Prüfungspflicht einer Bank in Bezug auf die Erbenstellung

Prüfungspflicht einer Bank in Bezug auf die Erbenstellung

Kernaussage

Zum Nachweis der Erbenlegitimation muss die Bank keinen Erbschein verlangen, wenn ihr ein notariell beurkundetes und eröffnetes Testament vorgelegt wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Bank widersprechende letztwillige Verfügungen vorgelegt werden. Ergibt sich nämlich kein zwingender Widerspruch, darf sich die Bank auf das Testament verlassen, denn eine Auslegung kann in ihrem Tagesgeschäft nicht verlangt werden.

Sachverhalt

Der Kläger ist durch einen notariell beurkundeten Erb- und Verzichtsvertrag seiner Eltern aus dem Jahr 1980 Alleinerbe seines im Jahr 2005 letztverstorbenen Vaters. Der Erbvertrag enthält eine Vorbehaltsklausel zugunsten des Erblassers, wonach eine Abänderung, Aufhebung oder neue einseitige Verfügungen von Todes wegen zulässig bleiben. Im Jahr 2004 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament zugunsten seiner Lebensgefährtin als Alleinerbin. Bei der beklagten Bank unterhielt der Erblasser ein Depot mit Fondsanteilen im Wert von 80.000 EUR. Unter Vorlage des notariellen Testaments sowie des Erb- und Verzichtsvertrages durch die Lebensgefährtin übertrug die Beklagte dieser die Fondsanteile. Der Kläger verlangt von der Bank Schadensersatz in Höhe des Wertes der Fondsanteile sowie weiteren entgangenen Gewinn wegen Verletzung der Prüfpflichten aus dem Depotvertrag. Das Landgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Bank vor dem Oberlandesgericht hatte Erfolg.

Entscheidung

Die Regelungen des Depotvertrages enthalten für die Beklagte das Recht, die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen. Eine Pflicht kann hieraus nicht abgeleitet werden. Die unterschiedlichen Regelungen des Erbvertrages und des Testaments begründen auch keine Prüfungspflicht hinsichtlich der Erbenlegitimation durch die Bank. Es ist nämlich zulässig, dass die Parteien in dem Erbvertrag dem Erblasser das Recht vorbehalten, in einer späteren letztwilligen Verfügung abweichende Bestimmungen zu treffen, solange der Erbvertrag durch diesen Vorbehalt nicht gänzlich ins Leere geht. Eine solche Prüfungspflicht kann im Tagesgeschäft der Banken nicht gefordert werden. Da beide Verfügungen vor demselben Notar beurkundet wurden und dieser verpflichtet ist, deren rechtliche Zulässigkeit und Wirksamkeit zu prüfen, durfte die Bank auf die Wirksamkeit des Testaments vertrauen.

Konsequenz

Der Erbschein bekundet als formalisierter Nachweis, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen dieser unterliegt. Wird die Vorlage eines Erbscheins in das Ermessen einer Bank gestellt, liegt das Risiko bei Zahlung an den Scheinerben gemäß diesem Urteil grundsätzlich beim Erben.