BMF-Entwurf zu Vorgaben für Kassen ab 2020: DStV adressiert Nöte der Praxis

Ab 01.01.2020 gelten verschärfte Regelungen bei der Nutzung bestimmter elektronischer Kassen – so sieht es § 146a AO vor. Das dazugehörige Anwendungsschreiben hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 12.02.2019 in einer Entwurfsfassung an die Verbände versandt. Es ist das Dritte im Bunde – letztes Jahr wurden bereits die Schreiben zur Einzelaufzeichnungspflicht sowie zur Kassennachschau veröffentlicht. Die Finanzverwaltung vervollständigt damit ihre Auffassung zu den gesetzlichen Neuerungen durch das sog. Kassengesetz. In seiner Stellungnahme S 03/19 zu dem Entwurf identifiziert der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) fachlichen Nachbesserungsbedarf und adressiert darüber hinaus die Nöte der Praxis.

Die Zeit für die Umsetzung wird knapp

Betroffene Kassen müssen ab dem Stichtag 01.01.2020 mittels einer sog. technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) vor Manipulationen geschützt sein. Die eingesetzte TSE muss durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert sein.

Für die Umrüstung der schätzungsweise über zwei Millionen vom Gesetz erfassten Kassen (vgl. BT-Drs. 18/9535 , S. 16) verbleiben weniger als zehn Monate. Soweit ersichtlich, sind indes noch immer keine (zertifizierten) TSE auf dem Markt verfügbar. Es steht zu befürchten, dass es angesichts der Menge an notwendigen TSE und der vergleichsweise nur noch kurzen Frist zu Lieferengpässen kommt.

Dabei darf ferner nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kassenhersteller einen ausreichenden Vorlauf benötigen, um die Software der Kassensysteme entsprechend anzupassen. Überdies muss dem Steuerpflichtigen ein angemessener zeitlicher Rahmen verbleiben, um seine Kassen mit den zertifizierten TSE auszurüsten.

Der DStV unterstützt die Bestrebungen des Gesetzgebers, die Manipulation von Kassen in bargeldintensiven Branchen einzudämmen. Keinesfalls darf es dem Steuerpflichtigen jedoch zum Nachteil gereichen, wenn eine fristgerechte Umrüstung der eingesetzten Kassen aufgrund von durch ihn nicht zu beeinflussenden Ursachen misslingt.

Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des DStV eine Verlängerung der Frist zur Umrüstung der Kassen geboten.

Drohende Störung der Kanzleiabläufe

Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme an das zuständige Finanzamt gemeldet werden (§ 146a Abs. 4 Satz 1 und 2 AO). Nach der Entwurfsfassung ist die erstmalige Mitteilung aller vor dem 01.01.2020 angeschafften und von dem Gesetz erfassten Kassen bis zum 31.01.2020 zu erstatten. Dies entspricht zwar dem Gesetzeswortlaut (Art. 97 § 30 Abs. 1 Satz 2 EGAO). Der DStV hat allerdings Folgendes zu bedenken gegeben:

Abhängig davon, wann die ersten zertifizierten TSE auf den Markt kommen, kann es zu einer enormen Verdichtung der Meldungen kommen. Können die Geräte etwa erst im Dezember 2019 gekauft und installiert werden, verbleiben für die Meldung maximal zwei Monate. In dieser kurzen Zeit müssten über 2 Mio. Kassen gemeldet werden.

In vielen Fällen werden Mandanten ihren steuerlichen Berater bitten, die Meldung für sie vorzunehmen. Können diese jedoch z. B. erst gegen Ende dieses Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres und demnach nur mit geringem Vorlauf erledigt werden, droht eine erhebliche Störung der Kanzleiabläufe, gerade bei kleinen und mittleren Kanzleien. Denn das Jahresende und der Beginn des neuen Jahres sind in den Kanzleien traditionell sehr arbeitsintensive Zeiten: Neben drängenden Deklarationstätigkeiten fallen beispielweise Jahresabschlussarbeiten – wie die Durchführung von Inventuren bei Mandanten – und der Abschluss der Lohnbuchhaltung für das vergangene Jahr an. Hinzu kommt, dass im Monat Dezember aufgrund der Weihnachtsfeiertage einige Arbeitstage weniger zur Verfügung stehen.

Dies gilt gleichermaßen für die Mandanten in den maßgeblich betroffenen Branchen: Hier ist die Weihnachtszeit vielfach von besonderer Bedeutung für die Geschäftstätigkeit. Ausgehend von Erfahrungen aus anderen Bereichen ist zu erwarten, dass nicht alle Mandanten die für die Meldung notwendigen Unterlagen in dieser betriebsamen Zeit unmittelbar zu ihrem Berater bringen werden. Somit ist eine weitere Konzentration des Arbeitsaufkommens in den Kanzleien zu befürchten.

Sollte – trotz aller Vorbehalte der Praxis – an dem Termin zur Anwendung des § 146a AO (01.01.2020) festgehalten werden, bedarf es nach Auffassung des DStV zumindest einer Nichtbeanstandungsregelung für die erstmalige Mitteilung der Kassen. Hiernach sollte es von Seiten der Finanzverwaltung nicht beanstandet werden, wenn die Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO für alle bauartbedingt aufrüstbaren und vor dem 01.01.2020 angeschafften Kassen bis zum 31.03.2020 erstattet wird. Somit bliebe den Beratern selbst im denkbar schlechtesten Fall – mit den Arbeiten kann erst im Januar 2020 begonnen werden – genügend Zeit, die zahlreichen Mitteilungen in zumutbarer Weise vorzunehmen.

Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen

Die Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO muss mittels eines amtlich vorgeschriebenen Vordrucks erfolgen (§146a Abs. 4 Satz 1 AO). Weder im Gesetz noch im vorliegenden Entwurf ist erkennbar, dass der Mitteilungspflicht auf elektronischem Wege nachgekommen werden kann. Soweit für die Mitteilung ausschließlich eine Abgabe in Papierform vorgesehen ist, überzeugt dieses Verfahren mit Blick auf die heutigen technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten nicht. Die Vorteile der Digitalisierung blieben in diesem Fall gänzlich ungenutzt.

Zu denken ist etwa an Standardvorgänge wie die nachträgliche An- oder Abmeldung von Kassen: Ein Rückgriff auf Stammdaten (z. B. die Steuernummer) wäre bei einem analogen Verfahren nicht möglich. Zudem würde es dem aufzeichnenden Steuerpflichtigen erschwert, die mitzuteilenden Angaben für eigene Zwecke zu nutzen, beispielsweise um selbst einen Überblick über die eingesetzten Kassen zu erhalten.

Weitere Probleme wirft eine Mitteilung auf Papier im Hinblick auf die vorgeschriebene Angabe der Seriennummer der TSE auf: Es handelt sich hierbei nach den Vorgaben des BSI um einen sog. Hashwert, der beispielswiese folgendermaßen aufgebaut sein könnte:

4PIKOGRLFWJAWLHRJD62WZ4QTZCCY6BPLBGE5LMZOYHWKSJX6VAA

Die manuelle Eingabe eines derart langen Werts ist höchst fehleranfällig. Auch vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des DStV ein digitales Verfahren zur Registrierung der Kassen notwendig. Nur so ließen sich Fehleingaben reduzieren oder – idealerweise – gänzlich vermeiden, etwa im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung.

Erfreuliche Klarstellungen

Der Entwurf hat allerdings auch einige begrüßenswerte Ausführungen im Gepäck, so z. B. hinsichtlich der sog. Belegausgabepflicht: Nach dieser ist allen am Geschäftsvorgang Beteiligten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang ein Beleg zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 6 KassenSichV kann der Beleg in Papierform oder mit Zustimmung des Belegempfängers elektronisch in einem standardisierten Datenformat ausgegeben werden. Der DStV hat u. a. in seiner Stellungnahme S 05/17 zu dem Entwurf der KassenSichV darauf hingewiesen, dass der Begriff des „standardisierten Datenformats“ zu unbestimmt ist. Der Entwurf konkretisiert diesen Begriff nun erfreulicherweise anhand von Beispielen. Hiernach sind unter „standardisierten Datenformaten“ gängige Formate wie etwa JPG oder PDF zu verstehen.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 14.03.2019

Wer zu spät kommt, den bestraft der (automatische) Verspätungszuschlag!

Wer seine Steuererklärung nicht oder zu spät abgibt, kann mit einem Verspätungszuschlag belangt werden – das ist soweit nichts Neues. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde die bis dahin geltende Ermessensentscheidung durch die Einführung des automatischen Verspätungszuschlags gem. § 152 Abs. 2 AO stark eingeschränkt. Für Besteuerungszeitpunkte ab 2018 heißt das: In vielen Fällen kann die Finanzbehörde nicht mehr selbst entscheiden, ob ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird. Vielmehr entsteht dieser ganz ohne Zutun.

Der Überblick des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV) fasst das Wesentliche auf einen Blick zusammen.

Sonderregelung für Abgabe einer Steuererklärung nach Aufforderung

Wird ein Steuerpflichtiger nach gesetzlichem Fristablauf erstmals aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben, von der er bis dato dachte, sie nicht abgeben zu müssen, ist noch nicht automatisch ein Verspätungszuschlag entstanden. Erst wenn die seitens des Finanzamts bezeichnete Frist zur Abgabe verstreicht, wird ein Verspätungszuschlag fällig.

Aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drs. 18/8434 ) ergibt sich, dass diese Regelung besonders Rentner im Blick hatte. Nämlich solche, die in der Vergangenheit vom zuständigen Finanzamt eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung oder eine Mitteilung erhalten haben, künftig nicht mehr erklärungspflichtig zu sein. Diese können in späteren Veranlagungszeiträumen dennoch durch Rentenerhöhungen zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sein. Daher kann es passieren, dass die Finanzverwaltung Steuererklärungen für länger zurückliegende Zeiträume anfordert. Die Sonderregelung soll nun verhindern, dass dies zu Lasten der Betroffenen geht.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 14.03.2019

Doppeltes Arbeitslosengeld für Grenzgänger?

Die Bundesagentur für Arbeit darf im EU-Ausland bezogenes Arbeitslosengeld nur auf deutsches Arbeitslosengeld anrechnen, wenn beide Ansprüche auf derselben Pflichtversicherungszeit beruhen.

Das Landessozialgericht (LSG) NRW hat am 14.03.2019 (Az. L 9 AL 144/18) ein Urteil des Sozialgerichtes Duisburg betreffend den Fall eines sog. echten Grenzgängers bestätigt.

Der Kläger geht seit Jahren Beschäftigungen in den Niederlanden nach, kehrt aber täglich an seinen deutschen Wohnort zurück. Zuletzt bezog er von April 2014 bis Mai 2015 niederländisches Arbeitslosengeld. Zwischen Juni 2015 und November 2016 war er erneut in den Niederlanden versicherungspflichtig beschäftigt. Seinen anschließenden Antrag auf Arbeitslosengeld lehnte die Beklagte ab. Zwar erfülle der Kläger die erforderliche Anwartschaftszeit, allerdings müsse von der Anspruchsdauer die Dauer des niederländischen Arbeitslosengeldbezuges abgezogen werden, sodass sich kein Anspruch ergebe.

Dem hat nun auch das LSG widersprochen. Entscheide sich ein echter Grenzgänger zu einem Antrag in Deutschland, sei anhand des SGB III zu prüfen, ob er innerhalb der Rahmenfrist die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Die Rahmenfrist finde stets ihre Grenze in dem Ende einer früheren Rahmenfrist. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob sich diese nach deutschem oder niederländischem Recht gerichtet habe.

Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Beschäftigungszeiten, die zur Begründung des Anspruches auf niederländisches Arbeitslosengeld geführt hätten, daher nicht erneut zu berücksichtigen gewesen. Abzustellen sei für den Anspruch nach deutschem Recht lediglich auf die nach dem Bezug in den Niederlanden zurückgelegten Beschäftigungszeiten.

Dies verletze auch nicht das Verbot des Zusammentreffens eines Anspruchs auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit in Art. 10 der EG-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (EGV 883/2004), weil das gewährte und das begehrte Arbeitslosengeld zwar Leistungen gleicher Art seien,

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 18.03.2019 zum Urteil L 9 AL 144/18 vom 14.03.2019

Gesetzlicher Urlaubsanspruch – unbezahlter Sonderurlaub

Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs bleiben Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juni 1991 beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihr wunschgemäß in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31. August 2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Gewährung von 20 Arbeitstagen Urlaub verurteilt.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin hat für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten.

Der Senat hat diese Umrechnung in Fällen des Sonderurlaubs bisher nicht vorgenommen. An dieser Rechtsprechung (BAG 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12 – Rn. 11 ff., BAGE 148, 115) hält der Senat nicht fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 19.03.2019 zum Urteil 9 AZR 315/17 vom 19.03.2019

Elternzeit – Kürzung von Urlaubsansprüchen

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG besteht auch für den Zeitraum der Elternzeit, er kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich u. a. vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23. März 2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni 2016 und beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Mit Schreiben vom 4. April 2016 erteilte die Beklagte der Klägerin vom 4. April bis zum 2. Mai 2016 Urlaub, die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs lehnte sie ab. Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 4. April 2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt.

Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, muss er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu ist es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben.

Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstößt weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlangt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben (EuGH 4. Oktober 2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 29 ff.).

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 19.03.2019 zum Urteil 9 AZR 362/18 vom 19.03.2019

BFH: Spendenabzug bei Schenkung unter Ehegatten mit Spendenauflage

Ein Ehegatte kann eine Spende auch dann einkommensteuerlich abziehen, wenn ihm der Geldbetrag zunächst von dem anderen Ehegatten geschenkt wird. Voraussetzung ist hierfür nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Januar 2019 X R 6/17, dass die Ehegatten zusammenveranlagt werden und dass aufgrund einer Auflage im Schenkungsvertrag die Verpflichtung besteht, den Geldbetrag an einen gemeinnützigen Verein weiterzuleiten.

Im entschiedenen Fall hatte der – kurz darauf verstorbene – Ehemann (E) seiner Ehefrau einen Geldbetrag von 400.000 Euro geschenkt. Die Ehefrau (Klägerin) gab Teilbeträge von insgesamt 130.000 Euro an zwei gemeinnützige Vereine weiter. Hierzu war sie möglicherweise aufgrund einer Auflage des Schenkers verpflichtet. Die Vereine stellten Zuwendungsbestätigungen auf den Namen der Klägerin aus.

Das Finanzamt versagte den Spendenabzug mit der Begründung, die Ehefrau habe nicht freiwillig gehandelt, sondern aufgrund einer Verpflichtung, die der E ihr auferlegt habe. Dem schloss sich das Finanzgericht (FG) an.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH dieses Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Das FG muss aufklären, ob der E der Klägerin den Geldbetrag mit der Auflage geschenkt hat, einen Teilbetrag an die Vereine weiterzugeben. Dann wäre ihr der Spendenabzug zu gewähren. Die erforderliche Freiwilligkeit sei auch dann zu bejahen, wenn die Klägerin als Spenderin zu der Zuwendung zwar rechtlich verpflichtet gewesen sei, diese Verpflichtung – wie hier im Schenkungsvertrag – aber ihrerseits freiwillig eingegangen sei. Auch komme es bei zusammenveranlagten Eheleuten nicht darauf an, welcher der Eheleute mit einer Zuwendung wirtschaftlich belastet sei. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 26b EStG.

In seinem Urteil äußert sich der BFH in grundsätzlicher Weise zu den Merkmalen des Spendenbegriffs wie etwa der Unentgeltlichkeit, der Freiwilligkeit und der wirtschaftlichen Belastung. Die Entscheidung wird daher die weitere Rechtsprechung maßgeblich beeinflussen.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 15/19 vom 20.03.2019 zum Urteil X R 6/17 vom 15.01.2019

Renten steigen zum 1. Juli 2019 im Westen um 3,18 Prozent und im Osten um 3,91 Prozent

Nach den nun vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund steht die Rentenanpassung zum 1. Juli 2019 fest: In Westdeutschland steigt die Rente um 3,18 Prozent, in den neuen Ländern um 3,91 Prozent. Der aktuelle Rentenwert (Ost) steigt damit auf 96,5 Prozent des aktuellen Rentenwerts West (bisher: 95,8 Prozent). Das Rentenniveau steigt damit sogar leicht auf 48,16 Prozent an.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil:

„Auch in diesem Jahr profitieren die Rentnerinnen und Rentner von der guten Lage am Arbeitsmarkt und den Lohnsteigerungen der Vergangenheit in Form von besseren Renten. Auf dem Weg zu gleichen Rentenwerten in Ost und West kommen wir mit der Rentenanpassung 2019 ebenfalls weiter gut voran. Der Rentenwert (Ost) erreicht 96,5 Prozent des Westwerts. Bis spätestens zur Rentenanpassung 2024 wird der aktuelle Rentenwert (Ost) auf 100 Prozent des Westwerts ansteigen.

Insgesamt zeigt sich: Die gesetzliche Rente bleibt die zentrale Säule der Alterssicherung in Deutschland. Um sie weiter zu stärken werden wir eine Grundrente einführen, die ihren Namen auch verdient. Die Grundrente soll Lebensarbeitszeit anerkennen und einen wirksamen Beitrag gegen Altersarmut leisten. Es geht um mehr Respekt vor der Leistung von Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben und aufgrund zu niedriger Löhne keine angemessene Rente bekommen. Diese Menschen sollen im Alter ordentlich abgesichert sein.“

Einzelheiten

Grundlage für die Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Die für die Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung beträgt 2,39 Prozent in den alten Ländern und 2,99 Prozent in den neuen Ländern. Sie basiert auf der vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Lohnentwicklung nach den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), wobei der Einfluss der Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen („Ein-Euro-Jobs“) außer Acht bleibt. Darüber hinaus wird die beitragspflichtige Entgeltentwicklung der Versicherten berücksichtigt, die für die Einnahmensituation der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidend ist.

Neben der Lohnentwicklung wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden bei der Anpassung der Renten berücksichtigt. In diesem Jahr wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor mit +0,64 Prozentpunkten positiv auf die Rentenanpassung aus. Außerdem wird durch den so genannten Faktor Altersvorsorgeaufwendungen die Veränderung der Aufwendungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Aufbau ihrer Altersvorsorge auf die Anpassung der Renten übertragen. Da der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung des Jahres 2017 (18,7 Prozent) gegenüber dem Jahr 2018 (18,6 Prozent) um 0,1 Prozentpunkte gesunken ist und die sogenannte „Riester-Treppe“ bereits 2013 letztmals zur Anwendung kam, wirkt der Faktor Altersvorsorgeaufwendungen in diesem Jahr rechnerisch mit 0,13 Prozentpunkten anpassungssteigernd.

Bei der diesjährigen Rentenanpassung wird erstmals die Niveauschutzklausel des RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetzes geprüft. So wird sichergestellt, dass in der Zeit bis zum 1. Juli 2025 das Rentenniveau von 48 Prozent nicht unterschritten wird. Das Rentenniveau (im Gesetz als Sicherungsniveau vor Steuern bezeichnet) beschreibt den Verhältniswert aus einer verfügbaren Standardrente und dem verfügbaren Durchschnittsentgelt, beides ohne Berücksichtigung der darauf entfallenden Steuern. Das Rentenniveau beträgt für das Jahr 2019 mit dem nach der bisherigen Rentenanpassungsformel errechneten aktuellen Rentenwert 48,16 Prozent. Damit wird das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent eingehalten. Die Niveauschutzklausel kommt somit nicht zur Anwendung.

Bei der Rentenanpassung für die neuen Bundesländer sind die im Rentenüberleitungsabschlussgesetzes festgelegten Angleichungsschritte relevant. In diesem Jahr ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens so anzupassen, dass er 96,5 Prozent des Westwerts erreicht. Mit dieser Angleichungsstufe fällt die Rentenanpassung Ost höher aus, als nach der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost.

Auf Basis der vorliegenden Daten ergibt sich damit ab dem 1. Juli 2019 eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 32,03 Euro auf 33,05 Euro und eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) von gegenwärtig 30,69 Euro auf 31,89 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung von 3,18 Prozent in den alten Ländern und von 3,91 Prozent in den neuen Ländern.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 20.03.2019

Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit werden modernisiert

Damit Leben und Arbeiten in der EU für alle EU-Bürger künftig einfacher wird, werden die europäischen Regeln zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit überarbeitet. Darauf haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission geeinigt. Mit der Einigung werden die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die in ein anderes EU-Land umziehen, aktualisiert und geschützt. Außerdem sieht sie eine Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden vor.

Die Überarbeitung der geltenden Regeln soll sicherstellen, dass die Vorschriften fair und klar bleiben und leichter durchgesetzt werden können. Zu den Neuerungen zählt, dass Arbeitsuchende mehr Zeit für die Arbeitsuche im Ausland erhalten, und dass der Bedarf an Langzeitpflege für im Ausland lebende ältere Menschen thematisiert wird. Für Dienstreisen ins EU-Ausland muss kein A1-Entsendeformular beantragt werden. Darüber hinaus bekommen nationale Behörden bessere Instrumente an die Hand, um Missbrauch oder Betrug zu bekämpfen und den Sozialversicherungsstatus von ins Ausland entsandten Arbeitnehmern zu überprüfen.

Die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität zuständige Kommissarin Marianne Thyssen begrüßte die Einigung und erklärte: „Das Recht, überall in der Union zu leben, zu arbeiten oder zu studieren, zählt seit 60 Jahren zu den am meisten geschätzten Freiheiten des EU-Binnenmarkts. Es ist gut, dass das Europäische Parlament und der Rat heute eine vorläufige Einigung über den Kommissionsvorschlag erzielt haben, durch den die betreffenden Vorschriften fair und klar bleiben und leichter durchsetzbar werden sollen. Besonders freue ich mich für unsere vielen mobilen Bürgerinnen und Bürger und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für deren Sozialschutz die modernisierten Vorschriften einen großen Fortschritt bedeuten.

In den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission große Anstrengungen unternommen, um Einzelpersonen sowie Unternehmen eine faire Mobilität zu erleichtern und gleichzeitig die Betrugsbekämpfung zu verstärken. Wir haben die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern überarbeitet und damit den Grundsatz der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort umgesetzt. Unlängst haben wir auch eine Einigung über die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde erzielt, die die wirksame Durchsetzung der Vorschriften sicherstellen soll. Mit der heutigen vorläufigen Einigung über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit runden wir das Gesamtpaket für eine faire Arbeitskräftemobilität in Europa ab. Mein Dank gilt dem Berichterstatter Balas, der für das Europäische Parlament an den Verhandlungen teilnahm, sowie dem rumänischen Ratsvorsitz.“

Hintergrund

Jeder Mitgliedstaat legt die Merkmale seines eigenen Systems der sozialen Sicherheit fest, einschließlich der vorgesehenen Leistungen, der Bedingungen für die Inanspruchnahme, der Berechnung und der zu entrichtenden Beiträge, und zwar für alle Zweige der sozialen Sicherheit wie Leistungen bei Alter, Arbeitslosigkeit und für Familien.

Um sicherzustellen, dass die betreffenden grundlegenden Rechte bei Reisen und Aufenthalten im Ausland nicht verloren gehen, wurden auf EU-Ebene in den letzten 60 Jahren Vorschriften zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erlassen. Diese Vorschriften gelten für die EU-28 sowie für Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Sie helfen bei der Bestimmung des Systems der sozialen Sicherheit, dem eine mobile Person unterliegt. Dadurch wird verhindert, dass eine Person in einer Situation mit grenzüberschreitendem Bezug ganz ohne Sozialschutz ist bzw. doppelt versichert ist.

Heute leben bzw. arbeiten etwa 17 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in einem anderen Mitgliedstaat – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Und Millionen reisen regelmäßig in andere europäische Länder, um dort Urlaub zu machen, zu arbeiten oder Familie zu besuchen.

Die Kommission hat ihren Vorschlag zur Aktualisierung und Ergänzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften im Dezember 2016 im Rahmen ihrer Bemühungen vorgelegt, faire Bedingungen für diejenigen zu gewährleisten, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, sowie für die Steuerzahler. Außerdem sollen mit dem Vorschlag bessere Instrumente für die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen in der EU bereitgestellt werden. Durch die neuen Vorschriften wird das bestehende Recht insbesondere in drei Hauptbereichen modernisiert: Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und Koordinierung der sozialen Sicherheit für entsandte Arbeitskräfte.

Nächste Schritte

Diese vorläufige Einigung muss nun sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat förmlich angenommen werden.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.03.2019

Grünes Licht für Starke-Familien-Gesetz

Berlin: (hib/AW) Der Familienausschuss hat den Weg frei gemacht für das sogenannte Starke-Familien-Gesetz zur Neugestaltung des Kinderzuschlags und des Bildungs- und Teilhabepakets. Mit den Stimmen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion nahm der Ausschuss am Mittwoch die Gesetzesvorlage (19/7504) von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) in einer durch den Ausschuss geänderten Fassung gegen das Votum der FDP- und der Linksfraktion an. Die Fraktionen der AfD und von Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme. Den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf nahm der Ausschuss ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der AfD und der FDP an. Die Anträge der Grünen zur automatischen Auszahlung des Kinderzuschlags (19/1854) und zur Teilhabe von Kindern (19/7451) lehnte der Ausschuss mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen ab.

Die Oppositionsfraktionen begrüßten übereinstimmend zwar einerseits die Erhöhung des Kinderzuschlags und der Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket, bezeichneten diese jedoch insgesamt als nicht ausreichend. Zudem werde der zu hohe bürokratische Aufwand bei der Beantragung der Leistungen dazu führen, dass weiterhin der Großteil der anspruchsberechtigten Familien nicht in deren Genuss kommen werde. Die Koalitionsfraktionen wiesen diese Kritik zurück. In ihrem Änderungsantrag hätten sie verschiedene Kritikpunkte und Anregungen des Bundesrates und aus der öffentlichen Anhörung des Ausschusses über die Gesetzesvorlage aufgenommen. Die Beantragung und Bewilligung der Leistungen werde dadurch entbürokratisiert.

Das Starke-Familien-Gesetz sieht eine Erhöhung des Kinderzuschlags zum 1. Juli 2019 von derzeit maximal 170 pro Monat und Kind auf 185 Euro vor. Zudem wird das Einkommen der Kinder – wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen oder Ferien- und Aushilfsjobs – den Kinderzuschlag nur noch zu 45 Prozent statt wie bisher zu 100 Prozent mindern. Die ursprünglich im Gesetzesentwurf vorgesehene 100-Euro-Grenze für diese Regelung strich der Ausschuss durch den angenommen Änderungsantrag. Zum 1. Januar 2020 soll dann die sogenannte Abbruchkante, an der der Kinderzuschlag bislang schlagartig entfällt, wegfallen. Zusätzliches Einkommen der Eltern soll den Kinderzuschlag zudem nur noch zu 45 statt 50 Prozent mindern. Ebenso sollen zukünftig Familien den Kinderzuschlag auch dann erhalten,wenn sie kein Arbeitslosengeld II beziehen und ihnen mit ihrem Erwerbseinkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen, um die Hilfsbedürftigkeit nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zu vermeiden.

Im Bereich des Bildungs- und Teilhabepakets sieht das Gesetz eine Erhöhung des „Schulstarterpakets“ von 100 auf 150 Euro pro Monat vor. Zudem entfallen die Eigenanteile der Eltern für das Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen sowie für die Schülerbeförderung. Darüber hinaus sollen die Mittel für Lernförderung zukünftig auch dann bewilligt werden, wenn die Versetzung eines Schülers nicht unmittelbar gefährdet ist. Durch den angenommen Änderungsantrag wird zudem der Betrag für Vereinsmitgliedschaften der Kinder von zehn auf 15 Euro pro Monat erhöht und pauschal ausgezahlt.

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss – 20.03.2019 (hib 298/2019)

Fahrgastbegleiter mit Ein-Euro-Job will Tariflohn

Ein-Euro-Jobs dürfen nur für gemeinnützige Zusatzarbeiten eingerichtet werden, die keine reguläre Arbeit verdrängen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass der Fahrgastbegleitservice der ÜSTRA in Hannover diesen Anforderungen genügt.

Geklagt hatte ein ehemaliger Hartz-IV-Empfänger aus Hannover, der vom Jobcenter in eine Eingliederungsmaßnahme als Fahrgastbegleiter der Verkehrsbetriebe vermittelt wurde. Drei Jahre lang half er Senioren und Rollstuhlfahrern beim Einsteigen, unterstützte Eltern mit Kinderwagen und begleitete Patienten zum Arzt. Als er in einer Praxis den Werbeflyer eines Begleitdienstes fand, kamen ihm Zweifel, ob er wirklich eine Zusatzarbeit ausübt.

Vom Jobcenter verlangte der Mann nun Tariflohn als Wertersatz für seine Arbeit. Nach seiner Ansicht erbringe die ÜSTRA eine kostenlose Leistung, die bei anderen Anbietern im Rahmen von Betreuungen oder Eingliederungsleistungen Geld koste. Hierdurch entstehe eine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz, die auch noch intensiv beworben werde.

Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Ein kostenloser Fahrgastbegleitservice für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste im ÖPNV sei eine Zusatzarbeit im Sinne des SGB II, soweit er nicht zum eigentlichen Leistungsspektrum des Personentransportes gehöre. Dem stehe nicht entgegen, dass es bei der ÜSTRA etwa 70 Fahrgastbegleiter gebe, für die Werbung gemacht werde. Das Gericht hat die Unternehmensstatistiken der ÜSTRA ausgewertet und sich entscheidend darauf gestützt, dass dem Unternehmen durch den kostenlosen Service keine Zusatzeinnahmen entstünden. Gemessen an 176 Mio. Fahrgästen pro Jahr könne aus mehreren Hundert Personenbegleitungen pro Monat kein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse am Ticketverkauf folgen. Ebenso wenig bestehe ein Verdrängungspotenzial anderer Anbieter, die zumeist auch ganz andere Leistungen wie Individualbetreuung erbringen würden.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 21.03.2019 zum Urteil L 11 AS 109/16 vom 18.12.2018

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin