Restauratoren – Wann freier Beruf oder Arbeit eines Betriebs im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk?

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Unterschiede es bei der Tätigkeit von Stein-Restauratoren(innen) geben kann, die an historischen Bauwerken und Objekten arbeiten.

Diese Frage kann für selbständige Restauratoren von erheblicher Bedeutung sein. Denn Handwerksbetriebe des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks müssen nach einem allgemeinverbindlichen – d. h. für alle geltenden – Tarifvertrag für ihre Beschäftigten Pflichtbeiträge zur Finanzierung einer Zusatzrente und der Berufsausbildung zahlen. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für solche Rechtsfragen folgt daraus, dass die Leistungen und Beitragspflichten der Branche tariflich geregelt sind. Zu entscheiden ist, wie der Tarifvertrag zu verstehen und anzuwenden ist.

Der beklagte Restaurator hat ein Fachhochschulstudium abgeschlossen und führt einen Betrieb. Mit diesem übernimmt er Restaurierungen, z. B. an historischen Denkmälern und Steinobjekten. Er wehrt sich gegen eine Beitragspflicht. Denn er führe keinen gewerblichen Betrieb, sondern übe einen freien Beruf aus. Dafür sei er durch eine akademische Ausbildung qualifiziert. Die klagende Einzugsstelle hält dagegen, dass sich auch Inhaber und Mitarbeiter von Handwerksbetrieben auf anspruchsvolle Restaurierungsarbeiten spezialisieren können.

Das LAG hat durch ein am 10. Mai 2019 verkündetes Urteil entschieden, dass ein Restaurator mit akademischer Ausbildung mit seinem Betrieb nicht den Tarifverträgen für Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk unterfällt, wenn die Tätigkeiten durch eine wissenschaftlich-kunsthistorische Herangehens- und Arbeitsweise geprägt sind. Daher muss der beklagte Restaurator keine Auskünfte über den Verdienst seiner Beschäftigten geben und keine Beiträge abführen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen.

Quelle: LAG Hessen, Pressemitteilung vom 10.05.2019 zum Urteil 10 Sa 275/18 SK vom 10.05.2019 (nrkr)

Wohngeldreform beschlossen

Kabinett bringt Dynamisierung des Wohngeldes auf den Weg

Das Bundeskabinett hat am 08.05.2019 den vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, vorgelegten Gesetzentwurf zur Wohngeldreform („Wohngeldstärkungsgesetz“) beschlossen. Mit der Reform sollen die Reichweite und das Leistungsniveau des Wohngeldes angehoben werden. Außerdem beinhaltet der Gesetzentwurf – historisch erstmalig – eine Dynamisierung des Wohngeldes, die erstmalig ab 2022 greift.

Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Das Wohngeld ist eine der wichtigsten sozialen Leistungen der Wohnungspolitik. Mit der Reform tragen wir dazu bei, dass Wohnen auch für einkommensschwache Haushalte bezahlbar bleibt. Ich bin deshalb froh, dass wir seit der letzten Reform in 2016 das Wohngeld so schnell wie noch nie in den letzten 25 Jahren anpassen und mit der Dynamisierung seine Wirkung langfristig erhalten. Damit setzen wir eine weitere Schlüsselmaßnahme des Wohngipfels um.“

Im Einzelnen sieht die Reform folgende Regelungen vor:

  • Anpassung des Wohngeldes an die allgemeine Entwicklung von Mieten und der nominalen Einkommen in Höhe der Inflation. Für einen 2-Personen-Haushalt, der bereits vor der Reform Wohngeld erhalten hat, wird das Wohngeld von prognostizierten 145 Euro monatlich ohne Reform um ca. 30 Prozent auf 190 Euro monatlich mit Reform steigen.
  • Erhöhung der Reichweite des Wohngeldes. Mit der Wohngeldreform steigt die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von im Jahr 2020 erwarteten 480.000 Haushalten ohne Reform auf ca. 660.000 Haushalte. Darunter sind auch 25.000 Haushalte, die mit dem erhöhten Wohngeld nicht länger auf Leistungen aus den Grundsicherungssystemen – wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe – angewiesen sind. Außerdem sollen die Arbeitsanreize verbessert werden (zusätzliches Einkommen reduziert das Wohngeld künftig in geringerem Maße).
  • Regional gestaffelte Anhebung der Höchstbeträge, bis zu denen die Miete bzw. Belastung (bei Wohnungseigentümern) berücksichtigt wird.
  • Neufestsetzung (Aktualisierung) der Mietenstufen für die Gemeinden und Kreise und Einführung einer neuen Mietenstufe VII, um höhere Mieten in angespannten Wohnungsmärkten zu berücksichtigen.
  • Anpassung des Wohngeldes an die eingetretene Miet- und Einkommensentwicklung per Verordnung im Abstand von jeweils zwei Jahren um die Entlastungswirkung des Wohngeldes aufrechtzuerhalten.

Der Gesetzentwurf soll nun im Deutschen Bundestag und im Bundesrat beraten werden, da das Wohngeld von Bund und Ländern je zur Hälfte gezahlt wird. Die neuen Regelungen sollen am 01. Januar 2020 in Kraft treten. Insgesamt werden sich die Wohngeldausgaben von Bund und Ländern nach der Reform im Jahr 2020 auf rund 1,2 Mrd. Euro belaufen.

Quelle: BMI, Pressemitteilung vom 08.05.2019

EuGH stärkt Arbeitnehmeransprüche nach betriebsbedingter Kündigung während Elternteilzeit

Die Berechnung der einem Arbeitnehmer in Elternurlaub zu zahlenden Entschädigungen für Entlassung und Wiedereingliederung muss auf der Grundlage des Vollzeitentgelts erfolgen.

Eine nationale Regelung, die hiergegen verstößt, führt zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

RE wurde am 22. November 1999 von Praxair MRC mit einem befristeten Arbeitsvertrag auf Vollzeitbasis als Vertriebsassistentin eingestellt und sodann ab 1. August 2000 unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Sie nahm einen ersten Mutterschaftsurlaub in Anspruch, an den sich ein Erziehungsurlaub von zwei Jahren anschloss. Danach nahm sie einen zweiten Mutterschaftsurlaub in Anspruch, an den sich ein Erziehungsurlaub in Form einer Reduzierung der Arbeitszeit um ein Fünftel anschloss. Dieser Erziehungsurlaub sollte am 29. Januar 2011 enden.

Am 6. Dezember 2010 wurde RE im Rahmen einer Massenentlassung aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Sie erklärte sich mit einem neunmonatigen Wiedereingliederungsurlaub einverstanden.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2011 verzichtete RE auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit und verließ das Unternehmen am 7. September 2011 endgültig.

RE wendet sich gegen die Modalitäten der Berechnung der Entlassungsentschädigung und der Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub, die ihr im Rahmen ihrer während ihres Elternurlaubs in Teilzeit erfolgten Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen gezahlt wurden.

Die mit dem Rechtsstreit befasste Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen dahin vorzulegen, ob die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub1 dem entgegensteht, dass die Entlassungsentschädigung und die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub, die einem unbefristet und auf Vollzeitbasis angestellten Arbeitnehmer zu zahlen sind, wenn diesem Arbeitnehmer in der Zeit gekündigt wird, in der er einen Elternurlaub in Teilzeit in Anspruch nimmt, zumindest teilweise auf der Grundlage des verringerten Entgelts berechnet werden, das er zum Zeitpunkt der Kündigung bezieht. Die Cour de cassation fragt den Gerichtshof auch danach, ob, soweit sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dazu entschließt, einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch zu nehmen, die sich daraus ergebende mittelbare Diskriminierung hinsichtlich des Bezugs einer verringerten Entlassungsentschädigung und einer verringerten Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub nicht gegen Art. 157 AEUV verstößt, der den Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit betrifft.

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub auf einem Engagement der Sozialpartner beruht, Maßnahmen zu schaffen, die es Männern und Frauen ermöglichen sollen, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen, und dass sie für alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, gilt, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat über einen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass die Entlassungsentschädigung eines unbefristet und in Vollzeit angestellten Arbeitnehmers, wenn diesem Arbeitnehmer der in der Zeit, in der er einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch nimmt, gekündigt wird, vollständig auf der Grundlage des Entgelts berechnet werden muss, das für von ihm in Vollzeit erbrachte Arbeitsleistungen zu zahlen wäre. Eine nationale Regelung, die im Fall eines Elternurlaubs zu einer Verkürzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte führte, könnte den Arbeitnehmer nämlich davon abhalten, Elternurlaub zu nehmen, und den Arbeitgeber dazu anhalten, bevorzugt diejenigen Arbeitnehmer zu entlassen, die sich im Elternurlaub befinden. Das liefe unmittelbar dem Zweck der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub zuwider, zu deren Zielen eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben gehört.

Unter diesen Umständen steht die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub einer nationalen Bestimmung entgegen, die dazu führt, dass das verringerte Entgelt, das der Arbeitnehmer in einem Elternurlaub auf Teilzeitbasis zu dem Zeitpunkt bezieht, in dem ihm gekündigt wird, berücksichtigt wird.

Hinsichtlich der Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub stellt der Gerichtshof fest, dass diese Leistung ein aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitetes Recht darstellt, auf das der Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat. Allein der Umstand, dass die Zahlung dieser Zuwendung nicht automatisch erfolgt und dass diese Zahlung für die Zeit des über die Dauer der Kündigungsfrist hinausgehenden Wiedereingliederungsurlaubs geleistet wird, vermag nichts an dieser Feststellung zu ändern. Unter diesen Umständen ist die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub auf eine Leistung wie die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub anwendbar.

Daher gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass eine Leistung wie die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub ebenso wie die Entlassungsentschädigung in Anwendung der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vollständig auf der Grundlage des Entgelts berechnet werden muss, das für die von diesem Arbeitnehmer in Vollzeit erbrachten Leistungen zu zahlen wäre.

Zu der Frage, ob die mit dem Elternurlaub verbundene Ungleichbehandlung mit Art. 157 AEUV vereinbar ist, führt der Gerichtshof erstens aus, dass Begriff „Arbeitsentgelt“ im Sinne dieses Artikels weit auszulegen ist und dass infolgedessen Leistungen wie die Entlassungsentschädigung und die Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub als „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV einzustufen sind.

Zweitens weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Arbeitnehmer des einen Geschlechts als solche des anderen Geschlechts benachteiligt. Eine solche Maßnahme ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann vereinbar, wenn die von ihr bewirkte Ungleichbehandlung zwischen den beiden Arbeitnehmerkategorien durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

Die Cour de cassation hat im Rahmen der Vorlage ausgeführt, dass sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dazu entschließe, einen Elternurlaub auf Teilzeitbasis in Anspruch zu nehmen, da in Frankreich 96 % der Arbeitnehmer, die einen Elternurlaub nähmen, Frauen seien. In einem solchen Fall ist eine nationale Regelung wie die französische mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nur unter der Voraussetzung vereinbar, dass die auf diese Weise zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewirkte Ungleichbehandlung möglicherweise durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt werden kann.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass von dem betroffenen Mitgliedstaat kein objektiv gerechtfertigter Faktor geltend gemacht wird, und gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Regelung nicht mit dem Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, wie dieser in Art. 157 AEUV vorgesehen ist, vereinbar erscheint.

Fußnote

1Am 14. Dezember 1995 geschlossene Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub, die im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Vereinbarung über Elternurlaub (ABl. 1996, L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/5/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung enthalten ist.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 08.05.2019 zum Urteil C-486/18 vom 08.05.2019

Sky-Bundesliga-Abo als Werbungskosten

Die Aufwendungen eines Fußballtrainers für ein Sky-Bundesliga-Abo können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. Januar 2019 VI R 24/16 für einen hauptamtlichen Torwarttrainer im Bereich des Lizenzfußballs entschieden.

Der Kläger bezieht als hauptamtlicher Torwarttrainer eines Lizenzfußballvereins Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er schloss beim Pay-TV-Sender „Sky“ ein Abonnement ab, das sich aus den Paketen „Fußball Bundesliga“, „Sport“ und „Sky Welt“ zusammensetzte. Den Aufwand für das Paket „Bundesliga“ machte er als Werbungskosten mit der Begründung geltend, dass er die Bundesligaspiele ganz überwiegend nur zum Kenntnisgewinn im Zusammenhang mit seiner Trainertätigkeit schaue. Finanzamt und Finanzgericht (FG) lehnten den Werbungskostenabzug ab. Das Sky-Bundesliga-Abonnement sei immer privat und nicht beruflich veranlasst, da der Inhalt des Pakets nicht vergleichbar einer Fachzeitschrift auf ein Fachpublikum, hier einen hauptamtlichen Fußballtrainer, zugeschnitten sei.

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Werbungskosten sind u. a. Aufwendungen für (immaterielle) Wirtschaftsgüter, die unmittelbar der Erledigung beruflicher Aufgaben dienen. Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich genutzt werden. Eine geringfügige private Mitbenutzung ist unschädlich. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist unter Würdigung aller Umstände nach der Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall festzustellen. Bei einem (Torwart)Trainer eines Lizenzfußballvereins hielt der BFH eine weitaus überwiegende berufliche Nutzung des Pakets „Bundesliga“ jedenfalls nicht für ausgeschlossen. Da das FG dies, ohne weitere Feststellungen zu treffen, anders gesehen hatte, muss es diese nachholen. Zur Feststellung der tatsächlichen Verwendung des Sky-Bundesliga-Abonnements durch den Kläger hat der BFH die Vernehmung von Trainerkollegen und von den Spielern angeregt.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 27/19 vom 08.05.2019 zum Urteil VI R 24/16 vom 16.01.2019

Zweifel an der Umsatzsteuerpflicht einer Schwimmschule

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt daran, ob die Umsätze, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit der Veranstaltung von Schwimmkursen ausführt, nach Unionsrecht steuerfrei sind.

Die Klägerin ist eine GbR, die Schwimmkurse für Kinder durchführt. Sie behandelte diese von den Eltern vergüteten Leistungen als umsatzsteuerfrei. Das Umsatzsteuergesetz sieht keine Steuerbefreiung vor, jedoch behandelte das Finanzgericht (FG) die Umsätze nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als steuerfrei.

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen will der BFH nun klären lassen, ob der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL auch die Erteilung von Schwimmunterricht umfasst. Für die Steuerfreiheit auf dieser Grundlage spricht die bisherige Rechtsprechung des BFH. Danach ist Schwimmunterricht steuerfrei, wenn er von Einzelunternehmern erteilt wird. Die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) war erforderlich, weil der EuGH in seinem Urteil A&G Fahrschul-Akademie GmbH vom 14. März 2019 C-449/17 (EU:C:2019:203) eine einschränkende Auslegung des Unterrichtsbegriffs „in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen“ vorgenommen hat. Es wird dann weiter zu klären sein, ob die für die Annahme einer Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL notwendige Anerkennung der Klägerin aus dem mit ihren Tätigkeiten verbundenen Gemeinwohlinteressen ergeben. Denn die Fähigkeit zu schwimmen ist für jeden Menschen durchaus elementar.

Aber selbst dann, wenn die Anerkennung verneint würde, stellt sich die Frage, ob die Klägerin – obschon keine natürliche Person – Privatlehrerin (Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL) ist. Es dürfte sachlich nicht zu rechtfertigen sein, weshalb X und Y, falls sie selbst als Einzelunternehmer Schwimmunterricht erteilen, steuerfreie Leistungen erbringen, während die gleichen Leistungen bei einer gemeinsamen Unterrichtstätigkeit in der Rechtsform einer Personengesellschaft (hier: GbR) steuerpflichtig sein sollen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 26/19 vom 08.05.2019 zum Beschluss V R 32/18 vom 27.03.2019

Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts sind umsatzsteuerpflichtig

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Urteil vom 13. Februar 2019 XI R 1/17 entschieden, dass Abmahnungen, die ein Rechteinhaber zur Durchsetzung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber Rechtsverletzern vornimmt, umsatzsteuerpflichtig sind. Gegenleistung für die Abmahnleistung ist der vom Rechtsverletzer gezahlte Betrag.

Die Klägerin, eine Tonträgerherstellerin, ließ mit Hilfe einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Personen, die Tonaufnahmen im Internet rechtswidrig verbreitet hatten, abmahnen. Gegen Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie Zahlung von pauschal 450 Euro (netto) bot sie an, von der gerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche abzusehen. Sie ging dabei davon aus, dass die erhaltenen Zahlungen als Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzungen anzusehen seien und daher keine Umsatzsteuer anfalle. Die ihr von der Rechtsanwaltskanzlei in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog sie gleichzeitig als Vorsteuer ab.Dieser Auffassung zur Frage der Steuerbarkeit ist der BFH nicht gefolgt. Er hat klargestellt, dass – unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung durch die Beteiligten und der zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage – Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs als umsatzsteuerpflichtige Leistungen im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Abmahner und den von ihm abgemahnten Personen zu qualifizieren sind. Die Abmahnung erfolge, so der BFH weiter, zumindest auch im Interesse des jeweiligen Rechtsverletzers, weil er die Möglichkeit erhalte, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies sei als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung anzusehen. Für das Ergebnis sei es unerheblich, dass im Zeitpunkt der Abmahnung nicht sicher festgestanden habe, ob die Abmahnung erfolgreich sein werde: Auch wenn ungewiss sei, ob die abgemahnte Person ein Rechtsverletzer sei und zahlen werde, bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Abmahnung als sonstige Leistung und der dafür erhaltenen Zahlung.

Damit überträgt der BFH seine ständige Rechtsprechung zu Abmahnungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb auf Abmahnungen nach dem Urheberrechtsgesetz.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 28/19 vom 08.05.2019 zum Urteil XI R 1/17 vom 13.02.2019

Sozialversicherungspflicht von Beschäftigten in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung setzt die Erzielung von Arbeitsentgelt voraus

Aufgrund der Regelung des § 3 Nr. 26 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) besteht die unwiderlegbare Vermutung, dass Einnahmen von Übungsleiterinnen und -leitern bis zur Höhe von 2.400 Euro im Jahr als steuerfreie Aufwandsentschädigung und nicht als Arbeitsentgelt anzusehen sind, wie das Landessozialgericht entschied.

Die 1970 geborene Klägerin ist staatlich anerkannte Sport- und Gymnastiklehrerin. Von Oktober 2008 bis in das Jahr 2014 war sie als freie Mitarbeiterin für den zum Verfahren beigeladenen Turnverein tätig. Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 20. Juni 2012 stellte die beklagte Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung antragsgemäß gegenüber ihr und dem Verein fest, dass diese Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und daher insoweit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. In der Folge machte die Beklagte gegenüber der Klägerin Beiträge aufgrund einer Versicherungspflicht als selbstständig tätige Lehrerin geltend. Daraufhin beantragte diese erneut, den sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Tätigkeit beim Turnverein festzustellen, nun mit dem Ziel einer abhängigen Beschäftigung. Die Beklagte lehnte eine Rücknahme der Verwaltungsentscheidungen vom 20. Juni 2012 ab.

Von Juni 2013 bis November 2014 war die Klägerin zudem ohne schriftliche Vereinbarung als Übungsleiterin bei der ebenfalls beigeladenen Turnvereinigung tätig. Anfangs wurde sie für je eine Stunde zu nach Beginn, Ende und Ort festgelegten Kursen der Rückengymnastik und des Nordic Walking verpflichtet, welche im Vereinsgebäude oder von dort aus in einem in der Nähe gelegenen Waldstück stattfanden. Gegen Ende übernahm sie vertretungsweise weitere Kurse. Die Teilnehmenden meldeten sich bei der Turnvereinigung an. Die Klägerin bestätigte gegebenenfalls die Teilnahme gegenüber den Trägerinnen der gesetzlichen Krankenversicherung. Kleingeräte für die Kurse waren in den Übungsräumen vorhanden. Im Verhinderungsfall organisierte sie selbst eine Vertretung. Anders als die festangestellten Mitarbeitenden musste die Klägerin keine Dienstkleidung tragen und nicht an Besprechungen teilnehmen. Sofern sie dies tat, erhielt sie eine gesonderte Vergütung von pauschal 7,50 Euro. Für die Leitung der Kurse war ein Stundensatz von 22 Euro vereinbart, wobei beide davon ausgingen, dass die Vergütung solange als möglich als steuerfreie „Übungsleiterpauschale“ gewährt wird. 2013 erhielt die Klägerin 1.723,50 Euro und 2.394 Euro von Januar bis Juli 2014. Da damit der steuerfreie Betrag erschöpft war, stellte sie die ab Juli 2014 geleisteten Stunden in Rechnung, weiterhin mit der Begründung ohne Steuerabzug, dass sie die Regelung für Kleinunternehmerinnen in Anspruch nimmt. Die Beklagte stellte mit Bescheiden vom 20. November 2014 gegenüber der Klägerin und der Turnvereinigung fest, dass die Tätigkeit als Kursleiterin nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und insoweit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurden die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten für den Turnverein und die Turnvereinigung im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisses ausübte. Das Landessozialgericht gab demgegenüber der Beklagten Recht. In Bezug auf den beigeladenen Turnverein folgt dies bereits aus den bestandskräftigen Bescheiden vom 20. Juni 2012, wobei die Voraussetzungen für die Rücknahme dieser Verwaltungsakte nicht vorliegen. Hinsichtlich der beigeladenen Turnvereinigung erhielt die Klägerin bis in den Monat Juli 2014 kein Arbeitsentgelt und war im Übrigen, auch was den Zeitraum bis November dieses Jahres betrifft, nicht abhängig beschäftigt. Die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung setzt die Erzielung von Arbeitsentgelt voraus, woran es bis Juli 2014 fehlt. Aufgrund der Regelung des § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG, wonach Einnahmen unter anderem aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiterin bis zur Höhe von insgesamt 2.400 Euro im Jahr steuerfrei sind, besteht eine unwiderlegbare Vermutung, dass Einnahmen dieser Art als steuerfreie Aufwandsentschädigung anzusehen sind. Unerheblich ist, ob die entsprechenden Zahlungen als Vergütung für eine selbstständige oder abhängige Tätigkeit gezahlt werden. Die Klägerin überschritt 2013 den Höchstbetrag nicht, im Folgejahr erst während des Monats Juli. Soweit sie im gerichtlichen Verfahren bestritt, eine solche Aufwandsentschädigung erhalten zu haben, handelte es sich um eine von ihrem Interesse am Erfolg des Rechtsstreits geleitete Schutzbehauptung. Gegenüber der Turnvereinigung verlangte sie zuvor ausdrücklich die Abrechnung als „Übungsleiterpauschale“. Im Verwaltungsverfahren gab sie an, dass die Vergütung solange als möglich so abgerechnet wird. Tatsächlich wurde keine Steuer abgeführt. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand nach den tatsächlichen Umständen, auf die mangels schriftlicher Vereinbarung abzustellen ist, nicht.

Hinweis zur Rechtslage

§ 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch

Die Beteiligten können schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.

§ 3 Nr. 26 Satz 1 EStG

Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder in der Schweiz belegen ist, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) bis zur Höhe von insgesamt 2.400 Euro im Jahr.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 06.05.2019 zum Urteil L 10 BA 1824/18 vom 21.02.2019

Tarifvergünstigung für Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen in der Forstwirtschaft gemäß § 34b EStG

Sachliche Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der besonderen Forstschäden des Jahres 2018

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Bewältigung der besonderen Forstschäden des Jahres 2018 für die abweichenden Wirtschaftsjahre 2017/2018 und 2018/2019 bzw. für das mit dem Kalenderjahr 2018 übereinstimmende Wirtschaftsjahr bundeseinheitlich das Folgende:

I. Bewertung von Holzvorräten aus Kalamitätsnutzungen bei größeren Schadensereignissen

Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich kann für Kalamitätsholz, das auf Schadensereignissen beruht, die im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 entstanden sind, von der Aktivierung des eingeschlagenen und unverkauften Kalamitätsholzes ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn der Schaden das Doppelte des maßgeblichen Nutzungssatzes übersteigt. Maßgeblich ist der im Zeitpunkt des ersten Schadensereignisses gültige Nutzungssatz oder der nach R 34b.6 Abs. 3 EStR anzuwendende Nutzungssatz.

II. Steuersatz für Kalamitätsholz bei größeren Schadensereignissen

Für Kalamitätsholz, das auf Schadensereignissen beruht, die im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 entstanden sind und gemäß § 34b Abs. 4 Nr. 2 EStG spätestens bis zum 31. März 2019 der zuständigen Finanzbehörde mitgeteilt wurden, gilt aus sachlichen Billigkeitsgründen einheitlich der Steuersatz von einem Viertel des durchschnittlichen Steuersatzes gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AO i. V. m. § 34b Abs. 3 Nr. 2 EStG und R 34b.7 Abs. 4 EStR, wenn der Schaden das Doppelte des maßgeblichen Nutzungssatzes übersteigt. Maßgeblich ist der im Zeitpunkt des ersten Schadensereignisses gültige Nutzungssatz oder der nach R 34b.6 Abs. 3 EStR anzuwendende Nutzungssatz. Begünstigt ist die gesamte Schadensmenge, die für diese Schadensereignisse anerkannt wurde (§ 34b Abs. 4 EStG). Für die Gewährung der Tarifvergünstigung ist R 34b.7 Abs. 1 und 2 EStR entsprechend anzuwenden.

III. Schlussvorschriften

Die Verwaltungsanweisungen der vom Sturmtief „Friederike“ betroffenen Länder, die diesen Regelungen entgegenstehen, sind aufgrund dieser bundeseinheitlichen Regelung nicht (mehr) anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 7 – S-2291 / 19 / 10001 vom 29.04.2019

Neue Pfändungsfreigrenzen ab 1. Juli 2019

Am 11.04.2019 ist die Bekanntmachung zu den Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c und 850f ZPO vom 04.04.2019 im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht worden. Die Freibeträge wurden insgesamt etwas erhöht.

Ab dem 01.07.2019 beträgt der monatlich unpfändbare Betrag nach

  • § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO: 1.178,59 Euro (bisher 1.133,80 Euro)
  • § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO: 2.610,63 Euro (bisher 2.511,43 Euro)
  • § 850c Abs. 2 Satz 2 ZPO: 3.613,08 Euro (bisher 3.475,79 Euro)

Der monatliche Grenzbetrag nach § 850f Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO erhöht sich zum 01.07.2019 auf 3.571,14 Euro (bisher 3.435,44 Euro).

Die konkreten Pfändungsfreibeträge sind der in der Bekanntmachung enthaltenen Tabelle zu entnehmen.

Quelle: BRAK, Mitteilung vom 08.05.2019

Steuerzahlungen von Rentnern verdoppelt

Die Steuerzahlungen von Steuerpflichtigen mit Renteneinkünften haben sich von 2005 bis 2014 mehr als verdoppelt. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort ( 19/9535 ) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion mitteilt, zahlten Steuerpflichtige mit Renteneinkünften im Jahr 2005 rund 16 Milliarden Euro an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Bis 2014 stieg dieser Wert auf rund 33 Milliarden Euro. Die Zahl der Steuerfälle mit Renteneinkünften erhöhte sich in diesem Zeitraum von rund 5,1 auf 7,8 Millionen Euro. Wegen der geltenden Fristen zur Abgabe der Steuererklärung und der Dauer der notwendigen Arbeiten zur Erstellung der Statistik lägen im Rahmen der amtlichen Lohn- und Einkommensteuerstatistik Daten nur bis zum Jahr 2014 vor, erläutert die Bundesregierung.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 08.05.2019

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin