ESMA: ESEF Taxonomie 2022 und Aktualisierung der ESEF Conformance Suite veröffentlicht

Am 22. Dezember 2022 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) die ESEF-XBRL-Taxonomiedateien 2022 sowie eine Aktualisierung der ESEF Conformance Suite veröffentlicht, um die Umsetzung der ESEF-Verordnung zu erleichtern.

Die XBRL-Taxonomiedateien und die Testdateien der Conformance Suite bilden die Anforderungen des Aktualisierungsentwurfs 2022 der ESEF-Verordnung (2022 draft update to the ESEF Regulation) und der Aktualisierung 2022 des ESEF-Berichtshandbuchs (2022 update to the ESEF Reporting Manual) ab.

Dabei richtet sich die ESEF Conformance Suite in erster Linie an die technischen Anwender (zum Beispiel XBRL-Softwareentwickler). So kann mit der Conformance Suite festgestellt werden, ob eine Software in der Lage ist, Verstöße gegen die ESEF-Anforderungen zu erkennen und zu markieren.

Die Pressemitteilung finden Sie auf der Internetseite der ESMA.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 23.12.2022

Neue Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Köln ab 1. Januar 2023

Die Familiensenate des Oberlandesgerichts Köln haben ihre neuen Unterhaltsleitlinien bekanntgegeben.

Neben redaktionellen Anpassungen ergeben sich gegenüber den seit dem 1. Januar 2022 geltenden Leitlinien im Wesentlichen Änderungen in Bezug auf die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder gemäß der vom Oberlandesgericht Düsseldorf bereits veröffentlichten Aktualisierung der Düsseldorfer Tabelle zum Kindesunterhalt (vgl. Anhänge I. und II. der Leitlinien) sowie Anpassungen bei den Selbstbehalten.

Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der Fünften Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 30. November 2022 (BGBl. I S. 2130). Der Mindestunterhalt für Kinder der ersten Altersstufe ist von 396 Euro auf 437 Euro, für Kinder der zweiten Altersstufe von 455 Euro auf 502 Euro und der dritten Altersstufe von 533 Euro auf 588 Euro angehoben worden. Entsprechend haben sich die Bedarfssätze in den höheren Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erhöht. Bei den Zahlbeträgen gemäß Anhang II ist berücksichtigt, dass das Kindergeld ab dem 1. Januar 2023 einheitlich für alle Kinder jeweils 250 Euro beträgt.

Die Bedarfssätze für volljährige Kinder der vierten Altersstufe sind zum 1. Januar 2023 ebenfalls angehoben worden. In der ersten Einkommensgruppe beträgt der Bedarfssatz für volljährige Kinder nun 628 Euro.

Für volljährige Kinder mit eigenem Hausstand liegt der in der Regel angemessene Bedarf (unter Einschluss von Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu 410 Euro) künftig monatlich bei 930 Euro.

Die Anpassungen bei den Selbstbehalten von Unterhaltspflichtigen tragen den Erhöhungen der Regelbedarfe nach dem SGB II („Bürgergeld“) sowie den allgemeinen Kostensteigerungen Rechnung. Bei Ansprüchen auf Elternunterhalt wird mit Rücksicht auf die Regelungen des Angehörigenentlastungsgesetzes weiter von der Angabe eines konkreten Betrages abgesehen.

Die Unterhaltsleitlinien sind von den Familiensenaten des Oberlandesgerichts Köln erarbeitet worden, um Anwendungshilfen für häufig wiederkehrende unterhaltsrechtliche Fallgestaltungen zu geben und in praktisch bedeutsamen Unterhaltsfragen eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im gesamten Gerichtsbezirk zu erzielen. Die Leitlinien können die Familienrichter allerdings nicht binden. Sie sollen die angemessene Lösung des Einzelfalls – dies gilt auch für die „Tabellensätze“ – nicht antasten.

Quelle: OLG Köln, Pressemitteilung vom 23.12.2022

Beschränkung der Corona-Sonderzahlung auf aktive Landesbedienstete rechtmäßig

Die Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises für die im Jahr 2022 gewährte Corona-Sonderzahlung auf solche Bedienstete, die zum 29. November 2021 in einem aktiven Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum beklagten Land Rheinland-Pfalz gestanden haben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz und wies die Klage eines pensionierten Landesbediensteten ab.

Zum 8. April 2022 trat das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in Kraft, wonach solche Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, die zum 29. November 2021 in einem aktiven Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum Land Rheinland-Pfalz gestanden haben, zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die COVID-19-Pandemie Anspruch auf eine einmalige Corona-Sonderzahlung haben.

Der Kläger, der bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2012 im Dienst des Beklagten gestanden hatte, begehrte ebenfalls die Corona-Sonderzahlung. Zur Begründung machte er geltend, die fehlende Berücksichtigung von Versorgungsempfängerinnen und -empfängern bei der Sonderzahlung sei verfassungswidrig. Nachdem er sich mit seinem Begehren erfolglos an den Beklagten gewandt hatte, erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz.

Die Koblenzer Richter wiesen die Klage ab. Es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Beklagte die Corona-Sonderzahlung nicht auch an vor dem 29. November 2021 in den Ruhestand getretene Bedienstete gewährt habe. Da mit der Corona-Sonderzahlung dienstliche Mehrbelastungen aufgrund der Corona-Pandemie abgegolten werden sollten, verstoße es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, Versorgungsempfängerinnen und -empfänger, die diesen Belastungen nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise ausgesetzt gewesen seien, bei der Corona-Sonderzahlung nicht zu berücksichtigen. Darin liege auch kein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verankerte Pflicht des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation seiner Bediensteten. Für die Angemessenheit der Alimentation komme es allein auf die Gesamthöhe und nicht auf die Höhe einzelner Besoldungs- und Versordnungsbestandteile an. Die einmalige, pandemiebedingte Gewährung einer Corona-Sonderzahlung genieße deshalb isoliert betrachtet keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Entgegen der Auffassung des Klägers stelle die Corona-Sonderzahlung auch keine „verdeckte“ tarifliche Entgelterhöhung dar, die nach gängiger Praxis des Beklagten zu einer Anpassung der Versorgungsbezüge hätte führen müssen.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten als Rechtsmittel die Zulassung der Berufung beantragen.

Quelle: VG Koblenz, Pressemitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 5 K 645/22.KO vom 22.11.2022

Gefahr des fehlerhaften Einspruchs bei einem Steuerbescheid gegen eine GbR

  • Der an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts übermittelte Umsatzsteuerbescheid ist hinreichend bestimmt, wenn er an einen Gesellschafter mit dem Zusatz „für GbR …“ ergeht und sich aus dem Steuerfahndungsbericht die einzelnen Gesellschafter der aus Sicht der Behörde bestehenden Gesellschaft ergeben.
  • Zur Auslegung von daraufhin eingelegten Einsprüchen einzelner Gesellschafter, welche – fachkundig vertreten – nicht ausdrücklich im Namen der GbR handeln.
  • Die Gesellschafter selbst sind durch den Bescheid nicht beschwert.

Mit Urteil vom 7. Juli 2022 (Az. 4 K 122/20) entschied der 4. Senats des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts über die Einsprüche von Gesellschaftern einer GbR gegen einen Umsatzsteuerbescheid.

Im Rahmen von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle und des Zollfahndungsamtes stellte sich die Finanzbehörde auf den Standpunkt, dass insgesamt vier Personen eine GbR bildeten und in diesem Rahmen Umsätze aus dem Vertrieb von Waren erzielten. Die Umsatzsteuerbescheide wurden nebst Bericht an die Personen versandt, die nach Auffassung der Finanzbehörde der GbR zugehörig waren; unterhalb des Empfängerfeldes, in dem Adressat und Adresse aufgeführt waren, befand sich dabei der Zusatz: „Für Ges. bürgerlichen Rechts (…) Festsetzung und Abrechnung“. Die einzelnen Namen der Personen, welche nach Auffassung der Behörde die Gesellschafter der GbR waren, fanden sich dort nicht.

