Kein Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei Nutzung eines nach der sog. 1 %-Regelung versteuerten Dienstwagens eines Arbeitnehmers

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 16. Juli 2015 III R 33/14 entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der einen ihm von seinem Arbeitgeber überlassenen Pkw auch für seine selbständige Tätigkeit nutzen darf, keine Betriebsausgaben für den Pkw abziehen kann, wenn der Arbeitgeber sämtliche Kosten des Pkw getragen hat und die private Nutzungsüberlassung nach der sog. 1 %-Regelung versteuert worden ist.

Der Kläger erzielte als Unternehmensberater sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger als auch aus selbständiger Arbeit. Sein Arbeitgeber stellte ihm einen Dienstwagen zur Verfügung, den der Kläger uneingeschränkt für Fahrten im Rahmen seiner Angestelltentätigkeit sowie im privaten und freiberuflichen Bereich nutzen durfte. Sämtliche Kosten des Pkw trug der Arbeitgeber des Klägers. Von den 60.000 km, die der Kläger im Streitjahr 2008 zurückgelegt hatte, entfielen 37.000 km auf die Angestelltentätigkeit, 18.000 km auf die freiberufliche Tätigkeit und 5.000 km auf private Fahrten. Für die private Nutzungsüberlassung des Pkw erfolgte eine Besteuerung des Sachbezugs auf der Basis des Bruttolistenpreises des Pkw nach der sog. 1 %-Regelung. Bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit machte der Kläger für den Pkw Betriebsausgaben geltend. Diese ermittelte er, indem er den versteuerten Sachbezug im Verhältnis der betrieblichen Fahrten zu den privaten Fahrten aufteilte. Das Finanzamt (FA) lehnte den Betriebsausgabenabzug ab.

Wie bereits zuvor das Finanzgericht folgte der BFH der Auffassung des FA. Der Abzug von Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit setzt voraus, dass beim Steuerpflichtigen selbst und nicht bei Dritten Aufwendungen entstanden sind. Die Aufwendungen müssen zudem durch die selbständige Tätigkeit veranlasst worden sein. Im Streitfall trug jedoch der Arbeitgeber des Klägers sämtliche Kosten des Pkw und es lag kein Fall vor, in dem man dem Kläger ausnahmsweise die Aufwendungen des Arbeitgebers als eigene zurechnen konnte. Die Anwendung der 1 %-Regelung erfolgt zudem unabhängig davon, ob und wie der Arbeitnehmer den Pkw tatsächlich nutzt. Es ergeben sich daher für den Arbeitnehmer auf der Einnahmenseite keine nachteiligen Folgen daraus, dass er den Dienstwagen auch zur Erzielung anderer Einkünfte einsetzt. Entsprechend kann dann im Rahmen der anderen Einkünfte, hier der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nicht davon ausgegangen werden, dass beim Steuerpflichtigen ein Wertabfluss stattfindet.

Nicht zu befinden hatte der III. Senat darüber, wie sich der Fall darstellen würde, wenn der Kläger ein Fahrtenbuch geführt hätte. Dann käme ein Betriebsausgabenabzug möglicherweise in Betracht, wenn der Kläger eigenständige geldwerte Vorteile sowohl für die private als auch für die freiberufliche Nutzung zu versteuern hätte, die nach den jeweils tatsächlich gefahrenen Kilometern ermittelt werden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 77/15 vom 18.11.2015 zum Urteil III R 33/14 vom 16.07.2015

 

Konsekutives Masterstudium als Teil der Erstausbildung

Mit Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15 hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass ein Masterstudium jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist (sog. konsekutives Masterstudium). Damit besteht unter diesen Voraussetzungen auch nach Abschluss eines Bachelorstudienganges ein Anspruch auf Kindergeld.

Der Sohn der Klägerin beendete im April 2013 den Studiengang Wirtschaftsmathematik an einer Universität mit dem Bachelor-Abschluss. Seit dem Wintersemester 2012/2013 war er dort bereits für den Masterstudiengang ebenfalls im Bereich Wirtschaftsmathematik eingeschrieben und führte diesen Studiengang nach Erlangung des Bachelor-Abschlusses fort. Daneben war er 21,5 Stunden wöchentlich als studentische Hilfskraft und als Nachhilfelehrer tätig.

Die Familienkasse hob die zugunsten der Klägerin erfolgte Kindergeldfestsetzung ab dem Erreichen des Bachelor-Abschlusses auf. Sie ging dabei davon aus, dass die Erstausbildung des Sohnes mit diesem Abschluss beendet sei. Eine grundsätzlich mögliche Weitergewährung bis zum Abschluss des Masterstudiums sei nicht möglich, da das Kind während des Studiums mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung der Familienkasse an.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Zwar ist nach der ab 2012 geltenden Fassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes Kindergeld auch weiterhin für ein in Ausbildung befindliches Kind zu gewähren, solange das Kind nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat. Es kommt dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich um eine Erst-, Zweit- oder Drittausbildung handelt. Allerdings entfällt der Kindergeldanspruch, wenn das Kind nach seiner Erstausbildung neben einer weiteren Ausbildung regelmäßig mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet. Der BFH entschied nun, dass im Streitfall das im Anschluss an das Bachelorstudium durchgeführte Masterstudium nicht als weitere, sondern noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu werten ist. Er stellte insoweit darauf ab, dass Bachelor- und Masterstudium in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang durchgeführt wurden (sog. konsekutives Masterstudium) und sich daher als integrative Teile einer einheitlichen Erstausbildung darstellten. Da die Erstausbildung im Streitfall mit der Erlangung des Bachelor-Abschlusses noch nicht beendet war, kam es nicht darauf an, dass der Sohn der Klägerin bis zur Erlangung des Masterabschlusses mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet hatte.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 78/15 vom 18.11.2015 zum Urteil VI R 9/15 vom 03.09.2015

 

Unentgeltliche Überlassung eines Fitnessstudios an Arbeitnehmer ist umsatzsteuerbar

Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 1. Oktober 2015 (Az. 5 K 1994/13 U) entschieden, dass die unentgeltliche Nutzung eines Fitnessstudios und anderer Sportangebote durch Arbeitnehmer Umsatzsteuer auslöst.

Die Klägerin – eine GmbH – unterhielt ein Fitnessstudio, das ihre Arbeitnehmer außerhalb der Dienstzeiten unentgeltlich nutzen konnten. Daneben bot sie den Arbeitnehmern verschiedene Kurse (z. B. Spinning, Aerobic, Step-Aerobic, Pilates, Rückenschule und Nordic-Walking) ebenfalls unentgeltlich an.

Das Finanzamt sah hierin einen umsatzsteuerpflichtigen Sachbezug und setzte für die Überlassung den auch für Zwecke der Lohnsteuer (einvernehmlich) zu Grunde gelegten Wert in Höhe von 33,60 Euro (brutto) pro Monat und Person an. Die Klägerin war demgegenüber der Auffassung, dass die Zurverfügungstellung von Sportanlagen nicht umsatzsteuerbar sei, weil es sich um Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands ihrer Arbeitnehmer handele.

Der Senat gab der Klage teilweise statt. Die Überlassung der Sporteinrichtungen an die Arbeitnehmer stelle zunächst keine entgeltliche Leistung in Form eines tauschähnlichen Umsatzes dar. Im Streitfall könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitnehmer einen Teil ihrer Arbeitsleistung als Gegenleistung für die Nutzung der Sportanlagen aufgewendet haben. Dies folge daraus, dass sowohl der Umfang der auszuführenden Arbeitsleistungen als auch die Höhe des gezahlten Barlohns unabhängig von der Inanspruchnahme der Sachzuwendungen seien.

Allerdings liege eine unentgeltliche Wertabgabe an die Arbeitnehmer für deren privaten Bedarf vor. Das Fitnessstudio und die Kursangebote habe die Klägerin den Arbeitnehmern nicht überwiegend aus betrieblichem Interesse zur Verfügung gestellt. Dies sei bei gesundheitsfördernden Trainingsprogrammen nur ausnahmsweise dann der Fall, wenn hiermit einer spezifisch berufsbedingten Beeinträchtigung der Gesundheit vorgebeugt oder ihr entgegengewirkt werden solle. Dagegen lägen allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen in erster Linie im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer. Im Streitfall folge das persönliche Interesse der Arbeitnehmer daraus, dass die Teilnahme am Sportangebot freiwillig gewesen und außerhalb der Dienstzeit erfolgt sei.

Schließlich handele es sich bei der dauerhaften Zurverfügungstellung eines Fitnessstudios mit Angeboten nicht um bloße Aufmerksamkeiten. Als Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht der lohnsteuerliche Wert des Sachbezugs in Betracht, sondern lediglich die der Klägerin für die Unterhaltung der Sporteinrichtungen entstandenen Ausgaben. Da dieser Wert niedriger war, hatte die Klage insoweit Erfolg.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 16.11.2015 zum Urteil 5 K 1994/13 U vom 01.10.2015

 

Gewerbesteuerpflicht von Behandlungen im Rahmen einer Psychotherapeutenausbildung

Erlöse aus der Behandlung von Patienten durch Auszubildende, die die Ausbildungseinrichtung im Rahmen der Psychotherapeutenausbildung erzielt, unterliegen der Gewerbesteuer. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 31.08.2015 (Az. 9 K 2097/14 G – LEXinform 5018398) entschieden.

Die Klägerin ist eine GmbH, die Psychotherapeuten ausbildet. Neben Schulungsräumen unterhält sie auch psychotherapeutische Ambulanzen, in denen gesetzlich krankenversicherte Patienten von Auszubildenden unter fachlicher Aufsicht behandelt werden. Über diese Behandlungen rechnet die Klägerin mit den gesetzlichen Krankenkassen über die kassenärztliche Vereinigung ab. Sie behandelte sowohl die Anmeldegebühren der Auszubildenden als auch die Erlöse aus den Behandlungsleistungen als umsatzsteuer- und als gewerbesteuerfrei. Das Finanzamt war demgegenüber der Auffassung, dass die Klägerin zwar insgesamt umsatzsteuerfreie Leistungen erbringe, jedoch mit den Behandlungsleistungen der Gewerbesteuer unterliege.

Dies sah das Gericht ebenso und wies die Klage ab. Von der Gewerbesteuer seien berufsbildende Einrichtungen – wie die der Klägerin – nur nach § 3 Nr. 13 GewStG befreit, soweit ihre Leistungen gemäß § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei seien. Hierunter fielen nur die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen. Die Klägerin erbringe mit den Behandlungsmaßnahmen zwar auch Ausbildungsleistungen gegenüber ihren Schülern, die hierdurch die für die Berufsausbildung notwendigen Praxiserfahrungen sammeln könnten. Die hierin liegenden nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen erbringe sie jedoch allein gegenüber den Patienten, mit denen eine eigenständige Rechtsbeziehung bestehe. Nur hierfür werde sie von den Krankenkassen vergütet, nicht aber für die damit im Zusammenhang stehenden Ausbildungsmaßnahmen. Eine Betrachtung als einheitlicher Vorgang scheide daher aus.

Die Klägerin könne sich für Zwecke der Gewerbesteuer auch nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen, wonach mit der Aus- und Fortbildung verbundene Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit seien. Diese Regelung entfalte nur Bindungswirkung für das Umsatzsteuerrecht. Auch eine analoge Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 13 GewStG scheide vorliegend aus.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.11.2015 zum Urteil 9 K 2097/14 G vom 31.08.2015

 

Höchstrichterlich bestätigt: Entfernungspauschale bei Dreiecksfahrten

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 19. Mai 2015 (VIII R 12/13) die Rechtsauffassung des 11. Senats des Finanzgerichts Münster im Urteil vom 19. Dezember 2012 (Az. 11 K 1785/11 F) zur Höhe des Betriebsausgabenabzugs für sog. Dreiecksfahrten eines selbstständigen Steuerberaters weitgehend bestätigt. Hierbei handelt es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb, bei denen eine Einzelfahrt am Tag durch einen Mandantenbesuch unterbrochen wird (entweder Wohnung-Mandant-Büro-Wohnung oder Wohnung-Büro-Mandant-Wohnung).

Der Kläger ermittelte die Privatnutzungsanteile für seine betrieblichen Pkw durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Dabei behandelte er bei den Dreiecksfahrten stets alle drei Teilstrecken als betriebliche Fahrten. Das Finanzamt erkannte den vollen Betriebsausgabenabzug lediglich für die Teilstrecken an, die unmittelbar beim Mandanten begannen oder endeten. Für die unmittelbare Fahrt zwischen Wohnung und Betrieb setzte es nur die hälftige Entfernungspauschale (0,15 Euro pro Entfernungskilometer) an.

Das Finanzgericht Münster gab der Klage teilweise statt. Es gewährte dem Kläger für die direkten Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb zwar nicht den vollen Betriebsausgabenabzug, aber die ganze Entfernungspauschale (0,30 Euro pro Entfernungskilometer). Die Betriebsausgaben seien für Strecken zwischen Wohnung und Betrieb auf die Entfernungspauschale begrenzt. Entgegen der Ansicht des Finanzamts könne allerdings keine Begrenzung auf die Hälfte der Entfernung vorgenommen werden, auch wenn für einen der beiden Wege bereits ein voller Betriebsausgabenabzug gewährt wurde.

Dem folgte der Bundesfinanzhof insoweit, als er den vom Kläger begehrten vollen Betriebsausgabenabzug für die Dreiecksfahrten nicht zuließ, denn durch die Entfernungspauschale seien sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte veranlasst sind. Auch die vom Finanzamt verfolgte hälftige Kürzung der Entfernungspauschale ließ der Bundesfinanzhof – ebenso wie das Finanzgericht Münster – nicht zu. Ungeachtet der Unterbrechungen durch Mandantenbesuche handele es sich insgesamt um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte, weil sich der jeweilige Zielort nicht ändere.

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts Münster dennoch auf, weil der Kläger im Ergebnis neben der Entfernungspauschale die vollen Fahrtkosten für die Strecke der jeweiligen „Umwegfahrt“ (Wohnung-Mandant-Büro bzw. Büro-Mandant-Wohnung) und damit einen zu hohen Betriebsausgabenabzug erhalten habe. Die Höhe der Saldierung wird im zweiten Rechtsgang zu klären sein.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.11.2015 zum Urteil des BFH VIII R 12/13 vom 19.05.2015

 

Mindestlohn als Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann durch Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass ein Mindestlohn gezahlt wird. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, vom Verfahren zur Vergabe eines Auftrags ausgeschlossen wird.

Im Juli 2013 schloss die Stadt Landau (Rheinland-Pfalz, Deutschland) das deutsche Unternehmen RegioPost von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Postdienstleistungen der Stadt1 aus, weil sich dieses Unternehmen entgegen den Bestimmungen der Vergabebekanntmachung auch nach Aufforderung nicht verpflichtet hatte, den Beschäftigten, die im Fall des Zuschlags zur Ausführung der Leistungen eingesetzt würden, einen Mindestlohn zu zahlen.

Sowohl die Vergabebekanntmachung als auch die Vergabeunterlagen nahmen auf ein Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz2 Bezug, wonach in diesem Land öffentliche Aufträge nur an Unternehmen (und Nachunternehmer) vergeben werden dürfen, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, den zur Ausführung der Leistungen eingesetzten Beschäftigten ein Mindestentgelt von (während des im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums) 8,70 Euro brutto pro Stunde zu zahlen. Im maßgebenden Zeitraum gab es in Deutschland für die Postdienstleistungsbranche keinen Tarifvertrag über einen verbindlichen Mindestlohn. Erst später wurde dort ein allgemein verbindlicher Mindestlohn eingeführt3.

Das von RegioPost angerufene Oberlandesgericht Koblenz (Deutschland) fragt den Gerichtshof, ob diese Rechtsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge4 vereinbar sind. Nach dieser Richtlinie können die öffentlichen Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind und in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Diese Bedingungen können u. a. soziale Aspekte betreffen.

Mit seinem Urteil vom 17.11.2015 stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Der Gerichtshof sieht in der fraglichen Verpflichtung eine nach der Richtlinie grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausführung des Auftrags bezieht und soziale Aspekte betrifft. Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass diese Verpflichtung im vorliegenden Fall sowohl transparent als auch nichtdiskriminierend ist. Sie ist auch mit einer weiteren Richtlinie der Union, der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern5, vereinbar, da sie sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, die einen Mindestlohnsatz im Sinne dieser Richtlinie vorsieht. Der in Rede stehende Mindestlohn gehört daher zu dem Schutzniveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden muss.

Zwar gilt der in Rede stehende Mindestlohn nur für öffentliche Aufträge und nicht für private Aufträge, doch ist diese Beschränkung die bloße Folge des Umstands, dass es für diesen Bereich spezielle Regeln des Unionsrechts gibt (im konkreten Fall die der Richtlinie 2004/18). Auch wenn der Mindestlohn geeignet ist, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken6, kann er grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein. Der Gerichtshof differenziert insoweit zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache Rüffert7.

Der Gerichtshof entscheidet darüber hinaus, dass die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Ebenso wie die Richtlinie dem Erfordernis der Abgabe einer schriftlichen Erklärung über die Einhaltung des Mindestlohns nicht entgegensteht, gestattet sie nämlich auch den Ausschluss eines Bieters, der sich weigert, eine solche Verpflichtung einzugehen, von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags.

1Der öffentliche Auftrag betraf insbesondere den Abschluss eines Rahmenvertrags über die Abholung, Beförderung und Zustellung von Briefen, Päckchen und Paketen. Die vorgesehene Vertragslaufzeit betrug zwei Jahre und war höchstens zweimal um je ein Jahr verlängerbar. Da der Wert des öffentlichen Auftrags weit über 200.000 Euro hinausging, wurde er unionsweit ausgeschrieben.
2Rheinland-pfälzisches Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (Landestariftreuegesetz) vom 1. Dezember 2010. Mit diesem Gesetz will das Land Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegenwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme mildern.
3Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) sieht ab dem 1. Januar 2015 grundsätzlich für alle Arbeitnehmer einen Mindestbruttolohn von 8,50 Euro pro Stunde vor.
4Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114, berichtigt im ABl. 2004, L 351, S. 44, und im ABl. 2008, L 198, S. 74) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 (ABl. L 319, S. 43) geänderten Fassung.
5Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1).
6Vgl. hierzu auch das Urteil des Gerichtshofs vom 18. September 2014, Bundesdruckerei (C-549/13, siehe auch Pressemitteilung Nr. 129/14).
7Urteil des Gerichtshofs vom 3. April 2008, Rüffert (C-346/06, siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/08). In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Lohnsatz, der in einem nicht für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag in einem Mitgliedstaat, in dem es ein entsprechendes System gibt, festgelegt worden ist, Erbringern grenzübergreifender Dienstleistungen, die Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entsenden, nicht durch eine auf die Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbare gesetzliche Maßnahme dieses Mitgliedstaats vorgeschrieben werden darf. Im vorliegenden Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das Urteil Rüffert einen nur für die Baubranche (und nicht für private Aufträge) geltenden Tarifvertrag betraf, der nicht für allgemein verbindlich erklärt worden war. Überdies hatte der Gerichtshof im Urteil Rüffert darauf hingewiesen, dass der im Tarifvertrag festgelegte Lohnsatz den für die betreffende Branche nach dem deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) geltenden Mindestlohnsatz überschritt. Der Mindestlohnsatz, der durch die in der vorliegenden Rechtssache fragliche Maßnahme vorgeschrieben wird, wird indessen in einer Rechtsvorschrift festgelegt, die als zwingende Bestimmung über ein Mindestmaß an Schutz grundsätzlich allgemein und branchenunabhängig für die Vergabe aller öffentlichen Aufträge im Land Rheinland-Pfalz gilt. Darüber hinaus gewährt diese Rechtsvorschrift ein Mindestmaß an sozialem Schutz, da in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum weder das AEntG noch eine andere nationale Regelung einen niedrigeren Mindestlohn für die Branche der Postdienstleistungen vorsah.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 17.11.2015 zum Urteil C-115/14 vom 17.11.2015

 

Deutschland soll seine Erbschaftsteuer-vorschriften mit dem EU-Recht in Einklang bringen

Die Europäische Kommission hat Deutschland aufgefordert, seine Erbschaftsteuervorschriften über besondere Versorgungsfreibeträge mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen.

Nach deutschem Recht können die deutschen Steuerbehörden überlebenden Ehepartnern oder Lebenspartnern eines Verstorbenen nur dann einen besonderen Versorgungsfreibetrag gewähren, wenn entweder der Erbe oder der Erblasser oder beide in Deutschland steuerpflichtig waren. Überlebenden Ehepartnern oder Lebenspartnern steht dieser Versorgungsbeitrag nicht zu, wenn sie in Deutschland befindliche Vermögenswerte oder Investitionen erben, der Erblasser und der Erbe jedoch in einem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind.

Nach Auffassung der Kommission handelt es sich dabei um eine ungerechtfertigte Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Artikel 63 Absatz 1 AEUV), da der Wert des Nachlasses gemindert wird, wenn die Kriterien bezüglich der Steuerpflicht nicht erfüllt sind. Zudem könnte dies Staatsangehörige anderer EU-Staaten davon abhalten, ihr Kapital in Vermögenswerte in Deutschland zu investieren. Die Aufforderung der Kommission ergeht in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme. Sollte die Kommission binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort erhalten, kann sie Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union verklagen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 19.11.2015

 

Beitrag bleibt, Rente steigt

Die Rentenbeiträge für 2016 bleiben voraussichtlich bei 18,7 Prozent. Die Rente soll nach Berechnungen des Rentenversicherungsberichts zum 1. Juli 2016 um 4,4 Prozent in den alten und um 5 Prozent in den neuen Bundesländern steigen. Den Bericht hat das Bundeskabinett jetzt beschlossen.

Jedes Jahr im November erscheint der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung. Er enthält Angaben zu Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung. Der Bericht gibt einen Ausblick auf die Finanzentwicklung der nächsten 15 Jahre.

Nachhaltigkeitsrücklage gleicht Schwankungen aus
Die Deutsche Rentenversicherung zahlt jeden Monat rund 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern pünktlich ihre Altersbezüge aus. Damit das reibungslos funktioniert, braucht sie eine gewisse Reserve. Denn die Rente wird im Umlageverfahren finanziert. Das heißt: Die monatlichen Beitragszahlungen und Einnahmen werden sogleich für die laufenden Ausgaben eingesetzt.

Die Nachhaltigkeitsrücklage soll sowohl Schwankungen im Beitragsaufkommen als auch konjunkturelle Schwankungen auffangen. Das Gesetz schreibt vor, dass sie mindestens 0,2 durchschnittliche Monatsausgaben der Rentenversicherung betragen muss. Ihr oberer Zielwert (Höchstrücklage) soll 1,5 Monatsausgaben nicht überschreiten.

Rücklage gibt Ausschlag für Beitragshöhe
Droht sie unter den unteren Grenzwert zu sinken, steigt im folgenden Jahr der Beitrag. Droht sie im Folgejahr über den oberen Grenzwert zu steigen, sinkt der Beitragssatz. Das funktioniert so: Im Herbst eines jeden Jahres wird berechnet, ob am Ende des Folgejahres eine Über- oder Unterschreitung droht. Wird dabei festgestellt, dass die Nachhaltigkeitsrücklage das 1,5-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe überschreitet, wird der Beitragssatz für das Folgejahr gesenkt. Ergeben die Berechnungen eine Unterschreitung, wird der Beitragssatz erhöht.

Für 2016 sieht das laut Rentenversicherungsbericht folgendermaßen aus: Die Nachhaltigkeitsrücklage liegt stabil an ihrem oberen Grenzwert, deswegen kann der Beitrag für 2016 bei 18,7 Prozent bleiben. Nach den Prognosen bleibt die Nachhaltigkeitsrücklage bis 2020 auf diesem Niveau. Für den Beitragssatz bedeutet dies, dass er bis zum Jahr 2020 bei 18,7 Prozent gehalten werden könnte. Erst längerfristig steigt er schrittweise über 20,4 Prozent im Jahr 2025 an, bis auf 21,5 Prozent im Jahr 2029.

Rentenerhöhung erwartet
Der Rentenversicherungsbericht beleuchtet auch die Altersbezüge für Rentnerinnen und Rentner. Sie könnten ab Juli 2016 um 4,4 Prozent in den alten und 5 Prozent in den neuen Bundesländern steigen. Eine so kräftige Erhöhung gab es in den neuen Bundesländern zuletzt 1997. Damals erhielten Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland ein Plus von 5,5 Prozent. In den alten Bundesländern liegt eine derartig deutliche Erhöhung noch länger zurück: Zum 1. Juli 1993 gab es in Westdeutschland 4,36 Prozent mehr Rente.

Was heißt das fürs Portemonnaie?
Die durchschnittliche Monatsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt (Werte aus dem Jahr 2014) 869,32 Euro. Männer erhalten im Durchschnitt eine monatliche Zahlung von 1.013,42 Euro. Bei den Frauen überweist die Rentenkasse im Schnitt 762,11 Euro monatlich.

Diese Zahlen geben jedoch kein vollständiges Bild über die tatsächlich zur Verfügung stehenden monatlichen Einkünfte von Senioren in Deutschland. Laut Alterssicherungsbericht der Bundesregierung aus dem Herbst 2012 erreichen Senioren-Ehepaare im Durchschnitt ein monatliches Netto-Einkommen von 2.537 Euro (alte Bundesländer), beziehungsweise 2.019 Euro (neue Bundesländer). Alleinstehende Senioren beziehen in den alten Bundesländern durchschnittlich 1.615 Euro (Männer) / 1.310 Euro (Frauen) beziehungsweise in den neuen Bundesländern 1.310 Euro (Männer) und 1.219 Euro (Frauen).

Rentenniveau abgesichert
Das Sicherungsniveau lag bei 48,1 Prozent im Jahr 2014 und geht – nach den Modellrechnungen – im Jahr 2020 auf 47,6 Prozent. 2029 liegt es laut Prognose schließlich bei 44,6 Prozent. Es bildet eine Standardrente gemessen am Durchschnittsentgelt ab. Das Sicherungsniveau darf bis zum Jahr 2020 nicht unter 46 Prozent oder bis zum Jahr 2030 nicht unter 43 Prozent sinken. Die Zahlen zeigen, dass die vom Gesetz vorgeschriebene Untergrenze langfristig eingehalten werden wird. Im Falle, dass die gesetzlich definierte Grenze unterschritten würde, müsste die Bundesregierung geeignete Schritte vorschlagen.

Betrieblich und privat vorsorgen
Klar ist durch den Rückgang des Sicherungsniveaus aber auch: Die gesetzliche Rente wird zukünftig alleine nicht ausreichen, um den Lebensstandard im Alter fortzuführen. Deshalb fördert der Staat mit dem Alterseinkünftegesetz, auch bekannt als Riester-Rente, private und betriebliche Vorsorge. Die gesetzliche Rentenversicherung ist die tragende Säule der Altersversorgung. Wichtig ist allerdings auch, private Vorsorge zu treffen.

Ost- und Westdeutschland
Rentenniveau Ost und West nähern sich weiter an: Der Rentenwert (Ost) könnte zum 1. Juli 2016 von derzeit 92,6 auf 93,2 Prozent des Westniveaus steigen. Darin spiegelt sich die positive zukünftige Lohnentwicklung in den neuen Ländern wider.

Rente mit 67
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Gleichzeitig geht die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zurück. Deshalb ist die schrittweise Anhebung der Altersgrenze für die Regelaltersrente vom 65. auf das 67. Lebensjahr bis 2029 ein wichtiger rentenpolitischer Schritt. So wird das Versorgungsniveau durch die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert. Andererseits wollen inzwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Teil länger arbeiten. Besonders, wenn sie sich fit fühlen und ihre Fachkenntnisse nachgefragt werden.

Rentenversicherungsbericht – Gesetzlicher Auftrag
Der Rentenversicherungsbericht stellt die Finanzentwicklung der Deutschen Rentenversicherung in den kommenden 15 Jahren dar. Es handelt sich um Modellrechnungen, die – analog zu den Berichten der Vorjahre – von der geltenden Rechtslage ausgehen. Einmal pro Legislaturperiode ergänzt der Alterssicherungsbericht den jährlichen Rentenversicherungsbericht. Zuletzt wurde dieser im November 2012 vorgelegt.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 18.11.2015

 

Kindergeld 2016: BdSt klärt auf

Steuer-ID ist bald erforderlich/Familienkassen akzeptieren Nachreichen

Familien können sich zum Jahreswechsel erneut über ein höheres Kindergeld bzw. einen höheren Kinderfreibetrag freuen. Wichtig: Die Familienkassen benötigen ab 2016 die Steuer-Identifikationsnummer von Kindern und Eltern. Deshalb muss die Steuer-ID des Elternteils, der das Kindergeld erhält, sowie die Steuer-ID des Kindes bei der Familienkasse angegeben werden. Damit soll vermieden werden, dass Kindergeld mehrfach ausgezahlt wird.

In den sozialen Medien grassierte die Nachricht, dass bei fehlenden ID-Nummern das Kindergeld ab Januar 2016 nicht mehr ausgezahlt wird. Dies trifft nicht zu! So hat das Bundeszentralamt für Steuern versichert, dass Eltern die ID-Nummern im Laufe des Jahres nachreichen können.

Bei Neuanträgen werden die ID-Nummern von Kind und Elternteil direkt abgefragt. Eltern, die schon Kindergeld beziehen und die Steuer-ID-Nummern noch nicht angegeben haben, sollten dies nachholen. Unser Tipp: Eltern sollten nicht zu lange warten! Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Angabe der ID-Nummern vergessen wird und dann die Auszahlung des Kindergeldes in Gefahr gerät bzw. seit dem 1. Januar 2016 ausgezahltes Kindergeld zurückgefordert wird. Die ID-Nummern müssen der Familienkasse schriftlich übermittelt werden.

Die ID-Nummer des Kindes wurde den Eltern vom Bundeszentralamt für Steuern per Post zugeschickt. Ist das Schreiben verloren gegangen, sollten sich Eltern an das genannte Zentralamt wenden. Die eigene Steuer-ID finden Eltern im Einkommensteuerbescheid, auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers und im Mitteilungsschreiben des Bundeszentralamtes für Steuern.

Hintergrund
Das Kindergeld wird im kommenden Jahr um zwei Euro pro Monat erhöht. Es beträgt für das erste und das zweite Kind damit monatlich jeweils 190 Euro, für das dritte Kind 196 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 221 Euro. Künftig wird das Kindergeld aber nur dann ausgezahlt, wenn die Steuer-Identifikationsnummern vorliegen.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 13.11.2015

 

Finanzdatenaustausch beschlossen

Der Finanzausschuss hat am 11.11.2015 den Weg für einen internationalen Austausch über Finanzdaten freigemacht, so dass im Ausland erzielte Kapitalerträge den inländischen Finanzbehörden gemeldet werden. Im Gegenzug werden die Finanzdaten ausländischer Anleger an deren Heimatländer weitergegeben. Die Forderungen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen nach einem schnellen Eintritt in Beratungen über die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge hielten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für verfrüht. Sie lehnten daher entsprechende Anträge der Opposition ab.

Mit den Stimmen aller Fraktionen billigte der Ausschuss die am 29. Oktober 2014 unterzeichnete internationale Vereinbarung über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (18/5919). Außerdem stimmte der Ausschuss dem Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer Gesetze (18/5920, 18/6290), mit dem der Vertragsinhalt in deutsches Recht umgesetzt wird. Zuvor waren zwei von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderungsanträge zu dem Gesetz beschlossen werden.

Zur wirksamen Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung wollen die Vertragsparteien die für Besteuerungsverfahren in anderen Vertragsstaaten erforderlichen Informationen über Finanzkonten regelmäßig erheben und ab 2017 dem anderen Vertragsstaat übermitteln. Finanzinstitute müssen daher in Zukunft einmal im Jahr bestimmte Daten von Konten übermitteln, damit die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung zum Austausch von Finanzinformationen nachkommen kann. Zur Begründung heißt es in dem Entwurf, in den zurückliegenden Jahren hätten sich grenzüberschreitender Steuerbetrug und grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Herausforderung für die Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten entwickelt. „Der gestiegenen Anzahl von Möglichkeiten, international investieren und sich aufgrund fehlender steuerrechtlicher Transparenz einer korrekten Besteuerung entziehen zu können, kann mit einem zeitnahen Austausch steuerrelevanter Informationen zwischen den Finanzverwaltungen der einzelnen Staaten begegnet werden“, erwartet die Bundesregierung.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion sprach von einem grundlegenden Schritt zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die durch den Informationsaustausch in vielen Fällen ihre Grundlage verliere. Mittlerweile hätten 74 Länder die internationale Vereinbarung unterschrieben, insgesamt könnten sich sogar 94 Staaten dem Informationsaustausch anschließen. Mit Blick auf die von der Opposition geforderte Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge sagte der Sprecher, es empfehle sich, bis 2017 abzuwarten. Dann könne diskutiert werden, welche Konsequenzen aus dem Informationsaustausch gezogen werden könnten. Ein Sprecher der SPD-Fraktion schloss sich dieser Einschätzung ausdrücklich an. Der beschlossene Informationsaustausch sei ein großer Beitrag zu mehr Transparenz, Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit. Der Sprecher der SPD-Fraktion hob außerdem hervor, dass die Bußgelder für Finanzinstitute bei Verstößen gegen die Informationspflichten per Änderungsantrag auf 50.000 Euro angehoben worden seien. Im Regierungsentwurf waren 5.000 Euro vorgesehen.

Die Oppositionsfraktionen begrüßten zwar die Einführung des Informationsaustausches, verlangten aber als nächsten Schritt die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, die anonym erhoben wird und mit 25 Prozent in vielen Fällen günstiger ist als die persönlichen Steuersätze. Der Informationsaustausch sei seit vielen Jahren eine ihrer Kernforderungen, hieß es von der Fraktion Die Linke. Der Austausch bedeute das Ende des Bankgeheimnisses, das zur Steuerhinterziehung benutzt worden sei. Die Sanktionen seien aber auch mit 50.000 Euro Bußgeld für Finanzinstitute immer noch „lächerlich wenig“. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von einem „Durchbruch“ beim Informationsaustausch. Man dürfe jetzt aber nicht stehenbleiben, hieß es von der Fraktion mit Blick auf die Abgeltungsteuer. Für die Beibehaltung dieser Steuer, die einst zur Verhinderung von Kapitalflucht ins Ausland eingeführt worden war, gebe es jetzt keine Begründung mehr. Daher sollte ihre Abschaffung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden.

Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD lehnte der Ausschuss drei Anträge der Oppositionsfraktionen ab. Die Fraktion Die Linke fordert die Abschaffung der Abgeltungsteuer. Die Besteuerung von Kapitalerträgen soll stattdessen wieder mit dem persönlichen Steuersatz der Steuerpflichtigen erfolgen, heißt es in einem Antrag (18/2014) der Fraktion. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (18/6064), dass sämtliche Kapitalerträge im Rahmen der jährlichen Steuererklärung beim Finanzamt anzugeben sind.

Im dritten Antrag fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6065), dass die Banken alle Kapitalerträge für das Besteuerungsverfahren ab 2016 an das Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise an die zuständigen Finanzbehörden melden müssen – und zwar unabhängig von Wohnsitz und Steuerpflicht des Anlegers. Zugleich wird gefordert, dass die gemeldeten Daten durch das „strikte deutsche Steuergeheimnis“ geschützt werden, „um sicherzustellen, dass diese Daten nicht für andere Zwecke verwendet werden oder an andere Stellen weitergeleitet werden“.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 11.11.2015

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin