Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abziehbar?

Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abziehbar?

Kernaussage
Nach dem Gesetz bekommt den Pflichtteil ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Das gleiche Recht steht auch den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu. Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, erlischt der Pflichtteilsanspruch zivilrechtlich. Erbschaftsteuerlich behält er hingegen sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils.

Sachverhalt
Der im Jahre 2003 verstorbene Vater der Klägerin wurde von ihrer Mutter aufgrund eines so genannten Berliner Testaments allein beerbt. Erbschaftssteuer war für diesen Erwerb von Todes wegen nicht festzusetzen, weil die der Mutter zustehenden Freibeträge nicht überschritten waren. Die Klägerin ist Alleinerbin der später verstorbenen Mutter. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen sie fest, ohne dabei den der Klägerin aufgrund der Enterbung durch den Vater zustehenden Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Die Klägerin teilte dem Finanzamt daraufhin mit, den bisher noch nicht verjährten Pflichtteilsanspruch nunmehr geltend zu machen und bat um entsprechende Reduzierung des auf sie übergegangenen Nachlasses der Mutter. Das Finanzamt folgte dem nicht.

Entscheidung
Der BFH gab der Klägerin schließlich Recht. Zu den nach dem Erbschaftsteuergesetz abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen. Damit übereinstimmend gilt ein Pflichtteilsanspruch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird. Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete (hier die Mutter) vor erlöschen des Pflichtteilsanspruchs, so ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sodann dessen Erbe verpflichtet. Wird der Anspruch dann geltend gemacht, wirkt dies erbschaftsteuerlich auf den ursprünglichen Nachlass (hier der Nachlass des Vaters) zurück. Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Verpflichtete nicht damit rechnen musste, den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen. Zivilrechtlich kann die Erfüllung des Anspruchs dann nicht mehr verlangt werden, wenn eine Konfusion von Forderung und Schuld in einer Person entsteht (wie hier bei der Klägerin der Fall). Das Erbschaftsteuerrecht folgt hinsichtlich dieser Konfusion allerdings nicht der zivilrechtlichen Beurteilung. Vielmehr gelten die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen.

Konsequenz
Selbst wenn ein Steuerschuldner zugleich Pflichtteilsberechtigter und Pflichtteilsverpflichteter in einer Person sind, kann er vor Verjährung des Anspruchs diesen steuerrechtlich geltend machen und ihn als Nachlassverbindlichkeit abziehen.