Arbeitslosengeld bis Vorlesungsbeginn an einer Hochschule

Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Diese Verfügbarkeit wird bei Studierenden regelmäßig verneint, weil sie – so die gesetzliche Vermutung – nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Beginnt das Studium für den Studierenden erst mit Beginn der Lehrveranstaltungen, so kann diese Vermutung widerlegt werden. Dies entschied in einem am 30.03.2015 veröffentlichten Urteil der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Arbeitslose Frau begehrt Arbeitslosengeld bis Vorlesungsbeginn
Eine ehemals als Sachbearbeiterin tätige Frau aus Gießen bezog nach Aufhebung ihres Arbeitsvertrages Arbeitslosengeld. Nachdem sie der Bundesagentur für Arbeit (BA) mitgeteilt hatte, dass sie ein Studium der Betriebswirtschaft aufnehmen werde, hob die BA die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab Semesterbeginn (1. September 2010) auf.

Als eingeschriebene Studentin könne sie nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben und stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Die 29-jährige Frau ist hingegen der Auffassung, dass dies für die Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn (4. Oktober 2010) nicht gelte.

Verfügbarkeit bis zum Beginn der Lehrveranstaltungen
Die Richter beider Instanzen gaben der Studentin Recht. Allein durch die Immatrikulation (Einschreibung an einer Hochschule) sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, aufgrund derer die Bewilligung des Arbeitslosengeldes aufzuheben gewesen sei. Denn die Studentin habe nachgewiesen, dass sie in der Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn keinen Studienanforderungen ausgesetzt gewesen sei und ihr Studium im 1. Fachsemester tatsächlich erst am 4. Oktober 2010 begonnen habe. Somit habe – so die Richter – die Studentin bis zum 3. Oktober 2010 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die gesetzliche Vermutung sei insoweit widerlegt.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung vom 30.03.2015 zum Urteil L 9 AL 148/13 vom 27.02.2015

 

Weitere Urteile des FG Hamburg

Abgabenordnung: Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des depotführenden Kreditinstituts erledigt sich gemäß § 124 Abs. 2 AO durch die Festsetzung der Einkommensteuer. Die Festsetzung der Einkommensteuer nimmt den Regelungsgehalt der Kapitalertragsteuer-Anmeldung auf, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 183/12, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Wird gegen einen Feststellungsbescheid i. S. von §§ 179, 180 AO Klage erhoben, können Streitgegenstand die einzelnen gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen sein (§ 157 Abs. 2 AO), z. B. die Qualifikation der Einkünfte, das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns. Welche Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit seiner Klage angreift und damit zum Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht hat, ist in erster Linie durch Auslegung der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln.
Eine Klagänderung § 67 FGO liegt dann vor, wenn ein in diesem Sinne weiterer Klagege-genstand, auch hilfsweise, in das Verfahren eingeführt wird; dies ist im Rahmen einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur innerhalb der Klagefrist zulässig. Werden innerhalb der Klagefrist nur bestimmte Feststellungen angegriffen, tritt hinsichtlich der übrigen Feststellungen Unanfechtbarkeit ein, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 30/14, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Der Einzelaufzeichnungspflicht genügt ein Taxiunternehmen nur mittels der sogenannten Schichtzettel. Ihre Aufbewahrung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn ihr Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinanderge-reihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Zur Schätzung der Be-steuerungsgrundlagen eines Taxiunternehmens ist es eine sachgerechte Methode, die Jah-resfahrleistung zu schätzen und mit einer empirisch begründbaren Größe „Umsatz (netto) pro gefahrenen km“ zu multiplizieren, Urteil des 6. Senats vom 11.11.2014, 6 K 206/11, NZB eingelegt, Az. des BFH X B 161/14.

Abgabenordnung – Insolvenzrecht: Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft berührt das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren nicht, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffen. Das gerichtliche Verfahren wird indes unterbrochen, wenn über das Vermögen einer Gesellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, diese Gesellschafterin selbst gemäß § 48 FGO klagebefugt und dementsprechend gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist. Die Personengesellschaft wird für das Feststellungsverfahren als insolvenzfreie Angelegenheit durch die zur Vertretung berufene Komplementär-GmbH vertreten, wenn diese im Gesellschaftsvertrag als Liquidatorin bestimmt ist, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermö-gen der Klägerin stellt gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB einen Auflösungsgrund dar, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 30/14, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Ein Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO entfaltet erst dann Wirkung, wenn er vom Einspruchsführer auch tatsächlich derart zur Kenntnis genom-men werden kann, dass ihm eine Stellungnahme möglich ist, die von der Finanzbehörde vor Erlass der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden kann. Der Verböserungshinweis
ist eine sog. unselbständige Verfahrenshandlung, für dessen Bekanntgabe die Grundsätze für schriftliche Verwaltungsakte nicht gelten, Urteil des 2. Senats vom 27.11.2014, 2 K 108/14, rechtskräftig.

Einkommensteuer: Zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht reicht es bei einer dem Grunde nach gewerblichen Tätigkeit aus, dass in der Zeit von Beginn bis zur Aufgabe der Tätigkeit ein Totalgewinn erzielt wird, Urteil des 6.Senats vom 23.12.2014, 6 K 295/13, rechtskräftig.

Einkommensteuer: Arbeitnehmer-Beiträge zur Seemannskasse stellen keine Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar und sind deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar. Sie dienen nicht der nach dieser Vor-schrift begünstigten sog. Basisversorgung. Die Seemannskasse erbringt durch Gewährung eines Überbrückungsgeldes bis zum Erreichen des Rentenalters gemäß § 137b SGB VI lediglich eine Ergänzung zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, Urteil des 2. Senats vom 27.11.2014, 2 K 310/13, rechtskräftig.
Gewerbesteuer: Zwei Kioske auf zwei S-Bahnhöfen, die an derselben S-Bahnlinie unmittelbar hintereinander liegen, bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht keine vollständige Trennung besteht. Eine organisatorische Verflechtung liegt vor, wenn Arbeitnehmer in jedem der beiden Kioske ein-gesetzt und Waren einheitlich beschafft werden. Eine finanzielle Verflechtung besteht, so-fern Kosten für Arbeitnehmer oder Betriebsmittel, die in beiden Geschäften eingesetzt wer-den, nur von einem „Betrieb“ getragen werden. Behandelt das Finanzamt beide Kioske – entgegen der Ansicht des Betreibers – als einheitlichen Gewerbebetrieb und erlässt nur einen Gewerbesteuermessbescheid, so kann der Betreiber mit der Begründung, der Steuergegenstand sei unrichtig bestimmt, nur einmal Einspruch einlegen und Klage erheben, Urteil des 3. Senats vom 20.11.2014, 3 K 99/14, rechtskräftig.
Umsatzsteuer: Werden Rechnungen zum Vorsteuerabzug eingesetzt, die nicht von den tatsächlich Leistenden ausgestellt wurden, sondern von dem Verwender gerade zu dem Zweck beschafft wurden, um die Zahlungen an die tatsächlich Leistenden, die in der Regel „schwarz“ entlohnt werden, in der Buchhaltung „abzudecken“, erfüllt der Verwender regel-mäßig den Tatbestand der Steuerhinterziehung. Weiterhin entspricht eine Rechnungsnum-mer dann nicht den Vorgaben der § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG, Art. 226 Nr. 2 Richtlinie 2006/112/EG, wenn sie durch die mehrfache Anfügung von Bindestrichen und weiteren Zahlen so unübersichtlich gestaltet wird, dass nur durch eine aufwendige Prüfung festge-stellt werden kann, ob die Rechnungsnummer einmalig vergeben ist, Urteil des 3. Senats vom 25.11.2014, 3 K 85/14, rechtskräftig.

Verbrauchsteuer – Stromsteuer: Selbstverbrauch im Sinne der Stromsteuerentstehungsnorm des § 5 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2, Abs. 2 StromStG ist jede Entnahme von Strom zu betrieblichen Zwecken des Versorgers. Wird der entnommene Strom in Betriebs- und Versor-gungsanlagen auf dem Gelände eines Industrieparks eingesetzt, liegt auch dann vollen Um-fangs eine Selbstentnahme des Versorgers vor, wenn er einem anderen Unternehmen die Mitnutzung der Anlagen vertraglich und aufgrund von Grunddienstbarkeiten eingeräumt hat, Urteil des 4. Senats vom 3.12.2014, 4 K 99/12, NZB eingelegt, Az. des BFH VII B 18/15.
Verbrauchsteuer – Stromsteuer: Kein „Produzierendes Gewerbe“ im Sinne des § 2 Nr. 3 StromStG ist die Aufarbeitung von Altöl (Ölabfällen) in einem chemischen und physikali-schen Prozess mit dem Ziel der Gewinnung eines mit schwerem Heizöl vergleichbaren Re-cycling-Öls, das in der Industrie als Energieträger anstelle von aus Primärrohstoffen gewonnenen Brennstoffen verwendet wird. Dabei handelt es sich weder um Mineralölverarbeitung im Sinne des Abschnitts D, Unterabschnitt DF, Klasse 23, noch um Recycling im Sinne des Abschnitts D, Unterabschnitt DN, Klasse 37 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003.
Recycling in diesem Sinne ist die Herstellung eines Sekundärrohstoffs, der der Produktion
neuer Waren in einem weiteren industriellen Verarbeitungsprozess dient, was nicht der Fall ist, wenn ein Energieträger die für den weiteren Verarbeitungsprozess erforderliche Energie liefert, Urteil des 4. Senats vom 7.11.2014, 4 K 95/14, Revision eingelegt, Az. des BFH VII R 49/14.

Verfahrensrecht: Solange oder soweit der Finanzgerichtsbarkeit zur Aufklärung streitiger Auslandssachverhalte eine Rechtshilfe-Rechtsgrundlage fehlt, trifft das Finanzamt im Rah-men von § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO grundsätzlich eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei gegebe-ner unionsrechtlicher, multilateraler oder bilateraler Amtshilfe-Rechtgrundlage, Beschluss des 3. Senats vom 20.11.2014, 3 K 176/14, rechtskräftig.

Verfahrensrecht, Kostenrecht: Eine unstatthafte erneute Gerichtskosten-Erinnerung ist nicht mehr gebührenfrei, Beschuss des 3. Senats vom 7.11.2014, 3 KO 270/14, rechtskräftig.
Verfahrensrecht, Kostenrecht: Das Entstehen einer Erledigungsgebühr setzt eine beson-dere Mitwirkung voraus, die auf den Erledigungserfolg ohne förmliche Entscheidung gerich-tet ist und eine wesentliche Ursache für die dann tatsächlich eingetretene Erledigung setzt. Als besondere Mitwirkung kann die Recherche und Einreichung von Unterlagen über im streitigen Zusammenhang interessierende oder vergleichbar gelagerte, für das Gericht und den Beklagten vorher nicht ohne weiteres ersichtliche Verwaltungsvorgänge oder -schreiben, Gerichtsverfahren oder unveröffentlichte Entscheidungen gelten, Beschluss des 3. Senats vom 23.1.2015, 3 KO 298/14, rechtskräftig.
Verfahrensrecht, Kostenrecht: Werden zusammenveranlagten Ehegatten bei Erledigung ihres einkommensteuerlichen Klageverfahrens durch gerichtliche Entscheidung Kosten auf-erlegt, so sind beide Ehegatten insoweit Gerichtskosten-Gesamtschuldner. Die Justizkasse kann deshalb bei Insolvenz eines Ehegatten ermessensfehlerfrei den anderen – nicht nur nach Kopfteilen – in Anspruch nehmen, Beschluss des 3. Senats vom 20.12.2014, 3 KO 242/14, rechtskräftig.

Zollrecht: Eine in der vorübergehenden Verwahrung befindliche Ware wird der zollamtli-chen Überwachung entzogen, wenn ungenehmigt Proben entnommen und weitergegeben werden oder sie mit anderen Waren vermischt wird. Das gilt auch bei der Vermischung mit zolltariflich gleichen, bereits im Zollverfahren der aktiven Veredelung befindlichen Waren und auch dann, wenn die in Rede stehende Ware später zum Zollverfahren der aktiven Ver-edelung überlassen wird. Den zugelassenen Empfänger trifft eine besondere Garantenstel-lung für den ordnungsgemäßen Umgang mit den an ihn übergebenen und in vorübergehen-der Verwahrung befindlichen Waren mit der Folge, dass es im Regelfall nicht ermessens-widrig ist, wenn für eine Zollschuld wegen Entziehens der Waren aus der zollamtlichen Überwachung vorrangig der zugelassene Empfänger herangezogen wird, Urteil des 4. Se-nats vom 19.12.2014, 4 K 49/13, rechtskräftig.

Zollrecht: Der 4. Senat hat den EuGH um eine Vorabentscheidung zu der Tarifierungsfrage ersucht, ob Brausetabletten mit einem Calciumgehalt von 500 mg pro Tablette, die zur Vor-beugung und Behandlung eines Calciummangels und zur Unterstützung einer speziellen Therapie zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose angewandt werden und für die auf dem Etikett für Erwachsene eine maximale Tagesdosis von 3 Tabletten (= 1.500 mg) empfohlen wird, in die Unterposition 3004 9000 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzu-reihen sind, Beschluss des 4. Senats vom 24.2.2015, 4 K 35/14, Az. des EuGH C-124/15.

Zolltarifrecht: Eine Kniebandage kann nicht als orthopädische Vorrichtung in die Position 9021 eingereiht werden, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt: Die Bandage ist insge-samt aus einem elastischen Material gearbeitet. Im Bereich der Kniescheibe (Patella) findet sich eine am Rand gepolsterte Öffnung. Die Bandage ist mithilfe von fünf Klettverschlüsse zu befestigen. Sie verfügt über drei elastische Klettverschlussbänder sowie am oberen und
unteren Rand über zwei weitere, längere, überwiegend nicht elastische Klettverschlussbän-der. Rechts und links der Öffnung, parallel zum Bein verlaufend, sind zwei – durch zwei Ge-lenke bewegliche, aber nicht einstellbare – Kunststoffschienen eingearbeitet, Urteil des 4. Senats vom 13.11.2014, 4 K 97/14, NZB eingelegt, Az. des BFH VII B 186/14.

 

Quelle: FG Hamburg

Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH kein geldwerter Vorteil für die angestellten Anwälte

Die Klägerin, eine nach § 59c Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, schloss für ihre Zulassung eine eigene Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Höhe der zu zahlenden Prämien richtete sich an Anzahl, Funktion und dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit der bei der Klägerin angestellten Rechtsanwälte aus. Jeder angestellte Anwalt der Klägerin unterhielt zudem die nach § 51 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwalt notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung.

Die Klägerin erhob Klage gegen den Haftungsbescheid des Finanzamts, das meinte, die Klägerin hätte neben den von ihr übernommenen Beiträgen für die persönliche Haft-pflichtversicherung der angestellten Anwälte auch die Beiträge ihrer eigenen Haftpflichtversicherung der Lohnsteuer unterwerfen müssen.

Der 2. Senat gab der Klägerin Recht und hob den Haftungsbescheid auf.

Beiträge einer Rechtsanwalts-GmbH für ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 59j BRAO stellten keinen geldwerten Vorteil für ihre angestellten Anwälte dar; sie würden im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Rechtsanwalts-GmbH geleistet, da sie ohne Haftpflichtversicherung nicht zur Anwaltschaft zugelassen werde. Ein nicht unerhebliches Interesse der Arbeitnehmer, das das klägerische Eigeninteresse überlagern könnte, sei nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes ergebe sich ein solches Eigeninteresse nicht aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs zur Übernahme von Beiträgen zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts durch dessen Arbeitgeber. Dass die Angestellten sich beim Abschluss ihrer eigenen Versicherung deswegen auf eine Mindestversicherungssumme zu geringen Beiträgen beschränken könnten, weil die Rechtsanwalts-GmbH eine eigene, umfassende Versicherung abgeschlossen habe, sei unmaßgeblich.
Der 2. Senat hat in seinem Urteil vom 4.11.2014, 2 K 95/14, die Revision zugelassen, Az. des BFH VI R 74/14.

Quelle: FG Hamburg

Freiberufliche Einkünfte der Betreiberin einer Kindertagesstätte

Der 3. Senat hat in einem Urteil die für die Frage der Freiberuflichkeit geltenden Grundsätze der Eigenverantwortlichkeit für den Bereich einer erzieherischen Tätigkeit konkretisiert.

Die Klägerin, eine Diplom-Sozialpädagogin, eröffnete im Jahr 2006 eine Kindertagesstätte, in der im Streitzeitraum bis zu 45 Kinder in zwei Gruppen – einer Krippengruppe und einer Elementargruppe – auf der Grundlage eines von der Klägerin entwickelten pädagogischen Konzepts betreut werden. In beiden Gruppen waren jeweils drei angestellte Erzieherinnen tätig. Daneben beschäftigte die Klägerin jeweils in Teilzeit eine Verwaltungsangestellte, eine hauswirtschaftliche Kraft und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich.

Das Finanzamt meinte, die Klägerin unterliege der Gewerbesteuer. Sie sei nicht freiberuflich tätig, weil es am Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit fehle. Der Kernbereich der erzieherischen Tätigkeit liege in der täglichen Einflussnahme von Bezugspersonen auf das jeweilige Kind. Bei der Größe der Einrichtung könne der erforderliche persönliche Kon-takt der Leiterin zu den Kindern nicht mehr gegeben sein.

Der 3. Senat gab der Klägerin Recht. Zunächst hebt der Senat in seinem Urteil hervor, dass die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte eine erziehe-rische Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sei. Weitere Leistungen wie die Beaufsichtigung und Verköstigung der Kinder seien lediglich notwendige Hilfstätigkeiten; die Erziehung gebe der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge.

Der Inhaber einer Kindertagesstätte werde trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nehme und darüber hinaus eine persönliche Beziehung zwischen ihm und den einzelnen Kindern bestehe. Werden in einer Kindertagesstätte 45 Kinder in zwei Gruppen durch insgesamt sechs angestellte Erzieherinnen betreut, könne das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein, insbesondere wenn die Leitung durch weiteres Personal von allgemeiner Verwaltungstätigkeit und sonstigen nichtpädagogischen Arbeiten entlastet werde. Der 3. Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin im zu entscheiden-den Fall ihre durchgehende Anwesenheit vor Ort und ihre für die pädagogischen Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit konsequent dazu genutzt habe, eine persönliche Beziehung zu jedem Kind aufzubauen und selbst oder über die von ihr angestellten und angeleiteten sechs Erzieherinnen auf die Erziehung jedes Kindes einzuwirken und der Erziehungsleistung auf diese Weise den „Stempel ihrer Persönlichkeit“ aufzudrücken.

Das Urteil des 3. Senats vom 20.1.2015, 3 K 157/14, ist rechtskräftig.

Quelle: FG Hamburg

Arbeitswege von etwa einer Stunde sind in Ballungszentren üblich und ohne weiteres zumutbar

Die seit mehreren Jahren in Hamburg arbeitende und dort eine Wohnung unterhaltende Klägerin machte im Streitjahr erstmals Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Ihren Lebensmittelpunkt habe sie in einer Umlandgemeinde, wo sie im Haus ihres Lebensgefährten wohne. Wegen der ungünstigen Verkehrsanbindung habe sie allerdings ihre Wohnung in Hamburg beibehalten und verbringe dort wöchentlich drei bis vier Nächte.
Der 2. Senat hat ihre Klage zurückgewiesen.

Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung setze voraus, dass der Steuerpflichtige seinen Lebensmittelpunkt in einem eigenen Hausstand außerhalb des Beschäftigungsortes habe und daneben noch eine Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflicher Veranlassung unterhalte, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Unter Beschäftigungsort i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG sei allerdings nicht nur die politische Gemeinde – hier Hamburg – sondern auch der Einzugsbereich dieser Gemeinde zu verstehen. Insbesondere in Großstädten, in denen die Wohnstätten der Beschäftigten immer weiter in die Randbereiche und über die politische Grenze einer Gemeinde hinaus („Speckgürtel“) verdrängt würden, seien Fahrtzeiten von etwa einer Stunde üblich und ohne weiteres zumutbar. Vor diesem Hintergrund hat der 2. Senat festgestellt, das Haus des Lebensgefährten liege nicht außerhalb des Beschäftigungsortes der Klägerin. Das Haus und die Arbeitsstätte der Klägerin seien ca. 36 km voneinander entfernt und die Fahrtzeit betrage – selbst wenn öffentliche Verkehrsmittel benutzt würden – regelmäßig nicht mehr als rund eine Stunde.

Der 2. Senat hat die Klage daneben aber auch wegen verbliebener Zweifel zurückgewiesen, ob die Klägerin im Haus ihres Lebensgefährten tatsächlich einen eigenen Hausstand unter-halten hatte. Nicht ausreichend sei, in einen fremden Haushalt bloß – wie bei den Eltern oder als Besuch – eingegliedert zu sein, ohne die Haushaltsführung verantwortlich mitzubestimmen, wofür die finanzielle Beteiligung ein gewichtiges Indiz sein könne. Der Senat hat ausgeführt, dass verbleibende Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, da er hinsichtlich der steuermindernden Umstände, hier das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung, die Feststellungslast trage.

Das Urteil von 17.12.2014, 2 K 113/14, ist rechtskräftig; die vom 2. Senat zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

Quelle: FG Hamburg

Anwendung von BMF-Schreiben, die bis zum 20. März 2015 ergangen sind

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieses Schreibens ergangenen BMF-Schreiben das Folgende:

Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2013 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieses BMF-Schreibens ergangenen BMF-Schreiben anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt sind. Die nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben werden für nach dem 31. Dezember 2013 verwirklichte Steuertatbestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2014 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende BMF-Schreiben überholt sind.

BMF-Schreiben in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen. Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten. Die in der Anlage 1 zum o. a. BMF-Schreiben vom 24. März 2014 aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben sind nachrichtlich in der Anlage 2 (gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 24. März 2014 (BStBl I S. 606) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 24. März 2014 (BStBl I S. 607) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O 2000 / 14 / 10001 vom 23.03.2015

 

Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergelds und des Kinderzuschlags

Das Bundeskabinett hat am 25. März 2015 beschlossen, den steuerlichen Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld rückwirkend ab 1. Januar 2015 sowie den Kinderzuschlag ab 1. Juli 2016 anzuheben. Damit setzt die Bundesregierung die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung der steuerlichen Freibeträge um und setzt ihre familienfreundliche Politik der letzten Jahre auf hohem Niveau fort. Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung Familien und Kinder mit rund 66 Mrd. Euro unterstützt.

Der steuerliche Grundfreibetrag soll im Jahr 2015 um 118 Euro und im Jahr 2016 um weitere 180 Euro erhöht werden. Der Kinderfreibetrag soll um 144 Euro im Jahr 2015 und um weitere 96 Euro im Jahr 2016 steigen. Grundlage dafür ist der 10. Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom 30. Januar 2015.

Gleichzeitig soll das Kindergeld für 2015 und 2016 angehoben werden. Ab dem 1. Januar 2015 ist eine Erhöhung des Kindergeldes um monatlich 4 Euro je Kind und ab dem 1. Januar 2016 um weitere 2 Euro je Kind vorgesehen.

Die Bundesregierung hat außerdem beschlossen, den Kinderzuschlag ab dem 1. Juli 2016 um monatlich 20 Euro auf 160 Euro zu erhöhen. Der Kinderzuschlag kommt Eltern zugute, die zwar ihren eigenen Bedarf durch Erwerbseinkommen grundsätzlich bestreiten können, aber nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um den Bedarf ihrer Kinder zu decken.

Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf die folgenden Anpassungen vor:

Grundfreibetrag (aktuell 8.354 Euro):

  • Anhebung ab 1. Januar 2015 um 118 Euro auf 8.472 Euro
  • Anhebung ab 1. Januar 2016 um weitere 180 Euro auf 8.652 Euro

Kinderfreibetrag (aktuell 7.008 Euro einschl. Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung):

  • Anhebung ab 1. Januar 2015 um 144 Euro auf 7.152 Euro
  • Anhebung ab 1. Januar 2016 um weitere 96 Euro auf 7.248 Euro

Kindergeld (aktuell 184 Euro für das erste und zweite Kind, 190 Euro für das dritte Kind und 215 Euro für das vierte Kind und weitere Kinder):

  • Anhebung ab 1. Januar 2015 um 4 Euro monatlich je Kind
  • Anhebung ab 1. Januar 2016 um weitere 2 Euro monatlich je Kind

Kinderzuschlag (aktuell max. 140 Euro monatlich):

  • Anhebung ab 1. Juli 2016 um 20 Euro monatlich.

Die aktuellen Beschlüsse fügen sich in die familienfreundliche Politik der Bundesregierung ein. Mit der erheblichen finanziellen Unterstützung des Bundes zum Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur, der Einführung eines Rechtsanspruchs für unterdreijährige Kinder auf einen Betreuungsplatz, dem Elterngeld und dem Betreuungsgeld hat die Bundesregierung in den letzten Jahren eine umfassende Förderung von Familien und Kindern etabliert.

Den Gesetzentwurf zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 25.03.2015

 

Zur Anrechnung spanischer Quellensteuer auf die deutsche Abgeltungsteuer nach § 43a Abs. 3 EStG ab dem Jahr 2015

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anrechnung spanischer Quellensteuer auf die deutsche Abgeltungsteuer ab dem 1. Januar 2015 Folgendes:

Mit Gesetz 26/2014 vom 27. November 2014, veröffentlicht im Gesetzblatt vom 28. November 2014 (Ley 26/2014), hat das Königreich Spanien die Sonderregelung zur vollständigen Erstattung von Quellensteuer bezogen auf Ausschüttungen bis zu einer Höhe von insgesamt 1.500 Euro mit Wirkung zum 1. Januar 2015 aufgehoben.

Ab dem 1. Januar 2015 kann die auf spanische Dividenden entfallende Quellensteuer auf die im Steuerabzugsverfahren erhobene deutsche Abgeltungsteuer angerechnet werden; § 43a Abs. 3 EStG. Anzurechnen ist dabei nur die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer (§ 32d Abs. 4 und 5 EStG).

Die Änderung wird durch eine Ergänzung der DBA-Quellensteuerübersicht vom 1. Juli 2014 berücksichtigt.

Das BMF-Schreiben vom 8. September 2011 (BStBl I S. 854) ist nur noch für Kapitalerträge, die bis zum 31. Dezember 2014 zufließen, anzuwenden. Randziffer 207a des BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012 (BStBl I S. 953) wird wie folgt gefasst:

„Anrechnung ausländischer Steuer bei einem Erstattungsanspruch im ausländischen Staat

207a
Die auszahlende Stelle hat keine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer vorzunehmen, wenn im betreffenden ausländischen Staat nach dem Recht dieses Staates ein Anspruch auf teilweise oder vollständige Erstattung der ausländischen Steuer besteht. Besteht lediglich der Anspruch auf eine teilweise Erstattung, kann der Steuerpflichtige die Anrechnung im Wege der Veranlagung gemäß § 32d Absatz 4 EStG beantragen. In diesen Fällen hat er dem zuständigen Finanzamt die Höhe der möglichen Erstattung im ausländischen Staat nachzuweisen (z. B. durch Vorlage des ausländischen Bescheides über die Erstattung der anteiligen Quellensteuer nach ausländischem Recht).

Hinsichtlich der Anrechnung norwegischer Quellensteuer vgl. BMF-Schreiben vom 15. November 2011 (BStBl I S. 1113). Auf der Internetseite des BZSt können die entsprechenden Erstattungsformulare unter folgendem Link heruntergeladen werden:

http://www.steuerliches-info-center.de/DE/AufgabenDesBZSt/AuslaendischeFormulare/auslaendischeformulare_node.html.“

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-2406 / 10 / 10001 :002 vom 18.03.2015

 

Wohnungsbegriff i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG

Leitsatz

Eine Wohnung i. S. des § 5 Abs. 2 GrStG ist in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses gegeben, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 qm hat.

BFH, Urteil II R 20/14 vom 04.12.2014

Antrag auf AdV des Widerrufs einer Lohn-steueranrufungsauskunft nach § 42e EStG

Lohnsteueranrufungsauskunft: Antrag auf AdV des Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG

Leitsätze

1. Der Widerruf einer dem Arbeitgeber erteilten Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) ist ein feststellender, aber nicht vollziehbarer Verwaltungsakt (Anschluss an Senatsurteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996).

2. Ein Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist deshalb nicht statthaft.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2014  8 V 8135/14 aufgehoben.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 16. Juni 2014 wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

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I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) beschäftigt in seiner Kanzlei mehrere Rechtsanwälte und bezahlt für diese Beiträge an den Deutschen Anwaltsverein (DAV). Auf Antrag des Antragstellers erteilte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt –FA–) am 7. Januar 2010 die Auskunft nach § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG), dass diese Zahlungen nicht als Sachbezug zu versteuern seien. Im Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2013 fand beim Antragsteller eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt, die zu dem von der erteilten Auskunft abweichenden Ergebnis führte, dass die Beiträge an den DAV als Werbungskostenersatz steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Dabei berief sich die Prüferin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Februar 2009 VI R 32/08 (BFHE 224, 314, BStBl II 2009, 462). Mit Bescheid vom 24. März 2013 widerrief das FA daraufhin die Anrufungsauskunft vom 7. Januar 2010 mit der Begründung, dass die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung zu einer neuen rechtlichen Würdigung des Sachverhalts geführt hätten.
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Gegen den Widerruf der Auskunft legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte mit Bescheid vom 16. August 2013 den Antrag auf AdV mit dem Hinweis ab, der Widerruf der Anrufungsauskunft sei kein vollziehbarer Verwaltungsakt.
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Der Einspruch gegen den Widerruf der Auskunft blieb erfolglos. Das FA leitete seine Widerrufsbefugnis aus § 207 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) analog ab und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Widerruf eine Ermessensentscheidung sei, bei der das Vertrauen in den Bestand der erteilten Auskunft und das Gebot der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung gegeneinander abzuwägen seien. Die Anrufungsauskunft verstoße gegen materielles Recht und sei deshalb rechtswidrig. Daher müsse die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Antragstellers in den Bestand der erteilten Auskunft zurücktreten, zumal der Antragsteller infolge der Zusage keine Dispositionen getroffen habe, von denen er sich nicht lösen könne.
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Daraufhin erhob der Antragsteller Klage zum Finanzgericht (FG) und beantragte zugleich AdV.
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Das FG gab dem Antrag auf AdV gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 11. August 2014  8 V 8135/14 statt und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Der Antrag sei statthaft, insbesondere sei der Widerruf der Anrufungsauskunft ein vollziehbarer Verwaltungsakt i.S. des § 69 Abs. 2 FGO, da dem Antragsteller durch den Widerruf eine Rechtsposition (Vertrauensschutz für eine bestimmte Vorgehensweise beim Lohnsteuerabzug) entzogen würde. Der Antrag sei auch begründet. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob der Widerruf der Anrufungsauskunft rechtmäßig sei. Das FA treffe im Rahmen des § 207 Abs. 2 AO analog eine Ermessensentscheidung, die eine gründliche Prüfung der „richtigen“ Rechtslage voraussetze. Die Aufhebungsentscheidung enthalte keine solche Prüfung. Insbesondere lasse diese eine Gesamtabwägung in Bezug auf den konkreten Einzelfall vermissen.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Es beantragt, den AdV-Beschluss des FG vom 11. August 2014  8 V 8135/14 aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Das FG half der Beschwerde nicht ab (Beschluss vom 3. September 2014  8 V 8135/14).

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
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1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist statthaft, da sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO). Sie wurde form- und fristgerecht i.S. des § 129 Abs. 1 FGO beim FG eingelegt.
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2. Sie ist auch begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV hinsichtlich des Widerrufs der Anrufungsauskunft als unzulässig abgelehnt, da dieser nicht statthaft ist.
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a) Das Gericht der Hauptsache kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz FGO auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1  2. Halbsatz, Abs. 2 Satz 2 FGO soll dies erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Statthaftigkeit eines Antrags auf AdV setzt dabei voraus, dass der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt vollziehbar ist (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 220).
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b) Der Widerruf der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG ist nicht vollziehbar.
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Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft lediglich eine Regelung dahin, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig beurteilt (Senatsurteile vom 27. Februar 2014 VI R 23/13, BFHE 244, 572, BStBl II 2014, 894, und vom 7. Mai 2014 VI R 28/13, BFH/NV 2014, 1734). Demgemäß erschöpft sich der Inhalt des Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft darin, dass das FA mitteilt, von nun an eine andere Auffassung als bisher zu vertreten. Die Wirkung eines Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft geht damit nicht über die Negation des zuvor Erklärten hinaus. Vollziehbar sind jedoch nur solche Verwaltungsakte, deren Wirkung sich nicht auf eine reine Negation beschränkt (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2009 VII S 22/09, BFH/NV 2009, 1599). Ein Antrag auf AdV ist daher nicht statthaft.
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3. Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens (§§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 143 Rz 3, 22; Gräber/Ruban, a.a.O., § 132 Rz 13).

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.1.2015, VI B 103/14

 

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