1 – Körperschaftsteuerminderungspotenzial I) erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 36 Abs. 3 und 4 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes für mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Regelung durch die Umgliederung von EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte.

Daraufhin änderte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2010 die Übergangsvorschriften der §§ 36 und 37 KStG durch Einfügung von § 34 Abs. 13f, 13g KStG. Nach der Neuregelung wurde die vorrangige Umgliederung von EK 45 in EK 40 durch § 36 Abs. 3 KStG gestrichen. Gemäß § 36 Abs. 4 bis 6 KStG findet zunächst in mehreren Schritten eine Verrechnung belasteter und unbelasteter Eigenkapitalteile statt. Daran schließt sich im letzten Schritt gemäß § 36 Abs. 6a KStG die Umgliederung des EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 an, sofern nach den vorgenannten Verrechnungsschritten ein positiver Teilbetrag des EK 02 verblieben ist. Dieser wird zunächst um 5/22 eines positiven Bestands an EK 45, jedoch maximal bis auf null vermindert und das EK 45 entsprechend erhöht. In Höhe von 27/5 des Betrags, um den das EK 02 gemindert worden ist, wird sodann das EK 40 erhöht und das EK 45 vermindert. Damit wird – anders als nach § 36 Abs. 3 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes – vermieden, dass das EK 02 durch die Umgliederung negativ wird und die anschließende Verrechnung mit belasteten Eigenkapitalteilen umgliederungsbedingt zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt.

Bei der Klägerin des Ausgangsverfahrens, einem Kreditinstitut in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft, führte die Feststellung der Endbestände des vEK gemäß § 36 Abs. 7 KStG durch das Finanzamt aufgrund der Regelung in § 36 Abs. 6a KStG zu einer Verringerung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 1 KStG gegenüber dem im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Nach erfolglosem Einspruch erhob sie Klage zum Finanzgericht. Dieses hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.

Wesentliche Erwägungen des Senats

§ 36 Abs. 6a KStG verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG.

I. 1. Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum, sondern auch andere dingliche und sonstige gegenüber jedermann wirkende Rechte sowie schuldrechtliche Forderungen. Er ist nicht auf bestimmte vermögenswerte Rechte beschränkt. Geschützt sind nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht jedoch bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten.

Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit über das Eigentumsobjekt gekennzeichnet. Vermögenswerte öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen hat das Bundesverfassungsgericht in den Schutz der Eigentumsgarantie einbezogen, wenn sie eine Rechtsstellung begründen, die der des Eigentums entspricht und die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde. Hierfür ist neben der Privatnützigkeit der Rechtsposition und einer zumindest eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Inhabers insbesondere von Bedeutung, inwieweit eine derartige Rechtsstellung sich als Äquivalent eigener Leistung erweist.

2. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann insbesondere, wenn sich eine Reform des geltenden Rechts als notwendig erweist, vor der Entscheidung stehen, bisher eingeräumte rechtliche Befugnisse zu beseitigen oder zu beschränken. Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist er bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen im Wege einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung befugt.

Er unterliegt dabei jedoch besonderen verfassungsrechtlichen Schranken. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss mit Blick auf die in Art. 14 Abs. 1 GG enthaltene subjektive Rechtsstellungsgarantie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden.

3. Bei der Umgestaltung komplexer Regelungssysteme steht dem Gesetzgeber für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat.

II. Nach diesen Maßstäben ist § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

1. Das unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Es erfüllt die Kriterien der Privatnützigkeit und jedenfalls eingeschränkten Verfügbarkeit. Ferner beruht es auf einer eigenen Leistung der Körperschaft, weil es sich aus der von dieser in Höhe der Tarifbelastung entrichteten Körperschaftsteuer ableitet. Soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbar war, handelt es sich bei dem Körperschaftsteuerminderungspotenzial nicht lediglich um eine bloße Chance oder zukünftige Verdienstmöglichkeit, sondern um eine vermögenswerte Rechtsposition, die der Körperschaft bereits zustand und bezifferbar war.

2. In das im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren bestehende, im EK 45 gespeicherte und realisierbare Körperschaftsteuerminderungspotenzial greift § 36 Abs. 6a KStG je nach Eigenkapitalstruktur ein. Die Vorschrift führt gegenüber dem Zeitpunkt des Systemwechsels zu einer Reduzierung des Körperschaftsteuerminderungspotenzials, ohne dass dieser Eingriff durch die gleichzeitige Verringerung von Körperschaftsteuererhöhungspotenzial vollständig kompensiert wird.

a) Unter dem Anrechnungsverfahren konnte in positivem EK 45 gespeichertes Körperschaftsteuerminderungspotenzial bei einer Vollausschüttung wegen der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 nur dann nicht oder nicht vollständig realisiert werden, wenn die Summe aller übrigen Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals negativ war. In allen anderen Fällen hat § 36 Abs. 6a KStG eine Verringerung des unter dem Übergangsrecht noch realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials zur Folge. Die Umgliederung von EK 45 in EK 40 gemäß § 36 Abs. 6a Satz 2 KStG führt zwar zu einem höheren Bestand an EK 40, dieses enthält aber mit 1/6 nur ein geringeres Minderungspotenzial als das EK 45, bei dem das Minderungspotenzial 15/55 des Teilbetrags beträgt. Dadurch tritt insgesamt eine Reduzierung des Minderungspotenzials ein.

b) Der Verlust an Körperschaftsteuerminderungspotenzial wird allerdings rechnerisch kompensiert durch die gleichzeitige entsprechende Reduktion von EK 02 und damit des darin enthaltenen Körperschaftsteuererhöhungspotenzials. Nach § 36 Abs. 6a Satz 1 KStG verringert sich der Bestand des EK 02 um 5/22 des Bestands an EK 45 bis zum Verbrauch des EK 02. Da die Verrechnung auf den positiven EK 02-Bestand beschränkt ist, entspricht die umgliederungsbedingte Reduktion des unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten Körperschaftsteuerminderungspotenzials stets der umgliederungsbedingten Reduktion des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials.

Jedoch bleibt infolge der Regelung von § 36 Abs. 6a KStG nur der Saldo aus Körperschaftsteuerminderungs- und -erhöhungspotenzial identisch, nicht das Körperschaftsteuerminderungspotenzial als solches. Die Regelung zieht deshalb ungeachtet des rechnerischen Ausgleichs unter zwei Aspekten eine gegenüber dem Anrechnungsverfahren nachteilige Veränderung nach sich:

aa) Zum einen bewirkt die Verrechnung mit EK 45 eine zwangsweise Nachbelastung des EK 02 mit 30 %, während die Nachbelastung unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens nur bei einer tatsächlichen Ausschüttung erfolgt ist. Die betroffenen Körperschaften konnten also durch eine entsprechende Steuerung des Ausschüttungsverhaltens das Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisieren, ohne dass zugleich eine Körperschaftsteuererhöhung anfiel.

bb) Zum anderen wäre auch bei einer unterstellten Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels EK 02 nur in dem Umfang nachbelastet worden, in dem der Bestand in diesem Zeitpunkt als zur Ausschüttung verwendet gegolten hätte. Das hängt davon ab, ob negative Teilbeträge des vEK zu einer Ausschüttungssperre geführt hätten und gegebenenfalls welche Bestandteile des vEK nach der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 davon betroffen gewesen wären. Da EK 02 gegenüber den belasteten Teilbeträgen des vEK nachrangig war, ist nicht ausgeschlossen, dass bei einer Vollausschüttung zwar Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisiert worden wäre, dagegen nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.

Dies bleibt bei der Verrechnungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG, die allein an den verbliebenen Bestand an EK 02 anknüpft, unberücksichtigt. Eine Konzentration auf den Teil des EK 02, der bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels verwendet worden wäre, wird auch nicht durch die nach § 36 Abs. 4 bis 6 KStG vorausgehenden Schritte zur Ermittlung der Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gewährleistet. Denn die danach erfolgende Verrechnung der verschiedenen Teilbeträge des unbelasteten und des belasteten vEK ist ebenfalls von der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 gelöst.

3. Der in der beschriebenen belastenden Wirkung von § 36 Abs. 6a KStG liegende Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Körperschaftsteuerminderungspotenzial ist nicht gerechtfertigt.

a) Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neuregelung der Übergangsvorschriften legitime Ziele. Er wollte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 125, 1 umsetzen, zugleich aber soweit möglich an dem bisherigen System des Übergangsrechts festhalten. In diesem System war es ein legitimes (Zwischen-)Ziel des Gesetzgebers, die unter dem Halbeinkünfteverfahren nicht mehr benötigte Eigenkapitalgliederung abzubauen. Das gilt umso mehr, als er dabei anstrebte, die bei Fortgeltung des Anrechnungsverfahrens im Falle einer Ausschüttung künftig entstandenen Körperschaftsteuerminderungen im Ergebnis zu erhalten.

Zugleich sollte der Übergang vom alten zum neuen Körperschaftsbesteuerungssystem von Anfang an möglichst einfach abgewickelt werden. Teil der Vereinfachung war das Bestreben des Gesetzgebers, die EK-Konten vom Beginn des Übergangs an auf den dafür absolut erforderlichen Umfang zu reduzieren, nämlich auf einen mit 40 % belasteten Eigenkapitalanteil, anhand dessen das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird (§ 37 Abs. 1 KStG), einen unbelasteten Eigenkapitalanteil (früheres EK 02), dessen Ausschüttung zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer um 3/7 der Gewinnausschüttung führt (§ 38 KStG), und ein steuerliches Einlagekonto (§ 27 KStG, vormals EK 04).

Grundsätzlich legitim war auch die nicht ausdrücklich als gesetzgeberisches Ziel formulierte, der Sache nach aber verwirklichte Zwangsrealisation eines im positiven EK 02 ruhenden Körperschaftsteuererhöhungspotenzials durch Verrechnung mit im EK 45 enthaltenem Körperschaftsteuerminderungspotenzial derselben steuerpflichtigen Körperschaft. Soweit das eine wie das andere realisierbar war, entspricht sie dem Gedanken einer fiktiven Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels, der insgesamt dem Übergangsrecht der §§ 36 ff. KStG zugrunde lag. Dieser Ansatz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil die Steuerpflichtigen auch unter dem Anrechnungsverfahren – jedenfalls dem Grunde nach – spätestens für den Zeitpunkt der Liquidation mit einer Nachbelastung des EK 02 rechnen mussten.

b) Zur Erreichung der genannten legitimen Ziele war § 36 Abs. 6a KStG nur teilweise geeignet. Mit der Regelung wurden zwar die angestrebte Reduktion der Teilbeträge des belasteten verwendbaren Eigenkapitals auf EK 40 und eine weitgehende Eliminierung des EK 02 erreicht, wenn in hinreichendem Umfang positives EK 02 zur Verrechnung mit EK 45 zur Verfügung stand. In allen Fällen, in denen der EK 02-Bestand nach Anwendung von § 36 Abs. 4 bis 6 KStG geringer als 5/22 des EK 45-Bestands war, blieb aber auch danach ein mit 45 % vorbelastetes Eigenkapitalkonto bestehen. Der Vereinfachungseffekt wurde dadurch insgesamt nicht unerheblich beeinträchtigt.

Auch zum (vollständigen) Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials war die Regelung nicht uneingeschränkt geeignet. Erhalten wurde allenfalls der Saldo aus Körperschaftsteuerminderung und -erhöhung. Denn der nach Verrechnung von EK 45 und EK 02 verbleibende erhöhte Bestand an EK 40 wies ein geringeres Minderungspotenzial auf als der Ausgangsbestand an EK 45. Die gleichzeitige Minderung des EK 02 stellte jedenfalls insoweit keinen legitimen und für die Steuerpflichtigen zumutbaren Ausgleich dar, als das darin ruhende Körperschaftsteuererhöhungspotenzial im Zeitpunkt des Systemwechsels nicht realisierbar gewesen wäre, weil EK 02 bei einer Vollausschüttung infolge einer handelsrechtlichen Ausschüttungssperre nach Maßgabe von § 28 Abs. 3 KStG 1999 nicht zur Verwendung gekommen wäre.

c) Zur Vereinfachung des Übergangs und zum Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials war der Verrechnungsschritt des § 36 Abs. 6a KStG, selbst wenn man ihn als dafür zumindest teilweise geeignet betrachtet, jedenfalls nicht erforderlich.

Der Gesetzgeber hätte eine ebenso einfache Abwicklung unter vollständigem Erhalt des (realisierbaren) Körperschaftsteuerminderungspotenzials dadurch erreichen können, dass er das Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 KStG unmittelbar aus den zum Stichtag vorhandenen Teilbeträgen des belasteten Eigenkapitals, dem EK 45 und dem EK 40, gebildet hätte, ohne zuvor die Umgliederung von EK 45 vorzunehmen. Es hätte lediglich der Endbestand beider Teilbeträge zum Stichtag jeweils gesondert festgestellt werden müssen. Auch bei dieser Lösung wäre eine anschließende Saldierung von Körperschaftsteuerguthaben und -erhöhung für die einzelnen Steuerpflichtigen ohne weiteres durchzuführen gewesen.

d) Davon unabhängig ist § 36 Abs. 6a KStG mit der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Festlegung und Beschränkung von Eigentümerbefugnissen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar.

aa) Das EK 45 unterscheidet sich nicht wesentlich vom EK 40. Beide sind Teilbeträge des belasteten vEK, in denen somit Körperschaftsteuerminderungspotenzial enthalten ist. Sie unterscheiden sich lediglich – abhängig von ihrem jeweiligen Entstehungszeitpunkt – hinsichtlich der Höhe des in ihnen enthaltenen Körperschaftsteuerminderungspotenzials.

bb) Durch die Umgliederungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG werden Unternehmen mit umzugliederndem EK 45 schlechter gestellt als Unternehmen mit (von der Umgliederung nicht erfasstem) EK 40. Die Umgliederung führt zu einem partiellen Untergang des im EK 45 gespeicherten Körperschaftsteuerminderungspotenzials, das zwar durch die Reduktion des EK 02 rechnerisch kompensiert wird, aber mit einer entsprechenden „Zwangsrealisation“ des im EK 02 ruhenden Körperschaftsteuererhöhungspotenzials verbunden ist. Demgegenüber bleibt das in dem EK 40 gespeicherte Körperschaftsteuerminderungspotenzial von der Umgliederung gänzlich unbeeinflusst; korrespondierend findet eine Zwangsrealisation des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials zu Beginn der Übergangsphase nicht und ab dem Jahressteuergesetz 2008 nur in Höhe von 3 % statt.

cc) Für diese Ungleichbehandlung von EK 40 und EK 45 fehlt ein einleuchtender Grund. Sie war nicht geeignet, den vom Gesetzgeber angestrebten Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials in allen Fällen zu erreichen. Zur Vereinfachung des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren war sie jedenfalls nicht erforderlich.

III. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31. Dezember 2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung vom 07.02.2023 zum Beschluss 2 BvL 29/14 vom 06.12.2022

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin