Baukindergeld kostet vier Milliarden

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung geht davon aus, dass 200.000 Familien mit rund 300.000 Kindern das geplante Baukindergeld in Anspruch nehmen können. Wie es in einer Antwort der Regierung (19/1276) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/1022) heißt, entstehe damit ein direktes Fördervolumen von rund 400 Millionen Euro pro Jahr und Förderjahrgang. „Unter Berücksichtigung eines unterstellten Förderzeitraums von zehn Jahren wäre damit im Jahr der vollen Wirksamkeit von jährlichen Gesamtausgaben für den Bund von bis zu vier Milliarden Euro auszugehen“, heißt es in der Antwort weiter. Auf die Frage, wie viele zusätzliche Wohnungen durch die Zahlung von Baukindergeld entstehen könnten, heißt es in der Antwort, mit dem Baukindergeld könne die Anzahl der Baugenehmigungen von selbstgenutztem Wohneigentum verstetigt und damit eine Trendumkehr bei den Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser ermöglicht werden.

Welche Steuermindereinnahmen durch die Einführungen neuer Abschreibungsmöglichkeiten beim Wohnungsbau entstehen könnten, kann die Bundesregierung nicht angeben. Zu der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Reduzierung des Solidaritätszuschlages heißt es, bei einer Anhebung der Freigrenze auf 16.998 Euro würde es im Jahr 2021 bei unverändertem Steuertarif zu einer Entlastung von zehn Milliarden Euro kommen. 90 Prozent der bisherigen Zahler des Solidaritätszuschlages müssten diesen dann nicht mehr bezahlen.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 187/2018

Anwendung von BMF-Schreiben – BMF-Schreiben, die bis zum 16. März 2018 ergangen sind

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieses Schreibens ergangenen BMF-Schreiben das Folgende:
 

Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2016 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieses BMF-Schreibens ergangenen BMF-Schreiben anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt sind.

Die nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben werden für nach dem 31. Dezember 2016 verwirklichte Steuertatbestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2017 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende BMF-Schreiben überholt sind.

BMF-Schreiben in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen. Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten.

Die in der Anlage 1 zum o. a. BMF-Schreiben vom 21. März 2017 aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben sind nachrichtlich in der Anlage 2(gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 21. März 2017 (BStBl I S. 486) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 21. März 2017 (BStBl I S. 487) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es wird unter demselben Datum wie die dementsprechenden gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegeben.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 17 / 10001 vom 19.03.2018

 

DSGVO EU-Datenschutzgrundverordnung – Handlungsempfehlungen für Steuerberatungskanzleien

 Ab dem Stichtag 25.05.2018 sind die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das neu gefasste Bundesdatenschutzgesetz 2018 (BDSG) unmittelbar zu beachten. Mit den folgenden Umsetzungsmaßnahmen können sich Steuerberatungskanzleien schrittweise auf die neuen Anforderungen einstellen:

1. An erster Stelle steht die Einrichtung eines Datenschutz-Leitfadens, der für die Kanzleiangehörigen verbindlich ist. Damit wird die „Rechenschaftspflicht“ zur Umsetzung der nachfolgend genannten Datenschutzgrundsätze dokumentiert: Rechtmäßigkeit, faire Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung, Richtigkeit sowie technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) zum Schutz vor unbefugten Zugriffen oder Beschädigung der personenbezogenen Daten („Integrität und Vertraulichkeit“).

2. Steuerberatungskanzleien kommen nicht umhin, ein Verarbeitungsverzeichnis zu erstellen, schon weil die in der Kanzlei verarbeiteten Daten dem Berufsgeheimnis unterliegen und somit ein Risiko für die Rechte und Freiheiten von Personen besteht. In diesem Verzeichnis werden die Kontaktdaten des Verantwortlichen, die Zwecke der Verarbeitung und die Kategorien der Betroffenen, der erhobenen Daten sowie der Empfänger dokumentiert. Zudem müssen die Fristen zur Löschung der in der Kanzlei erhobenen personenbezogenen Daten festgelegt werden. Im Falle einer Datenübertragung in ein Drittland außerhalb der EU/des EWR muss auch dies im Verfahrensverzeichnis geregelt sein (ggf. in Fällen der Nutzung von Cloud-Software, Messenger-Diensten mit Servern in Drittländern etc.).

3. Es empfiehlt sich die Erstellung eines Aufbewahrungs- und Löschkonzepts, welches die Einhaltung der Aufbewahrungsfristen und die anschließende Löschung personenbezogener Daten sicherstellt. Auf diese Weise wird die Einhaltung der Löschpflichten dokumentiert.

4. Um die unverzügliche Benachrichtigung der Datenschutzbehörde und Betroffenen (spätestens innerhalb von 72 Stunden) sicherzustellen, eignet sich die Errichtung eines Meldesystems für Datenpannen.

5. Die Kanzlei sollte zudem eine Arbeitsanweisung zur Wahrung der Betroffenenrechte erstellen: Anhand der Arbeitsanweisung muss das Kanzleipersonal vorbereitet sein, Ansprüche von Betroffenen auf Information und Auskunft, Berichtigung, Löschung und Übertragung von Daten richtig einzuschätzen. Das Kanzleipersonal muss insbesondere bei Drittbetroffenen geltend gemachte Ansprüche ggf. ablehnen, wenn das Berufsgeheimnis des Steuerberaters und seiner Berufsangehörigen Vorrang hat.

6. Kanzleien müssen prüfen, ob ein Datenschutzbeauftragter (DSB) bestellt werden muss und ggf. eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchzuführen ist. Sind zehn oder mehr Personen in der Kanzlei ständig mit der automatisierten Verarbeitung von personenbezogenen Daten befasst, muss immer ein DSB bestellt werden. Ein DSB und eine DSFA ist zudem auch bei weniger als zehn Personen erforderlich, wenn eine besonders umfangreiche Verarbeitung „sensibler“ Datenkategorien (z. B. Daten über die Religion, Gesundheit, sexuelle Orientierung etc.) oder von personenbezogenen Daten über Straftaten vorliegt. Wann eine „besonders umfangreiche Verarbeitung“ im Einzelnen anzunehmen ist, ist momentan noch mit Rechtsunsicherheit verbunden.

7. Die Auftrags(daten)verarbeitungsverträge (z. B. Kanzleisoftware) müssen an die DSGVO und an die Neufassung der Vorschriften über das Berufsgeheimnis angepasst werden. Bei Auftragsverarbeitern wie auch bei sonstigen Dienstleistern, die mit personenbezogenen Daten in Berührung kommen, müssen die erforderlichen Erklärungen zur Verschwiegenheit dokumentiert sein. Es muss darauf geachtet werden, dass Auftragsverarbeiter und andere Dienstleister nicht mehr als erforderlich Einblick in die personenbezogenen Daten bekommen. Die Tätigkeit des Steuerberaters für seinen Mandanten erfolgt in eigener Verantwortung und ist keine Auftragsverarbeitung. Dies gilt auch für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, die der Steuerberater nach dem StBerG eigenverantwortlich ausführt ( siehe hierzu auch das Kurzpapier Nr. 13 zur Auftragsverarbeitung der Datenschutzkonferenz – DSK ).

8. Eine auf die Bedürfnisse der Kanzlei abgestimmte Schulungsunterlage dient der Sensibilisierung der Mitarbeiter und Berufsträger. Die Angehörigen der Steuerkanzlei müssen die Grundsätze und Pflichten einer datenschutzkonformen Verarbeitung nach den neuen Vorschriften in der Praxis umsetzen und dokumentieren. Die Kanzleiangehörigen müssen in die Lage versetzt werden, bei Anfragen von Betroffenen und Datenschutzbehörden richtig zu reagieren und dabei das Berufsgeheimnis zu wahren.

Zur Umsetzung der vorstehenden Handlungsmaßnahmen bieten die einschlägigen Fachverlage und Datenschutz-Institutionen wie beispielsweise die Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) erste Merkblätter und Musterformulare an. Derzeit erarbeiten der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) und die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) gemeinsam umfassende Praxishilfen, die konkret auf die besonderen Anforderungen kleiner und mittelständischer Steuerberatungskanzleien beim Datenschutz abgestimmt werden.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 12.03.2018

 

Kein Unfallversicherungsschutz auf dem Weg vom Arzt zum Betrieb

Erleidet ein Arbeitnehmer nach einem knapp einstündigen Arztbesuch während der Arbeitszeit auf dem Rückweg zum Betrieb einen Verkehrsunfall, liegt kein Arbeitsunfall vor.

Dies hat das Sozialgericht Dortmund im Falle eines Arbeitnehmers aus Siegen entschieden, der sich auf dem Rückweg zu seiner Arbeitsstätte nach dem Besuch eines Orthopäden bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzte. Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall in Köln lehnte die Anerkennung des Unfalls als entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall ab, weil der Weg zum Arzt und zurück eine unversicherte private Tätigkeit darstelle. Das Sozialgericht Dortmund hat die hiergegen von dem Arbeitnehmer erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei nicht auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Betriebsweg verunglückt. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit wie vorliegend der Arztbesuch seien dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen und daher unversichert. Dabei sei es unerheblich, dass der Arztbesuch auch der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitskraft und damit betrieblichen Belangen diene. Der Kläger habe nicht davon ausgehen können, mit dem Arztbesuch eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen.

Schließlich liege kein Wegeunfall vor, weil der Kläger sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem versicherten Weg von einem sog. dritten Ort zu seiner Arbeitsstätte befunden habe. Hierfür habe sich der Kläger mindestens zwei Stunden in der Arztpraxis aufhalten müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.

Quelle: SG Dortmund, Pressemitteilung vom 23.03.2018 zum Urteil S 36 U 131/17 vom 28.02.2018

 

Verpflichtung des Landes Berlin zur Bereitstellung von Kita-Plätzen

Das Oberverwaltungsgericht hat am 22.03.2018 in zwei Eilverfahren über Anträge auf Bereitstellung von Plätzen zur frühkindlichen Förderung in Tageseinrichtungen oder Kindertagespflege entschieden. Das Verwaltungsgericht hatte die Anträge der Kinder abgelehnt, weil in den betreffenden Bezirken Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg die Kapazitäten erschöpft seien und weil in einem der beiden Fälle bereits ein Kita-Platz in angemessener Entfernung von der Wohnung nachgewiesen worden sei. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen nach einem am 22.03.2018 mit den Verfahrensbeteiligten und Vertretern der zuständigen Senatsverwaltung durchgeführten Erörterungstermin geändert und das Land Berlin verpflichtet, den Antragstellern jeweils einen Betreuungsplatz in angemessener Entfernung zu ihrer Wohnung nachzuweisen. Als Umsetzungsfrist hat es dem Land Berlin fünf Wochen eingeräumt.

Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege, wobei sich der Umfang der täglichen Förderung nach dem individuellen Bedarf richtet. Dieser gesetzliche Anspruch besteht nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht nur im Rahmen vorhandener Kapazitäten, sondern verpflichtet dazu, die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen. Fachkräftemangel und andere Schwierigkeiten entbinden nicht von der gesetzlichen Pflicht, Kindern, die eine frühkindliche Betreuung in Anspruch nehmen möchten, einen dem individuellen Bedarf gerecht werdenden Betreuungsplatz anzubieten.

Der Betreuungsplatz, den der Antragsteller in einem der beiden Verfahren derzeit in Anspruch nimmt, befindet sich nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht in angemessener Nähe zur Wohnung, weil er deutlich über 30 Minuten Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt ist und auch nicht auf dem Weg der Eltern zur Arbeit liegt.

Quelle: OVG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 22.03.2018 zu den Beschlüssen OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18 vom 22.03.2018

 

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht nur bei approbationspflichtiger Beschäftigung als Apotheker

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Sitzung vom 22.03.2018 (Az. B 5 RE 5/16 R) entschieden, dass ein Apotheker nicht nur dann von der Versicherungspflicht befreit ist, wenn er tatsächlich als approbierter Apotheker tätig ist; ausreichend ist auch eine andere, nicht berufsfremde Tätigkeit.

Der Kläger, approbierter Apotheker, ist seit 2009 als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen in einem Unternehmen beschäftigt, das Konzepte für die Reinigungs- und Sterilisationsprozessüberwachung zur Aufbereitung von Medizinprodukten erarbeitet. Seinen im Jahr 2012 vorsorglich gestellten Antrag, ihn von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien, hatte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund abgelehnt; die Klage hatte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht in der Sache Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der 5. Senat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an dieses Gericht zurückverwiesen, weil es zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen der maßgeblichen Befreiungsnorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an tatsächlichen Feststellungen fehle. Unter Zugrundelegung der – für das Bundessozialgericht bindenden – Feststellungen des Landessozialgerichts unter anderem zum Landesrecht hat der Kläger eine der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegende Beschäftigung ausübt. Ob es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die eine Approbation als Apotheker voraussetzt ist dabei nicht entscheidend. Ein dem Kläger von der Beklagten bereits im Jahr 1985 wegen einer Tätigkeit als Apotheker erteilter Befreiungsbescheid hat, bezogen auf die hier zu beurteilende Beschäftigung, hingegen keine rechtliche Wirkung.

Damit hat der Senat an seine Entscheidung vom 7. Dezember 2017 (Az. B 5 RE 10/16 R) (vergleichbare Fallkonstellation in der Berufsgruppe der Tierärzte) angeknüpft.

Maßgebliche Vorschrift

§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Quelle: BSG, Pressemitteilung vom 22.03.2018 zur Entscheidung B 5 RE 5/16 R vom 22.03.2018

 

Krankenkasse muss keine Dolmetscherkosten bei fremdsprachigen Patienten tragen

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass Kosten für Dolmetscherleistungen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind.

Zugrunde lag der Fall eines Blutkrebspatienten (*1941 †2011), der aus dem heutigen Serbien stammte und in Hannover wohnhaft war. Dieser hatte in den Jahren 2010 und 2011 Leistungen eines vereidigten Dolmetschers bei Arztbesuchen, Strahlentherapien und Behördengängen in Anspruch genommen. Die entstandenen Kosten von ca. 4.900 Euro rechnete der Dolmetscher gegenüber der Krankenkasse ab. Er verwies darauf, dass die medizinische Versorgung ohne die Übersetzung gefährdet gewesen wäre und daher auch vom behandelnden Arzt als notwendig befürwortet worden sei. Demgegenüber führte die Krankenkasse in ihrem Ablehnungsbescheid aus, dass die Tätigkeit eines Dolmetschers keine GKV-Leistung sei.

Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im SGB V keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage geregelt sei. Abrechnungsfähige ärztliche Behandlungen im Sinne des Gesetzes seien nur solche, die der Arzt selbst ausführe. Tätigkeiten von Hilfspersonen seien nur dann abrechenbar, wenn sie unmittelbar zur ärztlichen Behandlung zählten und vom Arzt fachlich überwacht und angeleitet würden. Es komme nicht darauf an, ob die Tätigkeit eines Dolmetschers im weitesten Sinne der ärztlichen Behandlung diene oder ob sie hierfür gar notwendig sei, da diese Tätigkeit nicht in ärztlicher Kontrolle oder Verantwortung liege. Hieran ändere es auch nichts, wenn die Tätigkeit ärztlich befürwortet oder angeordnet werde.

Das Gericht hat auch keine planwidrige, gesetzliche Regelungslücke erkannt. Zwar könne die Hinzuziehung eines Dolmetschers für Krankenbehandlungen mitunter notwendig oder zumindest dienlich sein. Dieses Problems sei sich der Gesetzgeber jedoch bewusst gewesen, indem er nichtmedizinische Nebenleistungen ausdrücklich geregelt und auf wenige Fälle – z. B. Gebärdendolmetscher – beschränkt habe. Für eine Lückenschließung durch die Rechtsprechung sei hiernach kein Raum.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 22.03.2018 zum Urteil L 4 KR 147/14 vom 23.01.2018

 

Taxifahrer im „Mietmodell“ sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Mieten Taxifahrer von einer Taxizentrale gegen ein kilometerabhängiges Entgelt die Fahrzeuge und werden sie ansonsten wie festangestellte Fahrer bei der Auftragsvergabe und -abwicklung eingesetzt, hat die Taxizentrale für sie auf Grund einer abhängigen Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Dies hat das Sozialgericht Dortmund im Falle einer Taxizentrale aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis in einem Eilverfahren entschieden. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Westfalen hatte von der Taxizentrale Sozialversicherungsbeiträge i. H. v. ca. 381.000 Euro nebst Säumniszuschlägen im Rahmen einer Betriebsprüfung nacherhoben. Das Sozialgericht lehnte den hiergegen gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Taxizentrale insoweit ab, als die Beiträge noch nicht verjährt waren.

Die DRV gehe zutreffend davon aus, dass die Fahrer der Taxis im vorliegenden „Mietmodell“ abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV seien und damit der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlägen. Hierfür spreche, dass sie weder über eine Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz noch über ein eigenes Taxi verfügten. Die Fahrer stellten darüber hinaus lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung, seien in den Betriebsablauf der Taxizentrale eingegliedert und unterlägen ebenso wie die festangestellten Mitarbeiter dem Weisungsrecht der Zentrale. Eine im Wesentlichen unterschiedliche Behandlung von festangestellten und im sog. Mietmodell arbeitenden Fahrern bei der Auftragsvergabe und -abwicklung durch die Taxizentrale habe nicht stattgefunden.

Die „Mietfahrer“ trügen kein eigenes Unternehmerrisiko. Sie entrichteten keine zeitgebundene, sondern eine kilometerabhängige Vergütung für die Nutzung der Taxis und könnten die erzielten Erlöse als Arbeitsentgelt behalten. Das unternehmerische Risiko der

Nichtinanspruchnahme der Taxis als wesentliche Betriebsmittel und entsprechender unwirtschaftlicher Wartezeiten sei bei der Taxizentrale verblieben. Ein echtes Unternehmerrisiko entstehe jedoch erst dann, wenn wegen Arbeitsmangels nicht nur kein Einkommen erzielt werde, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen anfielen. Die hier faktisch gegebene umsatzabhängige Entlohnung der Taxifahrer mit dem Risiko eines geringeren Verdienstes für den Fall gehäufter Wartezeiten oder Leerfahrten stelle kein für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung maßgebliches unternehmerisches Risiko dar.

Quelle: SG Dortmund, Pressemitteilung vom 22.03.2018 zum Beschluss S 34 BA 1/18 ER vom 05.02.2018

 

Jährliche Beitragsbemessungsgrenze maßgeblich bei Auflösung von Arbeitszeitkonten

Arbeitszeitkonten, die zur Verstetigung des Arbeitslohns geführt werden, um witterungs- und jahreszeitlich bedingten Schwankungen zu begegnen, werden im Normalfall über Freistellungen ausgeglichen. Im sog. „Störfall“ (Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Kontenausgleich durch kumulierte Auszahlung des Lohns im letzten Beschäftigungsmonat und nicht durch Freistellung) ist für die Beitragsabführung zur Sozialversicherung nicht nur die Beitragsbemessungsgrenze im konkreten Auszahlungsmonat maßgeblich, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze, entschied nun das Landessozialgericht Baden-Württemberg.

Die klagende GmbH Co. KG, ein Dienstleistungsunternehmen der Garten- und Landschaftspflege aus Mannheim, führte für ihre Mitarbeiter Arbeitszeitkonten zur Verstetigung des Arbeitslohns, um witterungs- und jahreszeitlich bedingte Schwankungen auszugleichen. Im Herbst 2013 schieden bei der Klägerin elf Arbeitnehmer aus. Daher wurden die im Jahr 2013 auf den Arbeitszeitkonten angesparten Überstunden nicht mehr für Freistellungen verwendet, sondern im letzten Monat der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse kumuliert ausgezahlt. Die Zahlungen wurden als laufender Arbeitslohn nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze des konkreten Auszahlungsmonats zur Sozialversicherung angemeldet und verbeitragt.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund verlangte nach einer Betriebsprüfung die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.199,37 Euro wegen der Auszahlung der Überstunden bei Auflösung des Arbeitszeitkontos von der Klägerin. Kumuliert gezahlte Überstunden und Auflösungen von Arbeitszeitkonten seien stets laufendes Arbeitsentgelt und dem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet seien. Bei Nachzahlungen könne daher der gesamte Betrag nicht nur dem Auszahlungsmonat zugeordnet werden. Maßgeblich sei damit nicht lediglich die monatliche Beitragsbemessungsgrenze im Auszahlungsmonat, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze des Nachzahlungszeitraums. Widerspruch und Klage der Arbeitgeberin vor dem Sozialgericht Mannheim waren erfolglos.

Auch die Stuttgarter Richterinnen und Richter schlossen sich der Auffassung der Deutschen Rentenversicherung an. Eine eindeutige gesetzliche Regelung für diesen Fall gibt es nicht, befand das Gericht. Die Sachlage ist nach Auffassung des Senats am ehesten mit einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vergleichbar. Das gesetzlich angeordnete Zuflussprinzip soll sicherstellen, dass die Beitragserhebung entsprechend der verstetigten Lohnzahlung erfolgen kann. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist nach der gesetzlichen Regelung dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird. Auch das angesparte Zeitguthaben ist daher in entsprechender Anwendung dieser Regelung nach der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze zu verbeitragen. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen und im Falle nicht vereinbarungsgemäßer Verwendung des Arbeitszeitguthabens (keine Freistellung, sondern Auszahlung bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) die Beitragserhebung ohne jegliches Korrektiv allein anhand des Auszahlungsmonats vornehmen, würde dies eine erhebliche Besserstellung der sonstigen flexiblen Arbeitszeitmodelle außerhalb von Wertguthabenvereinbarungen darstellen. Denn dann wären Beiträge nur aus dem Entgelt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu erheben. Eine solche Privilegierung ist aber im Gesetz an keiner Stelle angelegt.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Landessozialgericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)

§ 22 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB IV:

Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt sowie bei Arbeitsentgelt, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet wird, entstehen die Beitragsansprüche, sobald dieses ausgezahlt worden ist.

§ 23a Absatz 1 Satz 3 SGB IV:

Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird […].

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 15.03.2018 zum Urteil L 11 R 4065/16 vom 13.03.2018

 

Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers

Verpflichtung des Arbeitgebers, den Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit zu erfüllen

Vollstreckungsabwehrklage – Beschäftigungstitel – Unmöglichkeit

Ein Arbeitgeber kann im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich einwenden, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einem konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil eines Arbeitsgerichts aus dem Jahr 2010. Danach hat die Klägerin den Beklagten „zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Direktor Delivery Communication & Media Solutions Deutschland und General Western Europe auf der Managerebene 3 zu beschäftigen“. Die Klägerin wendet ein, ihr sei die titulierte Beschäftigung des Beklagten unmöglich, weil der Arbeitsplatz aufgrund konzernübergreifender Veränderungen der Organisationsstruktur weggefallen sei. Eine andere Tätigkeit hat sie dem Beklagten nicht zugewiesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Selbst wenn die Beschäftigung des Beklagten infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, kann die Klägerin mit dieser Einwendung im Verfahren nach § 767 ZPO jedenfalls wegen des aus § 242 BGB abzuleitenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden sog. Dolo-agit-Einwands* nicht durchdringen. Durch die Nichtbeschäftigung des Beklagten verstößt die Klägerin gegen die Beschäftigungspflicht (§ 611 Abs. 1 BGB). Fehlendes Verschulden hat sie nicht dargelegt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie muss dem Beklagten deshalb nach § 280 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen. Dass ihr dies nicht möglich oder zuzumuten sei, hat die Klägerin nicht behauptet.

*Danach verstößt gegen Treu und Glauben, wer eine Leistung verlangt, die er sofort zurückgewähren muss („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“).

Quelle: BAG, Pressemitteilung vom 21.03.2018 zum Urteil 10 AZR 560/16 vom 21.03.2018

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin