Weitere Urteile des FG Hamburg

Abgabenordnung: Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des depotführenden Kreditinstituts erledigt sich gemäß § 124 Abs. 2 AO durch die Festsetzung der Einkommensteuer. Die Festsetzung der Einkommensteuer nimmt den Regelungsgehalt der Kapitalertragsteuer-Anmeldung auf, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 183/12, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Wird gegen einen Feststellungsbescheid i. S. von §§ 179, 180 AO Klage erhoben, können Streitgegenstand die einzelnen gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen sein (§ 157 Abs. 2 AO), z. B. die Qualifikation der Einkünfte, das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns. Welche Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit seiner Klage angreift und damit zum Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht hat, ist in erster Linie durch Auslegung der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln.
Eine Klagänderung § 67 FGO liegt dann vor, wenn ein in diesem Sinne weiterer Klagege-genstand, auch hilfsweise, in das Verfahren eingeführt wird; dies ist im Rahmen einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur innerhalb der Klagefrist zulässig. Werden innerhalb der Klagefrist nur bestimmte Feststellungen angegriffen, tritt hinsichtlich der übrigen Feststellungen Unanfechtbarkeit ein, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 30/14, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Der Einzelaufzeichnungspflicht genügt ein Taxiunternehmen nur mittels der sogenannten Schichtzettel. Ihre Aufbewahrung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn ihr Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinanderge-reihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Zur Schätzung der Be-steuerungsgrundlagen eines Taxiunternehmens ist es eine sachgerechte Methode, die Jah-resfahrleistung zu schätzen und mit einer empirisch begründbaren Größe „Umsatz (netto) pro gefahrenen km“ zu multiplizieren, Urteil des 6. Senats vom 11.11.2014, 6 K 206/11, NZB eingelegt, Az. des BFH X B 161/14.

Abgabenordnung – Insolvenzrecht: Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft berührt das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren nicht, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffen. Das gerichtliche Verfahren wird indes unterbrochen, wenn über das Vermögen einer Gesellschafterin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, diese Gesellschafterin selbst gemäß § 48 FGO klagebefugt und dementsprechend gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist. Die Personengesellschaft wird für das Feststellungsverfahren als insolvenzfreie Angelegenheit durch die zur Vertretung berufene Komplementär-GmbH vertreten, wenn diese im Gesellschaftsvertrag als Liquidatorin bestimmt ist, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermö-gen der Klägerin stellt gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB einen Auflösungsgrund dar, Urteil des 6. Senats vom 15.12.2014, 6 K 30/14, rechtskräftig.

Abgabenordnung: Ein Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO entfaltet erst dann Wirkung, wenn er vom Einspruchsführer auch tatsächlich derart zur Kenntnis genom-men werden kann, dass ihm eine Stellungnahme möglich ist, die von der Finanzbehörde vor Erlass der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden kann. Der Verböserungshinweis
ist eine sog. unselbständige Verfahrenshandlung, für dessen Bekanntgabe die Grundsätze für schriftliche Verwaltungsakte nicht gelten, Urteil des 2. Senats vom 27.11.2014, 2 K 108/14, rechtskräftig.

Einkommensteuer: Zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht reicht es bei einer dem Grunde nach gewerblichen Tätigkeit aus, dass in der Zeit von Beginn bis zur Aufgabe der Tätigkeit ein Totalgewinn erzielt wird, Urteil des 6.Senats vom 23.12.2014, 6 K 295/13, rechtskräftig.

Einkommensteuer: Arbeitnehmer-Beiträge zur Seemannskasse stellen keine Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar und sind deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar. Sie dienen nicht der nach dieser Vor-schrift begünstigten sog. Basisversorgung. Die Seemannskasse erbringt durch Gewährung eines Überbrückungsgeldes bis zum Erreichen des Rentenalters gemäß § 137b SGB VI lediglich eine Ergänzung zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, Urteil des 2. Senats vom 27.11.2014, 2 K 310/13, rechtskräftig.
Gewerbesteuer: Zwei Kioske auf zwei S-Bahnhöfen, die an derselben S-Bahnlinie unmittelbar hintereinander liegen, bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb, wenn in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht keine vollständige Trennung besteht. Eine organisatorische Verflechtung liegt vor, wenn Arbeitnehmer in jedem der beiden Kioske ein-gesetzt und Waren einheitlich beschafft werden. Eine finanzielle Verflechtung besteht, so-fern Kosten für Arbeitnehmer oder Betriebsmittel, die in beiden Geschäften eingesetzt wer-den, nur von einem „Betrieb“ getragen werden. Behandelt das Finanzamt beide Kioske – entgegen der Ansicht des Betreibers – als einheitlichen Gewerbebetrieb und erlässt nur einen Gewerbesteuermessbescheid, so kann der Betreiber mit der Begründung, der Steuergegenstand sei unrichtig bestimmt, nur einmal Einspruch einlegen und Klage erheben, Urteil des 3. Senats vom 20.11.2014, 3 K 99/14, rechtskräftig.
Umsatzsteuer: Werden Rechnungen zum Vorsteuerabzug eingesetzt, die nicht von den tatsächlich Leistenden ausgestellt wurden, sondern von dem Verwender gerade zu dem Zweck beschafft wurden, um die Zahlungen an die tatsächlich Leistenden, die in der Regel „schwarz“ entlohnt werden, in der Buchhaltung „abzudecken“, erfüllt der Verwender regel-mäßig den Tatbestand der Steuerhinterziehung. Weiterhin entspricht eine Rechnungsnum-mer dann nicht den Vorgaben der § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG, Art. 226 Nr. 2 Richtlinie 2006/112/EG, wenn sie durch die mehrfache Anfügung von Bindestrichen und weiteren Zahlen so unübersichtlich gestaltet wird, dass nur durch eine aufwendige Prüfung festge-stellt werden kann, ob die Rechnungsnummer einmalig vergeben ist, Urteil des 3. Senats vom 25.11.2014, 3 K 85/14, rechtskräftig.

Verbrauchsteuer – Stromsteuer: Selbstverbrauch im Sinne der Stromsteuerentstehungsnorm des § 5 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2, Abs. 2 StromStG ist jede Entnahme von Strom zu betrieblichen Zwecken des Versorgers. Wird der entnommene Strom in Betriebs- und Versor-gungsanlagen auf dem Gelände eines Industrieparks eingesetzt, liegt auch dann vollen Um-fangs eine Selbstentnahme des Versorgers vor, wenn er einem anderen Unternehmen die Mitnutzung der Anlagen vertraglich und aufgrund von Grunddienstbarkeiten eingeräumt hat, Urteil des 4. Senats vom 3.12.2014, 4 K 99/12, NZB eingelegt, Az. des BFH VII B 18/15.
Verbrauchsteuer – Stromsteuer: Kein „Produzierendes Gewerbe“ im Sinne des § 2 Nr. 3 StromStG ist die Aufarbeitung von Altöl (Ölabfällen) in einem chemischen und physikali-schen Prozess mit dem Ziel der Gewinnung eines mit schwerem Heizöl vergleichbaren Re-cycling-Öls, das in der Industrie als Energieträger anstelle von aus Primärrohstoffen gewonnenen Brennstoffen verwendet wird. Dabei handelt es sich weder um Mineralölverarbeitung im Sinne des Abschnitts D, Unterabschnitt DF, Klasse 23, noch um Recycling im Sinne des Abschnitts D, Unterabschnitt DN, Klasse 37 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003.
Recycling in diesem Sinne ist die Herstellung eines Sekundärrohstoffs, der der Produktion
neuer Waren in einem weiteren industriellen Verarbeitungsprozess dient, was nicht der Fall ist, wenn ein Energieträger die für den weiteren Verarbeitungsprozess erforderliche Energie liefert, Urteil des 4. Senats vom 7.11.2014, 4 K 95/14, Revision eingelegt, Az. des BFH VII R 49/14.

Verfahrensrecht: Solange oder soweit der Finanzgerichtsbarkeit zur Aufklärung streitiger Auslandssachverhalte eine Rechtshilfe-Rechtsgrundlage fehlt, trifft das Finanzamt im Rah-men von § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO grundsätzlich eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei gegebe-ner unionsrechtlicher, multilateraler oder bilateraler Amtshilfe-Rechtgrundlage, Beschluss des 3. Senats vom 20.11.2014, 3 K 176/14, rechtskräftig.

Verfahrensrecht, Kostenrecht: Eine unstatthafte erneute Gerichtskosten-Erinnerung ist nicht mehr gebührenfrei, Beschuss des 3. Senats vom 7.11.2014, 3 KO 270/14, rechtskräftig.
Verfahrensrecht, Kostenrecht: Das Entstehen einer Erledigungsgebühr setzt eine beson-dere Mitwirkung voraus, die auf den Erledigungserfolg ohne förmliche Entscheidung gerich-tet ist und eine wesentliche Ursache für die dann tatsächlich eingetretene Erledigung setzt. Als besondere Mitwirkung kann die Recherche und Einreichung von Unterlagen über im streitigen Zusammenhang interessierende oder vergleichbar gelagerte, für das Gericht und den Beklagten vorher nicht ohne weiteres ersichtliche Verwaltungsvorgänge oder -schreiben, Gerichtsverfahren oder unveröffentlichte Entscheidungen gelten, Beschluss des 3. Senats vom 23.1.2015, 3 KO 298/14, rechtskräftig.
Verfahrensrecht, Kostenrecht: Werden zusammenveranlagten Ehegatten bei Erledigung ihres einkommensteuerlichen Klageverfahrens durch gerichtliche Entscheidung Kosten auf-erlegt, so sind beide Ehegatten insoweit Gerichtskosten-Gesamtschuldner. Die Justizkasse kann deshalb bei Insolvenz eines Ehegatten ermessensfehlerfrei den anderen – nicht nur nach Kopfteilen – in Anspruch nehmen, Beschluss des 3. Senats vom 20.12.2014, 3 KO 242/14, rechtskräftig.

Zollrecht: Eine in der vorübergehenden Verwahrung befindliche Ware wird der zollamtli-chen Überwachung entzogen, wenn ungenehmigt Proben entnommen und weitergegeben werden oder sie mit anderen Waren vermischt wird. Das gilt auch bei der Vermischung mit zolltariflich gleichen, bereits im Zollverfahren der aktiven Veredelung befindlichen Waren und auch dann, wenn die in Rede stehende Ware später zum Zollverfahren der aktiven Ver-edelung überlassen wird. Den zugelassenen Empfänger trifft eine besondere Garantenstel-lung für den ordnungsgemäßen Umgang mit den an ihn übergebenen und in vorübergehen-der Verwahrung befindlichen Waren mit der Folge, dass es im Regelfall nicht ermessens-widrig ist, wenn für eine Zollschuld wegen Entziehens der Waren aus der zollamtlichen Überwachung vorrangig der zugelassene Empfänger herangezogen wird, Urteil des 4. Se-nats vom 19.12.2014, 4 K 49/13, rechtskräftig.

Zollrecht: Der 4. Senat hat den EuGH um eine Vorabentscheidung zu der Tarifierungsfrage ersucht, ob Brausetabletten mit einem Calciumgehalt von 500 mg pro Tablette, die zur Vor-beugung und Behandlung eines Calciummangels und zur Unterstützung einer speziellen Therapie zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose angewandt werden und für die auf dem Etikett für Erwachsene eine maximale Tagesdosis von 3 Tabletten (= 1.500 mg) empfohlen wird, in die Unterposition 3004 9000 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzu-reihen sind, Beschluss des 4. Senats vom 24.2.2015, 4 K 35/14, Az. des EuGH C-124/15.

Zolltarifrecht: Eine Kniebandage kann nicht als orthopädische Vorrichtung in die Position 9021 eingereiht werden, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt: Die Bandage ist insge-samt aus einem elastischen Material gearbeitet. Im Bereich der Kniescheibe (Patella) findet sich eine am Rand gepolsterte Öffnung. Die Bandage ist mithilfe von fünf Klettverschlüsse zu befestigen. Sie verfügt über drei elastische Klettverschlussbänder sowie am oberen und
unteren Rand über zwei weitere, längere, überwiegend nicht elastische Klettverschlussbän-der. Rechts und links der Öffnung, parallel zum Bein verlaufend, sind zwei – durch zwei Ge-lenke bewegliche, aber nicht einstellbare – Kunststoffschienen eingearbeitet, Urteil des 4. Senats vom 13.11.2014, 4 K 97/14, NZB eingelegt, Az. des BFH VII B 186/14.

 

Quelle: FG Hamburg