Der Anwalt von zwei Gesellschaftern legte dagegen Einspruch ein. Wörtlich hieß es dort: „In obiger Angelegenheit zeige ich an, dass mich Frau C (bzw. im anderen Einspruch: Herr B), mit der Wahrnehmung ihrer (bzw. seiner) Interessen beauftragt hat. Meine Vollmacht füge ich anliegend bei. Namens und im Auftrage meiner Mandantin (bzw. meines Mandanten) lege ich hiermit gegen die im Betreff näher bezeichneten Steuerbescheide Einspruch ein. (…).“

Nach erfolglosem Einspruch erhoben Frau C, Herr B und die GbR Klage. Das Gericht entschied, dass die Bescheide aufgrund der Bezugnahme auf den den Bescheiden beigefügten Bericht hinreichend bestimmt waren. Eine Nichtigkeit folge auch nicht aus dem Einwand der Kläger, dass es gar keine GbR gegeben habe; dies könne allenfalls zur Rechtswidrigkeit führen. Die Klage der beiden Gesellschafter C und B sei jedoch unzulässig, weil umsatzsteuerlich allein die GbR Inhaltsadressat sei. Die Klage der GbR wiederum habe keinen Erfolg, weil diese keinen Einspruch eingelegt habe. Insoweit sei erforderlich, dass der Einspruch im Namen der Gesellschaft nach §§ 709 Abs. 1, 714 BGB und zudem grundsätzlich durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich erhoben werde. Hier habe der Anwalt jedoch nur im Namen der Gesellschafter gehandelt – eine andere Auslegung war im Einzelfall nicht angezeigt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 4 K 122/20 vom 07.07.2022 (rkr)

Für die Zwangsvollstreckung gelten neue Formulare

Das Bundesministerium der Justiz führt neue Formulare für die Zwangsvollstreckung ein. Es handelt sich dabei um Formulare für

  • den Vollstreckungsauftrag an Gerichtsvollzieher,
  • den Antrag für einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und
  • den Antrag für eine Durchsuchungsanordnung.

Das Bundesministerium der Justiz hat Layout, Inhalt, Struktur und Systematik der seit 2014 bzw. 2016 unveränderten Formulare umfassend überarbeitet. Die entsprechende Verordnung wurde gestern im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt heute in Kraft. Die neuen Formulare sind damit ab heute, dem 22.12.2022, gültig.

Die Formulare werden auch als strukturierte Datensätze bereitgestellt, sodass vor allem professionelle Anwender diese Datensätze Gerichtsvollziehern und Vollstreckungsgerichten elektronisch übermitteln können. Das vereinfacht die Bearbeitung und reduziert Fehlerquellen.

Die überarbeiteten Formulare sind zudem barrierefrei und nutzerfreundlicher. So ist es beispielsweise möglich, dass bestimmte Teile der neuen Formulare mehrfach benutzt oder weggelassen werden können.

Die Formulare wurden außerdem inhaltlich aktualisiert. Seit der letzten Überarbeitung der Formulare sind mehrere Rechtsvorschriften geändert worden, auf die die Formulare Bezug nehmen. Darüber hinaus wurden Hinweise aus der Praxis aufgegriffen und bisherige Unzulänglichkeiten der Formulare beseitigt.

Die Nutzung der neuen Formulare ist grundsätzlich verbindlich. Auf Grundlage der geschaffenen Übergangsregelung dürfen daneben die alten Formulare noch bis einschließlich 30.11.2023 genutzt werden.

Neben den Formularen für die Zwangsvollstreckung wurde auch das Formular für den Antrag auf Zahlung einer Vergütung für die im Rahmen der Beratungshilfe tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an die Anforderungen der Digitalisierung angepasst. Dieses neue Formular ist ab dem 01.03.2023 zu verwenden.

Darüber hinaus wurde die Fassungsangabe der Formulare zur Beantragung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und Restschuldbefreiungsverfahrens in der Verbraucherinsolvenzformularverordnung aktualisiert. Seit der letzten gesetzlichen Änderung der Formulare wurden in der Praxis bereits vielfach Formulare mit aktualisierter Fassungsangabe verwendet. Dies wird nun auch für die Verordnung selbst nachgeholt.

Das Bundesministerium der Justiz stellt die Formulare für die Zwangsvollstreckung als ausfüllbare PDF-Dokumente bereit, ebenso wie ergänzende Ausfüllhinweise. Die Dokumente finden Sie hier.

Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 22.12.2022

Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Grundstücksveräußerung unter Fortbestand einer dinglichen Belastung (Wohnungsrecht)

Belässt der Grundstückskäufer ohne angemessene Vergütung dem Verkäufer (oder einem Dritten) Nutzungsrechte an dem Grundstück (Nießbrauchs- und Wohnungsrechte), liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt und der deshalb in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 zu einem Kaufpreis von 133.000 Euro (inklusive Inventar in Höhe von 30.000 Euro) zwei Flurstücke, von denen eines mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Die Klägerin war seit 1995 Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude, an dem für den Bruder der Veräußerin, Herrn C, bereits im Jahr 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt worden war. Für das zweite Flurstück bestand ein Nießbrauchsrecht des C. Das Wohnungsrecht wurde von C am 4. Mai 2021 zur Eintragung im Grundbuch angemeldet und am 4. Juni 2021 eingetragen. Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 werden das Wohnungsrecht und das Nießbrauchsrecht als bestehende Belastung aufgeführt. Der Gesamtwert des übernommenen Wohnungsrechts beträgt unstreitig 146.328 Euro.

Das beklagte FA setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 2. Juli 2021 die Grunderwerbsteuer in Höhe von 12.466 Euro fest. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigte das FA den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis (103.000 Euro) und erhöhte ihn um den Wert des Wohnungsrechts (146.328 Euro). Die Klägerin war anders als das FA der Auffassung, das Wohnungsrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen. Der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks. Das dingliche Wohnungsrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von C abzusichern.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage ab.

Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei vorbehaltenen Nutzungen

Dem Grunderwerbsteuergesetz liege in §§ 8 und 9 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ein eigenständiger, über das bürgerlich-rechtliche Verständnis hinausgehender Gegenleistungsbegriff zugrunde, der darauf abziele, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelte als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen seien gemäß § 100 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) u. a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewähre. Sie gebührten nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Der Verkäufer sei grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben. Werde die Norm vertraglich abbedungen, belasse der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liege darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingebe. Dies rechtfertige die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung. Erfasst seien Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte. Sie könnten entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich sei auch, wenn diese gegenüber einem Dritten eingeräumt würden.

Keine erweiterte Bemessungsgrundlage bei Vergütung der vorbehaltenen Nutzungen

Wenn jedoch der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergüte, liege in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i. S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten habe, sei durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln.

Einbeziehung des Wohnungsrechts von C in die Bemessungsgrundlage

Nach diesen Maßstäben seien die dem C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen. Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 hätten die Beteiligten das Wohnungsrecht ausdrücklich festgehalten. Zudem sei es auch bei den Rechtsmängeln (§ 435 BGB) angeführt. Diese Vereinbarungen könnten nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des C bestehen bleibe und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht habe. Der Notar habe insbesondere daraufhin hingewiesen, dass im Übrigen ein lastenfreier Übergang geschuldet werde. Eine Vergütung für die vorbehaltenen Nutzungen sei nicht geleistet worden. Es sei zwar richtig, dass das dingliche Wohnungsrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt sei. Allerdings belege der Umstand, dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen werde, unterzeichnet habe, dass sie auch weiterhin an der Nutzung durch Herrn C festhalten wollte. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin mit C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe.

Dass das Wohnungsrecht von C (schuldrechtlich) nicht neu begründet worden sei, sondern fortbestehe, sei unerheblich. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin auf ihren Anspruch einer rechtsmängelfreien Übertragung verzichtet und damit einen geldwerten Vorteil geleistet habe (§ 446 Satz 2 BGB). Sie habe es gerade bei der bisherigen Belastung belassen und diese übernommen. Daher komme es auch nicht darauf an, ob die dingliche Belastung durch Eintragung in das Grundbuch bereits bestanden habe oder neu begründet worden sei. Im zu entscheidenden Fall habe die Klägerin auf die Nutzungen aus dem Grundstück verzichtet. Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts habe die Veräußerin einen angemessenen Kaufpreis (ca. 260.000 Euro) erhalten.

Zulassung der Revision

Die Revision wurde mit Blick auf ein beim Bundesfinanzhof anhängiges Verfahren (Az. II R 5/22, vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. März 2021 12 K 12271/19) zugelassen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 5 K 2500/21 vom 08.07.2022 (nrkr – BFH-Az.: II R 32/22)

Kein Progressionsvorbehalt für nach § 3 Nr. 6 EStG steuerfreie Versorgungsbezüge aus einem Drittstaat

Die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien Einkünfte unterliegen keinem Progressionsvorbehalt, wenn sich ihre – weitergehende – Steuerfreiheit im Inland aus nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften ergibt (hier: § 3 Nr. 6 EStG).

Die Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 6 EStG findet auch bei der Invaliditätsentschädigung eines Wehrdienst- bzw. Kriegsgeschädigten aus öffentlichen Mitteln eines Drittstaates Anwendung.

Sachverhalt

Die Kläger sind für das Streitjahr 2020 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger hatte den Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) angehört und war im Einsatz körperlich schwerstgeschädigt worden und ist seitdem behindert. Auf Grund seiner Beeinträchtigungen bezog der Kläger auch im Streitjahr von der US-Bundesregierung, eine Invaliditätsentschädigung (disability compensation), die in der Einkommensteuererklärung als nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA (DBA USA) steuerfreie sonstige Einkünfte angegeben waren. Das beklagte Finanzamt (FA) berücksichtigte bei der Berechnung des Steuersatzes die steuerfreien sonstigen Einkünfte des Klägers nach dem Progressionsvorbehalt gem. § 32b Einkommensteuergesetz (EStG). Hiergegen machten die Kläger geltend, der Progressionsvorbehalt sei nicht anwendbar, weil dem § 3 Nr. 6 EStG entgegenstehe. Die erhaltenen Zahlungen seien mit den in § 3 Nr. 6 EStG genannten Bezügen vergleichbar, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienst- und Kriegsbeschädigte bezahlt werden. Das sei auch bei Zahlungen eines Drittstaates (USA) der Fall. Das FA ist der Auffassung, dass nur Bezüge aus der Kasse eines EU-Mitgliedstaates von § 3 Nr. 6 EStG erfasst würden.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht folgte der Auffassung der Kläger und gab der Klage statt.

Kein allgemeiner Progressionsvorbehalt für alle steuerfreien Einkünfte

Gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sei auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 2 EStG), wenn der Steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei seien. Allerdings enthalte § 32b EStG keinen allgemeinen Progressionsvorbehalt in dem Sinne, dass sämtliche steuerfreien Einkünfte und Bezüge darunterfielen. Vielmehr beschränke sich der Anwendungsbereich von § 32b EStG nur auf die darin aufgeführten, besonderen Steuerfreiheiten. Mithin sei und bleibe eine bezogene Leistung insgesamt steuerfrei und unterliege auch nicht dem Progressionsvorbehalt, wenn sich ihre – weitergehende – Steuerfreiheit z. B. aus § 3 EStG ergebe. Dies gelte auch für die Steuerfreiheit von Bezügen gemäß § 3 Nr. 6 EStG.

Steuerbefreiung für aus öffentlichen Mitteln bezahlten Versorgungsbezügen gemäß § 3 Nr. 6 EStG

Gemäß § 3 Nr. 6 Satz 1 EStG seien Bezüge steuerfrei, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienstbeschädigte, im Freiwilligen Wehrdienst Beschädigte, Zivildienstbeschädigte und im Bundesfreiwilligendienst Beschädigte oder ihre Hinterbliebenen, Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt würden, soweit es sich nicht um Bezüge handle, die auf Grund der Dienstzeit gewährt würden. Dabei greife die vollständige Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 EStG insbesondere auch dann ein, wenn die Leistung nicht aus inländischen, sondern aus ausländischen Mitteln, d. h. aus öffentlichen Mitteln irgendeines Staates bezogen wird. Der Wortlaut der Norm sei weit gefasst und spreche allgemein von „aus öffentlichen Mitteln“, ohne die Quelle der Mittel einzuschränken. Auch aus der Gesetzessystematik ergebe sich keine Einschränkung. Ferner lasse sich den § 3 Nr. 6 EStG zugrundeliegenden Gesetzgebungsmaterialien eine dahingehende Einschränkung ebenso wenig entnehmen.

§ 3 Nr. 6 EStG als Sozialzwecknorm

Schließlich sei auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift keine solche Einschränkung geboten. Denn die ratio legis von § 3 Nr. 6 EStG als Sozialzwecknorm bestehe darin, dass sich zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mit den erhaltenen Bezügen an sich erhöht habe, aber diese gemäß den zugrundeliegenden sozialrechtlichen Bestimmungen einem speziellen Versorgungsbedürfnis des Steuerpflichtigen geschuldet und die Bezüge dieses abzudecken bestimmt seien. Diese Zielrichtung mit Blick auf den Versorgungscharakter spreche dafür, dass der Herkunft der Mittel keine erhebliche Bedeutung zukomme, solange es sich um öffentliche handele.

Keine Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Invaliditätsentschädigung nach § 3 Nr. 6 EStG

Die dem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger gewährten Bezüge unterfielen dem § 3 Nr. 6 EStG. Die Invaliditätsentschädigung sei dem Kläger vom Staat (den USA) auf der Grundlage bundesrechtlicher Vorschriften, dem U.S. Code, Title 38, Chapter 11, und damit aufgrund gesetzlicher Vorschriften gewährt worden. Die Entschädigung sei demnach versorgungshalber gewährt worden, nämlich nur um der besonderen versorgungsrechtlichen Situation des Klägers infolge einer im Dienst erlittenen erheblichen Schädigung Rechnung zu tragen. Der Kläger sei als Dienstgeschädigter einem (Bundes-) Wehrdienstgeschädigtem vergleichbar; von Letzterem unterscheidet sich der Kläger nur insofern, als er nicht Angehöriger der deutschen, sondern der US-amerikanischen Streitkräfte gewesen sei. Dass schließlich die streitgegenständlichen Bezüge nicht aus inländischen oder EU-ausländischen Mitteln, sondern aus öffentlichen Mitteln eines Drittstaats (USA) stammten, stehe einer Anwendung von § 3 Nr. 6 EStG aus den oben genannten Gründen nicht entgegen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 9 K 2651/21 vom 09.05.2022 (nrkr – BFH-Az.: I R 22/22)

Qualifikation von Erträgen aus Mitarbeiterbeteiligungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus nichtselbstständiger Arbeit

Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen.

Sachverhalt

Die Kläger sind verheiratet und wurden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren 2013 bis 21015 war der Kläger leitender Angestellter (Projektleiter) der international tätigen A KG und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Kläger schloss mit der A KG einen Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer „typischen stillen Gesellschaft“, für den nachträglich eine Rangrücktrittserklärung vereinbart wurde. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag enthielt eine Einlageverpflichtung des Klägers, die er später freiwillig erhöhte. Die Leistung der jeweils vereinbarten Einlage konnte durch Bareinzahlung oder Stehenlassen von Tantieme- und Vergütungsansprüchen bzw. durch Gutschrift von künftigen Gewinnanteilen aus der stillen Gesellschaft erfolgen. Der Kläger leistete sämtliche Einlageverpflichtungen durch Stehenlassen von Gewinnanteilen. Die Einlage ging jeweils in das Vermögen der A KG über und wurde auf dem festen Kapitalkonto verbucht. Der Kläger erhielt als stiller Gesellschafter im Innenverhältnis eine Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags, war aber zu keinem Zeitpunkt im Außenverhältnis für Gläubiger der A KG haftbar. Hiervon unberührt blieb die Haftung im Innenverhältnis mit der geleisteten Einlage sowie der angesparten Rücklage aufgrund der Rangrücktrittsregelungen. Die jeweilige Beteiligung des Klägers am Jahresergebnis der A KG richtete sich nach dem Verhältnis der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage des Klägers zum Gesamtkapital der A KG. Die Ergebnisbeteiligung sämtlicher stiller Gesellschafter war auf maximal 25 % begrenzt.

Die jeweils auf den Kläger entfallende Beteiligung am Jahresergebnis (die „Gewinnanteile“), die weder dem Kapitalkonto, Verlustkonto oder Rücklagenkonto zuzuführen waren, wurden dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Während der Kläger Guthaben auf dem Darlehenskonto jederzeit entnehmen konnte, waren die Einlage und das Guthaben auf dem Rücklagenkonto vor Beendigung der stillen Gesellschaft nicht entnahmefähig. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor, dass die stille Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum nächsten 31. Dezember durch beide Parteien gekündigt werden konnte.

Im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses wurde die stille Gesellschaft einvernehmlich aufgehoben. Der Kläger hatte daraufhin einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Der Kläger erklärte die Einkünfte aus der stillen Beteiligung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung der Kalenderjahre 2013 bis 2016 als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die das beklagte Finanzamt (FA) als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit besteuerte.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht gab der Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren statt. Die Gewinnanteile aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter der A KG seien als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG anstatt als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zu qualifizieren.

Abgrenzung von Kapital- und Lohneinkünften bei Arbeitnehmerbeteiligungen

Beteilige sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, könne die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stünden. Der Arbeitnehmer nutze in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, die daraus erzielten laufenden Erträge seien keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen. Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage spreche es insbesondere, wenn der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbstständige Tätigkeit vorsehe, die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert werde und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trage sowie keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar seien, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen würden.

Nach den vorgenannten Maßstäben sei der Senat im Rahmen einer Gesamtschau davon überzeugt, dass die dem Kläger aus der stillen Beteiligung zugeflossenen Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu qualifizieren und nicht durch die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) veranlasst gewesen seien.

Haftungs- und Verlustrisiko des Klägers aus der stillen Beteiligung

Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spreche besonders, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt sei, den Kläger in Höhe der Einlage und auch der Rücklage ein Verlustrisiko getroffen habe und mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich bzw. bilanzrechtlich motiviert gewesen sei. Der Kläger hätte zudem einen möglichen Verlust aus seinem privaten und bereits versteuerten Vermögen tragen müssen.

Stärkung des Eigenkapitals der A KG

Der Senat sei zudem davon überzeugt, dass die stille Gesellschaft aus Sicht der A KG in erster Linie darin begründet gewesen sei, das bilanziell ausgewiesene Eigenkapital der A KG zu stärken und nicht etwa die Arbeitsleistung des Klägers zu vergüten. Als Familiengesellschaft sei es ihr nachvollziehbar darauf angekommen, dieses Kapital nicht von fremden Dritten zu erlangen, sondern auf ihre Kapitalgeber dauerhaft vertrauen zu können. Zudem habe der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass die Unternehmensfinanzierung durch Geschäftsbanken aufgrund der Risikostruktur der A KG nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Die A KG habe deswegen in den 90er Jahren ihre Kapitaldecke durch Begründung stiller Gesellschaften mit ihren führenden Mitarbeitern gestärkt. Dies könne auch als starkes Signal an die Kunden und fremde Kreditgeber der A KG gewertet werden, was ebenfalls für ein Sonderrechtsverhältnis spreche.

Zuführung in das Rücklagenkonto

Weiteres erhebliches Indiz für die Begründung eines Sonderrechtsverhältnisses sei zudem die Zuführung von Kapital auf das Rücklagenkonto. Laut Gesellschaftsvertrag seien Gewinne, die nicht vorrangig dem Kapitalkonto oder dem Verlustkonto gutzuschreiben waren, mit 25 % des jeweiligen Gewinnanteils auf dem Rücklagenkonto verbucht worden. Die Zuführung zum Rücklagenkonto sei eine rein fakultative Regelung, der es zur Begründung der stillen Gesellschaft nicht bedurft hätte. Hierfür wäre die Verpflichtung zur Einlage ausreichend gewesen. Das Rücklagenkonto begründe Eigenkapital der Gesellschaft und sei vom Verlustrisiko betroffen. Laut Gesellschaftsvertrag hätte der Gesellschafter nur durch Kündigung des Gesellschaftsvertrages über die gebildeten Rücklagen verfügen können. Auch insofern sei ersichtlich, dass die Motivation der Vertragsparteien nicht im Arbeitsverhältnis, sondern im Gesellschaftsrecht begründet gewesen sei. Das Verhältnis der Gesamteinlagen der stillen Gesellschafter zu den Gesamtdarlehen in Höhe von 13,51 % könne in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführt werden.

Renditemöglichkeiten der Gesellschafter

Aufgrund der vorgenannten Motivation, die A KG bzw. ihr Eigenkapital durch stille Beteiligungen zu stärken, halte der Senat auch die Renditemöglichkeiten der Gesellschafter für nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die gesamte Gestaltung entspreche handelsrechtlichen Vorgaben. Aus Sicht des Senats sei auch die Höhe der Rendite nicht zu beanstanden.

Kein „Anreizlohn“

Auch im Übrigen seien die Argumente des Klägers überzeugend, denn tatsächlich habe er bereits ein fremdübliches Gehalt mit variablen Anteilen erhalten und es sei nicht ersichtlich geworden, dass die Ausgestaltung der stillen Beteiligung ähnlich einem Aktienaktionsprogramm als „Anreizlohn“ ausgestaltet gewesen sei. Dem sogenannten „Anreizlohn“ sei es zu eigen, dass die Mitarbeiter verbilligt Aktien erwerben können. Vorliegend verhalte es sich allerdings anders, da der Kläger zunächst die stille Beteiligung aus versteuerten Einnahmen habe erwerben müssen und kein zusätzliches Entgelt erhalten habe. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass es möglich gewesen sei, die Einlage durch Stehenlassen von Gewinnen zu erbringen.

Kündigungsrecht

Auch das Kündigungsrecht der A KG bzw. des Klägers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe hier zu keinem anderen Ergebnis. Das Kündigungsrecht sei letztlich Ausdruck und Folge der Mitarbeiterbeteiligung und rechtfertige für sich allein noch nicht die Annahme, dass dem Arbeitnehmer durch die Gewährung einer Möglichkeit zur Beteiligung Lohn zugewendet würde. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als beiden Beteiligten nur ein Kündigungsrecht zugestanden habe, von einem Automatismus könne man also nicht sprechen.

Abweichung von Urteilen des Sächsischen Finanzgerichts

Dem Senat sei bekannt, dass das Sächsische Finanzgericht in seinen Urteilen vom 25. November 2021 (Az. 8 K 438/21 und 8 K 849/21) über ähnlich gelagerte Fälle zu entscheiden gehabt habe und in beiden Verfahren zu dem Ergebnis gekommen sei, die Ergebnisbeteiligungen seien in Mitarbeiterlohn umzuqualifizieren. In den Verfahren seien Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH anhängig.

Allerdings unterschieden sich die festgestellten Sachverhalte nach den vorliegenden Erkenntnissen in wesentlichen Punkten. So habe in den Verfahren des Sächsischen Finanzgerichts die Gesellschaft automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses geendet, es sei keine zusätzliche Rücklage aufgebaut worden, es habe kein Verlustrisiko bestanden, es sei keine nachträgliche Rangrücktrittsvereinbarung vereinbart worden und auch die besondere Situation der Beschaffung von Eigenkapital für den Arbeitgeber scheine dort keine Rolle gespielt zu haben.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 5 K 1635/20 vom 01.04.2022 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 10/22)

Dividendenbesteuerung von Ausschüttungen einer chinesischen Kapitalgesellschaft an Anteilseigner mit Wohnsitz im Inland

  1. Im Rahmen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung einer Zinsfestsetzung ist die Neuregelung durch das sog. Zinsanpassungsgesetz unabhängig von einer diesbezüglichen automationsgesteuerten Umsetzung durch die Finanzverwaltung anzuwenden.
  2. Eine Person, die in Deutschland ihren Wohnsitz hat und damit der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansässig. Eine gleichzeitige Ansässigkeit in China (Doppelansässigkeit) liegt nach dem in den Streitjahren bis 2018 maßgeblichen chinesischen Steuerrecht nur vor, wenn die Person in China entweder einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat oder sie sich ein Jahr oder länger in China aufhält.

Sachverhalt

Der in China geborene Kläger absolvierte in Deutschland ein technisches Universitätsstudium und ist ebenso wie seine Ehefrau seit 2001 deutscher Staatsangehöriger. Aus der Ehe ist ein in den Streitjahren 2013 bis 2018 minderjähriges Kind hervorgegangen. Die Eheleute hatten im Jahr 2003 ein Reihenhaus in H erworben. Im Jahr 2016 zogen sie in ein Einfamilienhaus in G, das auf einem von ihnen im Jahr 2013 erworbenen Grundstück neu errichtet worden war. Der Kläger ist Inhaber verschiedener Unternehmen in China und in Deutschland. In Deutschland hält er jeweils 90 Prozent an einer M GmbH und einer Werkzeug GmbH, seine Ehefrau 10 Prozent. In China ist der Kläger zu 100 Prozent an mehreren Unternehmen beteiligt, die er ab 2001 gegründet hatte (Werkzeug Ltd., Gew Ltd., M Ltd., T Ltd. und Werkzeug Ltd., X).

Bis einschließlich 2007 wurden der Kläger und seine Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Auf der Einkommensteuererklärung der Ehefrau für 2008 wurde von der Sachbearbeiterin des FA notiert: „Telefonat mit StB, Ehemann lebt seit 2007 wieder in China Einzelveranlagung der EF.“ Ab 01.01.2008 erhielt die Ehefrau für die Einzelveranlagung eine neue Steuernummer. Sie erklärte für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2018 Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Geschäftsführerin der M GmbH und der Werkzeug GmbH.

Nach einer Steuerfahndungsprüfung und Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen ging das FA von einem fortbestehenden Wohnsitz des Klägers im Inland aus und erließ für die Streitjahre 2013 bis 2018 Einkommensteuerbescheide, in denen Gewinnausschüttungen der chinesischen Gesellschaften des Klägers als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst wurden. Hieraus ergaben sich Einkommensteuernachzahlungen von etwa 3 Mio. Euro. Die Zinsfestsetzungen ergingen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat jeweils vorläufig. Mit seinem Einspruch trug der Kläger vor, er würde seit 2007 unter der Ladungsanschrift in seiner Villa in China wohnen. Diese Immobilie hätten er und seine Ehefrau im Jahr 2007 zu jeweils hälftigem Miteigentum erworben. Im Jahr 2008 habe er sich aus Deutschland „ins Ausland“ abgemeldet. Von seiner Ehefrau und seiner Familie lebe er seit 2006 getrennt.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage wegen Einkommensteuer 2013 bis 2018 ab. Zu Gunsten des Klägers wurden nur die Zinsfestsetzungen geändert.

Anpassung der Zinsbescheide an die geänderte Verzinsung ab dem 01.01.2019

Die Zinsbescheide seien rechtswidrig, soweit eine Verzinsung i. H. von 0,5 Prozent im Monat ab dem 01.01.2019 erfolgt sei. Aufgrund des am 22.07.2022 in Kraft getretenen sog. Zinsanpassungsgesetz seien die Zinsen in den Fällen des § 233a Abgabenordnung (AO) abweichend von § 238 Abs. 1 Satz 1 AO rückwirkend ab dem 01.01.2019 für jeden Monat mit 0,15 Prozent, d. h. 1,8 Prozent pro Jahr festzusetzen.

Der Zinsänderung stehe nicht Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO entgegen. Der Senat folge insoweit nicht der Auffassung des FA, dieser Regelung liege der Rechtsgedanke zugrunde, dass weiterhin die Voraussetzungen für die vorläufigen Zinsfestsetzungen gegeben seien, solange die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des neuen, geringeren Zinssatzes noch nicht vorlägen und ein Rechtsbehelf daher mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. Zunächst wäre es vorliegend unstreitig möglich gewesen, sog. manuelle Bescheide zu erlassen, sodass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung von § 238 Abs. 1a AO im Einzelfall vorliegen würden. Auch verfolge Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO den Zweck, dass die Finanzverwaltung im steuerlichen Massenverfahren (wie bisher) Zinsfestsetzungen vorläufig erlassen könne, obwohl die Voraussetzungen von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO nach dem Inkrafttreten des Zinsanpassungsgesetzes nicht mehr vorlägen. Darum gehe es aber vorliegend nicht, sondern um die Rechtmäßigkeitsprüfung von Verwaltungsakten. Soweit das FA daher beantrage, das Verfahren wegen der Zinsfestsetzungen abzutrennen und auszusetzen, bis die Finanzverwaltung die Voraussetzungen für eine automationsgestützte Anwendung von § 238 Abs. 1a AO geschaffen habe, sei dies abzulehnen. Eine Verfahrenstrennung sei nicht prozessökonomisch und eine Verfahrensaussetzung mangels Vorgreiflichkeit nicht möglich.

Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide

Die Einkommensteuerbescheide seien rechtmäßig, weil der Kläger im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei und Deutschland auch das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinnausschüttungen zustehe.

Unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers wegen Wohnsitz im Inland

Der Kläger sei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Er habe in den Streitjahren seinen Wohnsitz im Inland, zunächst in H und ab 2016 mit der Fertigstellung des Gebäudes in G, gehabt. Ihm hätten dort jederzeit Räumlichkeiten zur Verfügung gestanden, die über eine lediglich kurzfristige, vorübergehende oder eine bloß notdürftige Unterbringungsmöglichkeit weit hinausgegangen seien. Auch sei er hälftiger Miteigentümer der jeweiligen Wohnungen gewesen, sodass ihm ein Anspruch auf Nutzung zugestanden habe bzw. weiter zustehe. Seine Nutzungsmöglichkeiten seien weder durch Vereinbarungen noch durch Absprachen derart beschränkt gewesen, dass er die Wohnung nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt hätte nutzen können. Wer -wie der Kläger zuletzt in G- in einer Bleibe jedenfalls über eine Schlafgelegenheit, ein Ankleidezimmer und einen Stellplatz für einen stets zur Nutzung vorgehaltenen Pkw verfüge, habe einen Wohnsitz im Inland. Dass der Kläger bei Aufenthalten in Deutschland nur zur Ersparnis von Hotelkosten in seinen ihm mitgehörenden Räumlichkeiten übernachtet haben will, sei vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Von seiner jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit habe der Kläger auch Gebrauch gemacht. In jedem Jahr des Streitzeitraums habe er – bis auf das Jahr 2017- mehr als 90 Tage in Deutschland und davon ganz überwiegend – zunächst in H, ab 2016 in G – in seinen Räumlichkeiten verbracht. Selbst wenn er von hier aus einige Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands unternommen haben sollte, bleibe ein substantieller Anteil an Aufenthalten in der Immobilie in G. Auch habe der Kläger die laufenden Kosten für das Haus in G (Rundfunkgebühren, Strom, Wasser, Gas und Abwasser) getragen.

Keine familienrechtliche Trennung

Der Kläger habe auch nicht – wie von ihm behauptet – seit 2006 im familienrechtlichen Sinne von seiner Ehefrau getrennt gelebt. In einer Gesamtschau bestehe zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine häusliche Gemeinschaft. Sie hätten alle wichtigen Festtage und persönlichen Anlässe gemeinsam mit den Kindern gefeiert und ihre Unternehmen in Deutschland gemeinsam betrieben. Sie hätten alle wichtigen Fragen das Haus betreffend (Bebauung und Einrichtung) einvernehmlich geregelt und wechselseitig Verfügungsbefugnis über ihre Privatkonten gehabt. Auch spreche nichts dafür, dass sich zumindest einer der Ehegatten subjektiv von der Ehe gelöst hätte. Jedenfalls habe – bei einer unterstellten Trennung ab dem Jahr 2006 – keine Veranlassung für den Kläger bestanden, im Jahr 2013 das Grundstück in G gemeinsam mit seiner Ehefrau zu erwerben und aufwändig zu bebauen. Nicht zuletzt seien die Eheleute trotz der angeblichen Trennung im Jahr 2006 bis heute weder geschieden noch sei ein Ehescheidungsverfahren anhängig.

Steuerbare Gewinnausschüttungen (Einkünfte aus Kapitalvermögen)

Der Kläger habe steuerbare Bezüge aus den Gewinnausschüttungen seiner (ausländischen) Kapitalgesellschaften bezogen (Werkzeug Ltd., Gew Ltd. und T Ltd. jeweils X), die den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen seien und die mangels Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG der Abgeltungsteuer unterlägen. Die Beteiligungsbezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften unterfielen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn die ausländische Gesellschaft und das zum Bezug führende ausländische Beteiligungsrecht ihrer Struktur nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallenden inländischen Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entspreche. Dies sei nach dem sog. Typenvergleich festzustellen. Die chinesische Ltd. sei mit einer GmbH vergleichbar. Es handele sich dabei um eine Kapitalgesellschaft mit einer beschränkten Haftung im Außenverhältnis, die im Wesentlichen im chinesischen Gesellschaftsrecht (PRC Company Law) geregelt sei. Die Gesellschaftsrechte des Inhabers ähnelten dem eines GmbH-Gesellschafters.

Deutsches Besteuerungsrecht für Gewinnausschüttungen nach DBA-China

Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinnausschüttungen stehe nach dem einschlägigen DBA Deutschland zu. Eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG sei nicht vorzunehmen, da die Kapitalerträge in China nicht besteuert worden seien. Sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich des DBA-China seien eröffnet. Dabei gelte das (alte) DBA-China vom 10.06.1985 bis zum 05.04.2016 und das (neue) DBA-China vom 28.03.2014 gelte ab 06.04.2016 (BGBl. II 2016 S. 1005). Die Regelungen seien – soweit sie den Streitfall beträfen – weitgehend inhaltsgleich. Nach Art. 1 DBA-China gelte das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig seien und sachlich nach Art. 2 Abs. 1 DBA-China für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die in einem der Vertragsstaaten erhoben würden.

Der Kläger sei nur in Deutschland ansässig

Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit ergebe sich aus Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Er schränke die Abkommensberechtigung auf solche Personen ein, die nach dem Recht zumindest eines der Vertragsstaaten aufgrund von ortsbezogenen Merkmalen in einem Vertragsstaat der Steuerpflicht unterlägen. Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiere die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrückliche Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats. Die Aufzählung der Kriterien, aus denen sich die Steuerpflicht ergeben könne, verdeutliche, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht aus ortsbezogenen Merkmalen des nationalen Steuerrechts ableite. Auf die tatsächliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat komme es dagegen nicht an.

Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) scheide aus, wenn der Steuerpflichtige schon nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat ansässig ist. Nur bei einer sog. Doppelansässigkeit, d. h. bei Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten, bestimme Art. 4 Abs. 2 DBA-China, in welchem Staat eine Person abkommensrechtlich als ansässig gelte. Der andere Vertragsstaat könne dann lediglich Quellenstaat sein.

Keine Doppelansässigkeit in Deutschland und China

Da der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland habe und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliege, sei er nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China im Inland ansässig. Er sei nicht gleichzeitig in China ansässig. Nach chinesischem Steuerrecht sei für die dortige unbeschränkte, persönliche Steuerpflicht grundsätzlich maßgeblich, ob eine Person dauerhaft in China wohnhaft sei oder sich dort mindestens fünf Jahre ohne wesentliche Unterbrechung aufhalte. Bis zum Ablauf von fünf Jahren würde eine Mischform von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht angewendet, wonach gewisse Einkünfte aus chinesischen Quellen vollumfänglich, Kapitaleinkünfte jedoch nur beschränkt steuerpflichtig seien. Vorliegend sei aufgrund des Streitzeitraums auf den Rechtsstand des chinesischen Steuerrechts bis zum 31.12.2018 abzustellen, sodass die umfassende Reform des Einkommensteuerrechts in China mit Wirkung zum 01.01.2019 unbeachtlich sei.

Keine unbeschränkte Steuerpflicht nach chinesischem Steuerrecht

Im Streitfall habe sich der Senat die Kenntnisse über das chinesische Steuerrecht als Tatsache (§ 293 Zivilprozessordnung i. V. m. § 155 Satz 1 FGO) durch die allgemein verfügbaren Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, Kommentierungen und den Vortrag der Beteiligten verschafft. Danach gebe es im chinesischen Steuerrecht in den Streitjahren zwei Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht. Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person in China setze in den Streitjahren voraus, dass sie in China entweder, in Anlehnung an das Prinzip des „domicile“ aus dem Common Law nach Art. 1 Abs. 1, 1. Alt. des Individual Income Tax Law of the PRC (IITL) i. V. m. Art. 2 der chinesischen Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (chin. EStDV), einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) habe, oder dass sie sich ein Jahr oder länger in China aufhalte (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i. V. m. Art. 3 chin. EStDV).

Kein Domizil des Klägers in China

Der Begriff Domizil sei im Sinne einer dauerhaften Absicht, in dem jeweiligen Land zu verweilen, zu verstehen. Er sei einem qualifizierten Wohnsitz vergleichbar und kann nur an einem Ort bestehen. Nach Art. 2 chin. EStDV habe eine natürliche Person ihr Domizil in China, wenn sie aufgrund ihrer (städtischen) Registrierung, ihrer Familienverhältnisse sowie ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ihren gewöhnlichen Aufenthalt in China habe. Somit hätten ausländische Bürger, die sich nur aufgrund ihrer Tätigkeit in China aufhielten, grundsätzlich keinen Wohnsitz in China, weil ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in China liege. Hätte der Kläger allein aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse („economic interests“ nach Art. 2 chin. EStDV) ein Domizil in China, wäre er dort unbeschränkt steuerpflichtig. Das vertrete aber selbst der Kläger im Ergebnis nicht, da er dann in China „domiciled“ wäre und nicht lediglich „fiscal resident“. Letzteres soll ihm aber die chinesische Steuerverwaltung bescheinigt haben („Chinese fiscal resident“).

Kein Aufenthalt von einem Jahr oder länger

Der Aufenthalt von einem Jahr oder länger -der neben dem Domizil ebenfalls die unbeschränkte Steuerpflicht auslöse- meine einen Aufenthalt in China von 365 Tagen im Steuerjahr (Art. 1 Abs. 1, 2. Alt. IITL i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 chin. EStDV). Ein Steuerjahr in diesem Sinne entspreche dem Kalenderjahr (Art. 44 chin. EStDV). Lediglich vorübergehende Abwesenheitstage würden nicht berücksichtigt (Art. 3 Abs. 1 chin. EStDV). Vorübergehende Abwesenheitstage bedeuteten einen Aufenthalt außerhalb Chinas von nicht mehr als 30 Tagen und bei mehreren Abwesenheiten von nicht mehr als 90 Tagen pro Steuerjahr (Art. 3 Abs. 2 chin. EStDV). Die Aufenthaltsdauer in China werde anhand des Einreise- und Ausreisedatums (via Stempel) im Reisepass festgestellt. Demgegenüber seien natürliche Personen, die kein Domizil oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in China hätten, weil sie sich weniger als 365 Tage in einem Steuerjahr in China aufhielten, nur mit ihren chinesischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig (Art. 1 Abs. 2 IITL).

Vor diesem Hintergrund gehe der Senat nicht davon aus, dass der Kläger einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht in China unterliege. Seine Abwesenheitstage in China hätten -selbst nach den Schilderungen des Klägers- in jedem Streitjahr mehr als 90 Tage betragen, sodass er eine persönliche Steuerpflicht im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IITL vermeide. Dabei gehe der Senat davon aus, dass sich der Kläger auch vor den Streitjahren in vergleichbarem Umfang, d.h. jährlich mehr als 90 Tage außerhalb Chinas aufgehalten habe. Denn weder habe der Kläger insoweit Abweichungen vorgetragen noch ergebe sich eine Änderung seines Reiseverhaltens aus den sonstigen Umständen.

Die Bescheinigungen über eine Besteuerung seiner Arbeitseinkünfte stehen dem nicht entgegen, da diese der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Art. 1 Abs. 2 IITL i. V. m. Art. 5 Abs. 1 chin. EStDV) und damit nichts über eine unbeschränkte Steuerpflicht aussagen würden. Soweit der Kläger Bescheinigungen vorlegt, die ihn als „Chinese fiscal resident“ bezeichneten, folge daraus keine Ansässigkeit des Klägers in China im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Ansässigkeitsbescheinigungen eines anderen Vertragsstaats haben keine Bindungswirkung. Ob Umstände vorlägen, die im anderen Vertragsstaat nach dessen Recht eine Ansässigkeit begründen würden, müsse jeder Staat selbstständig prüfen.

Jedenfalls Lebensmittelpunkt in Deutschland

Selbst wenn der Kläger aber in China aufgrund einer persönlich unbeschränkten Steuerpflicht besteuert werden würde und damit -neben Deutschland- auch in China ansässig wäre, würde er nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China nur als in Deutschland ansässig gelten, denn er habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland. Der Kläger habe zwar sowohl in Deutschland als auch in China eine ständige Wohnstätte. Da aber die persönlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland überwiegen würden (Ehefrau, minderjähriges Kind) und die wirtschaftlichen Beziehungen in Deutschland und China in gleichem Maße ausgeprägt seien, würden in einer Gesamtschau die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers in Deutschland überwiegen, sodass hier der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liege.

Jedenfalls Ansässigkeit in Deutschland wegen Staatsangehörigkeit

Selbst wenn sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht feststellen ließe -was der Senat nur hilfsweise unterstelle-, hätte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in Deutschland als auch in China, sodass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit auch in diesem Fall als in Deutschland ansässig gelten würde (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA-China). Daher sei der Kläger auf jeden Fall (unter mehreren abkommensrechtlichen Gesichtspunkten) im Inland und nicht in China ansässig.

Deutsches Besteuerungsrecht für Gewinnausschüttungen

Das Besteuerungsrecht für die Gewinnausschüttungen der chinesischen Ltd. stehe Deutschland zu. Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-China können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft (China) an eine im anderen Vertragsstaat (Deutschland) ansässige Person zahle, im anderen Staat (Deutschland) besteuert werden (sog. Verteilungsnorm). Dem Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft stehe grundsätzlich ein der Höhe nach begrenzter Quellensteuerabzug zu (Art. 10 Abs. 2 DBA-China).

Keine Steuerfreistellung der Gewinnausschüttungen

Die Gewinnausschüttungen seien in Deutschland nicht von der Besteuerung freigestellt. Nach Art. 24 Abs. 2 DBA-China (Art. 23 Abs. 2 DBA-China) werde eine mögliche Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt vermieden (sog. Methodenartikel). Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer würden grundsätzlich die Einkünfte aus China sowie die in China gelegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach diesem Abkommen in China besteuert werden können (sog. Freistellungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China). Für Einkünfte aus Dividenden gelte die vorstehende Bestimmung aber nur dann, wenn Dividenden an eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in China ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 Prozent (25 Prozent) unmittelbar der deutschen Gesellschaft zuzuordnen ist (sog. Schachtelprivileg; Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Abs. 2 DBA-China]). In den übrigen Fällen, d.h. bei Zahlung einer Dividende an eine natürliche Person, werde die nach chinesischem Recht und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlte ausländische Steuer auf die deutsche Steuer unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts angerechnet (sog. Anrechnungsmethode; Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-China [Art. 23 Abs. 2 Buchst. b (i) DBA-China]).

Da China vorliegend von seinem Quellensteuerrecht aus Gründen der Ansiedlung von ausländisch investierten Gesellschaften keinen Gebrauch gemacht habe, scheide eine Anrechnung, die nach deutschen Steuerrecht auf der Grundlage von § 32d Abs. 5 EStG durchzuführen wäre, aus.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 1 K 2898/21 vom 04.08.2022 (nrkr – BFH-Az.: I B 48/22)

Dividendenbesteuerung gemäß § 50i EStG nach Anteilsschenkung

Das Besteuerungsrecht gemäß § 50i EStG greift nicht nur in sog. Wegzugsfällen, sondern auch im Fall der Schenkung eines zum Sonderbetriebsvermögen einer inländischen Kommanditgesellschaft gehörenden Anteils an einer Private Limited an einen im Ausland ansässigen Mitunternehmer.

Sachverhalt

Der Kläger hat in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist als Kommanditist mit einem Anteil von [weniger als 15] % an der A-GmbH & Co. KG (früher: A-KG) mit Sitz in Deutschland beteiligt. Die Kommanditgesellschaft (KG) ist ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Im Sonderbetriebsvermögen (SBV) der KG hält der Kläger einen Anteil von 50 % an der B Private Limited, die ihren Sitz im Ausland hat. Seinen Anteil an der B Private Limited hatte der Kläger durch Schenkungs- und Abtretungsvertrag von D erworben. Vor der Schenkung an den Kläger war die hundertprozentige Beteiligung an der B Private Limited im SBV des D bei der A-GmbH & Co. KG erfasst. D hatte die Anteile seit 1998 sukzessive angeschafft.

Im Streitjahr 2015 schüttete die B Private Limited eine Dividende an den Kläger aus, die in der Feststellungserklärung der KG als ausländischer Kapitalertrag ausgewiesen wurde, ohne dass für den beschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger Einkünfte aus seinem SBV erklärt wurden. Das beklagte Finanzamt (FA) kam nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Klägers an der B Private Limited nach § 50i Einkommensteuergesetz (EStG) steuerverhaftet sei und er somit die laufenden Erträge und spätere Veräußerungsgewinne im Inland zu versteuern habe.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Das FA habe die Dividende nach § 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beim beschränkt steuerpflichtigen Kläger zu Recht der Besteuerung unterworfen. Der Kläger habe auf Grund der Dividende von der B Private Limited, deren Anteile er im SBV der KG gehalten habe, inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Inländische Betriebsstätte der KG

Die KG habe im Streitjahr 2015 eine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Ihre alleinige Geschäftsführerin sei die A Verwaltungsgesellschaft mbH mit Sitz in Deutschland gewesen. Deren Geschäftsführer seien ebenfalls in Deutschland ansässig gewesen. Es bestünden keine Zweifel, dass sie die Tagesgeschäfte der A-GmbH & Co. KG an ihrem statutarischen Sitz in Deutschland erledigt hätten, wo auch die Geschäfte des Betriebsunternehmens zu besorgen gewesen seien.

Zurechnung der Dividende an die KG

Die streitgegenständliche Dividende sei der A-GmbH & Co. KG zuzurechnen. Der Anteil an der B Private Limited gehöre dort unstreitig zum SBV und generiere damit Sonderbetriebseinnahmen. Diese seien bei der Ermittlung der Einkünfte der Mitunternehmerschaft neben den Gesamthandseinnahmen zu berücksichtigen, auch bei der Beteiligung von beschränkt Steuerpflichtigen. Sämtliche Einkünfte der A-GmbH & Co. KG seien außerdem nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung als gewerblich zu qualifizieren.

Keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch ein DBA wegen „treaty override“

Das Besteuerungsrecht für die Dividende habe Deutschland. Zwar stehe das Besteuerungsrecht nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht Deutschland zu, weil sich abkommensrechtlich die im deutschen Steuerrecht nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung erfolgende Umqualifizierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in gewerbliche Einkünfte nicht auswirke. Doch werde das DBA insoweit von § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 3 und mit Satz 1 EStG im Rahmen eines sog. treaty override überlagert.

Voraussetzungen des § 50i EStG liegen vor

Die streitgegenständliche Dividende unterliege nach § 50i EStG der inländischen Besteuerung, weil dessen sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Bei dem Anteil an der B Private Limited handele es sich um ein Wirtschaftsgut i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG, wozu auch Anteile an Kapitalgesellschaften gehörten. Der Anteil an der B Private Limited sei jedenfalls im Jahresabschluss 2008 erfasst worden und damit vor dem 29.06.2013 Betriebsvermögen der KG geworden, das auch das SBV umfasse. Im Kontext des § 50i EStG gelte nichts anderes.

Die Anwendung von § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG scheitere nicht daran, dass möglicherweise der Anteil an der B Private Limited dem Betriebsvermögen der KG im Wege einer Einlage zugeführt worden bzw. auf Grund der Betriebsaufspaltung ab der Gründung der B Private Limited dort zu bilanzieren sei und es deshalb an einer Übertragung oder Überführung i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 4 EStG fehle. Der Senat sei der Auffassung, dass auch dann, wenn D seinen hundertprozentigen Anteil an der B Private Limited in sein SBV bei der KG eingelegt habe oder der Anteil bereits bei Gründung der B Private Limited als notwendiges SBV II bei der KG zu bilanzieren gewesen sei, der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG erfüllt wäre. Zum einen setze der Begriff der Überführung i. S. des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG nicht zwingend voraus, dass das überführte Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen stammen müsse. Zum anderen verlange der Wortlaut von § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG keine Übertragung oder Überführung. Die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals könnte allenfalls auf Grund der Verweisung auf § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG erforderlich sein, wenn insofern eine Rechtsgrundverweisung vorläge. Dagegen spreche jedoch ein Vergleich der Wortlaute von Satz 4 und Satz 1, die Besonderheiten der Betriebsvermögensbildung bei der Betriebsaufspaltung und der Gesetzeszweck.

Auch der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 letzter Halbsatz EStG sei erfüllt. Danach sei es erforderlich, dass die Wirtschaftsgüter – hier also der Anteil an der B Private Limited – „Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft geworden sind, die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, weil der Stpfl. sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betriebe allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt“. Der Senat verstehe diesen Teil des Gesetzestextes als einheitliches Tatbestandsmerkmal i. S. einer Legaldefinition des Besitzunternehmens bei einer Betriebsaufspaltung.

Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 50i Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Der Kläger sei nach dem DBA im anderen Vertragsstaat ansässig und erziele laufenden Einkünfte, zu denen insbesondere Dividenden gehörten.

Keine einschränkende Auslegung des § 50i EStG in Schenkungsfällen

Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten sei eine einschränkende Auslegung weder deshalb geboten, weil die Konstellation der Schenkung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Gesetz erfasst würde, noch weil der Gesetzgeber grundsätzlich nur Missbrauchsfälle oder Gestaltungen im Zusammenhang mit einem Wegzug habe erfassen wollen, noch weil das Gesetz nur dann anwendbar wäre, wenn der Steuerpflichtige identisch mit der Person sei, welche die Übertragung oder Überführung oder den Ausschluss des Besteuerungsrechts herbeigeführt habe.

Das Gesetz sei nicht nur auf Wegzugsfälle (§ 6 AStG), Einbringungsfälle (§ 20 UmwStG) und Überführungsfälle (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG) zugeschnitten. Auch wenn die Fälle der unentgeltlichen Übertragung in der Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich genannt seien, so fielen sie doch unter den Gesetzeszweck und stellten sogar einen der Hauptanwendungsfälle dar. Im Übrigen spreche für eine Anwendbarkeit des § 50i EStG in Schenkungsfällen, dass auch das Außensteuergesetz (AStG) im Zusammenhang mit Anteilen i. S. des § 17 EStG die Schenkung der Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts gleichstelle, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG. Dies belege, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Gleichbehandlung von Wegzugsfällen und Fällen der Schenkung an Auslandsansässige geboten sei.

Mit dem Argument, dass die Norm (nur) Missbrauchsfälle oder Fälle einer Gestaltung im Zusammenhang mit einem Wegzug erfassen wolle, lasse sich ihre Anwendbarkeit ebenso wenig verneinen. Gerade die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 50i EStG auf die Fälle der Betriebsaufspaltung belege, dass der Gesetzgeber Konstellationen berücksichtigen wolle, in denen es nicht um eine Gestaltung im Hinblick auf Auslandssachverhalte gehe.

Das Gericht teile schließlich nicht die Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten, eine Besteuerung scheide deshalb aus, weil sie richtigerweise bei D hätte erfolgen müssen und bis März 2014 auch hätte erfolgen können. Der Wortlaut des § 50i EStG verlange nicht, dass die Übertragung oder Überführung gerade durch den Steuerpflichtigen erfolge. Denn § 50i Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG verwende den Begriff „ein Steuerpflichtiger“, nicht etwa „der Übertragende“. Nach dem Zweck der Norm, Steuerausfälle auf Grund der Fehlinterpretationen des Begriffs der gewerblichen Einkünfte i. S. des Abkommensrechts zu vermeiden, wäre es nicht sachgerecht, eine Identität von Übertragendem und Steuerpflichtigem zu verlangen. Es mache keinen Unterschied, ob ein Steuerpflichtiger Wirtschaftsgüter in eine Gesellschaft überführe und dann wegziehe oder diese Wirtschaftsgüter an eine andere im Ausland ansässige Person unentgeltlich übertrage.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 22.12.2022 zum Urteil 14 K 880/20 vom 29.09.2021 (nrkr – BFH-Az.: I R 13/22)

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin